VwGH 2008/22/0501

VwGH2008/22/050120.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des M in W, geboren 1979, vertreten durch Mag. Dieter Ebner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Februar 2008, Zl. 150.547/2- III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §30;
EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
NAG 2005 §81 Abs1;
NAG 2005 §82 Abs1;
AsylG 1997 §30;
EMRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
NAG 2005 §81 Abs1;
NAG 2005 §82 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 11. Februar 2008 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, vom 12. Dezember 2005 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zwecks Familienzusammenführung mit seiner österreichischen Ehefrau gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 25. März 2003 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei durch den unabhängigen Bundesasylsenat mit Datum 27. November 2003 gemäß § 30 Asylgesetz 1997 (AsylG) eingestellt worden.

Der Beschwerdeführer sei jedoch weiterhin im Bundesgebiet verblieben und sei laut Melderegister ab 6. August 2003 durchgehend mit Hauptwohnsitz in W gemeldet. Weiters schienen durchgehende Versicherungszeiten im Rahmen der Asylwerberbetreuung bis 31. Oktober 2005 bzw. wieder ab 20. Dezember 2006 auf.

Am 7. Oktober 2005 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am 12. Dezember 2005 persönlich einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau gestellt.

Da sich der Beschwerdeführer seit "rechtskräftiger" Einstellung seines Asylverfahrens mit 27. November 2003 und somit sowohl zum Zeitpunkt seiner Antragstellung am 12. Dezember 2005 als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag am 20. August 2007 nicht rechtmäßig im Inland aufgehalten habe, stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung seines Antrages entgegen. Seit der Gültigkeit des NAG könne einem Ehegatten eines österreichischen Staatsbürgers gemäß § 21 NAG zwar im Inland ein Aufenthaltstitel erteilt werden, jedoch nur nach rechtmäßiger Einreise und während des rechtmäßigen Aufenthaltes. Ein längerer unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertige in jedem Fall die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung.

Die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin allein "stellt noch kein Aufenthaltsrecht nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht dar".

Bei der nach § 74 iVm § 72 NAG vorzunehmenden Überprüfung, ob die Inlandsantragstellung von Amts wegen zuzulassen sei, stellte die belangte Behörde fest, dass keine humanitären Gründe im Sinn des § 72 NAG zu erkennen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 81 Abs. 1 NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (gemäß § 82 Abs. 1 NAG am 1. Jänner 2006) anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen.

Soweit die Beschwerde im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Auslandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des NAG verweist, ist ihr mit der ständigen hg. Rechtsprechung zu erwidern, dass dem NAG weder ein Rückwirkungsverbot noch eine Regelung zu entnehmen ist, der zufolge auf vor dessen Inkrafttreten verwirklichte Sachverhalte etwa Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 - FrG anzuwenden wären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2009, 2008/22/0310, mwN). Entgegen der Beschwerdeansicht handelt es sich bei dem Erfordernis der Auslandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 1 NAG auch nicht um eine Formalvoraussetzung, sondern um eine Erfolgsvoraussetzung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2010, 2009/22/0336, mwN).

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er noch nie über einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt hat. Die Auffassung der belangten Behörde, dass es sich bei dem gegenständlichen Antrag um einen Erstantrag handle, begegnet somit keinen Bedenken des Gerichtshofes. Dem in der Bestimmung des § 21 Abs. 1 NAG verankerten Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend hätte der Beschwerdeführer - fallbezogen insbesondere relevant - die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ab Inkrafttreten des NAG im Ausland abwarten müssen.

Im vorliegenden Fall kommt sohin das Recht, die Entscheidung über den Antrag im Inland abwarten zu dürfen, nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) vor, ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland - einschließlich des Abwartens der Entscheidung über den Antrag im Inland - zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2010, 2008/22/0150, mwN).

In dieser Hinsicht bringt die Beschwerde lediglich vor, der Beschwerdeführer sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet; die "Familienintegration ist vollständig gegeben, da es sich hiebei um eine aufrechte und aktive Ehe - keine Scheinehe -

handelt".

Im vorliegenden Fall ist jedoch aus der Dauer des - überwiegend unrechtmäßigen - Aufenthaltes des Beschwerdeführers von weniger als fünf Jahren, seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und - wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt - seiner Erwerbstätigkeit keine derartige Verdichtung seiner Interessen abzuleiten, die es nach Art. 8 EMRK gebieten würde, eine Antragstellung im Inland zuzulassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. November 2010, 2008/22/0777).

Entgegen der Beschwerdeansicht bestand für die belangte Behörde auch keine Verpflichtung, den - bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertretenen - Beschwerdeführer zu einem ergänzenden Vorbringen in Bezug auf die Inanspruchnahme der Freizügigkeit durch die Ehefrau des Beschwerdeführers anzuleiten.

Das weitere Beschwerdevorbringen, die Antragstellung auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung am 12. Dezember 2005 sei "noch während des Asylaufenthaltes des Antragstellers im Inland" erfolgt und sei "sohin rechtmäßig und berechtigt", stellt eine unzulässige Neuerung dar und steht im Übrigen im Widerspruch zu den - unbestritten gebliebenen - Feststellungen sowohl der erstinstanzlichen als auch der belangten Behörde, wonach das Asylverfahren durch den unabhängigen Bundesasylsenat mit 27. November 2003 gemäß § 30 Asylgesetz 1997 eingestellt wurde. Diese Feststellungen stehen im Einklang mit einer im Verwaltungsakt befindlichen Stellungnahme des Bundesasylamtes vom 6. Februar 2006.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 20. Jänner 2011

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