VwGH 2009/08/0006

VwGH2009/08/00062.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Wien, vertreten durch Dr. Eva-Maria Bachmann-Lang und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Opernring 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vom 10. November 2008, Zl. BMSK-328932/0001- II/A/3/2008, betreffend Beitragsgrundlage nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: F M in K, vertreten durch Mag. Franz Müller, Rechtsanwalt in 3470 Kirchberg am Wagram, Georg-Ruck-Straße 9), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art7 Abs1;
EStG 1988 §4 Abs4 Z1 lita;
GSVG 1978 §25 Abs2 Z2 idF 1993/336;
GSVG 1978 §25 Abs2 Z2 idF 1998/I/139;
GSVG 1978 §25 Abs2 Z2;
B-VG Art7 Abs1;
EStG 1988 §4 Abs4 Z1 lita;
GSVG 1978 §25 Abs2 Z2 idF 1993/336;
GSVG 1978 §25 Abs2 Z2 idF 1998/I/139;
GSVG 1978 §25 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 19. Februar 2007 an die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt beantragte der Mitbeteiligte die bescheidmäßige Feststellung der Beitragsgrundlage für das Jahr 2005.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 an den Landeshauptmann von Niederösterreich beantragte der Mitbeteiligte - mangels Erlassung des beantragten Bescheides durch die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt - den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf den Landeshauptmann von Niederösterreich.

Mit Bescheid vom 17. April 2008 stellte der Landeshauptmann von Niederösterreich fest, dass die monatliche Beitragsgrundlage des Mitbeteiligten in der Krankenversicherung im Jahr 2005 EUR 1.664,72 betrage. Begründend führte der Landeshauptmann im Wesentlichen aus, den Einkünften des Mitbeteiligten aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von EUR 13.747,02 seien die im Jahr 2005 vorgeschriebenen Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung in Höhe von EUR 6.229,56 hinzuzurechnen (insgesamt sohin EUR 19.976,58), sodass sich eine monatliche Beitragsgrundlage in der Krankenversicherung in Höhe von EUR 1.664,72 errechne.

Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten Folge und stellte fest, dass die monatliche Beitragsgrundlage des Mitbeteiligten in der Krankenversicherung im Jahr 2005 EUR 1.145,59 betrage. Die belangte Behörde ging von folgendem Sachverhalt aus:

Der Mitbeteiligte habe laut rechtskräftigem Einkommensteuerbescheid vom 20. Juni 2006 für das Jahr 2005 selbständige Einkünfte in der Höhe von EUR 13.747,02 erzielt. Im Jahr 2005 seien dem Mitbeteiligten Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung in der Höhe von EUR 6.229,56 vorgeschrieben worden. Der Mitbeteiligte habe im Jahr 2005 seine Sozialversicherungsbeiträge in der Einkommensteuererklärung nicht einkommensmindernd geltend gemacht.

Gemäß § 25 Abs. 2 Z 2 GSVG seien zur Ermittlung der Beitragsgrundlage die vorgeschriebenen Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung - soweit sie nach § 4 Abs. 4 Z 1 lit. a EStG 1988 als Betriebsausgaben gelten - zu den Einkünften nach § 25 Abs. 1 GSVG hinzuzurechnen. Gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 lit. a EStG 1988 seien Beiträge des Versicherten zur gesetzlichen Kranken- , Unfall- und Pensionsversicherung jedenfalls Betriebsausgaben.

Eine Hinzurechnung nach § 25 Abs. 2 Z 2 GSVG habe aber nur dann stattzufinden, wenn durch die steuerliche Behandlung dieser Beiträge ohne Hinzurechnung eine Verminderung der Beitragsgrundlage, die sich aus der maßgeblichen Tätigkeit ergebe, folgen würde. Da der Mitbeteiligte seine Beiträge aus dem Jahr 2005 nicht als Betriebsausgaben einkommensmindernd geltend gemacht habe, sei die Beitragsgrundlage im Jahr 2005 somit nicht durch seine Beiträge aus diesem Jahr geschmälert worden, sodass diese Beiträge nicht (erneut) hinzuzurechnen seien. Mit einer Hinzurechnung kämen diese Beiträge in der Beitragsgrundlage 2005 "doppelt zum Tragen". Ausgehend von den im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen selbständigen Einkünften von EUR 13.747,02 ergebe sich die monatliche Beitragsgrundlage daher mit EUR 1.145,59.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift durch den Mitbeteiligten erwogen hat:

1. Die Beschwerde macht zusammengefasst geltend, § 25 Abs. 2 Z 2 GSVG stelle nur darauf ab, ob die Sozialversicherungsbeiträge, die im jeweiligen Beitragsjahr vorgeschrieben worden seien, steuerlich als Betriebsausgaben iSd § 4 Abs. 4 Z 1 lit. a EStG 1988 gelten, nicht jedoch, ob diese Beiträge tatsächlich im jeweiligen Kalenderjahr als Betriebsausgaben geltend gemacht worden seien. Im Gesetzgebungsprozess habe man sich bewusst für diese Variante entschieden, die der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages im eigenen Bereich und unabhängig von der konkreten steuerlichen Auswirkung der Sozialversicherungsbeiträge ermögliche, und die Hinzurechnung der vorgeschriebenen und nicht der bezahlten Beiträge normiert. Es sei auch nicht sicher, ob es nicht zu einer nachträglichen steuerlichen Berücksichtigung komme; bei einer rechtlichen Beurteilung (wie im angefochtenen Bescheid) müsste die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt den Fall in Beobachtung halten, um gegebenenfalls die richtigen Verhältnisse wieder herzustellen.

