VwGH 2009/18/0504

VwGH2009/18/050410.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der A G in W, vertreten durch Mag. Karlheinz Amann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. August 2009, Zl. E1/219.305/2009, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
AVG §13 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
FrPolG 2005 §60 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen die Beschwerdeführerin, eine ukrainische Staatsangehörige, wurde von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien im Instanzenzug mit Bescheid vom 18. August 2008 ein auf § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 und Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes Aufenthaltsverbot erlassen. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Oktober 2008, Zl. 2008/18/0684, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen.

Mit dem am 24. Dezember 2008 bei der Bundespolizeidirektion Wien eingelangten Schriftsatz beantragte die Beschwerdeführerin, das gegen sie bestehende Aufenthaltsverbot aufzuheben, in eventu dessen Gültigkeit auf die Republik Österreich zu beschränken und für die übrigen Staaten der Schengen-Zone aufzuheben.

Die Behörde erster Instanz wies am 4. Mai 2009 den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 Abs. 1 FPG ab. Der dagegen am 14. Mai 2009 erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid nicht Folge.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei bislang ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und befinde sich nach wie vor im Bundesgebiet. Dieses neuerliche Fehlverhalten verändere die Umstände zu ihren Ungunsten. Die familiäre Situation der Beschwerdeführerin habe sich allerdings dahingehend geändert, dass sie mittlerweile geheiratet habe und ein Kind erwarte. Die Eheschließung und die Familiengründung seien jedoch zu Zeitpunkten erfolgt, in denen weder die Beschwerdeführerin noch ihr Ehemann, der rechtskräftig ausgewiesen worden sei, mit einem weiteren legalen Aufenthalt in Österreich hätten rechnen dürfen.

Es sei für die erkennende Behörde auch nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Wiederholung von Angaben eines unrichtigen Namens in einem Asylverfahren unmöglich sein sollte. Das Aufenthaltsverbot sei nämlich wegen unrichtiger Angaben der Beschwerdeführerin im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG in dem von der Beschwerdeführerin eingebrachten Antrag auf Erteilung eines Visums erlassen worden.

Die Beschwerdeführerin habe auch nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes deutlich dokumentiert, dass sie offensichtlich nicht in der Lage oder willens sei, das einen hohen Stellenwert genießende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Einwanderungs- und Fremdenwesens zu respektieren.

Vor diesem Hintergrund erweise sich die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nach § 66 FPG immer noch als dringend geboten und zulässig. Die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin seien durch den unrechtmäßigen Aufenthalt ihres Ehemanns erheblich relativiert. Es lägen auch keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vor, die im Rahmen des der Behörde eingeräumten Ermessens eine Rolle hätten spielen können. Die bevorstehende Geburt eines Kindes und allfällige Komplikationen der Schwangerschaft seien im Rahmen der Abschiebung zu beachten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst wird hinsichtlich der Vorgeschichte betreffend die Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin auf das bereits angeführte hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2008 verwiesen.

Gemäß § 65 Abs. 1 FPG in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Stammfassung ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Ein darauf abzielender Antrag kann somit nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG ist maßgeblich, ob eine Gefährdungsprognose der Gestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 FPG zulässig ist. Dabei kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem die Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Darüber hinaus hat die belangte Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr eingeräumte Ermessen zu üben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2012, Zl. 2011/18/0147, mwN).

Die Beschwerdeführerin räumt zwar ein, dass sich der Bescheid, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, auch darauf stützt, dass die Beschwerdeführerin unrichtige Angaben gegenüber österreichischen Behörden gemacht hat, doch wirft sie der belangten Behörde vor, nicht darauf Bedacht zu nehmen, dass sie das Bundesgebiet wieder verlassen habe, nachdem sie sich (im Asylverfahren) unter anderem Namen ausgegeben hätte, und dass sie im Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels keine unwahren Angaben gemacht habe, weil eine Verpflichtung, die Behörde auf ein (damals) bestehendes Aufenthaltsverbot aufmerksam zu machen, nicht bestehe. Darauf ist jedoch nicht weiter einzugehen, weil - wie bereits erwähnt - die Frage, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes mit Bescheid vom 18. August 2008 rechtmäßig war, im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen war.

An seit der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes geänderten Umständen bringt die Beschwerdeführerin lediglich vor, dass sie in weiterer Folge keine unwahren Angaben gemacht habe und nunmehr mit einem moldauischen Staatsbürger verheiratet sei, weshalb sie faktisch nicht mehr in der Lage sei, eine Aufenthaltsehe einzugehen.

Dieses Vorbringen ist allerdings nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Schon der seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichene Zeitraum von nicht einmal einem Jahr rechtfertigt mangels zusätzlicher von der Beschwerdeführerin aufgezeigter Umstände keine Änderung der Gefährdungsprognose betreffend den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 6 FPG. Auch aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei nunmehr mit einem moldauischen Staatsangehörigen verheiratet, ist kein Wegfall, aber auch keine maßgebende Minderung der mit einem Verbleib der Beschwerdeführerin in Österreich verbundenen Gefahr im Sinn des § 60 Abs. 1 Z. 1 FPG ableitbar (vgl. das zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegen einer Aufenthaltsehe und zum Gefährdungsmaßstab des § 86 Abs. 1 FPG ergangene hg. Erkenntnis vom 23. März 2010, Zl. 2007/18/0369, mwN).

Auf die mit der Heirat verbundenen Änderungen in den familiären Beziehungen der Beschwerdeführerin seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes nahm die belangte Behörde ausreichend Bedacht und durfte dabei berücksichtigen, dass sowohl die Eheschließung als auch die Familiengründung zu Zeitpunkten erfolgten, in denen weder die Beschwerdeführerin noch ihr Ehemann mit einem weiteren Aufenthalt in Österreich rechnen durften. Zusätzliche Umstände, die im Rahmen der Interessenabwägung zu beachten gewesen wären, sind nicht hervorgekommen. Sohin stellt sich der angefochtene Bescheid auch in der nach § 66 FPG vorgenommenen Beurteilung als unbedenklich dar.

Soweit die Beschwerde eine Entscheidung der belangten Behörde über den Eventualantrag auf Einschränkung des Aufenthaltsverbotes auf das Gebiet der Republik Österreich vermisst, war die belangte Behörde nicht verpflichtet, diese in den Berufungsbescheid aufzunehmen, weil es über den Eventualantrag an einem erstinstanzlichen Abspruch fehlte und somit die Entscheidungspflicht der Behörde erster Instanz weiterhin bestehen blieb (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 73 Rz 28, mwN), die allerdings so lange nicht entstehen konnte, als der Primärantrag nicht rechtskräftig abgewiesen worden ist (vgl. den hg. Beschluss vom 11. Dezember 2009, Zl. 2009/10/0224, mwN). Der belangten Behörde fehlte es daher an der Zuständigkeit zur Entscheidung über den Eventualantrag, weshalb der behauptete Verfahrensfehler der belangten Behörde nicht anzulasten war.

Da sich sohin die Beschwerde insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 10. Oktober 2012

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