VwGH 2007/03/0138

VwGH2007/03/013830.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des A S in G, vertreten durch Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Niederösterreich vom 21. Juni 2007, Zl Wa-118/07, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;
WaffG 1996 §21 Abs2;
WaffG 1996 §22 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 21 Abs 2 iVm § 22 Abs 2 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), ab.

Nach einer Wiedergabe des Verfahrensganges und einer Darstellung der maßgebenden Rechtslage führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag damit begründet, dass er eine Tabaktrafik mit Standort in K betreibe und auf Grund dessen besonderen Gefahren ausgesetzt sei. Der Beschwerdeführer habe auf die Notwendigkeit der Beförderung von Bargeldbeträgen und "geldwerten Waren" (Tabakerzeugnisse, Briefmarken) durch ihn verwiesen sowie die Notwendigkeit der Betreuung der Auslage vor der Trafik, wofür er immer wieder das Geschäftslokal verlassen müsse. Auch wenn er diese Transporte nicht in Gegenden mit deutlich erhöhter Kriminalitätsrate tätigen würde, sei er auf Grund der oftmals durchgeführten Transporte ein bevorzugtes Opfer von Raubüberfällen; solche fänden nämlich nicht nur in Gegenden mit deutlich erhöhter Kriminalitätsrate statt, sondern überall. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer dermaßen oft mit hohen Werten unterwegs sein müsse, dass nahezu bei jedem Überfall auf ihn, wenn er außerhalb der Trafik unterwegs sei, mit einem "schönen Erfolg" durch einen Räuber gerechnet werden könne. Er sei auf Grund der hohen Bargeld- und wertvollen Warenbestände, und der oftmaligen Transporte von Geld und geldwerten Waren in einem erheblich höheren Ausmaß gefährdet als der Durchschnitt der Bevölkerung. Diesen Gefahren könne nur mit dem ständigen Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe begegnet werden.

Nach Auffassung der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer damit weder eine besondere, das Ausmaß der für jedermann bestehenden Gefahr erheblich übersteigende Gefahrenlage geltend gemacht, noch sei zu erkennen, dass der geltend gemachten Gefahr am zweckmäßigsten durch den Gebrauch einer genehmigungspflichtigen Waffe begegnet werden könne. Zu beachten sei im gegebenen Zusammenhang auch, dass der Beschwerdeführer als Inhaber einer Waffenbesitzkarte genehmigungspflichtige Schusswaffen in der Trafik besitzen dürfe, weshalb zur Abwehr möglicher Gefahren in seiner Trafik die Ausstellung eines Waffenpasses nicht erforderlich sei. Der Aktenlage nach befinde sich die Bank lediglich 50 bis 100 m von der Trafik des Beschwerdeführers entfernt; im Bereich der Trafik selbst sowie in den vom Beschwerdeführer weiters zu betreuenden Außenstellen hätten sich in den letzten 18 Monaten keine bewaffneten Raubüberfälle ereignet, wie eine Abfrage aus dem "Sicherheitsmonitor" ergeben habe.

Im Rahmen ihrer Ermessensbegründung verwies die belangte Behörde darauf, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gefahren nicht an einen Bedarf heranreichten und dass durch die Ausstellung von Waffenpässen an eine Vielzahl von Personen, welche die gleichen Voraussetzungen wie der Betroffene erfüllen würden, auf Grund allfälliger Beispielsfolgen erhöhte Gefahren drohten. Dazu komme, dass allfälligen Gefahren auch durch anderen Maßnahmen, wie etwa die Verbringung der Geldsummen durch Sicherheitsfirmen oder durch eventuellen Einsatz eines Pfeffersprays, begegnet werden könne.

Über die dagegen erhobenen Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des Waffengesetzes 1996 (WaffG), BGBl I Nr 12/1997 idF BGBl I Nr 57/2001, lauten:

"Ermessen

§ 10. Bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen sind private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist.

...

