VwGH 2009/01/0064

VwGH2009/01/006414.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des R U in L, vertreten durch Mag. Lothar Korn, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hessenplatz 8, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. September 2009, Zl. IKD(Stb)-426941/14- 2008-Ja, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §55a;
StbG 1985 §11a Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11a Abs1 Z4 litb idF 1998/I/124;
EheG §55a;
StbG 1985 §11a Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11a Abs1 Z4 litb idF 1998/I/124;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde 1966 in Mazedonien geboren. Er hat seit 2001 seinen Wohnsitz in Österreich und heiratete am 9. Juli 2003 die österreichische Staatsbürgerin FU. Am 10. Oktober 2005 beantragte er bei der belangten Behörde die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. März 2006 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 20 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998, die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem mazedonischen Staatsverband nachweist und er im Zeitpunkt dieses Nachweises alle für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen noch erfüllt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. November 2006 wurde dem Beschwerdeführer mit Wirkung vom 13. November 2006 "nach § 11a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985" die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Im Zuge dieser Verleihung wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich befragt, wobei er angab und mit seiner Unterschrift bestätigte, dass die Ehe mit (der österreichischen Staatsbürgerin) FU aufrecht und kein Scheidungsverfahren anhängig sei und er im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau lebe.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. September 2009 hat die belangte Behörde wie folgt entschieden:

"1. Wiederaufnahme des Verfahrens

Das Verfahren, mit dessen Abschluss Herrn R U, geb. am 29.8.1966 in Stip, die österreichischen Staatsbürgerschaft mit Wirkung vom 13. November 2006, Verleihungsbescheid Gem(Stb)- 426941/10-2006-Pro, verliehen wurde, wird von Amts wegen in jenen Stande wieder aufgenommen, in dem es sich vor Erlassung des vorzitierten Bescheides befand.

Rechtsgrundlage:

§ 69 Abs. 3 iVm § 69 Abs. 1 Z 1, sowie § 70 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004.

2. Abweisung des Antrages auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft

Der Antrag auf Verleihung der österreichischen

Staatsbürgerschaft wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§§ 10, 11a und 12 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 i.d.F. BGBl. I Nr. 124/1998 (StbG 1985) iVm § 64a Abs. 4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 i.d.F. BGBl. I Nr. 37/2006 (StbG 1985)"

Begründend führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt 1. (Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens) aus, im Nachhinein sei bekannt geworden, dass die mit der österreichischen Staatsbürgerin FU geschlossene Ehe am 7. Februar 2007 rechtskräftig geschieden wurde. Der Beschwerdeführer habe am 3. August 2007 seine erste Ehegattin (die mazedonische Staatsangehörige KU) erneut geheiratet; am 13. August 2007 hätten Familienangehörige des Beschwerdeführers Anträge auf Familienzusammenführung gestellt. Nach Einsicht in den Scheidungsakt des Bezirksgerichtes Linz (AZ 36 C 14/07i) sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer und seine Ehegattin FU den Scheidungsantrag am 30. Jänner 2007 stellten und vor dem Bezirksgericht Linz am 7. Februar 2007 (in der Verhandlung) übereinstimmend angegeben hätten, die eheliche Gemeinschaft sei seit mindestens 6 Monaten aufgelöst, infolge Zerrüttung könne an eine Wiederherstellung derselben nicht gedacht werden. Dem Beschwerdeführer sei die Staatsbürgerschaft nach § 11a StbG 1985 verliehen worden. Die Daten des Scheidungsverfahrens würden darauf hinweisen, dass die "eheliche Gemeinschaft" seit mindestens August 2006 "aufgehoben" gewesen sei. Durch die glaubwürdigen Angaben der Zeugin FU werde dies bestätigt. Die Lebensumstände des Beschwerdeführers würden - aus näher dargelegten Erwägungen - im Zusammenhalt mit dieser Zeugenaussage auch darauf schließen lassen, dass die Ehe mit FU unter anderem zum Zweck der Erlangung der Staatsbürgerschaft geschlossen oder zumindest aufrechterhalten worden sei. Dass im Zeitpunkt der Verleihung der Staatsbürgerschaft am 13. November 2006 die Ehe (mit der österreichischen Staatsbürgerin) "noch intakt" gewesen sei, zwei Monate später deren Zerrüttung innerhalb einer Woche zur Scheidung geführt hätte, erscheine zweifelhaft. Die Vorgangsweise des Beschwerdeführers lasse auf "das gewollte Verschweigen von Tatsachen" zum Zwecke der Erlangung der gewünschten Erledigung schließen. Da die Ehescheidung erst nach Verleihung der Staatsbürgerschaft erfolgte, sich (laut ZMR-Auszug) Hinweise auf eine Auflösung der Haushaltsgemeinschaft nicht ergeben hätten, habe kein Anlaß bestanden, an der aufrechten Ehe zu zweifeln. Die belangte Behörde gehe davon aus (bzw. sehe als erwiesen an), dass der Beschwerdeführer "die Auflösung der ehelichen Gemeinschaft" mit der österreichischen Ehegattin verschwiegen habe, um dadurch die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erschleichen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des StbG in der Fassung der - am 23. März 2006 in Kraft getretenen - Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (im Folgenden: StbG nF), lauten:

