Normen
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauRallg;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben insgesamt der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am 20. März 2008 beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, eingelangten Bauansuchen beantragte die mitbeteiligte Partei (in der Folge: Bauwerberin) die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer vollflächigen Einfriedungsmauer im rechten hinteren Bereich direkt an der seitlichen Grundgrenze ihres Grundstückes Nr. 40/1 Hochwassergasse 38 der Liegenschaft EZ. 104, Grundbuch 01803 Inzersdorf.
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des rechtsseitig (von der Hochwassergasse aus gesehen) angrenzenden Grundstückes Nr. 41/1 der Liegenschaft EZ. 1685 desselben Grundbuchs. Sie wurden unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 134 Abs. 3 Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) als Nachbarn zur mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2008 geladen. Als Gegenstand der Bauverhandlung wurde in der Ladung angeführt:
"I.) Ansuchen um Baubewilligung für die Errichtung einer vollflächigen Einfriedungsmauer entlang der Grundgrenze zur EZ 1685 der Kat.Gem.Inzersdorf.
II.) Ansuchen um Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von den Bebauungsvorschriften gemäß § 69 Abs. 1 BO hinsichtlich
.) Abweichung vom Gebot, das(s) Einfriedungen an seitlichen und hinteren Grundgrenzen 2,0 m nicht überragen und ab einer Höhe von 0,5 m den freien Durchblick nicht hindern."
Die Beschwerdeführer erhoben in der mündlichen Verhandlung folgende Einwendungen:
"Im Zaun befindet sich ein Gartentor zu dem wir alleinig den Schlüssel haben. Wir fordern die Fortsetzung des bestehenden Zaunes bis zur Grundgrenze Gst. Nr. 42/3. Wir fordern die Einhaltung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes hinsichtlich der Gestaltung der Einfriedung. Auf die bereits bei dem Verfahren Zl. MA 37/23 - Hochwassergasse 38/38148-1/07 vorgelegten Fotounterlagen wird verwiesen. Sie mögen diesem Bauverfahren neuerlich angeschlossen werden. Die beabsichtigte vollflächige Gartenmauer mindert den Wert unserer Liegenschaft."
Mit Bescheid der Bezirksvertretung für den 23. Bezirk vom 7. August 2008 wurde die Abweichung vom Gebot, dass Einfriedungen an seitlichen und hinteren Grundgrenzen eine Höhe von 2,00 m nicht überragen und ab einer Höhe von 0,50 m den freien Durchblick nicht hindern dürfen, gemäß § 69 Abs. 1 lit. f BO für zulässig erklärt.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 31. August 2008 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführer hätten nur Einwendungen bezüglich stadtgestalterischer Belange bzw. zivilrechtlicher Natur erhoben. Das Vorbringen bezüglich der vollflächigen Ausgestaltung der Einfriedung entlang der seitlichen Grundgrenze sei ausschließlich als solches stadtgestalterischer Natur anzusehen und beziehe sich auf kein subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn. Das von den Beschwerdeführern geltend gemachte Zugangsrecht zur Liegenschaft der Bauwerberin sowie die behauptete Wertminderung ihrer Liegenschaft seien Einwände zivilrechtlicher Natur. Es könne nicht Aufgabe der Behörde sein, Nachbarn bei der inhaltlichen Formulierung der Einwendungen behilflich zu sein. Die Manuduktionspflicht gehe nicht so weit, dass eine Partei, die unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen zu einer mündlichen Verhandlung geladen wurde, vom Verhandlungsleiter zur Erhebung von Einwendungen und deren inhaltlicher Ausgestaltung angeleitet werden müsste. Die Beschwerdeführer hätten somit keine Parteistellung erlangt, weshalb die Berufung als unzulässig zurückgewiesen hätte werden müssen.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 23. Februar 2009, B 142/09- 4, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer im Recht "auf Nichtbewilligung eines auf dem Nachbargrundstück geplanten Bauwerks verletzt". Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein die Frage, ob die belangte Behörde zutreffend die Berufung der Beschwerdeführer zurückgewiesen hat, weil diese mangels Erhebung von Einwendungen gemäß § 134 Abs. 3 BO keine Parteistellung erlangt haben.
Hiezu führen die Beschwerdeführer aus, dass ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor der Baubehörde erster Instanz nicht ausschließlich ein solches stadtgestalterischer Natur gewesen sei. Durch ihre Forderung in der Bauverhandlung, der geltende Bebauungsplan sei einzuhalten, hätten sie insbesondere auch die Einhaltung der zulässigen Bauhöhe und der Fluchtlinien gefordert. Sollten die Beschwerdeführer keine Einwendungen im Rechtssinne erhoben haben, läge aber eine Verletzung der Manuduktionspflicht der Baubehörde erster Instanz vor. Der von den Beschwerdeführern erhobene Einwand "Wir fordern die Einhaltung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes hinsichtlich der Gestaltung der Einfriedung" drücke mit hinreichender Deutlichkeit aus, dass die Beschwerdeführer Einwendungen gegen die geplante Höhe und Ausgestaltung der Mauer erheben haben wollen. Sollte diese Einwendung jedoch zu ungenau sein, läge ein relevanter Verfahrensmangel vor, weil die erstinstanzliche Behörde die Beschwerdeführer zur genaueren Ausformulierung der Einwendungen anleiten und protokollieren hätte müssen, dass sich die Beschwerdeführer gegen die Abweichungen des Bauvorhabens vom geltenden Bebauungsplan, insbesondere gegen die Höhe der Mauer und die fehlende Durchsichtsmöglichkeit der beantragten Einfriedungsmauer ausgesprochen haben.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Bauordnung für Wien (BO) haben folgenden Wortlaut:
"§ 134. (1) Partei im Sinne des § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes ist in allen Fällen, in denen dieses Gesetz ein Ansuchen oder eine Einreichung vorsieht, der Antragsteller oder Einreicher.