Ausstellung von Waffenbesitzkarte und Waffenpaß

§ 21. ...

(2) Die Behörde hat verläßlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schußwaffen nachweisen, einen Waffenpaß auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verläßliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde.

...

Rechtfertigung und Bedarf

§ 22. ...

(2) Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs 2 ist jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, daß er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann."

§ 6 der zweiten Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Durchführung des Waffengesetzes (2. WaffV), BGBl II Nr 313/1998, lautet:

"Ermessen bei der Ausstellung von Waffenpässen

§ 6. Das der Behörde in § 21 Abs 2 Waffengesetz eingeräumte Ermessen darf nur im Rahmen privater Interessen geübt werden, die einem Bedarf (§ 22 Abs 2 WaffG) nahe kommen."

2. Ausgehend von dieser Rechtslage ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt (vgl das hg Erkenntnis vom 28. März 2006, Zl 2005/03/0038, mwN).

Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl das hg Erkenntnis vom 23. April 2008, Zl 2006/03/0171, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in einer Vielzahl von Erkenntnissen dargelegt, dass die Durchführung von Geldtransporten - auch in den Abendstunden - und selbst das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine solche Gefahr darstellt (vgl das hg Erkenntnis vom 29. Jänner 2007, Zl 2005/03/0021, mwN).

3. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei als Trafikant erheblichen und besonderen Gefahren ausgesetzt; Tabaktrafiken seien nämlich, beispielsweise ebenso wie Taxilenker, beliebte Opfer von Raubüberfällen, worauf er im Verfahren unter Stellung entsprechender Beweisanträge hingewiesen habe. Dieses besondere Gefährdungspotenzial, welchem ein Tabaktrafikant ausgesetzt sei, zeige sich etwa in Internetabfragen zum Thema "Raub Trafik", die eine Vielzahl von Treffern ergäben. Die belangte Behörde habe es entgegen dem Antrag des Beschwerdeführers unterlassen, eine näher genannte Abfrage über Straftaten gegen Tabaktrafiken in Österreich durchzuführen, und sich mit den eingeschränkten Abfrage, bezogen auf die letzten 18 Monate auf ein räumlich eingeschränktes Gebiet, begnügt.

Das "Alternativverhalten", auf das ihn die belangte Behörde verwiesen habe, nämlich die Möglichkeit, höhere Geldbeträge von Sicherheitsfirmen transportieren zu lassen, sei für den Beschwerdeführer unzumutbar: Er habe nämlich nicht nur ein bis zweimal täglich Bargeldeinnahmen von täglich EUR 15.000,-- zur Bank zu bringen, sondern sei auch gezwungen, Briefmarken von der österreichischen Post sowie Parkscheine der Gemeinde K bar zu bezahlen und in sein Geschäftslokal zu transportieren; die Parkscheine der Gemeinde W könnten bargeldlos bezahlt werden, die geldgleiche Ware müsse aber von ihm in sein Geschäftslokal verbracht werden, wobei es wirtschaftlich völlig unmöglich sei, diese Transporte durch eine Sicherheitsfirma durchführen zu lassen. Da der Betrieb einer Tabaktrafik ein "Gröscherl-Geschäft" sei, stünden verhältnismäßig hohen Umsätzen nur relativ geringe Gewinne gegenüber. Der Betrieb seiner Tabaktrafik wäre wirtschaftlich nicht durchführbar, wenn er die geschilderten Tätigkeiten von einer Sicherheitsfirma übernehmen ließe.

