VwGH 2011/09/0113

VwGH2011/09/011326.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des HF in A, vertreten durch Mag. Martina Maria Gaspar, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Preinsbacher Straße 7, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 13. April 2011, Zl. BMASK- 41550/0012-IV/9/2010, betreffend Beschädigtenrente-Dienstbeschädigung nach dem HVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BKUVG §90 Abs1;
HVG §1 Abs1;
HVG §2 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BKUVG §90 Abs1;
HVG §1 Abs1;
HVG §2 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war vom 1. Oktober 1981 bis 31. August 1996 als "ZS" (Zeitsoldat) "Leistungssportler" bei der Heeres-Sport und Nahkampfschule (HSNS) und von 1994 bis 1996 in Berufsbildung. Nach der Stellungnahme seiner Dienststelle vom 25. November 1996 verrichtete er seinen Dienst als Leistungssportler und absolvierte er täglich ein mehrstündiges Hochleistungstraining. Am 5. August 1992 zog er sich bei den Olympischen Sommerspielen eine Knieverletzung zu. Er stellte am 28. August 1996 einen Antrag auf Anerkennung näher bezeichneter Leiden als Dienstbeschädigung und Zuerkennung einer Beschädigtenrente.

Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundessozialamtes Wien Niederösterreich Burgenland vom 9. Oktober 1998 wurden folgende Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers, die er sich in der Zeit vom 1. Oktober 1981 bis 31. August 1996 während der Ableistung des Grundwehrdienstes und des Wehrdienstes als Zeitsoldat zugezogen habe, als Dienstbeschädigung anerkannt.

  1. 1) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule
  2. 2) Polyarthralgien (Knie- und Sprunggelenke).

    Es wurde ab 1. August 1996 eine Beschädigtenrente zuerkannt.

    Hingegen wurden die Folgen der am 5. August 1992 während seiner Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen in Barcelona erlittenen Knieverletzung nicht als Dienstbeschädigungsleiden anerkannt, weil der Beschwerdeführer während der Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen dienstfreigestellt gewesen sei und somit zu dieser Zeit nicht dem im § 1 HVG angeführten Personenkreis angehört habe.

    Mit Schreiben vom 21. September 2009, eingelangt bei der Behörde erster Instanz am 22. September 2009, stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Neubemessung seiner Beschädigtenrente.

    Es sei am 5. Jänner 2001 nach dreitätiger Schwindelsymptomatik, Sprech- und Bewegungsstörungen das Fehlen oder der Verschluss der Arterie Vertebralis links, ein Kleinhirninfarkt und eine Signalminderung der extracraniellen Gefäße im Bulbusbereich beidseits festgestellt worden. 2009 sei die Schwindelproblematik samt weiteren Beschwerden (Nacken-, Hinterkopfschmerzen, Konzentrations-, Sprechprobleme, "Rauschen" im Ohr, Gangunsicherheit, "Black Outs", Flimmern vor den Augen, Angstzuständen (vgl. Orthop.-fachärztliches Gutachten Dr. K vom 4. November 2009)) schlimmer geworden, sodass er seinen Beruf als Masseur fast nicht mehr ausüben könne.

    Die Behörde erster Instanz wies mit Bescheid vom 2. Dezember 2009 diesen Antrag des Beschwerdeführers auf Erhöhung der mit Bescheid des Bundessozialamtes Wien Niederösterreich Burgenland vom 9. Oktober 1998 gewährten Beschädigtenrente ab und erkannte die geltend gemachten Gesundheitsschädigungen "Zustand nach Kleinhirninfarkt und Anlage nur einer Arteria vertebralis" nicht als Dienstbeschädigung an. Im Leidenszustand der anerkannten Dienstbeschädigungen sei keine Änderung eingetreten, das geltend gemachte Leiden stünde mit diesen in keinem Zusammenhang.

    In der ausschließlich gegen die Abweisung der geltend gemachten Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung fristgerecht erhobenen Berufung wurde vom Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, dass ein Zusammenhang des Verschlusses der Arterie vertebralis mit der als Dienstbeschädigung anerkannten Schädigung der Halswirbelsäule bestünde. Es bestehe der Verdacht, dass die vielen Schläge und Verletzungen an der Halswirbelsäule (hervorgerufen durch die Ausübung des Stabhochsprunges als Hochleistungssport im Dienste des Heeres) den Verschluss der Arterie vertebralis links herbeigeführt hätten. Die dadurch entstandene Minderdurchblutung habe einen Kleinhirninfarkt ausgelöst. Er sei diesbezüglich nicht durch einen fachlich zuständigen Arzt untersucht worden.

    Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren Sachverständigengutachten und ärztliche Stellungnahmen Dres. S vom 10. Februar 2010 und 26. Mai 2010 (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie), M vom 6. Oktober 201 und 15. Dezember 2010 (Fachärztin für Nervenkrankheiten) und K vom 2. Februar 2010 (Fachärztin für Orthopädie) ein und gab deren Inhalt im angefochtenen Bescheid wieder. Im Rahmen des Parteiengehörs legte der Beschwerdeführer neben zahlreichen ärztlichen Befunden und Auszügen aus dem Internet auch ein sportorthopädisches Gutachten des Dr. P (Facharzt u.a. für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Sportorthopädie) vom 20. April 2010 vor. Der Inhalt dieses Gutachtens wird im angefochtenen Bescheid nicht wiedergegeben, es findet sich darin lediglich eine kurze Erwähnung des Gutachtens durch Dr. K in einem Satz, der lautet:

    "Im vorliegenden Gutachten von Dr. P vom 20. April 2010 wird behauptet, dass die Abnützung der HWS zwingend wahrscheinliche als Ursache für die Durchblutungsstörung der Halswirbelsäulengefäße anzunehmen ist - diesbezügliche Beweise können aber nicht erbracht werden."

    Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung wie folgt:

    "Die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 10. Februar 2010, 6. Oktober 2010 und vom 2. Februar 2001 sowie die Stellungnahmen vom 26. Mai 2010 und vom 15. Dezember 2010 sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf.

    Es wird darin ausführlich dargelegt, dass unter Berücksichtigung aller vorgelegter Beweismittel die genaue Klärung, ob die Ursachen des im Jahre 2001 unbestrittenen Kleinhirninfarktes im Fehlen der A.vertebralis links oder in einem/einer Verschluss/Verengung dieses Blutgefäßes als Folge der seinerzeitigen kausalen Verletzungen an der Halswirbelsäule zu suchen sind, nicht vorliegt.

    Unter Berücksichtigung der derzeitigen medizinischen Lehrmeinung ist jedoch der geforderten Grad an Wahrscheinlichkeit im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht gegeben - die bloße Möglichkeit, dass der geltend gemachte neurologische Leidenszustand durch die Schädigungen an der Halswirbelsäule verursacht wurde, reicht nicht aus.

    Die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwände waren nicht geeignet das Ergebnis der Beweisaufnahme zu entkräften oder eine Erweiterung des Ermittlungsverfahrens herbeizuführen. Die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten und Stellungnahmen stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war den Vorbringen und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

    Es lag daher kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen abzugehen.

    Die vorgelegten Auszüge von allgemein zugänglichen und veränderbaren Medien sind für die gegenständliche Entscheidung nicht relevant. Die Erstellung der erforderlichen Sachverständigengutachten erfolgt nach der gültigen medizinischen Lehrmeinung.

    Die Sachverständigengutachten und die Stellungnahmen werden in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

    Eine Gesundheitsschädigung, die zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf die anerkannte Dienstbeschädigung zurückzuführen ist, konnte nicht objektiviert werden.

    Ergänzend wird Folgendes festgehalten:

    Unter Hinweis auf die seinerzeitige Feststellung des Leistungszentrums Linz vom 25. November 1995, wonach der (Beschwerdeführer), der als Zeitsoldat Leistungssportler bei der Heeressport- und Nahkampfschule (HSNS) war, während seines Dienstes tausende Stabhochsprünge absolvierte und auch nach dem Abklingen einer schweren und langwierigen Verletzung das Hochleistungstraining (mit vier bis sechs Stunden täglich angegeben) wieder fortgesetzt hat, ist zwar der zeitliche Zusammenhang mit der Dienstleistung gegeben - die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse (§ 2 Abs. 1 HVG) sind daraus jedoch nicht abzuleiten. Die Ausübung des Stabhochsprungsportes im Hochleistungsbereich ist nicht in enger Verbindung zu den dienstlichen Aufgaben eines Zeitsoldates zu sehen.

    Die irrtümliche Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung hat zur Folge, dass das Leiden anerkannt bleibt und Versorgungsleistungen für dieses Leiden weiterhin zu gewähren sind, nicht aber, dass auf der Grundlage der Anerkennung weitere Anerkennungen medizinisch abgrenzbarer Folgeleiden und die Zuerkennung der Versorgungsleistungen für diese weiteren Leiden geboten wären."