2. Gemäß § 25 Abs. 1 GSVG sind für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs. 1 GSVG, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz, unbeschadet einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 und 6 GSVG, unterliegen, heranzuziehen; als Einkünfte gelten die Einkünfte iSd EStG 1988.

§ 25 Abs. 2 Z 2 GSVG (idF BGBl. I Nr. 139/1998) lautet:

"(2) Beitragsgrundlage ist der gemäß Abs. 1 ermittelte Betrag,

  1. 1. (…)
  2. 2. zuzüglich der vom Versicherungsträger im Beitragsjahr im Durchschnitt der Monate der Erwerbstätigkeit vorgeschriebenen Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz; letztere nur soweit sie als Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 1 lit. a EStG 1988 gelten;"

    3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 99/08/0152, ausgesprochen, dass es hinsichtlich der gemäß § 25 Abs. 2 Z 2 GSVG hinzuzurechnenden Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge nur darauf ankommt, ob die Beiträge im betreffenden Jahr vorgeschrieben wurden. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 95/08/0303, dargelegt hat, diente die Neueinführung der Hinzurechnung der Beiträge zur Pflichtversicherung bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage durch die 19. GSVG-Novelle (BGBl. Nr. 336/1993) der Anpassung der Beitragsgrundlagenbildung nach dem GSVG an jene nach dem ASVG; ebenso wie nach den Bestimmungen des ASVG sollten auch im Anwendungsbereich des GSVG die Beiträge zur Pflichtversicherung, welche das zu versteuernde Einkommen verringern, nicht auch die Beitragsgrundlage für die Bemessung der Beiträge zur Sozialversicherung verringern. Das allein praktikable Abstellen auf die Vorschreibungen führt zu sachgerechten Ergebnissen, weil sich die sich daraus ergebenden Inkongruenzen in der Regel - über einen längeren Zeitraum hinweg - ausgleichen. Die vom Mitbeteiligten für eine Verfassungswidrigkeit der genannten Bestimmung vorgebrachten Argumente bieten keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzugehen (vgl. ebenso das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2010, Zl. 2010/08/0086, mwN).

    Ob der Mitbeteiligte die ihm - unstrittig - im Kalenderjahr 2005 vorgeschriebenen Beiträge als Betriebsausgaben einkommensmindernd geltend gemacht hat (und gegebenenfalls aus welchen Gründen nicht: in der Beantwortung eines Vorhaltes im Verfahren vor der belangten Behörde hatte der Mitbeteiligte angegeben, das Computerprogramm, anhand dessen er ein Einlageblatt zu seiner Steuererklärung verfasst habe, habe eine Position für an die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt zu entrichtende Beiträge nicht vorgesehen), kommt es demnach nicht an (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 8. September 2010, Zl. 2010/08/0032).

    Soweit der Mitbeteiligte unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2004/08/0181, geltend macht, eine Hinzurechnung habe nur dann stattzufinden, wenn durch die steuerliche Behandlung dieser Beiträge ohne Hinzurechnung eine Verminderung der Beitragsgrundlage folgen würde, ist ihm entgegenzuhalten, dass aus diesem Erkenntnis nicht abzuleiten ist, dass eine Hinzurechnung von Sozialversicherungsbeiträgen nur dann zulässig sei, wenn es tatsächlich im Jahr der Vorschreibung (bei unterbliebener Hinzurechnung) zu einer Verminderung der Beitragsgrundlage käme; die Ausführungen in jenem Erkenntnis sind nicht dahin zu verstehen, dass es dabei jeweils auf das konkrete Jahr ankomme, in dem es zu einer Auswirkung auf die Beitragsgrundlage kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, Zl. 2005/08/0208).

    Entgegen der in der Gegenschrift des Mitbeteiligten vertretenen Meinung ist auch nicht aus dem letzten Halbsatz des § 25 Abs. 2 Z 2 GSVG ("letztere nur soweit sie als Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 1 lit. a EStG 1988 gelten") abzuleiten, dass diese Beiträge nur dann hinzuzurechnen seien, wenn sie bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte einkommensmindernd geltend gemacht worden seien. Dem steht schon der Wortlaut dieser Bestimmung entgegen, wonach es nur darauf ankommt, dass diese Beiträge als Betriebsausgaben "gelten", nicht aber etwa, dass sie als Betriebsausgaben, und zwar im Kalenderjahr der Vorschreibung, geltend gemacht worden seien.

    Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 2. Mai 2012

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