VwGH 2009/15/0188

VwGH2009/15/018824.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des R R in B, vertreten durch die Concin & Partner Rechtsanwälte GmbH in 6700 Bludenz, Mutterstraße 1a, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 18. September 2009, Zl. RV/0339-F/07, betreffend Einkommensteuer 2005, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §906;
EStG 1988 §124b Z53 idF 2002/I/054;
EStG 1988 §67 Abs8 litb idF 1989/660;
EStG 1988 §67 Abs8 lite idF 2000/I/142;
PKG 1990 §1 Abs2;
ABGB §906;
EStG 1988 §124b Z53 idF 2002/I/054;
EStG 1988 §67 Abs8 litb idF 1989/660;
EStG 1988 §67 Abs8 lite idF 2000/I/142;
PKG 1990 §1 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war als Wirtschaftstreuhänder tätig. Für das Streitjahr 2005 erklärte er in seiner Einkommensteuererklärung Einkünfte aus selbständiger Arbeit, aus nichtselbständiger Arbeit (8.683,75 EUR) und aus Vermietung und Verpachtung.

In der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid brachte der Beschwerdeführer vor, bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit handle es sich um Zahlungen der Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder. Er habe im Jahr 2005 eine Pensionsabfindung von 8.294,82 EUR (neben einer laufenden Pension) erhalten. Es werde die begünstigte Besteuerung der Pensionsabfindung gemäß § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 beantragt. Zwar habe die Firma Co, welche mit der Verwaltung des Pensionsfonds der Wirtschaftstreuhänder beauftragt sei, erklärt, dass ihrer Meinung nach diese Auszahlung unter § 67 Abs. 10 EStG 1988 falle. Der Beschwerdeführer sei jedoch der Auffassung, dass die Pensionsabfindung nach § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 begünstigt zu besteuern sei.

Einem Vorhalt des Finanzamtes entsprechend legte der Beschwerdeführer eine Kopie des Bescheides der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vor, mit welchem ihm im Jahr 2005 in Stattgebung seines Antrages einerseits eine "Teilabfindung" im Betrag von 8.294,82 EUR und andererseits eine (vorzeitige) Alterspension gewährt wurde. Die Bescheidbegründung verweist auf § 5 der Satzung der Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (im Folgenden: Satzung).

Nach § 4 Z 1 der Satzung haben Leistungsberechtigte Anspruch auf folgende Versorgungsleistungen:

"a) Alterspension (einschließlich Teilabfindung gemäß § 5 Abs 2 oder Abfindung nach § 5 Abs 7)

b) Berufsunfähigkeitspension"

§ 5 der Satzung lautet auszugsweise:

"Anspruch auf Versorgungsleistungen

(1) Alterspension

a) Die Alterspension gebührt mit dem auf die Vollendung des 65. Lebensjahres folgenden Monatsersten. Sie ist über Antrag des AWB (Anwartschaftsberechtigten) auszuzahlen. Der Verzicht auf die Berufsausübung ist nicht erforderlich.

b) Durch Antrag kann ein AWB nach Maßgabe der lit c und d ein früheres oder späteres Anfallsalter wählen.

c)…

d) Wählt der AWB ein früheres Anfallsalter, so hat er die vorzeitige Alterspension beim Ausschuss zu beantragen. Voraussetzung für den Anfall der vorzeitigen Alterspension ist die Vollendung des 60. Lebensjahres, sie gebührt ab dem auf den Antrag folgenden Monatsersten.

e) …

(2) Teilabfindung

Ist das Guthaben laut Geschäftsplan der Vorsorgeeinrichtung (§ 16) auf dem Pensionskonto des AWB zum Zeitpunkt des Anfalls der Alterspension (§ 5 Abs 1 lit a, c oder d) höher als der gesetzliche Abfindungsgrenzbetrag gemäß § 1 Abs 2 des Pensionskassengesetzes, BGBl. Nr. 281/1990 in der jeweils gültigen Fassung (PKG), kann der AWB zugleich mit seinem Antrag auf Zuerkennung der Alterspension einen Antrag auf Teilabfindung stellen. Die Teilabfindung beträgt höchstens 50% der auf dem Konto des AWB verbuchten Beträge und Veranlagungsüberschüsse. Die Berechnung der Pension erfolgt in diesem Fall auf Basis des auf Grund der Auszahlung der Teilabfindung reduzierten Kontostandes."

Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Pensionsabfindungen könnten nur dann mit dem halben Steuersatz gemäß § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 versteuert werden, wenn der gesamte Barwert des Pensionsanspruches den in § 1 Abs. 2a Z 1 Pensionskassengesetz genannten Betrag (im Jahr 2005: 9.600 EUR) nicht übersteige. Beim Barwert müsse vom gesamten Pensionsanspruch ausgegangen werden, der im gegenständlichen Fall deutlich über dem Wert von 9.600 EUR liege: Das Guthaben des Beschwerdeführers am Pensionskonto habe zum 1. April 2005 nämlich den Betrag von 16.589,83 EUR erreicht.

Im Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, sein Pensionsanspruch habe zwar 16.589,83 EUR betragen, jedoch sei aufgrund der statuarischen Regelungen nur eine Abfindung in der Höhe der Hälfte des Pensionsanspruches möglich gewesen. Darin sei die gesamte Pensionsabfindung zu erblicken, weil eine weitere gar nicht möglich gewesen wäre. Der Barwert der Pensionsabfindung betrage somit nur ca. 8.300 EUR und sei begünstigungsfähig. Der Beschwerdeführer verwies auch auf die Regelung des § 124 b Z 53 EStG 1988, wonach ein Drittel einer Pensionsabfindung steuerfrei zu belassen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Gemäß § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 in der im Streitjahr geltenden Fassung seien Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes nicht übersteige (im Jahr 2005: 9.600 EUR), mit der Hälfte des Steuersatzes zu versteuern, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Bezuges auf die Monate des Kalenderjahres als Lohnzahlungszeitraum ergebe. Sonstige Bezüge, die nicht unter § 67 Abs. 1 bis 8 EStG 1988 fielen, seien wie ein laufender Bezug nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats zu besteuern (§ 67 Abs. 10 EStG 1988).

Erfolge eine Abfindung in Teilbeträgen, seien nicht die einzelnen Teilbeträge für die Versteuerung gemäß § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 maßgeblich, sondern der gesamte Barwert des abzufindenden Anspruchs. Bei einer teilweisen Abfindung sei der Barwert des gesamten Pensionsanspruches (der abgefundene und der nicht abgefundene) maßgeblich, wobei frühere (bereits erfolgte) Teilabfindungen mit einzubeziehen seien (Sailer/Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2006, Seiten 683 und 751). Im gegenständlichen Fall betrage der Barwert des gesamten Pensionsanspruches 16.589,83 EUR und übersteige damit die im Pensionskassengesetz festgelegte Freigrenze.

Die in Lehre und Verwaltungspraxis vertretene Meinung, wonach auf den Barwert des gesamten Zusatzpensionsanspruches abzustellen sei, finde ihre Bestätigung in § 1 Abs. 2 des Pensionskassengesetzes. Dort werde normiert, dass die von einer Pensionskasse auszuzahlenden Pensionen nur dann abgefunden werden dürften, wenn bei Eintritt des Leistungsfalles der Barwert des Auszahlungsbetrages 9.300 EUR nicht übersteige. Demzufolge sei im Pensionskassengesetz eine Abfindung des Kapitals nur dann erlaubt, wenn der Barwert der auszuzahlenden Pension nicht höher sei als der in § 1 Abs. 2 Z 1 leg. cit. genannte Wert. Übersteige der Barwert der auszuzahlenden Pension den genannten Wert, sei auch eine Teilabfindung der auszuzahlenden Pension untersagt.

Die von Lehre und Verwaltungspraxis vorgenommene Interpretation finde zudem auch im Gesetzeszweck des BudBG 2001, welches eine einschneidende Änderung bei der Besteuerung von Pensionsabfindungen mit sich gebracht habe, Deckung. Dieser Zweck bestehe darin, nur mehr die Abfindungen kleiner Pensionsansprüche zu begünstigen, weil die in Zukunft immer wichtiger werdende lebenslange Zusatzversorgung gefördert werden solle, nicht hingegen ein kurzfristiger Kapitalaufbau.

Ein Zahlungsmodus, wie er dem gegenständlichen Fall zugrunde liege, dürfe nicht dazu führen, dass der Gesetzeszweck unterlaufen werde. Die strittige Zahlung sei daher zum Tarif zu versteuern.

Auch das alternative Berufungsbegehren, ein Drittel der Abfindung aufgrund der Regelung des dritten Satzes des § 124b Z 53 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 54/2002 steuerfrei zu belassen, sei nicht begründet. Die ErlRV zu BGBl. I Nr. 54/2002, mit dem der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 dieser dritte Satz angefügt worden sei, führten aus:

"Ausländische gesetzliche Regelungen bzw. die darauf beruhenden Statuten der ausländischen Pensionskassen sehen vielfach Pensionsabfindungen vor. Eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse ist nicht möglich. Diese Problematik trifft insbesondere Grenzgänger, die in diesen Fällen keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung haben. Es wäre daher unbillig, Pensionsabfindungen in diesen Fällen zur Gänze tarifmäßig zu besteuern."