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

    Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1) Zur Rechtsansicht der belangten Behörde, es lägen die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse nicht vor:

Gemäß § 1 Abs. 1 erster Satz Heeresversorgungsgesetz (HVG) ist eine Gesundheitsschädigung, die ein Soldat infolge des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes, einschließlich einer beruflichen Bildung im freiwillig verlängerten Grundwehrdienst oder im Wehrdienst als Zeitsoldat, erlitten hat, nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes als Dienstbeschädigung zu entschädigen.

Eine Gesundheitsschädigung ist nach § 2 Abs. 1 erster Satz HVG als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und soweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Der OGH hat im Urteil vom 9. Mai 1995, 10 Ob S 76/95, betreffend eine Sozialrechtssache eines Offiziers des Bundesheeres, der durch eine Teilnahme an einem Tenniswettkampf Schäden erlitt, u.a. ausgeführt, dass grundsätzlich ein solcher Vorfall dort, wo die Veranstaltung sportlichen Wettkampfcharakter annimmt und die Erzielung von Spitzenleistungen beabsichtigt ist, nicht als Dienstunfall angesehen werden kann, es sei denn, dass dienstvertraglich die Durchführung der betrieblichen Arbeit mit der Verpflichtung zur Sportausübung gekoppelt ist. Nimmt ein Beamter an sportlichen Wettkämpfen teil und betreibt er diesen Sport nicht als bloßen Ausgleichssport, sondern im Rahmen seiner dienstlichen Stellung und in enger Verbindung zu seinen dienstlichen Aufgaben, so kann ausnahmsweise Unfallversicherungsschutz (hier: § 90 Abs. 1 B-KUVG) angenommen werden.

Im Sinne dieser Überlegungen hat der OGH im Urteil vom 4. November 1997, 10 ObS 203/97v, dem ein Unfall bei einem Mountainbike-Rennen zu Grunde lag, entschieden, dass in diesem Fall "aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau eine Bedingung für seine weitere Tätigkeit als Angestellter in ihrem Unternehmen war, dass er in der 'Rennszene' tätig wurde, weil das Geschäft dadurch erheblich gefördert wurde und die Umsätze entsprechend stiegen." Die sportliche Tätigkeit (samt Teilnahme an Rennen) sei Ausfluss der Erwerbstätigkeit des Klägers gewesen, ein Arbeitsunfall sei vorgelegen.

Diese Überlegungen sind auch für das Verständnis der Wortfolgen des § 1 Abs. 1 HVG "im Wehrdienst als Zeitsoldat" und des § 2 Abs. 1 HVG "die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse" anwendbar.

Was Inhalt der vom Beschwerdeführer im Rahmen seiner Dienstleistung beim Bundesheer geforderten Tätigkeiten war, ist am ehesten durch die Dienststelle, welcher der Beschwerdeführer angehörte, verifizierbar.

Im Akt liegt eine Stellungnahme der ehemaligen Dienststelle des Beschwerdeführers, der HSNS, Leistungszentrum Linz vom 10. Februar 1997 ein, in welcher ausgeführt wird:

"Bezugnehmend auf Ihre Fragestellung im Schreiben vom 22.01.97, Abs. 3 ((Beschwerdeführer)) erklärt das LZ-4 LINZ, daß die Teilnahme an internat. Großwettkämpfen wie Olympiade, Weltmeisterschaften oder Europameisterschaften eine dienstliche Notwendigkeit für einen Leistungssportler der HSNS darstellt, da diese Wettkämpfe als Qualifikationsrichtlinien für die Aufnahme bzw. den Verbleib in der HSNS herangezogen werden.

Die Entsendung oder Nominierung erfolgt nach dem Erbringen des geforderten Limits vom Olympischen Comitee und der BSO, welche gleichermaßen über den Verbleib der Spitzensportler in der HSNS durch jährliche Leistungslimits und -kontrollen entscheidet.

Da sich die Sportler bei Trainingslagern und Wettkämpfen nicht im jeweiligen Leistungszentrum aufhalten, haben sie durch den jeweiligen Fachverband eine Freistellung beim Leistungszentrum für die Zeit des Ortswechsels zu beantragen, die je nach Dauer vom HSNS Kommando oder vom BMfLV genehmigt werden muß."