...
(3) Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind wie Eigentümer der Liegenschaften zu behandeln. Die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134a erschöpfend festgelegten subjektivöffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die geplante Bauführung erheben; das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG) steht Nachbarn bereits ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde zu. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG). Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben oder bis zu einer Breite von 6 m durch Fahnen oder diesen gleichzuhaltende Grundstreifen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen. In allen übrigen Widmungsgebieten sowie bei Flächen des öffentlichen Gutes sind jene Liegenschaften benachbart, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Bauwerk liegen.
(4) Weist ein Nachbar der Behörde nach, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach § 134 Abs. 3 zu erlangen, kann er seine Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die Bauführung auch nach dem Abschluss der mündlichen Bauverhandlung bis längstens drei Monate nach dem Baubeginn vorbringen und ist vom Zeitpunkt des Vorbringens dieser Einwendungen an Partei; eine spätere Erlangung der Parteistellung (§ 134 Abs. 3) ist ausgeschlossen. Solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Bauverhandlung anberaumt hat.
...
§ 134a. (1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:
a) Bestimmungen über den Abstand eines Bauwerkes zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;
- b) Bestimmungen über die Gebäudehöhe;
- c) Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;
d) Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;
e) Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Bauwerkes können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Bauwerkes zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden;
f) Bestimmungen, die den Nachbarn zu Emissionen berechtigen."
Nach § 134 Abs. 3 dritter Satz BO erlangt ein Nachbar im Baubewilligungsverfahren Nachbar- und damit Parteistellung nur im Rahmen und im Umfang der rechtzeitig erhobenen rechtserheblichen Einwendungen und kann daher nur insoweit in seinen Rechten verletzt sein. Der Nachbar kann somit nur im Rahmen der von ihm erhobenen Einwendungen Parteistellung erlangen und auch nur insoweit Parteirechte beanspruchen. Ein über die erlangte Parteistellung hinausgehendes Berufungsvorbringen ist daher unzulässig. Eine solche unzulässige Berufung hat zur Folge, dass der Berufungsbehörde eine meritorische Entscheidung über die Berufung versagt ist (vgl. Ph. Pallitsch, Die Präklusion im Verwaltungsverfahren (2001), Seite 82, m.w.N.; siehe auch das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2003, Zl. 2003/05/0009).
Eine Einwendung im Rechtssinne liegt nur vor, wenn das Vorbringen die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat. Gefordert wird, dass wenigstens erkennbar ist, aus welchen Gründen sich der Nachbar gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers wendet, also welche Rechtsverletzung behauptet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2006, Zl. 2005/05/0272).
In § 134a BO sind die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte taxativ aufgezählt. Die hier genannten Nachbarrechte werden durch die Tatbestandsvoraussetzung "sofern sie ihrem" (gemeint: der Nachbarn) "Schutze dienen" eingeschränkt. Dies bedeutet, dass trotz objektiven Verstoßes gegen eine unter § 134a BO subsumierbare baurechtliche Vorschrift auf die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes eines Nachbarn dann nicht zu erkennen ist, wenn nach der Situierung des bewilligten Bauvorhabens in das vom Nachbarn geltend gemachte subjektivöffentliche Recht nicht eingegriffen wird. Sofern eine Abweichung von Bebauungsvorschriften gemäß § 69 BO vorliegt, kann der Nachbar in dieser Hinsicht in einem ihm allenfalls zustehenden subjektiven Recht nicht mehr verletzt sein. Es liegt allerdings dann eine Verletzung von Nachbarrechten vor, wenn die Ausnahme gemäß § 69 BO gewährt wird, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Voraussetzung dafür ist jedoch auch, dass der Nachbar im Bauverfahren jenes subjektiv-öffentliche Nachbarrecht, das ihm vor der Gewährung einer Abweichung gemäß § 69 BO zugestanden ist, rechtzeitig und wirksam im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht hat (vgl. das hg. Erkenntnis 29. Jänner 2008, Zl. 2006/05/0218).
Dem von den Beschwerdeführerinnen in der mündlichen Bauverhandlung erstatteten Vorbringen kann keine Verletzung eines bestimmten Rechtes entnommen werden. Dieses Vorbringen lässt nicht erkennen, welche aus § 134a BO ableitbare Rechtsverletzung konkret geltend gemacht wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1996, Zl. 95/05/0262, und vom 18. November 2003, Zl. 2001/05/0341) und ist somit keine rechtswirksame Einwendung im Sinne des § 134 Abs. 3 BO.
Zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, dass die Einwendung der Wertminderung des Nachbargrundstückes durch das geplante Bauvorhaben ist als eine privatrechtliche Einwendung zu qualifizieren ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 92/05/0044).
Aus der gemäß § 15 AVG einen vollen Beweis bildenden Niederschrift der Baubehörde erster Instanz über die mündliche Bauverhandlung vom 25. Juni 2008 ergibt sich somit zweifelsfrei, dass die Beschwerdeführer keine öffentlichrechtliche Einwendungen im Sinne des § 134 Abs. 3 dritter Satz BO erhoben haben.
Die Baubehörde hat auch nicht ihre Pflicht zur Anleitung eines Vorbringens im Sinne des § 13a AVG verletzt. Die Manuduktionspflicht der Behörde geht nämlich nicht so weit, dass eine Partei zur inhaltlichen Ausgestaltung von Einwendungen angeleitet werden müsste. Die Behörde ist auch nicht verpflichtet, die Partei zur Erhebung weiterer Einwendungen anzuleiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2008, Zl. 2008/06/0089).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 23. Februar 2010
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