VwGH 2010/03/0200

VwGH2010/03/020026.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des C B in W, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 15. November 2010, Zl BMI-VA 1900/0123-III/3/2010, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;
WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 11. September 2008 auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 21 Abs 2 und § 22 Abs 2 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) ab.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe seinen Antrag damit begründet, dass er aufgrund seines Unternehmens (er betreibe in W, Sstraße 41, eine Tankstelle, einen Garagenbetrieb und eine Kfz-Werkstätte) regelmäßig sehr hohe Geldbeträge vom Betrieb zur Bank bringe, diese Bank bereits mehrmals überfallen worden sei und er zeitweise das Gefühl habe, dass sein Betrieb beobachtet und ausspioniert würde. Er beantrage den Waffenpass, um die Geldbeträge sicher vom Betrieb zur Bank befördern zu können. Auf seinem täglichen Bankweg ("Sstraße, Vstraße, Lstraße und Egasse") hätten sich schon zahlreiche zum Teil schwer bewaffnete Raubüberfälle ereignet. Ferner sei an seiner privaten Wohnadresse in W vor wenigen Jahren eine Nachbarin Opfer eines Raubüberfalls geworden. Aufgrund dieser Umstände läge eine besondere Gefahrenlage vor, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt begegnet werden könne, sodass ein Bedarf an der Ausstellung des Waffenpasses begründet sei.

Aufgrund des Beweisverfahrens gehe die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer häufig Bargeldtransaktionen mit höheren Beträgen vornehme. Die Häufigkeit dieser Transaktionen sei durch eine beigebrachte Bankbestätigung "auf eine Regelmäßigkeit von 2-3 Mal wöchentlich über einen Zeitraum von 1.1.2008 bis 10.10.2008 konkretisiert, die Höhe der jeweiligen Bareinzahlungen von 700,- bis 18.600 bzw. 20.000,- Euro" belegt. Jedoch sei es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, einen Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage glaubhaft zu machen, aus der er ableite, dass diese Gefahr für ihn zwangsläufig erwachse und es sich um eine solche handle, der am zweckmäßigsten durch den Gebrauch einer Faustfeuerwaffe wirksam entgegen getreten werden könne. Wenn es auch zutreffen möge, dass aufgrund der vorgelegten Medienberichte eine besondere Gefahr nicht auszuschließen sei, sei dessen ungeachtet auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, nach der ein strenger Maßstab anzulegen sei. So verweise die Rechtsprechung den Waffenpasswerber auf Alternativverhalten, bei dem die besonderen Gefahren vermieden oder zumindest reduziert werden können. Neben dem geforderten und dem Beschwerdeführer zumutbaren Alternativverhalten, dessen "Wahlmöglichkeit (er) im Verfahren" unterlassen habe, habe er die erforderliche Wahrscheinlichkeit, dass er selbst in eine bedarfsbegründende Situation komme, nicht glaubhaft gemacht. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichten zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus. Die vom Beschwerdeführer behauptete Gefahr hebe sich nicht vom Sicherheitsrisiko ab, welchem viele Berufsgruppen ausgesetzt seien. Resümierend sei daher festzuhalten, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Tatsachen nicht geeignet seien, einen Bedarf iSd § 21 Abs 2 und § 22 Abs 2 WaffG zu begründen. Auch eine Ermessensentscheidung habe nicht zu seinen Gunsten getroffen werden können. Eine "positive Entscheidung" wäre insofern beispielfolgend gewesen, als die Ausstellung eines Waffenpasses für eine "unerweisliche" Bedrohung zur Folge hätte, dass es letzten Endes zu einer sukzessiven Bewaffnung der Bevölkerung kommen könne; ein Umstand, der eine schwerwiegende Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahren bestehe, bedeuten würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des Waffengesetzes 1996 (WaffG), BGBl I Nr 12/1997 idF vor der hier noch nicht einschlägigen Novelle BGBl I Nr 43/2010, lauten:

"Ermessen

§ 10. Bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen sind private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist.