Dass die Teilnahme an sportlichen Großereignissen, die nach dieser Stellungnahme eine dienstliche Notwendigkeit war und damit - wenn auch nicht ausdrücklich ausgesprochen - eine Bedingung für den Abschluss und weiteren Bestand des Dienstvertrages zwischen dem Bundesheer und einem Angehörigen der HSNS war, und es jedermann bekannt ist, dass die Qualifikation zu derartigen Wettkämpfen nur durch tägliches mehrstündiges und intensives Hochleistungstraining (in dieser Zeit war der Beschwerdeführer überwiegend nicht dientsfreigestellt) zu erreichen ist, liegt gegenständlich ein derartig angesprochener Ausnahmefall vor, in dem die Durchführung der betrieblichen Arbeit gerade darin besteht, zu trainieren und erfolgreich Wettkampfsport zu betreiben. Erleidet ein Angehöriger der HSNS jedenfalls durch das Training in der Dienstzeit eine Gesundheitsschädigung, so ist diese auf die seiner Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse zurückzuführen.

Es kann also keine Rede davon sein, dass die Anerkennung von Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers als Dienstbeschädigung durch den Bescheid vom 9. Oktober 1998 "irrtümlich" erfolgt sei.

2) Zu den konkret geltend gemachten Dienstverletzungen:

Der Beschwerdeführer ist durch Vorlage eines Privatgutachtens (Dr. P vom 20. April 2010) dem Gutachten des von der Behörde beigezogenen Sachverständigen Dr. S auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Dr. P hat darin begründet, weshalb seiner Ansicht nach die bei der Landung nach 22.000 Stabhochsprüngen aufgetretenen Schleudertraumen der Halswirbelsäule "zwingend wahrscheinlich als Ursache für die Durchblutungsstörung der Halswirbelsäulengefäße anzunehmen sei. Er führt u.a. aus, dass sonstige Risikofaktoren, die eine Arteriosklerose forcieren würden, beim Beschwerdeführer nicht gegeben seien. Er weist auch auf einen beiliegenden Artikel der "Medizinischen Universität Düsseldorf" (Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie, letzte Überarbeitung 10/2008) hin. Die vom Beschwerdeführer angegebenen Beschwerden ("vestibuläre Beschwerden und Migräneattacken mit auraähnlichen Symptomen") seien zudem durch "Bewegungsprovokation" bei der klinischen Untersuchung objektivierbar.

Mit diesem Privatgutachten hat sich der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige Dr. S nicht (ausreichend) auseinandergesetzt, seine "nervenfachärztliche Stellungnahme" vom 26. Mai 2010 ist in Wahrheit inhaltsleer. Das "nervenfachärztliche Sachverständigengutachten" der weiters von der Behörde beigezogenen Dr. M vom 6. Oktober 2010 befasst sich mit dem Privatgutachten überhaupt nicht, insbesondere nicht mit der Objektivierbarkeit der Beschwerden. Der Beschwerdeführer rügt daher in seiner Stellungnahme vom 3. November 2010 als "unakzeptabel", dass diese Ärztin ihm "als erste Ärztin mitteilen" wolle, "dass ich überhaupt keine Kleinhirnschädigung erlitten habe und dass ich keine Beschwerden haben kann". In einer eingeholten Stellungnahme dieser Ärztin vom 15. Dezember 2010 wies diese wieder darauf hin, dass "eine Funktionsbehinderung; Beeinträchtigung im tgl. Leben" von Dr. S in seiner Untersuchung vom 10. Februar 2010 nicht festgestellt worden sei. Auch jetzt befasst sich diese Ärztin weder mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Untersuchungsergebnissen noch mit dem Privatgutachten. Das daraufhin erstellte "orthopädische-fachärztliche Aktengutachten" der Dr. K geht auf das Privatgutachten nur mit der Bemerkung ein, dass "diesbezügliche Beweise" für die Behauptung, dass die Abnützung der Halswirbelsäule zwingend wahrscheinlich als Ursache für die Durchblutungsstörung der Halswirbelsäulengefäße anzunehmen sei, "nicht erbracht werden" können.

Es wäre Aufgabe der belangten Behörde gewesen, ihre Sachverständigen aufzufordern, sich in ihren Gutachtensergänzungen mit den Aussagen des Privatsachverständigen im Detail auseinanderzusetzen und insbesondere auch dessen Grundlagen zu erörtern und darzulegen, warum die Annahmen des Privatgutachters ihrer Ansicht nach nicht richtig sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, Zl. 2009/09/0138, mwN).

