VwGH 2011/08/0129

VwGH2011/08/012918.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des J S in H, vertreten durch Dr. Herbert Pflanzl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Alpenstraße 54, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 3. Mai 2011, Zl. LGS SBG/2/0566/2011, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
AVG §45 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. Februar 2011 hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice H (in der Folge: AMS) gemäß § 10 in Verbindung mit § 38 AlVG gegenüber dem Beschwerdeführer den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Februar bis 28. März 2011 ausgesprochen und damit begründet, dass der Beschwerdeführer sich bei der vom AMS zugewiesenen Stelle nicht beworben habe; Gründe für eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 leg. cit. würden nicht vorliegen bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben.

In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges aus, dass der seit Mai 2006 beschäftigungslose Beschwerdeführer am 24. Jänner 2011 unter anderem ein Stellenangebot als Portier bzw. Wächter beim Unternehmen X erhalten und sich auch in der Folge schriftlich bei diesem Unternehmen beworben habe. Das Unternehmen X habe nach Erhalt dieser Bewerbung vergeblich versucht, den Beschwerdeführer unter der angegebenen Telefonnummer zu erreichen. Der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, seit 2011 über kein eigenes Telefon mehr zu verfügen; seine letzte Telefonnummer sei ihm vom Anbieter Ende 2010 "liquidiert worden". Der Beschwerdeführer bestreite, bei seiner Bewerbung eine Telefonnummer angegeben zu haben. Sollte dennoch seine damalige Telefonnummer aus unerklärlichen Gründen ersichtlich gewesen sei, wäre beim Anwählen ein Tonband zu hören gewesen, wonach kein Teilnehmer bekannt sei. Seine Angaben stünden im Widerspruch zur Stellungnahme des Unternehmens X. Die mit der Bewerbung des Beschwerdeführers befassten Mitarbeiter dieses Unternehmens haben angegeben, dass sie zu "zu 99,9% sicher sind", dass im Bewerbungsschreiben eine Telefonnummer angegeben gewesen sei. Damit sei auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Berufungsverfahren erwiesen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich eine nicht mehr aktuelle Telefonnummer im Bewerbungsschreiben angegeben habe. Herr H vom Unternehmen X habe nach Einlangen der Bewerbung des Beschwerdeführers mehrmals versucht, diesen unter der angegebenen Telefonnummer zu erreichen. Der Beschwerdeführer habe auch nicht auf Nachrichten, die ihm hinterlassen worden seien, reagiert. Als er am 24. Februar 2011 beim Unternehmen X angerufen und nachgefragt habe, sei ihm eine Absage erteilt worden. Grund für die Absage sei gewesen, dass er unter der angegebenen Telefonnummer früher nicht erreichbar gewesen sei. Die Angabe einer falschen Telefonnummer in der Bewerbung sei für das Unternehmen X unakzeptabel gewesen, weshalb auch von der Einladung zu einem Bewerbungsgespräch Abstand genommen worden sei. Die Angaben der Mitarbeiter des Unternehmens X seien glaubhaft und plausibel. Üblicherweise werde bei einer schriftlichen Bewerbung auch eine Telefonnummer angegeben, unter welcher der Bewerber auch erreichbar sei. Sollte in einer Bewerbung keine Telefonnummer aufscheinen, sei es üblich, dass sich das Unternehmen X kurz schriftlich mit dem Bewerber in Verbindung setze und um Rückruf zwecks Terminvereinbarung ersuche. H, mit dem der Beschwerdeführer am 24. Februar 2011 das Telefonat geführt habe, habe den Fall mit seinem Kollegen L besprochen. Er habe ihm mitgeteilt, dass er mehrmals vergeblich versucht habe, den Beschwerdeführer unter der angegebenen Telefonnummer zu erreichen. Daher sei dem Beschwerdeführer auch eine Absage erteilt worden. Das Bewerbungsschreiben sei nach der Absage vernichtet worden.

Zur Annahme einer Vereitelung iSd § 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG setzte die belangte Behörde neben Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen fort, dass der Beschwerdeführer als Bezieher von Notstandshilfe verpflichtet sei, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um nach jahrelanger Beschäftigungslosigkeit wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen; dazu gehöre auch die ordnungsgemäße Abfassung von Bewerbungen. Die Angabe einer nicht mehr aktuellen Telefonnummer in der schriftlichen Bewerbung habe zur Folge gehabt, dass das Unternehmen X den Beschwerdeführer nicht mehr telefonisch erreichen habe können, weshalb ihm auch bei seinem Anruf am 24. Februar 2011 eine abschlägige Antwort erteilt worden sei. Es sei auch nachvollziehbar, dass sich der präsumtive Arbeitgeber auf Grund der Falschangabe der Telefonnummer mit dem Beschwerdeführer nicht mehr schriftlich in Verbindung gesetzt und zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen habe. Vielmehr sei die Falschangabe der Telefonnummer dafür ausschlaggebend gewesen, dass der Beschwerdeführer für das Unternehmen X für eine Einstellung nicht mehr in Frage gekommen sei. Da innerhalb des letzten Jahres bereits eine weitere Ausschlussfrist nach § 10 AlVG rechtskräftig verhängt worden sei, betrage der Anspruchsverlust nunmehr acht Wochen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Gemäß § 38 AlVG sind diese Regelungen auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zugrunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. idS die Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, Slg. Nr. 13.286/A, und vom 18. November 2009, Zl. 2009/08/0228).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wege vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht.