...

Ausstellung von Waffenbesitzkarte und Waffenpaß

§ 21. ...

(2) Die Behörde hat verläßlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schußwaffen nachweisen, einen Waffenpaß auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verläßliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde.

...

Rechtfertigung und Bedarf

§ 22. ...

(2) Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs 2 ist jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, daß er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann."

§ 6 der zweiten Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Durchführung des Waffengesetzes (2. WaffV), BGBl II Nr 313/1998, lautet:

"Ermessen bei der Ausstellung von Waffenpässen

§ 6. Das der Behörde in § 21 Abs 2 Waffengesetz eingeräumte Ermessen darf nur im Rahmen privater Interessen geübt werden, die einem Bedarf (§ 22 Abs 2 WaffG) nahe kommen."

2. Ausgehend von dieser Rechtslage ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 28. März 2006, Zl 2005/03/0038, mwN).

Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 23. April 2008, Zl 2006/03/0171, mwN, und aus jüngerer Zeit die hg Erkenntnisse vom 30. September 2010, Zl 2007/03/0138, und vom 27. Jänner 2011, Zl 2010/03/0072).

3. Die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe sich mit seinem Vorbringen, dass die Sicherheitsverhältnisse auf seinem Bankweg besonders schlecht seien (er habe vorgebracht, dass auf die konkrete Bankfiliale bereits mehrfache Raubüberfälle verübt worden seien und dass solche auch auf seinem Bankweg passiert seien), "in keinster Weise auseinandergesetzt". Wären die schlechten Sicherheitsverhältnisse im angefochtenen Bescheid dargestellt worden, hätte die belangte Behörde zu einem - für den Beschwerdeführer günstigeren - Bescheid gelangen können. In diesem Zusammenhang habe der Beschwerdeführer in der Berufung auch beantragt, dass die Behörde die Daten aus der Anzeigenstatistik beischaffen möge, die seinen Weg zur Bank beträfen. Diese hätten zweifellos erwiesen, dass es bereits mehrfach zu bewaffneten Banküberfällen auf seinem Bankweg gekommen sei. Die belangte Behörde sei über diesen Beweisantrag aber begründungslos hinweggegangen. Zudem verweise die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf ein Alternativverhalten, ohne dieses ansatzweise zu konkretisieren. Dazu sei dem Beschwerdeführer auch kein Parteiengehör eingeräumt worden; ein solches hätte ergeben, dass er alle Möglichkeiten von bargeldlosen Transaktionen nutze, es aber ein Faktum sei, dass Kunden öfters bar bezahlten und er diese Geldbeträge nicht in seinem Betrieb sammeln wolle, zumal sich das Risiko beim Transport dadurch noch vervielfachen würde.

4. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf:

4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in einer Vielzahl von Erkenntnissen dargelegt, dass die Durchführung von Geldtransporten - auch in den Abendstunden - und selbst das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine Gefahr darstellt, die einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen begründen würde (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom 30. September 1998, Zl 98/20/0358 (Geschäftsführer eines Restaurationsbetriebs), vom 1. Juli 2005, Zl 2005/03/0016 (Außendienstmitarbeiter), vom 28. März 2006, Zl 2005/03/0038 (Geschäftsführer eines Transportunternehmens für Banken), vom 26. April 2007, Zl 2007/03/0057 (Geschäftsführer eines technischen Unternehmens), und vom 30. September 2010, Zl 2007/03/0138, mwN (Tabaktrafikant)).

Dabei wurde klargestellt, dass die Notwendigkeit des Transports von Geldbeträgen insbesondere vom Betrieb zu einer Bank im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko begründet. Liegt mit Rücksicht auf die maßgebenden örtlichen und zeitlichen Umstände - unbeschadet der für jedermann bestehenden Gefahr, auch zur Tageszeit und in Gebieten mit günstigen Sicherheitsverhältnissen allenfalls das Opfer eines räuberischen Überfalles zu werden - kein erhöhtes Sicherheitsrisiko vor, fehlt es an einem Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen (vgl dazu etwa das zuletzt zitierte hg Erkenntnis Zl 2007/03/0138).

