VwGH 2011/09/0188

VwGH2011/09/018822.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerden 1. des HJ, 2. des GH, beide in B bei S, beide vertreten durch Haslinger / Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Roseggerstraße 58, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg

  1. 1.) vom 7. Juni 2011, Zl. UVS-11/11125/46-2011,
  2. 2.) vom 8. Juni 2011, Zl. UVS-11/11128/47-2011, betreffend Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesministerin für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
VStG §19;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
VStG §19;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 57,40 (insgesamt EUR 114,80) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wurden die Beschwerdeführer jeweils schuldig erkannt, sie haben als handelsrechtliche Geschäftsführer zur Tatzeit und somit als die gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenen Organe der S GmbH (nunmehr: A GmbH) als Arbeitgeber mit Sitz in S zu verantworten, dass von dieser 99 näher bezeichnete ungarische Staatsangehörige in zwischen einem Tag und mehreren Monaten liegenden, näher ausgeführten Tatzeiten in B beschäftigt worden seien, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.

Die Beschwerdeführer haben dadurch jeweils 99 Übertretungen gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurden abgestuft nach der Länge der Beschäftigungsdauer jeweils 99 Geldstrafen in der Höhe zwischen EUR 2.000,-- bis EUR 4.000,-- (im Nichteinbringungsfall jeweils Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diese Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschlüssen vom 19. September 2011, B 926/11-3 (betreffend den Erstbeschwerdeführer) und B 925/11-3 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer) ihre Behandlung ab und trat sie über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerden machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:

Wie die Beschwerdeführer bereits in ihrer Berufung vorbrachten, wurde "hinsichtlich sämtlicher hier gegenständlicher 99 ungarischer Staatsbürger … seitens der M Kft die Ausstellung einer Entsendebestätigung beim AMS Salzburg beantragt. … Sämtliche Abweisungen" seien bekämpft worden und es seien "diesbezüglich zahlreiche Verfahren vor dem VwGH anhängig". Diese Beschwerden beträfen "ausschließlich die hier gegenständlichen ungarischen Staatsbürger".

In der Zwischenzeit wurden alle Beschwerden der M Kft ab- (bzw. zurück-)gewiesen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 31. Juli 2009, Zlen. 2008/09/0271, 2009/09/0134, 2008/09/0334, 2009/09/0001, 2009/09/0020, 2009/09/0045, 2009/09/0077, 2008/09/0261, und vom 30. Mai 2010, Zlen. 2011/09/0082, 2011/09/0083, 2011/09/0084, 2011/09/0085, 2011/09/0086, 2011/09/0087 und 2011/09/0088), wobei der Verwaltungsgerichtshof von einer Überlassung von Arbeitskräften durch die M Kft an die S GmbH ausging.

Die Beschwerdeführer wenden zwar ein, dass sich der im gegenständlichen Verfahren von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt von dem in den zur M Kft behandelten Fällen festgestellten Sachverhalt unterscheide.

Dies ist insofern unrichtig, als alle diese Verfahren die identen Geschäftsverhältnisse zwischen der M Kft und der S GmbH (nunmehr A GmbH) betrafen. Es lagen die gleichen Vertragsgrundlagen vor, es konnten die identen Geschäftsverhältnisse nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt denkunmöglich auch nicht in einer anderen Weise gelebt worden sein. In den vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren hat die belangte Behörde bloß in gewissem Maß andere Aspekte der wahren wirtschaftlichen Gestaltung in den Vordergrund gestellt, aus denen sich aber in gleicher Weise der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung der M Kft, nämlich die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften, ableiten lässt.

Die Beschwerdeführer behaupten in Wahrheit auch nicht, dass der wahre wirtschaftliche Gehalt in den die M Kft betreffenden rechtskräftig entschiedenen Fällen unrichtig festgestellt oder beurteilt worden wäre. Die gegenständlichen Verfahrensrügen gehen demnach ins Leere.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht deshalb keinen Anlass, von der in den abgewiesenen Beschwerden der M Kft getroffenen Beurteilung dieser Geschäftsverhältnisse als Arbeitskräfteüberlassung abzugehen (insbesondere wird hiezu auf das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2009, Zl. 2008/09/0261, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen).