Gegenständlich liege ein solcher Sonderfall des § 124b Z 53 dritter Satz EStG 1988 nicht vor, seien doch keine Leistungsansprüche gegenüber einer Pensionskasse (nach Maßgabe einer gesetzlichen oder statutarischen Abfindungsregelung), sondern (Teil)Ansprüche gegenüber der standeseigenen Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (vgl. § 173 WTBG) abgefunden worden. Zudem ergebe sich aus den ErlRV, dass eine steuerliche Begünstigung nur für jene Fälle gewährleistet werden solle, in denen die Berechtigten "keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung" gehabt hätten. Der Beschwerdeführer sei hingegen nach der Satzung der Vorsorgeeinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder keineswegs gehalten gewesen, seine Ansprüche abfinden zu lassen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

1. § 67 EStG 1988:

§ 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 idF BudBG 2001, BGBl I Nr. 142/2000, lautet:

"Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes nicht übersteigt, sind mit der Hälfte des Steuersatzes zu versteuern, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Bezuges auf die Monate des Kalenderjahres als Lohnzahlungszeitraum ergibt."

Der Begriff des "Barwertes" findet in Zusammenhang mit fraktioniert bzw. rentenmäßig anfallenden Zahlungen, allenfalls auch mit in der Zukunft anfallenden Einmalzahlungen Verwendung. Vor diesem Hintergrund ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass sich der in § 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988 verwendete Begriff "Barwert" nicht auf eine (unmittelbar zu leistende) Abfindungszahlung als solche, sondern auf die Pension (Barwert des Pensionsanspruches) bezieht (vgl. Felbinger, SWK 2001, S 64. der auch darauf verweist, dass der Gesetzgeber mit der Regelung im Hinblick auf die als wichtiger erachtete lebenslange Zusatzversorgung in Form einer laufend ausgezahlten Zusatzpension nicht die einmalige Abfindung bei Pensionsantritt fördern wolle). Für diese Interpretation spricht auch die Bezugnahme auf § 1 Abs. 2 des Pensionskassengesetzes, wo von "auszuzahlenden Pensionen" und vom Barwert dieses "Auszahlungsbetrages" die Rede ist

Zudem ist im gegenständlichen Fall schon aus folgendem Grund eine (begünstigt zu besteuernde) Pensionsabfindung nicht gegeben:

Ist bei einer obligatio alternativa (Wahlschuld iSd § 906 ABGB) dem Gläubiger das Wahlrecht eingeräumt, liegt keine "Abfindung" vor, wenn der Gläubiger seine freie Wahl zwischen den mehreren gleichwertigen (primären, aber alternativen) Ansprüchen trifft. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, 2007/15/0026, in Bezug auf "Pensionsabfindungen" nach § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 idF BGBl. Nr. 660/1989 ausgesprochen, dass die "Abfindung" eines Anspruches auf rentenmäßige Zahlung nicht vorliegen kann, wenn dem Anwartschaftsberechtigten das freie Wahlrecht zwischen der Rente einerseits und dem Rentenbarwert (als Kapitalanspruch) eingeräumt ist.

Im gegenständlichen Fall hat § 4 Z 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 und 2 der Satzung ein solches Wahlrecht festgelegt.

2. § 124b EStG 1988:

Mit BGBl I Nr. 54/2002 wurde in § 124b Z 53 EStG 1988 ein Satz (dritter Satz) angefügt und dadurch normiert, dass Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen ab dem Jahr 2001 zu einem Drittel steuerfrei seien.

Den ErlRV, 927 BlgNR 21. GP, zufolge wird mit dieser Regelung darauf abgestellt, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist. In einer solchen Situation wäre es "unbillig", Pensionsabfindungen in diesen Fällen zur Gänze tarifmäßig zu versteuern.

Zutreffend verweist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf, dass im Beschwerdefall ein Zwang zur Pensionsabfindung gerade nicht bestanden hat, sondern dem Beschwerdeführer die freie Wahlmöglichkeit zwischen zwei gleichrangig eingeräumten Ansprüchen offen gestanden ist.

Wie bereits unter 1. ausgeführt, liegt keine "Abfindung" vor, wenn der Anwartschaftsberechtigte die freie Wahl zwischen mehreren Ansprüchen (unter anderem dem Anspruch auf Einmalzahlung) trifft. Solcherart kann der belangten Behörde nicht erfolgreich entgegen getreten werden, wenn sie die Voraussetzungen dafür, einen Teil der in Rede stehenden Einmalzahlung nach § 124b Z 53 EStG 1988 steuerfrei zu behandeln, für nicht gegeben erachtet hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 408/2008.

Wien, am 24. Mai 2012

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