VwGH 2010/21/0003

VwGH2010/21/000314.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde 1. der C und 2. der R, beide in Kinshasa und vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres je vom 17. November 2009, Zl. 154.318/2-III/4/09 (ad 1.) und Zl. 154.318/3-III/4/09 (ad 2.), jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293;
FrÄG 2009;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
VwRallg;
ASVG §293;
FrÄG 2009;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1991 bzw. 1993 geborenen Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo und Adoptivtöchter eines österreichischen Staatsbürgers. Jeweils am 4. März 2008 stellten sie bei der österreichischen Botschaft Nairobi mit Bezug auf ihren Adoptivvater einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger".

Mit den angefochtenen, weitgehend gleichlautenden und jeweils im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom 17. November 2009 wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) die erwähnten Anträge gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab. Sie begründete das im Wesentlichen damit, dass der Adoptivvater der Beschwerdeführerinnen monatlich, unter Berücksichtigung des 13. und 14. Monatsgehaltes, ca. EUR 1.579,92 verdiene. Er sei gegenüber seiner Ehefrau und drei leiblichen Kindern sorgepflichtig, wofür nach den Richtsätzen des § 293 ASVG ein Bedarf in Höhe von EUR 1.400,93 monatlich anzusetzen sei. Zuzüglich Kreditraten von EUR 159,-- und dem für die beiden Beschwerdeführerinnen in Anschlag zu bringenden Unterhaltsbedarf in Höhe von EUR 161,90 müsste somit ein Gesamtnettoeinkommen von EUR 1.721,83 vorhanden sein, sodass sich eine Differenz von EUR 141,91 ergäbe. Mithin sei die Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG nicht erfüllt.

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG könne - so die belangte Behörde in den beiden bekämpften Bescheiden weiter - ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Voraussetzung nach Abs. 2 Z 1 bis 6 NAG erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Hiezu sei festzustellen, "dass ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK besteht und die deutliche Unterschreitung der in § 293 ASVG vorgesehenen Richtsätze zu einer finanziellen Belastung der Gebietskörperschaft führen". Die Anträge seien "somit" abzuweisen gewesen, weil auch die Sicherung des Lebensunterhaltes eine wichtige Grundvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels darstelle.

Über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde - erkennbar wenden sich die Beschwerdeführerinnen jeweils gegen den sie betreffenden Bescheid - hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerinnen bestreiten nicht, dass ihr zusammenführender Adoptivvater ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von EUR 1.579,92 bezieht. Sie bringen auch nichts gegen die - zutreffende - behördliche Ansicht vor, dass im gegebenen Zusammenhang ausgehend von den familiären Verhältnissen ihres Adoptivvaters (Sorgepflicht gegenüber Ehefrau und drei minderjährigen leiblichen Kindern) hievon schon ein Betrag von EUR 1.400,93 "verbraucht" wird, sodass insgesamt lediglich EUR 178,99 zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs verbleiben. Sie vertreten allerdings die Ansicht, dass diese EUR 178,99 uneingeschränkt zur Verfügung stünden und nicht durch die festgestellte Kreditbelastung ihres Adoptivvaters (EUR 159,-- monatlich) geschmälert würden, weshalb der für sie von der belangten Behörde festgestellte Bedarf (2 x EUR 80,95) gedeckt sei. Dazu machen sie unter Verweis auf das schon in der Berufung erstattete Vorbringen geltend, der fragliche Kredit sei für die Anzahlung der von ihrem Adoptivvater angeschafften "Mietkaufwohnung" aufgenommen worden, sodass es sich bei den Kreditzahlungen "um eine Leistung für die zukünftige Wohnversorgung handeln würde, welche naturgemäß auch die Leistungen für die derzeitige Wohnversorgung mindern würde."

Richtig ist - worauf die dargestellten Beschwerdeausführungen beruhen -, dass auf Basis der hier zu beurteilenden Rechtslage vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 Wohnkosten die zur Verfügung stehenden Mittel nicht schmälern (vgl. grundlegend das hg. Erkenntnis vom 3. April 2009, Zl. 2008/22/0711, Punkt 5.4. der Entscheidungsgründe). Für Kreditbelastungen gilt das jedoch nicht, und zwar nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch dann nicht, wenn sie aus der Schaffung von "Wohnraum" resultieren (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, Zl. 2009/21/0278). Die dem (seinerzeitigen) Gesetzgeber zusinnbare Vorstellung, dass mit einem die Höhe des anzusetzenden "Richtsatzes" nach § 293 ASVG erreichenden Einkommen typischerweise auch die - unmittelbaren - Kosten der Unterkunft bestritten werden können, kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nämlich nicht auf derartige Kreditaufwendungen übertragen werden.

Die Beschwerdeführerinnen führen weiter ins Treffen, dass die Ehefrau ihres Adoptivvaters bis kurz vor Bescheiderlassung "Arbeitslose" bezogen habe, weshalb selbst unter Berücksichtigung der Anzahlung für die "Mietkaufwohnung" und der darauf gegründeten Kreditrückzahlungen eine Überschreitung der notwendigen "Bemessungsgrundlage" von EUR 141,91 zu tolerieren gewesen wäre. Anders als die Beschwerdeführerinnen vermeinen, kann allerdings aus dem nicht mehr aktuellen Bezug von Geldleistungen - welcher Art auch immer - nichts abgeleitet werden. Entscheidend ist die "Mittelsituation" für den Zeitraum, in dem der Familiennachzug vollzogen wird (siehe dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. August 2010, Zl. 2007/21/0483). Dass die Ehefrau des Adoptivvaters der Beschwerdeführerinnen aber in Zukunft ein Einkommen beziehen werde, lässt sich aus dem vorangegangenen Bezug von Arbeitslosengeld nicht ableiten und wurde von den Beschwerdeführerinnen auch gar nicht behauptet.

Abschließend nehmen die Beschwerdeführerinnen auf § 11 Abs. 3 NAG Bezug. Entgegen ihrer Ansicht ist den bekämpften Bescheiden die Vornahme einer Interessenabwägung im Sinn der genannten Bestimmung - gerade noch - zu entnehmen. Dass Art. 8 EMRK ein Hinwegsehen über die nach dem Gesagten von der belangten Behörde zu Recht als nicht erfüllt erachtete Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG - etwa deswegen, weil die beiden Beschwerdeführerinnen eine schon bestehende, dem Verhältnis zu leiblichen Eltern nahekommende Bindung zu ihrem Adoptivvater aufwiesen - gebieten würde, zeigt die Beschwerde aber nicht auf. Sie war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 14. April 2011

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