Normen
AVG §19 Abs3;
AVG §37;
VStG §24;
VStG §51f Abs2;
VStG §51g Abs3;
VStG §51i;
AVG §19 Abs3;
AVG §37;
VStG §24;
VStG §51f Abs2;
VStG §51g Abs3;
VStG §51i;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der A. GmH mit Sitz in W. zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Dienstgeberin es unterlassen habe, drei namentlich genannte, am 11. Juni bzw. 2. Juli 2008 beschäftigte und nach dem ASVG pflichtversicherte Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger als Vollversicherte anzumelden. Die Beschwerdeführerin habe dadurch drei Übertretungen des § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG begangen. Es wurden drei Geldstrafen in der Höhe von je EUR 730,-- (im Nichteinbringungsfall drei Ersatzfreiheitsstrafen von je 2 Tagen) verhängt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, sie habe am 28. April 2011 eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, zu der weder die Beschwerdeführerin noch der von ihr namhaft gemachte Zeuge R. erschienen seien. Beweis sei "vorerst" durch Einsicht in den "vorgelegten Verwaltungsstrafakt" erhoben worden. Die Verhandlung sei gemäß § 51f Abs. 2 VStG in Abwesenheit der Beschwerdeführerin durchgeführt worden. Eine von der Beschwerdeführerin vorgelegte ärztliche Bestätigung habe zwar erbracht, dass sie ab 28. März 2011 arbeitsunfähig gewesen sei, nicht jedoch, dass sie zum Verhandlungszeitpunkt "verhandlungsunfähig" gewesen sei. Durch die Nichtteilnahme an der Verhandlung sei der belangten Behörde die Möglichkeit genommen worden, ein persönliches Bild von deren Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Die Beschwerdeführerin habe sich durchgehend damit verantwortet, dass sie selbst Opfer der kriminellen Machenschaften des A (auch: H) J. und dessen Vorarbeiters geworden sei. Sie habe bestritten, von irgendwelchen geschäftlichen Tätigkeiten der A. GmbH, insbesondere von Bauvorhaben, gewusst zu haben. Ihr Firmenname wäre (von AJ.) benutzt worden. Derartige Handlungen seien ihr nicht zuzurechnen.
Der Behauptung der Beschwerdeführerin, sie hätte selbst keine Aktivitäten im Rahmen der A. GmbH gesetzt, stünde - so die belangte Behörde weiter - entgegen, dass die vor Ort an der Baustelle in F. angetroffenen Arbeiter "als Chefin" die (Beschwerdeführerin) bezeichnet hätten. Den Angaben des IR. zu Folge seien alle Anweisungen sowie das Geld von der Beschwerdeführerin "als Chefin" der A. GmbH gekommen. Darüber hinaus habe es Anmeldungen von Arbeitern zur Sozialversicherung für die A. GmbH gegeben. Hätte die Beschwerdeführerin tatsächlich eine Vollmacht an AJ. erteilt, so wäre sie als handelsrechtliche Geschäftsführerin verpflichtet gewesen, eine entsprechende Kontrolle seiner Tätigkeiten durchzuführen. Im Übrigen habe der durch die Erstbehörde festgestellte Sachverhalt in Ermangelung einer Mitwirkung der Beschwerdeführerin nicht weiter geklärt werden können. Die im Spruch genannten Tatbestände seien erfüllt. Abschließend führte die belangte Behörde ihre Strafzumessungsgründe aus.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Wie bereits im Verwaltungsverfahren bringt die Beschwerdeführerin vor, dass sie - im Zuge des Kaufs der Geschäftsanteile an der A. GmbH und der Übernahme ihrer Funktion als Geschäftsführerin - dem AJ. (im Jahr 2007) eine Vollmacht ausgestellt habe, mit welcher dieser ermächtigt worden sei, Vertretungshandlungen für sie (bzw. die A. GmbH) vorzunehmen. AJ. habe ihr vorgespiegelt, dass im Winter keine Tätigkeiten anfallen würden. Deshalb habe sie zugestimmt, dass AJ. die A. GmbH "vorläufig zur Abwicklung der noch laufenden Tätigkeiten führen könne". Sie habe einen Großteil ihrer Ersparnisse, nämlich EUR 17.600,--, für den Ankauf der Geschäftsanteile der A. GmbH aufgewendet. Nach diesem Kauf habe sich AJ. aber nur noch im Zusammenhang mit Banküberweisungen, welche zu beheben gewesen seien, bei der Beschwerdeführerin gemeldet. Noch vor ihrer Erkrankung im März 2008 habe sie die an AJ. erteilte Vollmacht widerrufen, zumal dieser ihr wesentliche Informationen über den Geschäftsbetrieb vorenthalten habe. Sie sei nicht davon informiert gewesen, dass die A. GmbH danach noch irgendwelche Tätigkeiten ausgeführt habe, und sie habe auch nicht damit rechnen können, dass AJ. trotz widerrufener Vollmacht Geschäftsführungstätigkeiten vornehmen würde. AJ. habe jedoch in Kollusion mit anderen Personen ohne Wissen der Beschwerdeführerin jene Geschäftstätigkeiten entfaltet, die den Grund des vorliegenden Verfahrens bilden würden. All diese Umstände hätte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde vorbringen können, an der teilzunehmen sie nachweislich aus Krankheitsgründen verhindert gewesen sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin im Ergebnis eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
