VwGH 2009/10/0132

VwGH2009/10/013219.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der M K in B, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schillerstraße 17, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 23. März 2009, Zl. UVS-5-004/K4-2008, betreffend Sozialhilfe (weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §66 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §66 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Antrag der Beschwerdeführerin auf rückwirkende Beendigung ihrer Kostenersatzpflicht hinsichtlich der für R.K. angefallenen Sozialhilfekosten abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Soweit die Beschwerdeführerin zum teilweisen Ersatz der für R.K. aufgewendeten und anfallenden Kosten der Sozialhilfe (beginnend ab dem Jahr 2006) verpflichtet wurde, wird der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 27. November 1998 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Vorarlberger Sozialhilfegesetz (SHG) iVm § 94 ABGB verpflichtet, zur teilweisen Deckung der für ihren (damaligen) Ehemann R.K. anfallenden Sozialhilfekosten Ersatzzahlungen im Ausmaß von monatlich ATS 2.000,-- zu leisten. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. August 1999, Zl. 99/11/0010, ab.

2. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Montafon vom 24. November 2005 (rechtskräftig seit 9. Dezember 2005) wurde die Ehe der Beschwerdeführerin mit R.K. gemäß § 55a EheG im Einvernehmen geschieden. Gleichzeitig wurde ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen, dem gemäß die Beschwerdeführerin und R.K. unter anderem wechselseitig auf Unterhalt, dies auch für den Fall der Not, unverschuldeter Not, geänderter Verhältnisse, geänderter Gesetzeslage oder geänderter Judikatur verzichteten. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2005 beantragte die Beschwerdeführerin bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz (im Folgenden: BH), ihre Kostenbeitragspflicht zur Sozialhilfe rückwirkend zur Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses für beendet zu erklären.

3. Mit Bescheid der BH vom 23. Februar 2006 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Einstellung der Kostenbeitragspflicht abgewiesen.

4.1. Infolge der dagegen erhobenen Berufung hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 28. Februar 2007 diesen Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die BH zurück.

4.2. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der gerichtliche Vergleich, mit dem die Beschwerdeführerin und R.K. gegenseitig unter Ausschluss der Umstandsklausel auch für den Fall der Not und geänderter Verhältnisse auf Unterhalt verzichtet hätten, sei für die Verwaltungsbehörde nicht bindend (gemäß § 38 AVG). Aus diesem Grund könne dahin gestellt bleiben, ob allenfalls der Unterhaltsverzicht wegen Geschäftsunfähigkeit des R.K. unwirksam oder unter Bedachtnahme auf die Lebensverhältnisse der (vormaligen) Ehegatten sittenwidrig sei. Damit sei aber die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Beschwerdeführerin nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts verpflichtet sei, R.K. gegenüber Unterhalt zu leisten, von der Behörde selbständig als Vorfrage zu beurteilen. Zu prüfen sei daher, ob R.K. bei Durchführung eines "strittigen" Scheidungsverfahrens wegen eines Verschuldensausspruches, der höchstens sein gleichteiliges Verschulden an der Scheidung feststelle, gegen die Beschwerdeführerin einen Scheidungsunterhaltsanspruch nach den §§ 66 bis 68 EheG gehabt hätte.

Der OGH habe in seiner Entscheidung vom 24. November 1999, 3 Ob 229/98t, ausgesprochen, dass zur Frage, ob das Beharren des vom Verzicht auf die Umstandsklausel Begünstigten auf dem vereinbarten Unterhaltsverzicht für den Fall der Not des anderen sittenwidrig sei, jedenfalls Feststellungen über die Gründe der Ehescheidung der Streitteile zu treffen seien, die eine Beurteilung des hypothetischen Scheidungsverschuldens ermöglichten.

Derartige Ermittlungen seien auch im gegenständlichen Fall erforderlich.

