VwGH 2009/08/0069

VwGH2009/08/006926.1.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des HR in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 10. Oktober 2008, Zl. 2008-0566-9- 001376, betreffend Einstellung der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §33;
AlVG 1977 §36a Abs3 Z1;
AlVG 1977 §36a;
EStG §29 Z1;
ZustG §9 Abs1;
ZustG §9 Abs3 idF 2008/I/005;
AlVG 1977 §33;
AlVG 1977 §36a Abs3 Z1;
AlVG 1977 §36a;
EStG §29 Z1;
ZustG §9 Abs1;
ZustG §9 Abs3 idF 2008/I/005;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit darin über die Berufung gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 2. April 2008 entschieden wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, und insoweit darin über die Berufung gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 22. April 2008 entschieden wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 2. April 2008 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer die Notstandshilfe ab dem 1. März 2008 eingestellt. Nach dem im vorgelegten Verwaltungsakt erliegenden Zustellnachweis wurde dieser Bescheid dem Beschwerdeführer, der zu dieser Zeit nicht anwaltlich vertreten war, durch Hinterlegung am 8. April 2008 zugestellt.

Mit einem von der belangten Behörde als Berufung gewerteten Telefax des Beschwerdeführers, datiert vom 3. April 2008 und bei der erstinstanzlichen Behörde laut Poststempel am 8. April 2008 eingegangen, teilte der Beschwerdeführer mit, dass ihm am 2. April 2008 von der Wiener Gebietskrankenkasse mitgeteilt worden sei, dass er vom Arbeitsmarktservice abgemeldet worden sei. Er ersuchte "um sofortige rückwirkende Anmeldung".

Mit Telefax vom 14. April 2008 zeigte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers der erstinstanzlichen Behörde an, dass ihn der Beschwerdeführer mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und ihm Vollmacht erteilt habe. Mit Telefax vom 22. April 2008 beantragte der Beschwerdeführer, vertreten durch den von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt, einen Bescheid über die ihm vom Arbeitsmarktservice mitgeteilte amtswegige Einstellung der Notstandshilfe zu erlassen; weiters richtete er eine Stellungnahme an die erstinstanzliche Behörde mit näheren Ausführungen, weshalb aus seiner Sicht der von der belangten Behörde der Einstellung der Notstandshilfe offenbar zu Grunde gelegte Unterhaltsanspruch nicht bestehe.

Mit Datum vom 22. April 2008 genehmigte die erstinstanzliche Behörde einen weiteren Bescheid, nach dem die Notstandshilfe mangels Notlage ab 1. April 2008 eingestellt wird. Neben der Anführung der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen enthielt dieser Bescheid folgende Begründung:

"Das Ermittlungsverfahren hat ergeben:

Auf Grund der Höhe des ihnen zustehenden Unterhaltes, liegt

Notlage nicht vor. Sie wurden zu einem Parteiengehör am 22.04.08

eingeladen und sind nicht erschienen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Dieser Bescheid, der keine Bezugnahme auf den Bescheid vom 2. April 2008 enthält, wurde an den Beschwerdeführer - nicht zu Handen seines anwaltlichen Vertreters - adressiert und übermittelt; eine Zustellung an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist nicht aktenkundig.

Der Beschwerdeführer erhob durch seinen Rechtsanwalt Berufung gegen den Bescheid vom 22. April 2008.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über die Berufungen "vom 3.4.2008 und 13.5.2008 gegen die Bescheide des Arbeitsmarktservice Wien vom 2.4.2008 sowie 22.4.2008 betreffend Einstellung der Notstandshilfe ab 1.3.2008 und ab 1.4.2008" entschieden. Der Spruch des angefochtenen Bescheides lautet:

"Ihrer Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

Ihr Notstandshilfeanspruch beträgt gemäß § 33 und 36 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (BGBl. Nr. 609/1977 - AlVG) in geltender Fassung EUR 4,56 täglich."