Zudem hat die Behörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei einander widersprechenden Gutachten nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu prüfen, welchem von ihnen höhere Glaubwürdigkeit beizumessen ist. Dabei hat sie jene Gedankengänge aufzuzeigen, die sie veranlasst haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen. Die Aussagen von Amts- und Privatsachverständigen besitzen grundsätzlich den gleichen verfahrensrechtlichen Beweiswert. Der Wert eines Beweismittels muss stets nach seiner Beweiskraft, d.h. nach der Schlüssigkeit der Aussagen, beurteilt werden (vgl. auch dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, Zl. 2009/09/0138, mwN).

Die belangte Behörde hat aber im angefochtenen Bescheid nicht einmal angeführt, dass ein Privatgutachten vorliegt, sondern dieses nur unter dem Titel "Vorgelegte Befunde" aufgezählt. Sie hat sich inhaltlich nicht mit diesem Gutachten befasst. Die hiezu in der Gegenschrift enthaltenen Ausführungen können die fehlenden Erörterungen und die unterlassene Begründung im angefochtenen Bescheid nicht ersetzen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1997, Zl. 94/05/0191).

Schon deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Darüber hinaus hat die belangte Behörde Folgendes außer Acht gelassen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, die (bereits im Verwaltungsverfahren umstritten gewesene) Kausalitätsbeurteilung seiner behaupteten Dienstbeschädigungen sei rechtswidrig.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Mai 2002, Zl. 99/09/0013) dargelegt hat, ist bei der Kausalitätsbeurteilung im Bereich der Heeresversorgung von der Theorie der "wesentlichen Bedingung" auszugehen. Danach ist es für eine solche Bedingtheit - dann, wenn die festgestellte Gesundheitsschädigung auf mehrere Ursachen, darunter auch ein von § 2 Abs. 1 HVG erfasstes schädigendes Ereignis (hier: Dienstleistung des Beschwerdeführers bei der HSNS, während der es zu vielfachen Schleudertraumen der Halswirbelsäule nach Landungen nach Stabhochsprüngen gekommen sei) zurückgehen könnte - erforderlich, dass das in Betracht kommende schädigende Ereignis eine wesentliche Ursache der Schädigung ist. Dies ist das Ereignis dann, wenn es nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in geringerem Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung. Wirken eine krankhafte Veranlagung und ein Unfallereignis bei Entstehung einer Gesundheitsschädigung zusammen, so ist demnach zu beurteilen, ob das Unfallereignis eine wesentlich mitwirkende Bedingung für die Schädigung gewesen ist oder ob die krankhafte Veranlagung alleinige oder überragende Ursache war. Letzteres ist anzunehmen, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zur selben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Eine krankhafte Veranlagung hindert also die Annahme einer unfallbedingten Auslösung nicht. Eine solche kann auch vorliegen, wenn eine vorhandene krankhafte Veranlagung zu einer plötzlichen, in absehbarer Zeit nicht zu erwartenden Entwicklung gebracht oder eine bereits bestehende Erkrankung verschlimmert worden ist. Für die Frage, ob die Auswirkungen des Unfalles eine rechtlich wesentliche Teilursache des nach dem Unfall eingetretenen Leidenszustandes sind, ist in erster Linie von Bedeutung, ob dieser Leidenszustand auch ohne den Unfall etwa zum gleichen Zeitpunkt eingetreten wäre oder durch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis hätte ausgelöst werden können, ob also die äußere Einwirkung wesentliche Teilursache oder nur Gelegenheitsursache war.

Die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Bedingung (mittels der genannten Theorie) ist keine Sachverhalts-, sondern eine Rechtsfrage. Der Versorgungswerber (der die Beschädigtenversorgung nach dem HVG begehrt) braucht demnach die Kausalität nicht zu beweisen. Anlageschäden sind regelmäßig durch überholende Kausalität derart gekennzeichnet, dass auf Grund der (medizinischen) Sachverhaltsprüfung neben der realen Ursache der Schädigung (etwa durch einen Unfall oder durch die Belastungen der Dienstleistung) eine hypothetische nachfolgende Ursache (als "Reserveursache") angenommen bzw. festgestellt wird. Die Zurechnung ist im Wesentlichen davon abhängig, dass die aus dem geschützten Bereich stammende Ursache zu einer Verfrühung oder Erschwerung des Schadens führte.

Infolge der oben dargestellten Verfahrensverletzungen ist die Beurteilung der Kausalität (es sei der geforderte Grad an Wahrscheinlichkeit nicht gegeben, die bloße Möglichkeit, dass der geltend gemachte neurologische Leidenszustand durch die Schädigungen an der Halswirbelsäule verursacht worden sei, reiche nicht aus) nicht nachvollziehbar.

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 26. Jänner 2012

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