Wörtlich führte die belangte Behörde schließlich aus:

"Der angefochtene Bescheid enthält keine Feststellungen, auch nicht im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Sittenwidrigkeit des Unterhaltsverzichtes, über die Gründe für die Ehescheidung und damit verbunden keine Beurteilung des hypothetischen Scheidungsverschuldens der Parteien. Zu diesem Sachverhalt wurden keine geeigneten Ermittlungen, wie etwa die Einvernahme der geschiedenen Ehegatten und die Aufnahme sonstiger Beweismittel, durchgeführt. Die bloße Bezugnahme auf das VwGH-Erkenntnis vom 24.08.1999 und die dort getroffenen Ausführungen zur Alkoholkrankheit des R(…) K(…) ist jedenfalls nicht ausreichend, um das hypothetische Scheidungsverschulden der Parteien feststellen zu können. Aufgrund der aufgezeigten Mangelhaftigkeit der Sachverhaltsermittlung ist der angefochtene Bescheid aufzuheben und die gegenständliche Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. In einem fortgesetzten Ermittlungsverfahren wären die für ein streitiges Scheidungsverfahren erforderlichen Ermittlungen, insbesondere durch Einvernahme der Ehegatten, durchzuführen und aufgrund der Ergebnisse darzulegen, weshalb und in welcher Höhe sich eine Unterhaltspflicht der (Beschwerdeführerin) in einem streitigen Scheidungsverfahren ergeben hätte."

5. Die BH holte in weiterer Folge "zur Vorbereitung der oben erwähnten Einvernahme der Ehegatten" von der Beschwerdeführerin und R.K. schriftliche Stellungnahmen zur Frage des Verschuldens im Falle einer (gedachten) streitigen Scheidung ein. Eine Einvernahme der Beschwerdeführerin und des R.K durch die BH erfolgte - trotz schriftlicher Urgenz der Beschwerdeführerin vom 26. November 2007 -

ebenso wenig wie die Erlassung eines Bescheides.

6. Am 14. Februar 2008 brachte die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag ein.

7.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. März 2009 wies die belangte Behörde "als gemäß § 73 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) zuständige Behörde" - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung bzw. ohne Einvernahme der Beschwerdeführerin und R.K. - den Antrag der Beschwerdeführerin vom 16. Dezember 2005 auf (mit Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses) rückwirkende Beendigung der Kostenbeitragspflicht für R.K. gemäß § 10 Abs. 1 SHG ab und verpflichtete gleichzeitig die Beschwerdeführerin nach § 10 SHG iVm § 69a Abs. 2 Ehegesetz zum teilweisen Ersatz der für R.K. aufgewendeten und anfallenden Kosten der Sozialhilfe in folgendem

Umfang:

Kostenbeitrag für das Jahr 2006: monatlich EUR 180,-- (insgesamt EUR 2.160,--),

Kostenbeitrag für das Jahr 2007: monatlich EUR 205,-- (insgesamt EUR 2.460,--),

Kostenbeitrag für das Jahr 2008: monatlich EUR 170,-- (insgesamt EUR 2.040,--)

Kostenbeitrag ab dem Jahr 2009: monatlich EUR 170,--.