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass mit Bescheiden des Arbeitsmarktservice Wien vom 2. April 2008 und vom 22. April 2008 der Notstandshilfebezug des Beschwerdeführers "ab 1.3.2008 und ab 1.4.2008" mit der Begründung eingestellt wurde, sein Unterhaltsanspruch gegen seine Ehefrau übersteige trotz Berücksichtigung der gesetzlichen Freigrenzen die ihm an sich gebührende Notstandshilfe. Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer seit August 1993 in Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung stehe. Bereits damals habe er dem Arbeitsmarktservice bekannt gegeben, dass er von seiner Frau getrennt lebe.

Der Beschwerdeführer habe mit seiner Frau am 8. November 1991 die Ehe geschlossen. Der Beschwerdeführer wohne an einer näher genannten Anschrift in Wien 3, bis zum 16. Juli 2001 habe er in Wien 23 gewohnt. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe vom September 1997 bis 13. April 2004 in K gewohnt, von April 2004 bis 12. April 2007 in Wien 20 und seit 12. April 2007 in Wien 22. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei unselbständig erwerbstätig.

Im Leistungsakt finde sich eine von der Ehefrau des Beschwerdeführers unterfertigte Erklärung vom 30. März 2008, wonach die Ehegatten anlässlich ihrer Eheschließung "wirtschaftliche Trennung vereinbart" hätten und seither wirtschaftlich getrennt lebten. Weiters befinde sich eine "Verpflichtungserklärung" vom 15. September 2007 im Leistungsakt, wonach die Ehefrau des Beschwerdeführers ihre Bereitschaft erkläre und sich verpflichte, ihrem Ehemann für die Dauer des Fehlens eines eigenen Arbeitseinkommens einen Unterhaltsbeitrag von EUR 300,-- pro Monat 12 mal jährlich zu leisten.

Der theoretische Notstandshilfeanspruch des Beschwerdeführers ohne Anrechnung würde EUR 28,46 betragen, nach Anwendung der Deckelungsregelung des § 36 Abs. 6 AlVG EUR 24,90 monatlich (gemeint wohl: täglich).

Mit Schreiben der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 3. April 2008 sei der Beschwerdeführer eingeladen worden, zur Wahrnehmung des ihm zustehenden Rechts auf Parteiengehör bis längstens 15. April 2008 zum Thema "Erörterung des Einkommens Ihrer Gattin im Zusammenhang mit der mit Steuerbescheid 2004 festgestellten Höhe deren Einkommens und der damit nicht vereinbar erscheinenden geringen Unterhaltsvereinbarung" beim Arbeitsmarktservice vorzusprechen. Der Beschwerdeführer sei darauf aufmerksam gemacht worden, dass, falls er diesen Termin unentschuldigt nicht wahrnehme, davon ausgegangen werde, dass er auf sein Recht auf Parteiengehör verzichten wolle und die Angaben des Einkommensteuerbescheides 2004 zur neuerlichen Beurteilung seines Notstandshilfeanspruchs herangezogen würden. Am 11. April 2008 habe sich die Kanzlei seines Rechtsanwalts telefonisch mit dem Arbeitsmarktservice in Verbindung gesetzt und um Verschiebung des für 15. April 2008 vereinbarten Termins ersucht. Am 16. April 2008 habe eine Mitarbeiterin der Kanzlei seines Rechtsanwalts Akteneinsicht genommen. Mit einer weiteren Mitarbeiterin der Kanzlei seines Rechtsanwalts sei ein Termin zum Parteiengehör für 22. April 2008 vereinbart worden, den aber weder der Beschwerdeführer noch sein Rechtsanwalt eingehalten habe.

