VwGH 2009/07/0023

VwGH2009/07/002328.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde

1. des MD und 2. der RD, beide in S, beide vertreten durch Mag. Egmont Neuhauser, Rechtsanwalt in 3270 Scheibbs, Rathausplatz 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 9. Dezember 2008, Zl. WA1-W-42495/001-2007, betreffend Kostenvorschreibung in einem Verfahren nach dem WRG 1959, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1302;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §76 Abs2;
AVG §76 Abs3;
AVG §8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ABGB §1302;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §76 Abs2;
AVG §76 Abs3;
AVG §8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.209,44 binnen zwei Wochen sei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Sch (BH) vom 24. August 2006 wurden die Beschwerdeführer, zwei Eheleute, zur Tragung von EUR 657,-- aufgefordert. Davon entfielen EUR 468,-- auf Kosten für die Untersuchung von Wasserproben durch ein akkreditiertes Labor und EUR 189,-- auf Kommissionsgebühren.

Begründend führte die BH aus, dass am 23. Mai 2006 die Verunreinigung des E-Baches, vermutlich durch Gülle, auf Höhe des landwirtschaftlichen Betriebes der Beschwerdeführer angezeigt worden sei. Es sei daraufhin die Entnahme von drei Wasserproben und deren Untersuchung durch ein Labor angeordnet worden. Die Messwerte ließen auf eine Verunreinigung durch Gülle oder Jauche schließen. Zur Überprüfung und Klärung des Sachverhaltes sei am 3. Juli 2006 eine Überprüfungsverhandlung angesetzt worden, wobei insbesondere die Abwassersituation am Anwesen der Beschwerdeführer einer Kontrolle unterzogen worden sei. Aufgrund der Untersuchung werde die Gewässerverunreinigung als erwiesen angenommen. Die Beschwerdeführer hätten als Verursacher die Kosten für die Wasseruntersuchung als auch die im Zuge der Überprüfungsverhandlung angefallenen Kommissionsgebühren zu tragen.

Aufgrund der rechtzeitig erhobenen Vorstellung leitete die BH das Ermittlungsverfahren ein und beauftragte einen Sachverständigen mit einer gutachterlichen Stellungnahme, ob zum Zeitpunkt der Einleitung am 23. Mai 2006 auf Höhe des Anwesens der Beschwerdeführer eine Gewässerverunreinigung des E-Baches gegeben gewesen sei.

Der Sachverständige führte in seiner Stellungnahme vom 13. März 2007 aus, dass ein Lokalaugenschein beim E-Bach durchgeführt worden sei. Zu den von der BH gestellten Fragen werde festgestellt, dass die in der Laboruntersuchung festgestellten Werte der Wasserproben auf Rohabwasser bzw. Gülle oder Jauche hinwiesen. Die Grenzwerte seien weit überschritten worden. Die Untersuchungen der Wasserqualität des E-Baches hätten gezeigt, dass die Parameter elektrischer Leitfähigkeit ober- und unterhalb der Einleitstelle erhöht gewesen seien. Die geringfügige Veränderung ober- und unterhalb der Einleitstelle ließe darauf schließen, dass eine sehr gute Vorflut im E-Bach herrsche und damit eine ausreichende Verdünnung für die Abwässer gegeben sei. Aus fachlicher Sicht sei eine Gewässerverunreinigung des E-Baches zum Zeitpunkt der Einleitung am 23. Mai 2006 auf Höhe des Anwesens der Beschwerdeführer vorgelegen.

Mit Bescheid der BH vom 12. April 2007 wurde der Vorstellung nicht Folge gegeben und die Beschwerdeführer verpflichtet Kosten in der Höhe von EUR 468,-- für die Untersuchung der Wasserproben aus dem E-Bach und Kommissionsgebühren in Höhe von EUR 189,-- für die am 3. Juli 2006 durchgeführte Überprüfungsverhandlung zu tragen. Die Beschwerdeführer wurden weiters verpflichtet, die Kommissionsgebühren in Höhe von EUR 9,45 für den Lokalaugenschein des Amtssachverständigen zu tragen, sohin insgesamt EUR 666,45.