Entgegen den weitwendigen Beschwerdeausführungen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, von seiner ständigen Rechtsprechung, dass hinsichtlich der Merkmale etwa des AuslBG, des AÜG, der Gewerbeordnung etc. und der hg. Rechtsprechung zur Abgrenzung von selbständiger zu unselbständiger Tätigkeit zwischen Gemeinschaftsrecht und innerstaatlichem Recht kein Unterschied besteht, weil es allein auf das Unterordnungsverhältnis ankommt (vgl. mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, das hg. Erkenntnis vom 8. August 2008, Zl. 2008/09/0163), abzurücken. Da die Überlassung von Arbeitskräften zur Beschäftigung von Arbeitnehmern zählt, beziehen sich die in der Rechtsprechung getätigten Aussagen auch auf die Tatbestände der Arbeitskräfteüberlassung (das AÜG ist in der Vorjudikatur regelmäßig ohnehin genannt).

Was die bereits in den Beschwerden an der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich behauptete Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 AÜG betrifft, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof angesichts der Ablehnung der Beschwerden durch den Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst, die Anregung auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens des § 4 Abs. 2 AÜG aufzugreifen, zumal selbst das Vorbringen der Beschwerdeführer (unter Bezugnahme auf die hg. Rechtsprechung) die verfassungskonforme Anwendbarkeit dieser Norm aufzeigt.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer sind die unionsrechtlichen Aspekte für den gegenständlichen Fall durch das Urteil des EuGH vom 10. Februar 2011, C-307/09 bis C-309/09 "Vicoplus", zur Gänze geklärt.

Auch die zur Strafbemessung geäußerten Normbedenken wurden bereits in der Beschwerde an den VfGH vorgebracht und von diesem nicht geteilt. Der Vergleich der hier verhängten Geldstrafen mit der nach dem StGB höchstens zu verhängenden Geldstrafe ist unzulässig, weil die Beschwerdeführer völlig außer Acht lassen, dass das StGB Geldstrafen nur in minderschweren Delikten und in den Fällen des § 37 StGB vorsieht und ansonsten Freiheitsstrafen androht. In der Relation handelt es sich bezogen auf das Verwaltungsstrafverfahren aber gegenständlich um einen "gewichtigen" Straffall im Rahmen des VStG.

Die Beschwerdeführer lassen auch außer Acht, dass es sich nicht um eine (einzige) Verwaltungsstrafe, sondern um eine Vielzahl gesondert zu ahndender Übertretungen handelt. Von einer Unverhältnismäßigkeit jeder einzelnen Strafe im Sinne des von den Beschwerdeführern angesprochenen Art. 49 der Grundrechte-Charta kann keine Rede sein.

Die Behauptung, die Beschwerdeführer hätten "keinen Einfluss darauf, wie viele Arbeitnehmer von M Kft konkret eingesetzt wurden" gehabt, verkennt den Schuldspruch. Denn jeder Verwender überlassener Arbeitskräfte ist Geschäftsherr darüber, wie viele derartige Arbeitskräfte er einsetzt und ihn trifft hinsichtlich jedes beschäftigten Arbeitnehmers eine Kontrollpflicht, ob durch diese Beschäftigung etwa Bestimmungen des AuslBG übertreten werden. Die Beschwerdeführer hatten entgegen ihrer Ansicht daher auch die teils lange (mehrmonatige) Beschäftigungsdauer zu verantworten (vgl. die Abstufung der Strafhöhen nach der Beschäftigungsdauer).

Alle verhängten Strafen (also auch die höchsten Strafen, welche für mehrmonatige Beschäftigungen ausgesprochen wurden) bewegen sich im untersten Bereich der gesetzlichen, von EUR 2.000,-

- bis EUR 20.000,-- reichenden Strafdrohung.