Laut Einkommensteuerbescheid 2004 (der letzten dem Arbeitsmarktservice zur Verfügung stehenden Unterlage betreffend die Höhe des Einkommens seiner Ehefrau) habe die Ehefrau des Beschwerdeführers im Jahr 2004 ein Jahresbruttoeinkommen von EUR 54.575,78 erzielt. Abzüglich der Einkommensteuer errechne sich ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 2.942,21. Laut Auskunft des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger sei die Ehefrau des Beschwerdeführers nach wie vor laufend berufstätig. Weitere Einkommensnachweise seiner Ehefrau für die Zeit nach 2004 würden dem Arbeitsmarktservice nicht vorliegen. Hinweise, in welcher Höhe die Ehefrau des Beschwerdeführers Verbindlichkeiten des Beschwerdeführers durch ihr eigenes Vermögen abgedeckt habe, würden sich weder im Leistungsakt noch in den chronologisch über EDV geführten Aufzeichnungen des Arbeitsmarktservice finden. Der Beschwerdeführer habe trotz entsprechender Aufforderung diesbezüglich auch keine konkreten Zahlen bekannt gegeben. Auch das von ihm in der Berufung angesprochene Sparbuch liege dem Arbeitsmarktservice nicht vor.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer trotz entsprechender Aufforderung an der Sachverhaltsfeststellung auch im Berufungsverfahren nicht mehr mitgewirkt und keinerlei Belege darüber vorgelegt habe, auf welche Höhe sich die von seiner Gattin seinen Angaben zufolge geleisteten Unterhaltsvorauszahlungen belaufen hätten. Nach Ansicht der belangten Behörde sei die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, es könne zu keiner Berücksichtigung des Einkommens seiner Ehefrau bei der Bemessung seines Notstandshilfeanspruchs kommen, da der Beschwerdeführer mit seiner Gattin keine wirtschaftliche Verbundenheit habe, verfehlt. Auch für den Fall, dass der Beschwerdeführer und seine Gattin getrennt lebten, benötige das Arbeitsmarktservice Einkommenserklärungen seiner erwerbstätigen Ehefrau, da diese Mitarbeiterin einer Botschaft sei und Botschaften die Einkünfte ihrer Mitarbeiter nicht bekannt geben würden. Während aufrechter Ehe bestünde nach den Bestimmungen des ABGB zwischen Ehegatten Unterhaltspflicht. Vereinbarungen zwischen getrennt lebenden Eheleuten, die einen Unterhaltsverzicht des arbeitslosen Ehepartners zum Inhalt haben, seien für das Arbeitsmarktservice deswegen nicht bindend, da derlei Vereinbarungen ohne nachvollziehbare Begründung nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherten geschlossen werden könnten. Ein Arbeitsloser sei grundsätzlich verpflichtet, seinen Unterhaltsanspruch gegen seinen Ehepartner geltend zu machen. Für den Fall, dass ein Ehepaar zwar in aufrechter Ehe, aber getrennt und ohne Geltendmachung des zustehenden Unterhaltsanspruchs lebe, werde ein fiktiver Unterhalt angerechnet. Dem Ehepartner würden dabei 40 % des Familiennettoeinkommens, vermindert um 4 % je unterhaltsberechtigtem Kind, abzüglich des eigenen Einkommens, an Unterhalt zustehen.

Dazu seien Feststellungen über das Nettoeinkommen des Partners erforderlich. § 36c Abs. 6 AlVG normiere, dass für den Fall, dass Angehörige keine Einkommenserklärung abgeben, ex lege anzunehmen sei, dass kein Anspruch auf Notstandshilfe bestehe.