7.2. Begründend führte die belangte Behörde - nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - im Wesentlichen aus, dass die Frage, ob und in welchem Ausmaß (nach § 10 Abs. 1 SHG) Kostenersatz zu leisten sei, grundsätzlich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts betreffend die Unterhaltspflicht zu beurteilen sei. Da für das Verwaltungsverfahren eine rechtswirksame Vereinbarung über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Bechwerdeführerin und R.K. nicht vorliege, weil der (Scheidungs-)Vergleich nicht bindend sei, gelange die bürgerlichrechtliche Regelung des § 69a Abs. 2 EheG zur Anwendung. Nach § 71 Abs. 1 EheG hafte der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte vor den Verwandten des Berechtigten. Soweit jedoch der Verpflichtete bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen den eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde, würden die Verwandten vor dem geschiedenen Ehegatten haften. Dass der angemessene Unterhalt der Beschwerdeführerin durch die Leistung von Unterhalt an R.K. gefährdet würde, könne auf Grund der ermittelten (und im Einzelnen näher dargestellten) Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht festgestellt werden. Die Beschwerdeführerin hafte daher gemäß § 71 Abs. 1 erster Satz EheG vor den Verwandten des R.K. Da R.K. nicht über ein ausreichendes Einkommen verfüge, weshalb er auch Sozialhilfe beziehe, sei die Beschwerdeführerin zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet, welche nach § 69 Abs. 2 EheG der Billigkeit entspreche. Der Billigkeitsanspruch sei auf einen Unterhaltszuschuss beschränkt, umfasse also niemals den vollen Unterhalt. Bei der Billigkeitsbeurteilung seien die Bedürfnisse, Vermögens- und Erwerbsverhältnisse und Sorgepflichten des anderen Ehegatten sowie sämtliche Lebensumstände beider Partner zu berücksichtigen. Von Bedeutung seien weiters die Dauer der Ehe und der Grund der Selbsterhaltungsfähigkeit des bedürftigen Gatten, nicht jedoch die beiderseitigen Eheverfehlungen. Nach der "Gerichtspraxis" solle der Zuschuss nur einen "relativ bescheidenen Teil" des vollen Unterhalts ausmachen, durchschnittlich etwa 10 bis 15% des Nettoeinkommens des Verpflichteten.

Im gegenständlichen Fall sei zu berücksichtigen, dass der "Beschuldigte" (gemeint: R.K.) auf Grund seiner Alkoholkrankheit seine Selbsterhaltungsfähigkeit verloren habe und dass er schon im Zeitpunkt der Eheschließung krank gewesen sei. Die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und R.K. habe ca. 13,5 Jahre gedauert. Die Beschwerdeführerin befinde sich in einer Lebensgemeinschaft mit einem Mann, welcher ebenfalls ein eigenes Einkommen beziehe. Sie habe keine konkurrierenden Unterhaltspflichten. Aufgrund der Höhe des Einkommens der Beschwerdeführerin sowie ihres Lebensgefährten, in Anbetracht der längeren Dauer der Ehe mit R.K. und in Anbetracht des Umstandes, dass R.K. seine Selbsterhaltungsfähigkeit aufgrund seiner Alkoholkrankheit verloren habe, sei die Festsetzung eines Unterhaltsbeitrages in der Höhe von ca. 12 % des Nettoeinkommens der Beschwerdeführerin gerechtfertigt. Ausgehend von diesen Grundlagen sei die Kostenbeitragspflicht der Beschwerdeführerin spruchgemäß festzusetzen gewesen.

8. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende, Beschwerde.

9. Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

10. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Vorarlberger Sozialhilfegesetz 1998, LGBl. Nr. 1/1998 idF LGBl. Nr. 24/2008 (SHG) lautet auszugsweise:

"§ 1

Allgemeines

(1) Sozialhilfe ist Hilfsbedürftigen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu gewähren.

(2) Sozialhilfe ist die staatliche Hilfe zur Führung eines menschenwürdigen Lebens.

§ 10

Ersatz durch Dritte

(1) Die zum Unterhalt verpflichteten Angehörigen, ausgenommen Eltern von volljährigen Kindern, Kinder, Großeltern und Enkelkinder, haben im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht die Kosten der Sozialhilfe einschließlich der Kosten im Sinne des § 13 Abs. 3 zu ersetzen.

§ 11

Geltendmachung von Ersatzansprüchen

(1) ...

(2) Über den Kostenersatz nach § 10 können mit den Ersatzpflichtigen Vergleiche abgeschlossen werden. …

(3) Über den Kostenersatz nach § 9 und, wenn kein Vergleich zustande kommt, über den Kostenersatz nach § 10 ist im Verwaltungsweg zu entscheiden.