Begründend führte die BH aus, dass aufgrund des im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholten Gutachtens, das nach Ansicht der BH logisch nachvollziehbar und schlüssig aufgebaut und zur Fragestellung konkret ausgeführt worden sei, die Barauslagen den Verursachern der Gewässerverunreinigung spruchgemäß vorzuschreiben seien.

In der dagegen erhobenen Berufung bestritten die Beschwerdeführer, dass Abwässer von ihrem Anwesen für die Verunreinigung des E-Baches ursächlich seien. Die Menge aus ihrem Kanal sei zu gering, um in den E-Bach zu gelangen, weil die Mündung ihres Abwasserkanals 15 Meter vom E-Bach entfernt liege. Weiters wiesen die Messergebnisse unterhalb der Einleitungsstelle teilweise bessere Werte auf, als oberhalb derselben. Die Kostenvorschreibung sei sohin zu Unrecht erfolgt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Erstbeschwerdeführers zurück, jene der Zweitbeschwerdeführerin ab. Aufgrund der Analyseergebnisse des beauftragten Labors stehe eindeutig fest, dass der E-Bach auf Höhe des Anwesens der Beschwerdeführer ein stark belastetes Abwasser aufweise. Dass dieses belastete Abwasser vom Anwesen der Beschwerdeführer stamme, sei in der Verhandlung am 3. Juli 2006 sowie in der Stellungnahme des beauftragten Amtssachverständigen vom 13. März 2007 eindeutig festgestellt worden. Werde eine Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasteten die Auslagen den Beteiligten gemäß § 76 Abs. 2 AVG dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden seien. Es sei zu prüfen gewesen, welchem Ehegatten gegenüber sowohl der Mandatsbescheid als auch der Bescheid über die Vorstellung erlassen worden sei. Die von der BH durchgeführten Erhebungen hätten ergeben, dass beide Bescheide von der Zweitbeschwerdeführerin übernommen und sohin ihr gegenüber erlassen worden seien. Daraus ergebe sich, dass gegenüber dem Erstbeschwerdeführer weder der Mandats- noch der Vorstellungsbescheid erlassen worden sei. Dessen Berufung sei sohin als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Aufgrund der Aktenlage stehe fest, dass die Verunreinigung des E-Baches durch ein Verschulden der Beschwerdeführer entstanden sei. Die entstandenen Kosten seien sohin von der Zweitbeschwerdeführerin zu tragen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführer bringen vor, entgegen den Bestimmungen des AVG und des WRG 1959 mit Kosten belastet worden zu sein. Es werde bestritten, dass aus den entnommenen Wasserproben der Rückschluss gezogen werden könne, dass die Beschwerdeführer den E-Bach durch Einleitung verdünnter Jauche verschmutzt hätten. Die Beschwerdeführer hätten ihren Kanal zu keinem Zeitpunkt in den E-Bach eingeleitet, sondern stets in ein etwa 15 Meter vom E-Bach entferntes Waldstück. Das eingeholte Gutachten sei mangelhaft und unvollständig, sodass es keine ausreichende Grundlage für die Verpflichtung der Beschwerdeführer zur Tragung der Kosten darstelle.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten eines Amtssachverständigen in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten, somit auf gleicher fachlicher Ebene (durch Einholung eines Gutachtens eines Privatsachverständigen), bekämpft werden. Widersprüche zu den Erfahrungen des Lebens und zu den Denkgesetzen können aber auch ohne sachverständige Untermauerung aufgezeigt werden. Auch Hinweisen auf die Ergänzungsbedürftigkeit des Gutachtens muss nachgegangen werden (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 2005, Zl. 2005/07/0108, vom 20. Mai 2010, Zl. 2008/07/0127, und vom 17. Februar 2011, Zl. 2010/07/0167).

Die Beschwerdeführer sind dem Gutachten des Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene, wie etwa durch Einholung eines Privatgutachtens, entgegengetreten. Die Beschwerde zeigt auch keine Unschlüssigkeit oder Ergänzungsbedürftigkeit dieses Gutachtens im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung auf. Dem Vorbringen, dass das eingeholte Gutachten nicht fachlich fundiert erstattet oder unschlüssig sei und sohin nicht als Grundlage für die Verpflichtung der Beschwerdeführer zur Kostentragung dienen könne, kann mangels ausreichender Konkretisierung sohin nicht gefolgt werden.