Ausgenommen von dieser fiktiven Unterhaltsanrechnung seien lediglich Ehepaare, die entweder eine Ehescheidungsklage oder Unterhaltsklage gegen den Ehegatten eingebracht hätten und damit dokumentierten, dass sie ernsthafte Versuche unternommen haben, ihnen zur Verfügung stehende Einkommensmöglichkeiten auszuschöpfen, die sie in die Lage versetzten, ohne oder mit geringerer Inanspruchnahme finanzieller Leistungen der Versichertengemeinschaft das Auslangen zu finden, oder nachvollziehbar begründen, aus welchen Gründen diese Versuche unterblieben sind und die nachweislich keinen Unterhalt beziehen. Der Beschwerdeführer habe der belangten Behörde trotz entsprechender Aufforderung weder die Einbringung einer Ehescheidungs- noch eine Unterhaltsklage nachgewiesen, noch habe er weitere Angaben dazu gemacht, aus welchen Gründen eine solche Klage unterblieben sei. Seine Erklärung, er habe keinen Unterhaltsanspruch gegen seine Gattin mehr, da diese mit einem namhaften Betrag zum Zweck seiner Schuldentilgung im Schuldenregulierungsverfahren in Vorlage getreten sei, habe von der belangten Behörde nicht anerkannt werden können, da er trotz entsprechender Aufforderung keinerlei Angaben über die Höhe des von der Ehefrau angeblich geleisteten "Quasi-Unterhaltsvorschusses" gemacht habe.

Das zuletzt festgestellte Einkommen der Ehefrau des Beschwerdeführers betrage EUR 2.942,21. Ein nachfolgendes Einkommen sei nicht feststellbar gewesen, da bislang kein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid vorliege. Die Berufungsbehauptungen, der Beschwerdeführer hätte gegen seine Frau keinen Unterhaltsanspruch mehr, habe er nicht glaubhaft machen können. Der Beschwerdeführer lebe in aufrechter Ehe und sei daher grundsätzlich seiner Gattin gegenüber unterhaltsberechtigt. Diese Unterhaltsansprüche seien vor Inanspruchnahme von Leistungen der Versichertengemeinschaft falls möglich in Anspruch zu nehmen oder es sei begründet darzulegen, warum das nicht möglich sei. Solche Gründe habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können oder wollen. Der Notstandshilfeanspruch nach Anrechnung des dem Beschwerdeführer fiktiv gegen seine Gattin zustehenden Unterhaltsanspruchs betrage EUR 4,56 täglich (täglicher Anspruch EUR 28,46, abzüglich Anrechnung EUR 23,90).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer replizierte auf die Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass der Bescheid erster Instanz vom 22. April 2008 trotz ausgewiesener Bevollmächtigung des rechtsfreundlichen Vertreters an den Beschwerdeführer selbst zugestellt worden sei. Diese Zustellung sei auf Grund der Bevollmächtigung eines Anwalts unwirksam geblieben. Mangels rechtswirksamer Zustellung gebe es keinen Bescheid erster Instanz, der einer Berufung zugänglich gewesen wäre.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die erstinstanzliche Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 2. April 2008 die Notstandshilfe ab 1. März 2008 eingestellt hat; dieser Bescheid wurde dem damals noch nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer zugestellt. Ein in diesem Zusammenhang an die erstinstanzliche Behörde gerichtetes Schreiben des Beschwerdeführers hat diese - ebenso wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - als Berufung gewertet.

In der Folge hat die erstinstanzliche Behörde dem Beschwerdeführer einen Bescheid vom 22. April 2008 über die Einstellung der Notstandshilfe ab dem 1. April 2008 übermittelt. Dass zwischen der Erlassung des Bescheides vom 2. April 2008 und der Übermittlung des Bescheides vom 22. April 2008 an den Beschwerdeführer diesem neuerlich die Notstandshilfe zuerkannt worden wäre, lässt sich weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten erkennen noch haben es die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens behauptet.

Es kann jedoch dahingestellt bleiben, welche Wirkung vor dem Hintergrund der bereits mit Bescheid vom 2. April 2008 erfolgten Einstellung der Notstandshilfe dem Bescheid vom 22. April 2008 hätte zukommen sollen, da dieser nicht rechtswirksam zugestellt wurde:

Da der Beschwerdeführervertreter die ihm erteilte Vollmacht bereits am 14. April 2008 der erstinstanzlichen Behörde gegenüber angezeigt hat, wäre er als Zustellungsbevollmächtigter gemäß § 9 Abs. 3 Zustellgesetz als Empfänger zu bezeichnen gewesen. Da dies nicht geschehen ist, würde die Zustellung (erst) in dem Zeitpunkt als bewirkt gelten, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist (§ 9 Abs. 3 Zustellgesetz in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 5/2008).