§ 15

Bezirkshauptmannschaft, Landesregierung

(1) Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Verordnungen sind von der Landesregierung nach Anhörung des Sozialfonds zu erlassen. Im Übrigen ist für behördliche Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Bezirkshauptmannschaft sachlich zuständig.

…"

Das Ehegesetz, dRGBL. I S 807/1938 idF BGBl. I Nr. 92/2006

(EheG) lautet auszugsweise:

"Einvernehmen

§ 55a. (1) Ist die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten seit mindestens einem halben Jahr aufgehoben, gestehen beide die unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses zu und besteht zwischen ihnen Einvernehmen über die Scheidung, so können sie die Scheidung gemeinsam begehren.

(2) Die Ehe darf nur geschieden werden, wenn die Ehegatten eine schriftliche Vereinbarung über den hauptsächlichen Aufenthalt der Kinder oder die Obsorge, die Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr und die Unterhaltspflicht hinsichtlich ihrer gemeinsamen Kinder sowie ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander für den Fall der Scheidung dem Gericht unterbreiten oder vor Gericht schließen. Hinsichtlich des Rechtes auf persönlichen Verkehr mit gemeinsamen Kindern können die Ehegatten vereinbaren, dass sie sich die Regelung vorbehalten.

(3) Einer Vereinbarung nach Abs. 2 bedarf es nicht, soweit über diese Gegenstände bereits eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt. Dass die für eine solche Vereinbarung allenfalls erforderliche gerichtliche Genehmigung noch nicht vorliegt, ist für den Ausspruch der Scheidung nicht zu beachten.

§ 69a.

(1) Der auf Grund einer Vereinbarung nach § 55a Abs. 2 geschuldete Unterhalt ist einem gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten, soweit er den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessen ist.

(2) Mangels einer rechtswirksamen Vereinbarung über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Ehegatten im Fall einer Scheidung im Einvernehmen hat ein Ehegatte dem anderen Unterhalt zu gewähren, soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten und der nach § 71 unterhaltspflichtigen Verwandten des Berechtigten der Billigkeit entspricht; § 67 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

§ 71

(1) Der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte haftet vor den Verwandten des Berechtigten. Soweit jedoch der Verpflichtete bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen den eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde, haften die Verwandten vor dem geschiedenen Ehegatten. Soweit einem geschiedenen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten nicht zusteht, haben die Verwandten des Berechtigten nach den allgemeinen Vorschriften über die Unterhaltspflicht den Unterhalt zu gewähren.

(2) Die Verwandten haften auch, wenn die Rechtsverfolgung gegen den unterhaltspflichtigen Ehegatten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. In diesem Falle geht der Anspruch gegen den Ehegatten auf den Verwandten über, der den Unterhalt gewährt hat. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden.

…"

11.1. Zur Abweisung des Antrags auf Beendigung der Kostenbeitragspflicht

Die Beschwerde bringt u.a. vor, der angefochtene Bescheid enthalte keine Feststellungen über die Gründe für die Ehescheidung und "damit verbunden" keine Beurteilung des hypothetischen Scheidungsverschuldens der Parteien. Die belangte Behörde habe dazu keine Ermittlungen, insbesondere keine Einvernahme der Beschwerdeführerin und des R.K. durchgeführt. Der angefochtene Bescheid enthalte keine Feststellungen, weshalb und in welcher Höhe sich eine Unterhaltspflicht der Beschwerdeführerin in einem streitigen Scheidungsverfahren ergeben habe.