Die Beschwerdeführer rügen, es seien zu Unrecht als Erschwerungsgrund "negative abgabenrechtliche Konsequenzen" angenommen worden; die Steuern seien von der (ungarischen) M Kft entrichtet worden, "Sozialabgaben" seien in Österreich nicht zu entrichten. Das Verhalten einer fremden Gesellschaft kann aber nicht zu Gunsten der Beschwerdeführer ins Treffen geführt werden. Doch selbst wenn man den Beschwerdeführern zugestünde, dass der Erschwerungsgrund "negative abgabenrechtliche Konsequenzen" nicht vorläge, gelangte die Beschwerde aus folgenden Gründen nicht zu Erfolg:

Die Bemessung der Strafe ist eine Ermessensentscheidung der Behörde, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, d.h. ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 5. November 2010, Zl. 2010/09/0009).

Beim Verbot der Beschäftigung von nach dem AuslBG hiezu nicht berechtigten Arbeitnehmern handelt es sich um eine für die Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes besonders wichtige Norm; der Gesetzgeber hat der Einhaltung dieser Norm ein sehr großes Gewicht beigemessen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. April 2011, Zl. 2011/04/0025). Durch die illegale Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte, bzw. aus dem illegalen Inanspruchnehmen von Leistungen solcher Arbeitskräfte ist jedenfalls in Österreich Kapital zu schlagen, was auch regelmäßig der Anlass dafür ist, ausländische statt österreichische Arbeitskräfte einzusetzen. Es ist daher nicht rechtswidrig, wenn die Behörde derartige objektiv zu erzielende wirtschaftliche Vorteile in ihre Erwägung zur Strafbemessung einbezieht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 96/09/0058). Die belangte Behörde ging daher zu Recht von keinem geringen Unrechtsgehalt aus.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer kann es sie nicht entlasten, dass später (also nach Ende der gegenständlichen Beschäftigungszeiträume) um Beschäftigungsbewilligungen für die ungarischen Fleischzerleger angesucht und derartige Bewilligungen erteilt worden seien.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer trifft sie die Verpflichtung, sich mit den einschlägigen Normen ihres Betätigungsfeldes ausreichend vertraut zu machen. Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur im Falle der Erteilung einer, auf einer vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilten, unrichtigen Rechtsauskunft der für die Erteilung einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zuständigen Behörde (der regionalen Geschäftsstelle des AMS), im Vertrauen auf die Auskunft erfolgte Gesetzesverstöße nicht als Verschulden angerechnet werden könnte; hingegen ist es auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung bekannt, dass die Beschäftigung eines Ausländers grundsätzlich einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung bedarf. Unterlässt der Beschwerdeführer - wie hier - die Einholung einer Auskunft der zuständigen Behörde, kann der Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, dass sie von einem Verschulden des Beschwerdeführers ausgegangen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2011, Zl. 2008/09/0145). Auf die Auskunft von Rechtsanwälten, der deutschen Zollbehörde oder Rechtsgutachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 2003, Zl. 2003/09/0126) durfte sich der Beschwerdeführer nicht verlassen, zumal er gerade in den gegenständlichen Fällen auf Grund der für die M Kft (und damit indirekt auch für die S GmbH) negativen erstinstanzlichen Entscheidungen in den Administrativverfahren (siehe die Fälle, die den eingangs zitierten hg. Erkenntnissen vom 31. Juli 2009, Zl. 2008/09/0261 uva, zu Grunde liegen) davon ausgehen musste, dass seine Rechtsansicht verfehlt sei; dennoch wurden die gegenständlichen Ausländer beschäftigt oder deren Beschäftigung aufrechterhalten. Ein geringfügiges Verschulden liegt demnach nicht vor.

Strafsatzqualifizierend ist es, dass die Beschwerdeführer mehr als drei Ausländer beschäftigt haben, aus diesem Grund wurde der dritte Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG angewendet. Wenn die belangte Behörde dabei die "Vielzahl" der Übertretungen als erschwerend wertete, so ist im vorliegenden Fall eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführer deswegen nicht zu erkennen, weil die Beschwerdeführer unbestritten wegen deutlich mehr als drei Übertretungen bestraft worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2011, Zl. 2008/09/0097).

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2011, Zl. 2011/09/0024).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. März 2012

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