Der Beschwerdeführervertreter hat erklärt, dass ihm der Bescheid vom 22. April 2008 nicht zugekommen ist, sondern er lediglich vom Beschwerdeführer mit Telefax vom 30. April 2008 eine Kopie dieses Bescheides übermittelt erhalten habe. Dieser Umstand wurde im Verfahren auch nicht bestritten. In der Übermittlung einer Fotokopie per Fax ist aber nach der Rechtsprechung (vgl. den hg. Beschluss vom 12. September 2002, Zl. 2002/15/0090, zu dem inhaltlich § 9 Abs. 3 Zustellgesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 entsprechenden § 9 Abs. 1 Zustellgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004) kein "tatsächliches Zukommen" gelegen.

Da somit der Bescheid vom 22. April 2008 nicht rechtswirksam erlassen wurde, hätte die belangte Behörde die Berufung zurückweisen müssen.

Soweit mit dem angefochtenen Bescheid daher über die Berufung gegen den Bescheid vom 22. April 2008 entschieden wurde, war dieser wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

2. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid aber ausdrücklich auch über die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung gegen den Bescheid vom 2. April 2008 entschieden. Sie hat dieser Berufung Folge gegeben und eine Neuberechnung der dem Beschwerdeführer - unter Anrechnung eines Unterhaltsanspruchs gegenüber seiner Ehefrau - gebührenden Notstandshilfe vorgenommen.

Der Beschwerdeführer macht dagegen zusammengefasst geltend, dass keine Wirtschaftsgemeinschaft mit seiner Ehefrau bestehe und die Ehepartner auch über getrennte Wohnsitze verfügten. Eine Anrechung des Einkommens der Ehefrau sei daher nicht zulässig, da nach § 36 Abs. 2 2. Satz AlVG bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen im gleichen Haushalt lebenden Ehepartners zu berücksichtigen seien. Zudem habe er vorgebracht, dass seine Ehefrau im Vorgriff auf allfällige Unterhaltsansprüche für ihn bereits im Jahr 1996 eine Bürgschaftsverpflichtung eingegangen sei, die 1999 schlagend geworden sei; die Ehefrau habe damals einen Betrag von S 130.000,-- an die Bank geleistet. Weiters habe seine Ehefrau im Rahmen eines Schuldenregulierungsverfahrens für ihn die Barquote von S 200.000,-

- erlegt. Sein diesbezügliches Vorbringen im Verwaltungsverfahren sei unberücksichtigt geblieben.

3. Gemäß § 33 Abs. 1 AlVG kann Arbeitslosen, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld erschöpft haben, auf Antrag Notstandshilfe gewährt werden. Notstandshilfe ist nach § 33 Abs. 2 AlVG nur zu gewähren, wenn der (die) Arbeitslose der Vermittlung zur Verfügung steht (§ 7 Abs. 2 und 3) und sich in Notlage befindet.

In den nach § 36 Abs. 1 AlVG zu erlassenden Richtlinien über das Ausmaß der Notstandshilfe sind gemäß § 36 Abs. 2 AlVG auch die näheren Voraussetzungen im Sinne des § 33 Abs. 3 AlVG festzulegen, unter denen Notlage als gegeben anzusehen ist. Bei der Beurteilung der Notlage sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen (der Arbeitslosen) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (des Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin) zu berücksichtigen.

§ 36a AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 128/2003 lautet:

"§ 36a. (1) Bei der Feststellung des Einkommens für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit (§ 12 Abs. 6 lit. a bis e), des Anspruchs auf Familienzuschlag (§ 20 Abs. 2 und 5), und für die Anrechnung auf die Notstandshilfe ist nach den folgenden Absätzen vorzugehen.