Mit diesem Vorbringen, das an die von der belangten Behörde ihrem Aufhebungs- und Zurückverweisungsbescheid vom 28. Februar 2007 tragend zugrunde gelegte Rechtsanschauung anknüpft, zeigt die Beschwerde im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsbescheid nach § 66 Abs. 2 AVG räumt den Parteien ein subjektives Recht darauf ein, dass die Unterbehörde eine der Rechtsansicht der Berufungsbehörde entsprechende Entscheidung trifft und die ihr erteilten Verfahrensaufträge einhält. Die Unterbehörde ist demnach an die von der Berufungsbehörde im zurückverweisenden Bescheid geäußerten, die Behebung tragenden, Gründe und die für sie maßgebliche Rechtsansicht gebunden. Innerhalb der Grenzen der Rechtskraft ist die dem Behebungsbescheid zugrunde liegende Rechtsansicht allgemein verbindlich, dh. im Falle eines weiteren Rechtsganges auch für die bescheiderlassende Behörde selbst sowie in der Folge für eine allenfalls im Instanzenzug übergeordnete Behörde. Wie die Verwaltungsbehörden sind auch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts - sofern nicht eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist - an die durch die rechtskräftige Aufhebung festgelegte Zuständigkeitsordnung in der Sache sowie an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für sie maßgebliche Rechtsansicht gebunden (vgl. zu all dem Hengstschläger/Leeb, AVG § 66, Rz. 26 und 28, sowie die dort zitierte hg. Judikatur).

Die belangte Behörde hat mit ihrem Bescheid vom 28. Februar 2007 der BH die unter Pkt. 4.2. dargestellte, von der Beschwerde zusammengefasst wiedergegebene, Rechtsansicht überbunden. Diese, die Behebung tragende Rechtsanschauung - deren Rechtmäßigkeit vom Verwaltungsgerichtshof nicht mehr zu prüfen war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2001, Zl. 2001/08/0050) - entfaltete Bindungswirkung auch für die im Devolutionsweg an die Stelle der säumigen BH getretene belangte Behörde selbst. Die belangte Behörde hätte demnach insbesondere - nach Einvernahme der Beschwerdeführerin und des R.K. - im angefochtenen Bescheid Feststellungen zum Scheidungsverschulden nach Maßgabe eines (hypothetischen) streitigen Scheidungsverfahrens zu treffen und davon ausgehend die Unterhaltspflicht der Beschwerdeführerin gegenüber R.K. zu beurteilen gehabt.

Indem die belangte Behörde demgegenüber im angefochtenen Bescheid die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin wie unter Pkt. 7.2. dargestellt begründet hat, hat sie die die Aufhebung tragenden Gründe und die dafür maßgebliche Rechtsansicht missachtet, wodurch sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis VwSlg 10.757 A/1982, sowie das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1998, Zl. 96/19/3520).

Der angefochtene Bescheid war daher im erwähnten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

11.2. Zur Festsetzung des Kostenersatzes für die R.K. gewährte Sozialhilfe

Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens war - entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 16. Dezember 2005 - nur die Frage der (auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses) rückwirkenden Beendigung der Kostenersatzpflicht der Beschwerdeführerin. Demgemäß hatte der Bescheid der BH vom 23. Februar 2006 lediglich den Abspruch über den erwähnten Antrag zum Inhalt. Weiter reichte auch die Zuständigkeit der - im zweiten Rechtsgang im Devolutionsweg zuständig gewordenen - belangten Behörde nicht.

Im Übrigen oblag aber die Festsetzung des Kostenersatzes (für den Fall des Nichtzustandekommens eines Vergleiches im Sinne des § 11 Abs. 2 SHG) gemäß § 10 SHG nach § 15 Abs. 1 Satz leg. cit. in erster Instanz der Bezirkshauptmannschaft.

Indem die belangte Behörde durch die Festsetzung der Kostenersatzpflicht im angefochtenen Bescheid ihre Kompetenz überschritten hat, liegt eine - vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmende - Unzuständigkeit vor, weshalb der angefochtene Bescheid im erwähnten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

12. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II. Nr. 455. Das Kostenmehrbegehren war indes abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer enthält.

Wien, am 19. Dezember 2012

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