VwGH 2009/22/0278

VwGH2009/22/027831.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder und die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde 1. des O,

2. der Z, 3. des mj. J und 4. des mj. A, sämtliche vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Juli 2009, Zlen. MA35-9/2847679-01-W (ad 1.), MA35- 9/2847683-01-W (ad 2.), MA35-9/2847686-01-W (ad 3.) und MA35- 9/2847687-01-W (ad 4.), jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §44 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ASVG §293;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §44 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den angefochtenen Bescheiden vom 17. Juli 2009 wies die belangte Behörde die Anträge der beschwerdeführenden Parteien, Eltern und Kinder ukrainischer Staatsangehörigkeit, gemäß § 44 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 11 Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

In den annähernd gleichlautenden Begründungen dieser Bescheide führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die beschwerdeführenden Parteien am 15. April 2009 Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 44 Abs. 4 NAG gestellt hätten.

Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin am 28. September 2001 nach Österreich gereist seien und am 12. November 2001 Asylanträge eingereicht hätten. Diese seien am 19. Dezember 2008 in zweiter Instanz "rechtskräftig negativ entschieden" worden. Dritt- und Viertbeschwerdeführer seien in Wien geboren worden.

Die beschwerdeführenden Parteien hielten sich somit seit fast acht Jahren bzw. seit der Geburt durchgängig im Bundesgebiet auf und der Zeitraum des Aufenthaltes sei zumindest zur Hälfte rechtmäßig gewesen. Es sei gegen die beschwerdeführenden Parteien auch kein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot erlassen worden und es liege keine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption vor.

Die allgemeinen Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 2 NAG lägen aber insofern nicht vor, als der Lebensunterhalt der beschwerdeführenden Parteien derzeit nicht zur Gänze gesichert sei. Der Unterhalt sei zeitweise durch Beschäftigungen des Erstbeschwerdeführers bei einem namentlich genannten Unternehmen bestritten worden. Seit 14. Oktober 2007 beziehe er Notstandshilfe in der Höhe von EUR 684,90. Der notwendige Lebensunterhalt im Sinn des § 11 Abs. 5 NAG für ein Ehepaar und zwei Kinder betrage jedoch EUR 1.319,98. Es sei auch keine Patenschaftserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 18 NAG als Substituierung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abgegeben worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage samt Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach § 44 Abs. 4 NAG setzt auch voraus, dass der Antragsteller dem Erfordernis des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG entspricht. Sein Aufenthalt darf also - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 2010, 2010/21/0397, mwN). Die belangte Behörde hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Antrag der beschwerdeführenden Parteien wegen des Fehlens der in § 11 Abs. 2 Z 4 NAG vorgesehenen Erteilungsvoraussetzung abweise.

Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint, wobei insoweit auch die Verpflichtung besteht, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2010, 2008/22/0111).

Die beantragte "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" berechtigt zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gilt (§ 8 Abs. 2 Z 4 NAG). Die belangte Behörde nahm zu Recht eine Prüfung dahin vor, ob den beschwerdeführenden Parteien ein Unterhaltsbetrag zur Verfügung stehe, der dem Richtsatz für im gemeinsamen Haushalt lebende Ehepartner samt Kindern gemäß § 293 ASVG entspricht. Zu Unrecht verknüpfte sie aber den Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel allein mit dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung. Bei der Prüfung, ob ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, ist eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu treffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. April 2011, 2009/22/0066). Im Verwaltungsverfahren haben die beschwerdeführenden Parteien vorgebracht, dass der Erstbeschwerdeführer bemüht sei, eine Arbeit zu finden, wobei auf vier beiliegende Schriftstücke des AMS verwiesen wurde. Gemäß der Bestätigung eines näher genannten Unternehmens wurde der Erstbeschwerdeführer konkret für eine Einstellung vorgemerkt. Weiters ist aus den Verwaltungsakten ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2004, 2005, 2006 und 2007 jeweils etwa für die Dauer eines halben Jahres beschäftigt war. Die belangte Behörde hat es unterlassen, eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu treffen, obwohl Anhaltspunkte für die konkrete Erlangung eines Beschäftigungsverhältnisses aus den Verwaltungsakten ersichtlich sind. Ihr Abstellen auf das Fehlen einer Patenschaftserklärung erweist sich daher als nicht rechtskonform.

Bemerkt sei, dass die beschwerdeführenden Parteien mit dem am 26. August 2009 eingelangten Schriftsatz eine Einstellungszusage übermittelt haben. Zu diesem Zeitpunkt waren aber die angefochtenen Bescheide bereits zugestellt und daher erlassen. Dies ändert aber nichts daran, dass die belangte Behörde wegen der aufgezeigten Anhaltspunkte Feststellungen über ein erzielbares Einkommen hätte treffen müssen.

Wegen des aufgezeigten Rechtsirrtums waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 31. Mai 2011

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