"§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;

...

§ 20. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist einem Fremden zunächst für den Fall zuzusichern, daß er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist, wenn

  1. 1. er nicht staatenlos ist;
  2. 2. weder § 10 Abs. 6 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 Anwendung finden und

    3. ihm durch die Zusicherung das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ermöglicht wird oder erleichtert werden könnte.

(2) Die Zusicherung ist zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.

(3) Die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung zugesichert wurde, ist zu verleihen, sobald der Fremde

1. aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausgeschieden ist oder

2. nachweist, daß ihm die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen nicht möglich oder nicht zumutbar waren.

(4) Die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung zugesichert wurde, kann verliehen werden, sobald der Fremde glaubhaft macht, daß er für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband Zahlungen zu entrichten gehabt hätte, die für sich allein oder im Hinblick auf den für die gesamte Familie erforderlichen Aufwand zum Anlaß außer Verhältnis gestanden wären.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten auch für die Erstreckung der Verleihung.

§ 35. Die Entziehung der Staatsbürgerschaft (§§ 33 und 34) oder die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat von Amts wegen oder auf Antrag des Bundesministeriums für Inneres zu erfolgen.

...

§ 64a. ...

(4) Verfahren auf Grund eines vor dem In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 37/2006 erlassenen Zusicherungsbescheides nach § 20 Abs. 1 sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2006 geänderten Fassung zu Ende zu führen."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des StbG in der Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, also in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 (im Folgenden: StbG aF), lauten:

"§ 11a. (1) Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn

1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt,

2. die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden ist,

  1. 3. … und
    1. 4. a) die Ehe seit mindestens einem Jahr aufrecht ist und er seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik hat oder bei einer Ehedauer von mindestens zwei Jahren ein solcher Wohnsitz seit mindestens drei Jahren besteht oder

      b) die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht und sein Ehegatte seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen österreichischer Staatsbürger ist;

      ..."

      1. Zur Verfügung der Wiederaufnahme (Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides):

      Nach § 20 StbG begründet eine Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft für einen Fremden einen nur noch durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem fremden Staatsverband bedingten Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. September 2008, Zl. 2008/01/0130, mwN).

      § 20 Abs. 2 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006, welcher den Widerruf der Zusicherung vorsieht, wenn nach Erlassung des Zusicherungsbescheides eine Verleihungsvoraussetzung wegfällt, wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 2011, G 154/10, kundgemacht am 30. November 2011 in BGBl. I Nr. 111, als verfassungswidrig aufgehoben (I.). Weiters hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Oktober 2012 in Kraft tritt (II.), die Vorschrift aber auch auf die am 29. September 2011 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle nicht mehr anzuwenden ist (III.) und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten (IV.).