Die belangte Behörde hat wesentliche Sachverhaltsfeststellungen auf angebliche Angaben jener Arbeiter gestützt, die bei den zwei Kontrollen der KIAB am 11. Juni und am 2. Juli 2008 auf der Baustelle angetroffen worden seien. Das Beweisergebnis stütze sich - so die belangte Behörde - auf die "widerspruchsfreie Anzeige der KIAB". Abgesehen davon, dass die in der Anzeige des Finanzamts vom 8. Jänner 2009 genannten Niederschriften vom 11. Juli 2008 in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten sind, sodass sich die diesbezüglichen Feststellungen einer nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes entziehen, hat die belangte Behörde in der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2011 "die gesamten Akteninhalte" verlesen, ohne zu begründen, weshalb eine solche Verlesung aus einem der Gründe des § 51g Abs. 3 VStG zulässig gewesen sein soll. Eine Zustimmung der Parteien iSd § 51g Abs. 3 Z. 4 VStG liegt nicht vor und es sind auch keine Gründe iSd § 51g Abs. 3 Z. 1 VStG zu erkennen, wonach die Vernehmung von Zeugen, von denen bereits niederschriftliche Aussagen vorliegen, nicht verlangt werden konnte. Die Einvernahme der genannten Personen wäre aber auch unter Bedachtnahme auf den zur Auslegung des VStG heranzuziehenden Art. 6 EMRK und im Hinblick darauf, dass die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin unter Berufung auf diese Personen als "Schutzbehauptungen" angesehen hat, geboten gewesen, um den Sachverhalt in entscheidungswesentlichen Punkten, insbesondere zur Frage, ob die Arbeitskräfte tatsächlich von der Beschwerdeführerin eingestellt worden sind, hinreichend und nachvollziehbar zu erheben. Es widerspricht dem in § 51g Abs. 3 iVm § 51i VStG verankerten Unmittelbarkeitsgrundsatz, dass die belangte Behörde Aussagen von Zeugen als glaubwürdig einstufte, die sie selbst gar nicht vernommen hat und deren Aussage im Akt überdies gar nicht dokumentiert ist, sondern lediglich den Entscheidungsgründen der Behörde erster Instanz zu entnehmen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2009/09/0088, mwN).
Dazu kommt, dass die zur mündlichen Verhandlung am 28. April 2011 ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführerin der belangten Behörde nach einem im Verwaltungsakt erliegenden Aktenvermerk vom 18. April 2011 telefonisch mitteilte, dass sie bei der Verhandlung nicht anwesend sein könne, weil sie wegen einer Lungenembolie im Krankenstand sei. Die Beschwerdeführerin wurde anlässlich des Telefonats aufgefordert, eine Bescheinigung ("Krankmeldung") vorzulegen. Hierauf übermittelte die Beschwerdeführerin am 27. April 2011 eine Krankenstandsbescheinigung der Gebietskrankenkasse, in der eine Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin seit dem 28. März 2011 "bis laufend" bestätigt wurde.
Gemäß § 51e Abs. 1 VStG hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 51f Abs. 2 VStG hindert dann, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses. Nach dem auch im Verwaltungsstrafverfahren (vgl. § 24 VStG) anzuwendenden § 19 Abs. 3 AVG hat, wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Das Vorliegen eines der im § 19 Abs. 3 AVG genannten Gründe rechtfertigt das Nichterscheinen des Geladenen. Liegt ein solcher Rechtfertigungsgrund vor, kann in Bezug auf die behördliche Ladung nicht von einer "ordnungsgemäßen Ladung", die gemäß § 51f Abs. 2 VStG zur Durchführung der Verhandlung auch in Abwesenheit der Partei berechtigt, gesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. September 2003, Zl. 2001/03/0160).
In Anbetracht der vorgelegten Krankenstandsbestätigung durfte die belangte Behörde nicht oder zumindest nicht ohne weitere Ermittlungen davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin iSd § 24 VStG iVm § 19 Abs. 3 AVG ohne triftigen Grund und damit unentschuldigt zur Berufungsverhandlung nicht erschienen wäre. Damit erweist sich auch die Durchführung der Berufungsverhandlung in ihrer Abwesenheit gemäß § 51f Abs. 2 VStG als nicht zulässig, was den angefochtenen Bescheid mit einem weiteren Verfahrensmangel belastet.
Bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensmängel hätte die belangte Behörde zu einem anderen, für die Beschwerdeführerin günstigen Ergebnis kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 22. Februar 2012
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