VwGH 94/05/0191

VwGH94/05/01912.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 7. Juni 1994, Zl. UVS-05/25/00305/93, betreffend Übertretung des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966 (mitbeteiligte Partei: B), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §1 Abs1;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §16 Abs2 lita;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §16 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §9 Abs1;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §1 Abs1;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §16 Abs2 lita;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §16 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §9 Abs1;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 22. September 1993, Zl. MA 4/5-GAG-13190/1/2, wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe als zur Vertretung nach außen Berufener (Geschäftsführer) der R. Ges.m.b.H am 1. September 1991 um 14.00 Uhr "in W, S-Gasse 2, in Front verlängerte P-Gasse vor dem Geschäftslokal", durch das Abstellen von zwei näher bezeichneten Fahrzeugen, sowie "gegenüber der Liegenschaft W, S-Gasse 2, in Front verlängerte P-Gasse am Ende der Sackgasse links neben der Hofeinfahrt", durch das Abstellen von drei näher bezeichneten Fahrzeugen ohne behördliche Kennzeichen den öffentlichen Gemeindegrund ohne Gebrauchserlaubnis widmungswidrig benützt. Wegen Übertretung des § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 2 lit. a des Gebrauchsabgabegesetzes 1966 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG wurde über den Mitbeteiligten eine Geldstrafe von S 3.000,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde aufgrund einer Berufung des Mitbeteiligten das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG ein.

In der Begründung wurde ausdrücklich auf das Berufungsvorbringen nicht eingegangen. Gemäß § 44a Z. 1 VStG habe der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung sei es geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglicht werde und die Identität der Tat unverwechselbar feststehe. Wenn eine Tat in Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolge, so falle der Tatort (im Zweifel) mit dem Sitz des Unternehmens zusammen. Der Sitz der Unternehmensleitung befinde sich auch hinsichtlich der Einhaltung des Gebrauchsabgabegesetzes in W. Der Sitz der Unternehmensleitung sei jedoch innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht als Tatort angelastet worden. Der von der Strafbehörde erster Instanz herangezogene Abstellort decke sich nicht mit dem Sitz der Unternehmensleitung, weil der Abstellort vor einer Filiale des Unternehmens liege. Mangels Anlastung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist sei es der Berufungsbehörde verwehrt gewesen, den wahren Tatort in der Tatumschreibung zu ergänzen.

Weitere Gründe für ihre Entscheidung führte die Berufungsbehörde nicht an.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde des gemäß § 14a des Gesetzes über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 10/1994) dazu legitimierten Magistrates der Bundeshauptstadt Wien, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit begehrt wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 2 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes (LGBl. Nr. 20/1966; im folgenden: GebrauchsabgabgeG) ist die widmungswidrige Benützung von öffentlichem Gemeindegrund ohne Gebrauchserlaubnis durch das Abstellen von Fahrzeugen ohne Kennzeichen als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 50.000,-- zu bestrafen. Unter Hinweis auf seine Vorjudikatur hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 91/05/0033, ausgeführt, daß die Verantwortung für die bestimmungswidrige Verwendung der öffentlichen Gutsfläche demjenigen zukommt, in dessen Verfügungsberechtigung sich der Gegenstand befindet, weshalb derjenige die Verwaltungsübertretung begeht, der über das Fahrzeug verfügungsberechtigt ist. Auch im gegenständlichen Fall ist das die Gesellschaft des Mitbeteiligten, für die er als zur Vertretung nach außen Berufener gemäß § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich verantwortlich ist.

§ 44a VStG stellt für den Spruch eines Straferkenntnisses das Erfordernis der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat auf. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß erstens die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und zweitens die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Zl. 82/03/0265, Slg. Nr. 11466/A).

Gerade dem Erfordernis, die Tat unverwechselbar zu konkretisieren, kann beim gegebenen Tatbestand nur durch die Angabe jenes Ortes entsprochen werden, an dem das Fahrzeug abgestellt wurde. Der Tatbestand wird durch die widmungswidrige Benützung von Gemeindegrund erfüllt; es ist daher unerläßlich, daß jener Gemeindegrund, der benützt wurde, exakt umschrieben wird. Ein Strafausspruch, der diese örtliche Festlegung nicht enthält, wäre unvollständig und würde den beschriebenen Anforderungen keinesfalls gerecht werden.

Wie die belangte Behörde zu Recht angeführt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, daß im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens der Tatort im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammenfällt. Die Gegenschrift verweist diesbezüglich auf Judikatur zum Arbeitnehmerschutzgesetz (Erkenntnis vom 29. September 1992, Zl. 88/08/0176) bzw. zur Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (Erkenntnis vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/18/0416, u.a.) sowie zum Ausländerbeschäftigungsgesetz (Erkenntnis vom 6. September 1993, Zl. 93/09/0151). Die Bestimmungen, deren Übertretung in jenen Fällen geahndet wurde, haben aber keinen dem § 16 Abs. 2 GebrauchsabgabeG vergleichbaren Ortsbezug (Benutzung von Gemeindegrund). So wird etwa die gemäß § 28 Ausländerbeschäftigungsgesetz verpönte Beschäftigung von Ausländern unabhängig davon verwirklicht, wo (in Österreich) die Beschäftigung erfolgte; im Zweifel ist der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers der Tatort, denn dort wird in der Regel die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte eingegangen bzw. wäre von dort aus die allenfalls fehlende Beschäftigungsbewilligung zu beantragen (siehe das zuletzt genannte Erkenntnis vom 6. September 1993, m.w.N.).

Abgesehen davon, daß der Verwaltungsgerichtshof zu § 366 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1973 ausgesprochen hat, daß jene Übertretung auf den Ort der Betriebsanlage (eine Betriebsanlage ist ja ex definitione eine örtlich gebundene Einrichtung - § 74 Abs. 1 Gewerbeordnung 1973) abstellt (hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1992, Zl. 92/04/0100, m.w.N), kann bei einem Tatbild wie dem vorliegenden von einem "Zweifel", wo der Tatort liegt, keine Rede sein. Die Tat wird dort begangen, wo das Fahrzeug abgestellt wird.

Diesen Ort hat die Strafbehörde erster Instanz angeführt, weshalb aus diesem Grund kein Anlaß für die Berufungsbehörde bestand, den bei ihr angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen. Dies hat der Beschwerdeführer zu Recht aufgezeigt, weshalb der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist.

Ob die Stattgebung der Berufung anders begründbar wäre, wird Gegenstand des fortgesetzten Verfahrens sein; in der Gegenschrift kann eine vollkommen neue Bescheidbegründung jedenfalls nicht nachgeholt werden (ständige Rechtsprechung; siehe beispielsweise hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 86/07/0237).

Da die belangte Behörde somit der Berufung allein deshalb stattgab, weil nach ihrer Auffassung das Straferkenntnis erster Instanz den Anforderungen des § 44a VStG nicht entsprochen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

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