      Der Verfassungsgerichtshof hat in der Begründung des zitierten Erkenntnisses ausgeführt, dass § 20 Abs. 3 StbG nach der bereinigten Rechtslage nunmehr so zu lesen ist, dass der Zeitpunkt der Erlassung des Zusicherungsbescheides für die Beurteilung des Vorliegens der Verleihungsvoraussetzungen bestimmend ist. Weiter heißt es darin: "Da es der Staatsbürgerschaftsbehörde auf Grund der bereinigten Rechtslage nach Aufhebung des § 20 Abs. 2 StbG verwehrt ist, nochmals über die bereits bejahten Verleihungsvoraussetzungen abzusprechen, hat sie bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft nur noch darüber abzusprechen, ob der Staatsbürerschaftswerber die gemäß § 20 Abs. 3 StbG vorgesehenen Erfordernisse erfüllt." (Rz. 31)

      Fallbezogen ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer zunächst mit Bescheid vom 22. März 2006 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zugesichert und mit Bescheid vom 10. November 2006 die Verleihung schließlich ausgesprochen wurde. Mit Spruchpunkt 1. des nunmehr angefochtenen Bescheides wurde die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens im Stande vor Erlassung des Verleihungsbescheides verfügt; die belangte Behörde begründet dies allein damit, der Beschwerdeführer habe im Verleihungsverfahren "die Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit der österreichischen Ehegattin verschwiegen" und damit die Verleihung der Staatsbürgerschaft im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG erschlichen.

      Diese Auffassung entspricht nicht der im gegenständlichen Fall anzuwendenden bereinigten Rechtslage: Gemäß § 69 Abs. 3 AVG iVm § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG kann die Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens verfügt werden, wenn ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist. Eine Erschleichung im Sinne dieser Bestimmung liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn (u.a.) die Partei in Irreführungsabsicht unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gemacht hat (vgl. Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz IV., 2009, Rz 12f zu § 69, mwN zur Rechtsprechung, sowie die weiteren Nachweise zur Rechtsprechung bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, 1998, 1483ff).

      Auf Grund der bereinigten Rechtslage ist bei Vorliegen eines aufrechten Zusicherungsbescheides - wie im gegenständlichen Fall - bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft nur noch darüber abzusprechen, ob der Staatsbürgerschaftswerber die gemäß § 20 Abs. 3 StbG vorgesehenen Erfordernisse erfüllt. Selbst wenn der Beschwerdeführer unrichtige Angaben zum Vorliegen einer Verleihungsvoraussetzung gemacht hätte, kann darin vor dem Hintergrund der bereinigten Rechtslage keine Erschleichung in Bezug auf den Verleihungsbescheid erblickt werden, da danach das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Erlassung des Verleihungsbescheides keine Relevanz hat und es daher an dem für die Wiederaufnahme wesentlichen Merkmal unrichtiger Angaben zu wesentlichen Umständen mangelt. Nach der bereinigten Rechtslage ist im Falle der Erlassung eines Zusicherungsbescheides maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzungen der Zeitpunkt der Zusicherung der Verleihung, nicht jener der Erlassung des Verleihungsbescheides. Der angefochtene Bescheid erweist sich hinsichtlich seines Spruchpunktes 1. schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig.

      Beizufügen ist, dass Verleihungsvoraussetzung nach § 11a Abs. 1 Z. 1 iVm Z. 4 StbG in der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung das Vorliegen einer seit fünf Jahren "aufrechten" Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 15. März 2010, Zl. 2007/01/0674) sowie das "Leben im gemeinsamen Haushalt" sind. Auf das (aktuelle) Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 55a Ehegesetz kommt es nach dieser Rechtslage nicht an bzw. stellt die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft - verstanden als Verlust jeder Ehegesinnung (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2009, Zl. 2007/01/1051) - für sich allein kein Verleihungshindernis dar.