Die von der belangten Behörde hervorgehobene kurze Wegstrecke zwischen Bank und Trafik relativiere sich deshalb, weil sich seine Gefahrenlage nicht auf das bloße Transportieren von Geld reduziere. Vielmehr sei er als Tabaktrafikant nicht nur im Geschäft selbst, sondern auch beim unmittelbaren Verlassen des Geschäftes Gefährdungen ausgesetzt. Dazu komme, dass er auch seine "dislozierten Automatenstandorte" in K und W betreuen müsse, nämlich mit "nahezu geldgleichen Rauchwaren" befüllen und das Bargeld entleeren. Sowohl beim Verlassen seines Geschäfts als auch am Weg zu den Automatenstandorten sei er besonderen Gefahren ausgesetzt, denen nur mit einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe entgegengetreten werden könne.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde sei etwa der Einsatz eines Pfeffersprays oder einer Gaspistole nicht ausreichend, um einen Angriff gegen ihn zu begegnen. Vielmehr könne der Einsatz eines Pfefferspray eine starke Eigengefährdung des Benutzers bewirken, habe in bestimmten Situationen keinen Erfolg, und sei überdies von zweifelhafter Wirkung. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde wäre es deshalb notwendig gewesen, den zu diesem Thema beantragten Sachverständigenbeweis zu führen.

Zu beachten sei schließlich, dass die Ausübung von Notwehr zwar maßhaltend sein müsse, also den Rahmen des Notwendigen nicht übersteigen dürfe, aber nicht etwa an die Verhältnismäßigkeit gebunden sei. Es könne daher auch bei einem unbewaffneten Angreifer die Verwendung einer Waffe gerechtfertigt sein und entspreche fast immer der Notwendigkeit, gegenüber einem bewaffneten Räuber als Tabaktrafikant eine genehmigungspflichtige Schusswaffe zur Verteidigung einzusetzen.

An diese Ausführungen knüpft der Beschwerdeführer Verfahrensrügen.

4. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf:

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich schon mehrfach (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom 16. März 1988, Zl 87/01/0285, und vom 30. Juni 1982, Zl 0746/80) mit Anträgen von Tabaktrafikanten auf Ausstellung eines Waffenpasses auseinandergesetzt. Dabei wurde klargestellt, dass die Notwendigkeit des Transports von Geldbeträgen von der Trafik zu einer Bank ebenso wie etwa der Transport von Stempelmarken und Zigaretten im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko begründet. Liegt mit Rücksicht auf die maßgebenden örtlichen und zeitlichen Umstände - unbeschadet der für jedermann bestehenden Gefahr, auch zur Tageszeit und in Gebieten mit günstigen Sicherheitsverhältnissen allenfalls das Opfer eines räuberischen Überfalles zu werden - kein erhöhtes Sicherheitsrisiko vor, fehlt es an einem Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen.

Die Beschwerdeausführungen bieten keinen Anlass, von dieser Beurteilung abzurücken. Der Beschwerdeführer ist als Inhaber einer Waffenbesitzkarte berechtigt, im Geschäftslokal eine Waffe bei sich zu haben. Die Notwendigkeit des Transports von Geld und "geldgleichen Waren" begründet für sich genommen keine besondere Gefahrenlage. Mit dem von der Beschwerde hervorgehobenen Erfordernis der Betreuung "dislozierter" Automaten, der Auslage sowie von Zeitungsständern auf dem Gehsteig vor der Trafik wird eine besondere Gefahrenlage ebenso wenig aufgezeigt; insoweit hebt sich die Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht in entscheidendem Ausmaß von der anderer Inhaber oder Mitarbeiter von Geschäftslokalen ab, die ebenfalls Ware außerhalb des eigentlichen Geschäftslokals anbieten.

Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie diese Hinweise des Beschwerdeführers auf seine berufliche Tätigkeit als Tabaktrafikant als nicht ausreichend beurteilt hat, um im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung eine über bloße Vermutungen und Befürchtungen hinausgehende konkrete Gefährdung darzutun.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren war damit nicht geeignet, den Bedarf zum Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe nachzuweisen und damit den Anspruch auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 21 Abs 2 erster Satz WaffG darzulegen. Aus diesem Grund erweist sich auch die an die Nichtdurchführung der dazu beantragten Beweise geknüpfte Verfahrenrüge als nicht zielführend.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 30. September 2010

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