Dies umso mehr, als die Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend ausführt - in der Verhandlung vor der BH am 3. Juli 2006 vorbrachten, dass sich der Mistplatz nordöstlich des landwirtschaftlichen Gebäudes während Regenereignissen "voll füllt". Aufgrund des Zustandes der Bodenplatte (Risse) würden die "Sickersäfte" langsam in den Untergrund versickern. In weiterer Folge würden diese "Sickersäfte" in alte Betonrohrleitungen und von dort in den Regenwasserkanal gelangen.

2. Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch aus nachstehenden Überlegungen als inhaltlich rechtswidrig:

Im vorliegenden Fall wurden beide Beschwerdeführer mit Mandatsbescheid vom 24. August 2006 zur ungeteilten Tragung der aufgelaufenen Kosten verpflichtet. Dies wurde durch den Bescheid der BH vom 12. April 2007 bestätigt.

Die belangte Behörde wies die Berufung des Erstbeschwerdeführers in ihrem angefochtenen Bescheid als unzulässig zurück. Sie ging dabei davon aus, dass der Mandatsbescheid vom 24. August 2006 und der Bescheid der BH vom 12. April 2007 lediglich "gegenüber" der Zweitbeschwerdeführerin, nicht jedoch "gegenüber" dem Erstbeschwerdeführer erlassen worden sei. Es kann dahinstehen, ob sich diese Ansicht der belangten Behörde als zutreffend erweist. Jedenfalls berechtigte sie die belangte Behörde nicht zur Zurückweisung der Berufung des Erstbeschwerdeführers als unzulässig. In einem Mehrparteienverfahren ist der Bescheid nämlich bereits mit der Erlassung an eine Partei existent geworden; in einem solchen Fall können auch andere Parteien als Bescheidadressaten - an die der Bescheid noch nicht ergangen ist - gegen diesen Berufung erheben, wenn sie Kenntnis von seinem Inhalt erlangt haben (siehe dazu die bei Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht,

5. Auflage, 254, zitierte hg. Judikatur). Es liegt daher eine zulässige Berufung des Erstbeschwerdeführers vor.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist bei der Vorschreibung sonstiger Barauslagen der Behörde bzw. von Kommissionsgebühren gemäß § 76 Abs. 2 AVG von der Verschuldenshaftung auszugehen, wobei Abs. 3 dieses Paragraphen die angemessene Verteilung dieser Kosten auf mehrere Beteiligte vorsieht. Durch diese gesetzliche Regelung wird eine Solidarhaftung nicht statuiert. Vielmehr ist aus der gesetzlich angeordneten angemessenen Verteilung auch verschuldeter Barauslagen und somit auch von Kommissionsgebühren abzuleiten, dass der Gesamtbetrag auf alle Ersatzpflichtigen derart aufzuteilen ist, dass jeder - auch im Fall der Uneinbringlichkeit des Teilbetrages bei einzelnen Verpflichteten - nur den ihm auferlegten Teil schuldet (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zlen. 91/07/0070, 0071, und daran anschließend das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1999, Zl. 96/07/0191; dazu auch Raschauer, RdU 1997/1, 38).

Durch die Abweisung der Berufung der Zweitbeschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die im Bescheid der BH vom 12. April 2007 verfügte solidarische Heranziehung des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin zur Tragung der aufgelaufenen Barauslagen und Kommissionsgebühren bestätigt. Für ein solches Vorgehen fehlt jedoch die Rechtsgrundlage. Die belangte Behörde wäre vielmehr gehalten gewesen, in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides eine Aufteilung der aufgelaufenen Barauslagen und Kommissionsgebühren vorzunehmen. Dabei hätte sie, wenn die exakte Feststellung bestimmter Anteile mit verantwortbarem Aufwand nicht möglich gewesen sein sollte, hilfsweise mit einer Schätzung der auf den jeweiligen Beschwerdeführer entfallenden Anteile vorgehen können.

Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im begehrten Ausmaß - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. April 2011

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