4.2. Im vorliegenden Fall sieht der Beschwerdeführer seine besondere Gefährdung vor allem in den schlechten Sicherheitsverhältnissen auf dem Weg zwischen seinem Betrieb (in W, Sstraße 41) und der (offenbar im selben Bezirk gelegenen) Bankfiliale. Zum Beleg dafür übermittelte er der Waffenbehörde zunächst Artikel aus mehreren österreichischen Tageszeitungen. In einem Bericht der Zeitung "KURIER" vom 28. November 2008 wurde unter der Schlagzeile "Vorweihnachtszeit - Die Räuber kommen im Stundentakt" über eine Serie von Überfällen der letzten Tage in W (und zwar in den Bezirken L (Überfall auf eine Apotheke in der Lgasse), N, F, M, P, R, O und L) berichtet. Auch ein Artikel der Zeitung "Österreich" vom selben Tag beschäftigt sich mit der Raubserie in W ("Zwölf Überfälle in nur 72 Stunden"), von der nach diesem Bericht ein Taxilenker, zwei Supermärkte, ein Postamt, ein Wettlokal, eine Trafik, eine Bäckerei, ein Drogeriemarkt und eine "Frau auf offener Straße" betroffen gewesen seien; örtlich näher präzisiert wurde lediglich der Überfall auf einen Juwelier in W-F. Ein weiterer - nicht näher zuordenbarer - Zeitungsartikel führte unter der Schlagzeile "Irre Serie: Jeden Tag vier brutale Überfälle - Täter werden bei Advent-Coups immer brutaler" aus, dass binnen drei Tagen zwölf bewaffnete Raubüberfälle stattgefunden hätten. Erwähnt wurde eine Straftat in W-O und eine solche in W-F.

Da keiner dieser (über eine Raubserie in mehreren W Bezirken während der Adventzeit des Jahres 2008 berichtenden) Zeitungsartikel einen unmittelbaren sachlichen oder räumlichen Bezug zum Beschwerdeführer und seiner behaupteten Bedrohung hat, erweisen sich diese Beweismittel von vornherein als ungeeignet, den Bedarf eines Waffenpasses nachzuweisen.

Seine Behauptung, auf dem täglichen Bankweg passierten "zahlreiche zum Teil schwer bewaffnete Raubüberfälle", blieb unkonkret und unsubstantiiert; der damit in Zusammenhang stehende Beweisantrag in der Berufung, die Waffenbehörde möge die Daten aus der Anzeigenstatistik betreffend seinen Bankweg beischaffen, ging - mangels auch nur eines einzigen belegten Vorfalles - in die Richtung eines Erkundungsbeweises und ließ außer Acht, dass es nach der bereits zitierten hg Rechtsprechung Sache des Waffenpasswerbers ist, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen (vgl Punkt 2. der Erwägungen). Dem entsprach der Beschwerdeführer weder mit dem bereits erwähnten unkonkreten Vorbringen über angebliche Raubüberfälle insbesondere auf dem Weg zwischen seinem Betrieb und der Bankfiliale (oder einem geschilderten Überfall auf seine Wohnungsnachbarin in W) noch mit seinen (undeutlich und spekulativ bleibenden) Annahmen, sein Betrieb sei von möglichen Tätern "ausspioniert" worden.

Ausgehend davon hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers im Ergebnis zutreffend abgewiesen und es braucht auf ihre - von der Beschwerde als mangelhaft kritisierte - Hilfsbegründung (Alternativverhalten zur Vermeidung oder Beschränkung der Gefährdung) nicht weiter eingegangen zu werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 26. April 2011

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