(2) Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung, zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3 und dem Pauschalierungsausgleich gemäß Abs. 4. Einkommensteile, die mit dem festen Satz des § 67 des Einkommensteuergesetzes 1988 zu versteuern sind, bleiben außer Betracht. Die Winterfeiertagsvergütung gemäß § 13j Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, BGBl. Nr. 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt außer Betracht. Bezüge aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie aus einer Unfallversorgung der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen sind nur zur Hälfte zu berücksichtigen.

(3) Dem Einkommen nach § 2 Abs. 2 EStG 1988 sind die folgenden Beträge hinzuzurechnen:

1. Steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 lit. b bis e, Z 4 lit. a und lit. e, Z 5 lit. a bis d, Z 8 bis 12, Z 15 lit. a, Z 15 lit. b, Z 22 bis 24, sowie § 29 Z 1 zweiter Satz und § 112 Z 1 EStG 1988;

2. die Beträge nach den §§ 10, 10a, 12, 18 Abs. 1 Z 4 sowie Abs. 6 und 7, 24 Abs. 4, 27 Abs. 3, 31 Abs. 3, 36, 41 Abs. 3 sowie 112 Z 5, Z 7 und Z 8 EStG 1988, soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden;

3. Sonderunterstützungen nach dem Sonderunterstützungsgesetz, BGBl. Nr. 642/1973, und die besondere Schulbeihilfe nach dem Schülerbeihilfengesetz 1983, BGBl. Nr. 455.

(4) ...

(5) Das Einkommen ist wie folgt nachzuweisen:

1. bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise;

2. bei Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit durch die Vorlage einer aktuellen Lohnbestätigung;

3. bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft durch Vorlage des zuletzt ergangenen Einheitswertbescheides;

4. bei steuerfreien Bezügen durch eine Bestätigung der bezugsliquidierenden Stelle.

(6) Über Sonderausgaben, allfällige steuerfreie Bezüge und Beträge gemäß Abs. 3 Z 2 ist eine Erklärung abzugeben.

(7) ..."

4. Soweit der Beschwerdeführer ausführt, dass eine Anrechnung des Einkommens seiner Ehefrau schon wegen des fehlenden gemeinsamen Haushalts unzulässig sei, ist er darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde keine Anrechnung des Partnereinkommens nach § 36 Abs. 3 lit. B AlVG in Verbindung mit § 6 der Notstandshilfeverordnung vorgenommen hat, selbst wenn sie im angefochtenen Bescheid auch die Bestimmungen der Notstandhilfeverordnung unter den angewendeten Rechtsgrundlagen anführt.

Im Hinblick auf den auch von der belangten Behörde festgestellten getrennten Haushalt verbleibt für die Anrechnung des Einkommens der Ehefrau des Beschwerdeführers auf der Grundlage des § 33 Abs. 2 zweiter Satz bzw. des § 36 Abs. 3 lit. B AlVG tatsächlich kein Raum.

5. Der Beschwerdeführer übersieht jedoch, dass für die Bemessung der Notstandshilfe auch sein eigenes Einkommen anzurechnen ist (§ 36 Abs. 3 lit. A AlVG und § 5 Notstandshilfeverordnung), soweit es die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs. 2 lit. c ASVG übersteigt (§ 5 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung). Dabei sind gemäß § 36a Abs. 3 Z. 1 AlVG zum Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 (unter anderem) steuerfreie Bezüge gemäß § 29 Z. 1 zweiter Satz EStG 1988 hinzuzurechnen. Zu diesen steuerfreien Bezüge zählen auch Bezüge, die an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person gewährt werden (vgl. zu Unterhaltsleistungen des geschiedenen Ehepartners z. B. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, Zl. 2004/08/0213).

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid hat sich die Ehefrau des Beschwerdeführers, die von ihm getrennt lebt, zu einer monatlichen Unterhaltsleistung an ihn in der Höhe von EUR 300,-- für die Dauer seiner Arbeitslosigkeit verpflichtet. Die belangte Behörde hat jedoch nicht diese - vom Beschwerdeführer auch eingeräumten - monatlichen Unterhaltsleistungen als Einkommen des Beschwerdeführers berücksichtigt, sondern einen "fiktiven Unterhalt" angerechnet, den sie mit 40 % des Familiennettoeinkommens berechnet hat.

