VwGH 2008/08/0087

VwGH2008/08/008716.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, in der Beschwerdesache des A S in S, vertreten durch Mag. Dr. Markus Kaltseis, Rechtsanwalt in 4609 Thalheim/Wels, Ägydiplatz 3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 18. März 2008, Zl. LGSOÖ/Abt.4/2008-0566-4-000098/2008-10, betreffend Einstellung der Notstandshilfe, den Beschluss gefasst:

Normen

AMSG 1994 §24 Abs2;
AMSG 1994 §24 Abs3;
AußStrG 2003 §120 Abs1;
AußStrG 2003 §120;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §9;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §51;
VwGG §58 Abs1;
ZustG §13 Abs1;
ZustG §9 Abs3 idF 2008/I/005;
AMSG 1994 §24 Abs2;
AMSG 1994 §24 Abs3;
AußStrG 2003 §120 Abs1;
AußStrG 2003 §120;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §9;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §51;
VwGG §58 Abs1;
ZustG §13 Abs1;
ZustG §9 Abs3 idF 2008/I/005;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.

Begründung

Mit Bescheid vom 31. Jänner 2008 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice W aus, dass der Beschwerdeführer wegen der Weigerung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ab dem 8. Jänner 2008 keine Notstandshilfe mehr erhalte. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe den in der Betreuungsvereinbarung vom 18. Dezember 2008 (gemeint: 2007) festgelegten und ihm zur Kenntnis gebrachten Termin für die ärztliche Begutachtung nicht eingehalten und somit den Tatbestand der Verweigerung der ärztlichen Untersuchung gesetzt.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid (unvertreten) Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Die belangte Behörde stellte fest, aufgrund der "laufenden Vorfälle im Rahmen der Betreuung durch das Arbeitsmarktservice" habe sich die Frage nach der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben. Der Beschwerdeführer habe laufend die Teilnahme an Kursen verweigert, in denen auch die beruflichen Einsatzmöglichkeiten des Beschwerdeführers geklärt hätten werden sollen. Er sei mit Betreuungsvereinbarung vom 18. Dezember 2007 zu einer ärztlichen Untersuchung am 8. Jänner 2008 eingeladen worden. Der Beschwerdeführer sei der Aufforderung zur ärztlichen Untersuchung nicht nachgekommen. Aufgrund des bisherigen Verhaltens könne die Geschäftsfähigkeit des Beschwerdeführers durchaus in Frage gezogen werden, wie auch das laufende Sachwalterschaftsverfahren zeige.

Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich zugestellt (persönlich übernommen am 20. März 2008).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Mit Verfügung vom 13. Jänner 2011 wurde den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, zur Frage der wirksamen Erlassung des angefochtenen (und des erstinstanzlichen Bescheides) Stellung zu nehmen.

Die Beschwerde ist nicht zulässig:

Gemäß § 9 AVG ist - insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt - diese von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Damit wird die prozessuale Rechts- und Handlungsfähigkeit an die materiell-rechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit geknüpft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 2001/08/0192).

Für den Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes W vom 13. Juni 2007, Dr. C zum einstweiligen Sachwalter gemäß § 120 AußStrG bestellt; der Sachwalter hat folgende dringende Angelegenheiten zu besorgen: Vertretung vor Ämtern, Gerichten und Behörden.

Die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters erfolgt mit sofortiger Wirksamkeit (§ 120 Abs. 1 Satz 1 AußStrG, vgl. OGH vom 13. November 2008, 2 Ob 173/08t, sowie OGH vom 19. November 2008, 3 Ob 236/08i; vgl. auch das - ebenfalls den Beschwerdeführer betreffende - hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 2008, Zl. 2008/08/0097).

Die Bestellung eines Sachwalters bewirkt, dass dem Beschwerdeführer die Prozess- und Handlungsfähigkeit in dem Umfang nicht mehr zukommt, der im Bestellungsbeschluss umschrieben ist. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ist - jedenfalls soweit sie behördliche Aufgaben besorgt (vgl. § 24 Abs. 2 AMSG) - als Behörde im Sinne des Bestellungsbeschlusses zu verstehen. Gleiches gilt für die belangte Behörde (§ 24 Abs. 3 AMSG). Der Beschwerdeführer war daher insoweit ab Juni 2007 nicht prozessfähig.

Damit war insbesondere der angefochtene Bescheid dem Sachwalter des Beschwerdeführers (und nicht dem Beschwerdeführer persönlich) zuzustellen.

Gemäß § 9 Abs. 3 ZustG (idF BGBl. I Nr. 2008/5) hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Diese Bestimmung gilt auch für Fälle einer gebotenen Zustellung an einen gesetzlichen Vertreter (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1998, Zl. 97/19/1271). Ein Zustellmangel kann daher in diesem Fall dadurch heilen, dass das Dokument dem gesetzlichen Vertreter tatsächlich zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, Zl. 2009/08/0069).

Aus dem Akteninhalt ist aber nicht ableitbar, dass der angefochtene Bescheid dem Sachwalter des Beschwerdeführers tatsächlich zugekommen wäre. Auch der Beschwerdeführervertreter behauptet dies in seiner Stellungnahme zum Vorhalt vom 13. Jänner 2011 nicht; die belangte Behörde hat sich zu diesem Vorhalt nicht geäußert. Damit ist aber davon auszugehen, dass der angefochtene Bescheid dem Sachwalter des Beschwerdeführers weder zugestellt noch tatsächlich zugekommen ist, sodass der angefochtene Bescheid nicht wirksam erlassen wurde und daher kein anfechtbarer Bescheid vorliegt.

Die Beschwerde wurde hingegen wirksam erhoben, da der Sachwalter den Antrag auf Verfahrenshilfe und die Beschwerdeführung genehmigte.

Mangels Vorliegens eines dem Rechtsbestand angehörenden Bescheides war daher die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Ungeachtet der Einleitung des Vorverfahrens waren der belangten Behörde aber keine Kosten zuzusprechen. § 51 VwGG findet nämlich keine Anwendung, wenn der Umstand nicht evident ist, dass wesentliche, von der belangten Behörde zu vertretende Mängel das Zustandekommen des angefochtenen Bescheides hindern, sodass die Gefahr besteht, dass sich die Unterlassung einer Beschwerdeerhebung zum Nachteil des nicht geschäftsfähigen Beschwerdeführers auswirken könnte, dessen Rechtsschutzinteresse daher nicht verneint werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom 23. April 2007, Zl. 2004/10/0107; vgl. auch die hg. Entscheidung vom 6. Februar 1970, Zl. 0806/69).

Dies trifft auch auf den vorliegenden Fall zu. Es bleibt somit bei der allgemeinen Regel des § 58 Abs. 1 VwGG, wonach jede Partei den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenen Aufwand selbst zu tragen hat.

Wien, am 16. März 2011

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