      Darüber hinaus ist der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines Spruchpunktes 1. auch aus folgenden Erwägungen rechtswidrig:

      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) im Urteil vom 3. März 2010 in der Rechtssache C- 135/08 , Rottmann, ist, wenn eine Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zur Folge hat, dass der Betroffene neben der Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaates der Einbürgerung die Unionsbürgerschaft verliert "zu prüfen, ob die Rücknahmeentscheidung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt" (Randnummern 54, 55 und 59). Bei der Prüfung einer Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung sind - so der EuGH weiter - "die möglichen Folgen zu berücksichtigen, die diese Entscheidung für den Betroffenen und gegebenenfalls für seine Familienangehörigen in Bezug auf den Verlust der Rechte, die jeder Unionsbürger genießt, mit sich bringt. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob dieser Verlust gerechtfertigt ist im Verhältnis zur Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes, zur Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, und zur Möglichkeit für den Betroffenen, seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit wieder zu erlangen" (Randnummer 56). "Ein Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit durch Täuschung erschlichen wurde", kann "nicht nach Art. 17 EG verpflichtet sein, von der Rücknahme der Einbürgerung allein deshalb abzusehen, weil der Betroffene die Staatsangehörigkeit seines Herkunftsstaats nicht wieder erlangt hat" (Randnummer 57). Jedoch ist zu beurteilen, "ob die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit es unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände verlangt, dass dem Betroffenen vor Wirksamwerden einer derartigen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung eine angemessene Frist eingeräumt wird, damit er versuchen kann, die Staatsangehörigkeit seines Herkunftsmitgliedstaats wieder zu erlangen" (Randnummer 58).

      Im Beschwerdefall konnte die belangte Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides dies noch nicht bedenken, nach den zeitlichen Wirkungen von Vorabentscheidungen des EuGH ist diese Rechtsprechung jedoch bei der Prüfung des Beschwerdefalles zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 2009, Zl. 2006/01/0855, mit Verweis auf das Urteil des EuGH vom 12. Februar 2008 in der Rechtssache C-2/06 , Kemptner KG gegen Hauptzollamt Hamburg - Jonas, Slg. 2008, I- 00411, Randnummern 35 und 36, mwN).

      Ob nach der im genannten Erkenntnis angeführten Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Rottmann" fallbezogen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass die Rücknahme der Staatsbürgerschaft ausnahmsweise unverhältnismäßig ist (vgl. hiezu auch das Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichtshofes vom 11. November 2010, Zl. BVerwG 5 C 12.10, Rz 23 bis 25) hat die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht geprüft.

      Aus den genannten Gründen war Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

      2. Zur Abweisung des Antrags auf Verleihung (Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides):

      Schon allein infolge der Aufhebung der von der belangten Behörde mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides verfügten Wiederaufnahme des Staatsbürgerschaftsverfahrens im Zeitpunkt vor Erlassung des Verleihungsbescheides erweist sich die darauf aufbauende Abweisung des Verleihungsantrages als inhaltlich rechtswidrig.

      Dieser Spruchpunkt ist auf der Grundlage der bereinigten Rechtslage darüber hinaus noch aus einem weiteren Grund rechtswidrig: Die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens wurde ausdrücklich im Zeitpunkt vor Erlassung des Verleihungsbescheides verfügt und sodann der Verleihungsantrag abgewiesen. Diese Vorgangsweise verstößt gegen die infolge des genannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes bereinigte Rechtslage, da danach für die Beurteilung des Vorliegens der Verleihungsvoraussetzungen der Zeitpunkt der Erlassung des Zusicherungsbescheides bestimmend ist. Die Abweisung des Verleihungsantrages wegen Fehlens anderer als der in § 20 Abs. 3 StbG genannten Verleihungsvoraussetzungen ist daher in dieser Situation nicht rechtmäßig gewesen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom heutigen Tag, Zl. 2007/01/0226, und Zl. 2008/01/0584).

      Der angefochtene Bescheid war daher auch im Umfang seines Spruchpunktes 2. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

      3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

      Wien, am 14. Dezember 2011

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