Dazu ist festzuhalten, dass bei der Prüfung des Vorliegens einer Notlage grundsätzlich nur auf das tatsächlich dem Arbeitslosen zufließende Einkommen abzustellen ist. Es kommt nicht darauf an, ob er durch eine bessere Verwertung seines Vermögens ("bestmögliche Nutzung von Einnahmequellen") überhaupt bzw. höhere Einkünfte erzielen könnte, es sei denn, er würde sich für bestimmte die Erzielung von Einkünften betreffende Gestaltungsmöglichkeiten nur deshalb entscheiden, um einer Einkommensanrechnung "zu entgehen", indem er z.B. seinen Schuldner von seiner Verpflichtung zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft befreit; eine derartige Konstellation kann auch vorliegen, wenn es der Arbeitslose unterlässt, eigene Unterhaltsforderungen zu verfolgen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2006).

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde reicht es für eine "fiktive Unterhaltsanrechung" in der Höhe von 40 % des Familiennettoeinkommens jedoch nicht aus, dass der getrennt lebende Ehepartner keine Scheidungsklage oder Unterhaltsklage eingebracht hat. Vielmehr ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, in welcher Höhe ein Unterhaltsanspruch des Arbeitslosen gegenüber seinem getrennt lebenden Ehepartner tatsächlich besteht oder bestehen würde, hätte der Arbeitslose nicht auf den Unterhaltsanspruch (allenfalls teilweise) nur deshalb verzichtet, um einer Einkommensanrechnung zu entgehen. Übersteigt der solcherart zu beurteilende Anspruch die dem Arbeitslosen tatsächlich zufließenden Unterhaltsleistungen, so ist festzustellen, in welcher Höhe Unterhaltsleistungen bei rechtmäßigem Alternativverhalten zugeflossen wären.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs grundsätzlich nur bei durchschnittlichen Verhältnissen aus Praktikabilitäts- und Gleichbehandlungsgründen pauschalierte, nach Prozenten der Einkommensbemessungsgrundlage festgesetzte Unterhaltsbeträge zugesprochen werden; eine gesetzliche Grundlage für die (starre) Anwendung eines bestimmten Berechnungssystems besteht nicht (vgl. z.B. den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 7. Dezember 2001, 7 Ob 288/01f); Unterhaltsentscheidungen sind grundsätzlich Ermessensentscheidungen und keine reinen Rechenexempel (Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 9. Juni 2009, 1 Ob 88/09m).

Der Beschwerdeführer hat bereits im Verwaltungsverfahren Vorbringen dahingehend erstattet, dass auf Grund von außergewöhnlichen Zahlungen seiner Ehefrau zu seinen Gunsten im Zusammenhang mit einem Schuldenregulierungsverfahren und einer schlagend gewordenen Bürgschaft keine über den vereinbarten Betrag von monatlich EUR 300,-- hinausgehende laufende Unterhaltsverpflichtung seiner Ehefrau bestehe.

Die belangte Behörde hat ohne weitere Feststellungen - insbesondere auch ohne Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers - die zwischen dem Beschwerdeführer und seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau getroffene Unterhaltsvereinbarung als Unterhaltsverzicht und als "für das Arbeitsmarktservice nicht bindend" beurteilt. Auf der Grundlage dieser Rechtsansicht hat sie es auch unterlassen, eine nähere Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob die Vereinbarung vor dem Hintergrund der vom Beschwerdeführer behaupteten besonderen wirtschaftlichen und persönlichen Umstände tatsächlich nur deshalb getroffen wurde, um der Einkommensanrechnung zu entgehen.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit darin über die Berufung gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 2. April 2008 entschieden wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 und 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 26. Jänner 2010

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