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. zu alldem das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2009, Zl. 2009/08/0228, mwN).

2. In der Beschwerde wird die Erfüllung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG bestritten und dazu zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer auf seiner Bewerbung keine Telefonnummer angegeben habe; im Weiteren wird auch eine Ergänzungsbedürftigkeit der Ermittlungen bzw. Feststellungen gerügt sowie eine unzureichende Bescheidbegründung geltend gemacht.

Die vom Beschwerdeführer ebenso eingewendete Aktenwidrigkeit (zu den Feststellungen, dass H nach Einlangen der Bewerbung des Beschwerdeführers mehrmals versucht habe, diesen unter der angegebenen Telefonnummer zu erreichen, und dieser auch nicht auf Nachrichten, die ihm hinterlassen worden seien, reagiert habe, sowie weiters, dass die Angabe einer falschen Telefonnummer für das Unternehmen X unakzeptabel gewesen sei, weshalb auch von einer Einladung zu einem Bewerbungsgespräch Abstand genommen worden sei) liegt nicht vor, da eine Aktenwidrigkeit lediglich dann anzunehmen ist, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen werden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/20/0689).

Soweit aber der Beschwerdeführer mit der Behauptung dieser "Aktenwidrigkeit" der Sache nach die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, blendet er aus, dass diese Feststellungen aus den von der belangten Behörde herangezogenen, als glaubwürdig und plausibel eingestuften Angaben der in der Stellungnahme des Unternehmens X genannten Mitarbeiter L und H resultieren, wonach sich diese zu "99,9 % sicher" seien, dass der Beschwerdeführer seine Telefonnummer auf seinem Lebenslauf angegeben habe und H mehrmals (erfolglos) versucht habe, den Beschwerdeführer unter dieser Telefonnummer zu erreichen. Ebenso erscheint die Argumentation der belangten Behörde zur anschließenden Reaktion des potentiellen Arbeitgebers nachvollziehbar, nämlich dass vom Unternehmen X der Umstand der Nichterreichbarkeit des Beschwerdeführers unter der von ihm angegebenen Telefonnummer als unakzeptabel gewertet worden sei und dazu geführt habe, dass von einer Einladung zu einem Bewerbungsgespräch Abstand genommen, dem Beschwerdeführer am 24. Februar 2011 eine Absage erteilt und das Bewerbungsschreiben danach vernichtet worden sei. Der Beschwerdeführer stellt den bekämpften, jedoch aus den genannten Beweisergebnissen schlüssig abzuleitenden Feststellungen der belangten Behörde bloß Behauptungen gegenüber, ohne dass dargelegt würde, aus welchen Gründen die Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig, das heißt unzureichend, widersprüchlich oder unvollständig wäre. Einer solchen Darlegung bedürfte es aber, da die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht schon mit der Behauptung mit Erfolg angegriffen werden kann, dass auch ein anderes (gegenteiliges) Ergebnis schlüssig begründbar gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof ist nämlich nicht befugt, an die Stelle einer schlüssigen Beweiswürdigung der belangten Behörde eine andere, allenfalls auch schlüssige Beweiswürdigung zu setzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 8. August 2008, Zl. 2008/09/0002, und vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/20/0689).

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch moniert, dass er - zusätzlich zur Niederschrift am 14. Februar 2011 beim AMS - nicht einvernommen worden sei und (dadurch) nicht seinen Vater als Zeugen zum Beweisthema der Absendung der Bewerbung und des Nichtvorhandenseins eines Telefonanschlusses namhaft habe machen können, unterlässt er es die Relevanz der dazu behaupteten Verfahrensmängel für den Verfahrensausgang darzutun.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt kann aber ebenso die weitere Beschwerdeargumentation nicht verfangen:

Es begegnet keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde auf Grundlage dieser für eine abschließende rechtliche Beurteilung ausreichenden Feststellungen und als Ergebnis ihrer einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof standhaltenden Bescheidbegründung durch das Verhalten des Beschwerdeführers, der unter der von ihm im Bewerbungsschreiben angegebenen Telefonnummer trotz wiederholter Versuche (im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Bewerbung) für das Unternehmen X nicht erreichbar gewesen ist und damit bewusst in Kauf genommen hat, dass dieser Umstand vom potentiellen Arbeitgeber als mangelndes Interesse des Arbeitssuchenden gewertet werden könnte, den Tatbestand einer Vereitelung nach § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht als erfüllt gesehen hat.

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008

Wien, am 18. Jänner 2012

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