VwGH 2008/22/0166

VwGH2008/22/01669.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 3. November 2006, Zl. 146.959/2-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §23;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §30 Abs1;
EheG §23;
EMRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §30 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 3. November 2006 wurde ein Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 31. August 2004 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß §§ 11 Abs. 1 Z. 4, 11 Abs. 2 Z. 1 und 30 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 28. Februar 2004 im Besitz eines ab diesem Datum bis 23. März 2004 gültigen Visums C in das Bundesgebiet eingereist sei und am 23. März 2004 einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt habe, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. Dezember 2004 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Mit diesem Bescheid sei gleichzeitig die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgesprochen worden; dieser halte sich "seit diesem Zeitpunkt" illegal in Österreich auf.

Am 22. Juni 2004 habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin S.K. geheiratet und am 31. August 2004 den gegenständlichen Antrag gestellt, in dem er sich auf diese Ehe berufen habe. Ein gemeinsames Familienleben mit S.K. liege nicht vor. Erhebungen durch die Bundespolizeidirektion Wien hätten ergeben, dass es sich bei dieser Ehe um eine Scheinehe handle. Der Beschwerdeführer habe an der Wohnanschrift seiner Ehefrau in Wien 10 nie Unterkunft genommen; S.K. habe bei Vernehmungen durch die Bundespolizeidirektion Wien angegeben, dass sie sich aufgrund akuter finanzieller Probleme auf eine Heirat mit dem Beschwerdeführer eingelassen und für die Eheschließung EUR 4.000,--

erhalten habe.

Ein angesichts dieses Sachverhalts durch die Bundespolizeidirektion Wien erlassenes Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren sei mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. März 2006 bestätigt worden. Einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei mit Beschluss vom 25. September 2006 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der vorliegende Antrag aufgrund der "nunmehr geltenden Rechtslage" (nach dem am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG) als Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" (§ 47 Abs. 2 NAG) zu werten sei.

Im Fall des Beschwerdeführers liege eine Aufenthaltsehe im Sinn des § 30 Abs. 1 NAG vor, weshalb dieser den "absoluten Versagungsgrund" des § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG verwirklicht habe. Der Versagungsgrund nach § 11 Abs. 1 Z. 1 NAG, wonach das Vorliegen eines aufrechten Aufenthaltsverbotes gemäß § 60 FPG der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehe, komme in Hinblick auf die beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei, nicht zur Anwendung.

Im Übrigen sei das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremden- bzw. aufenthaltsrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften darstelle und die Annahme rechtfertige, dass der weitere Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Damit widerstreite der Aufenthalt des Beschwerdeführers gemäß § 11 Abs. 4 Z. 1 NAG dem öffentlichen Interesse, sodass dieser auch die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z. 1 NAG für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht erfülle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde das Verfahren über den gegenständlichen, am 31. August 2004 (noch während der Geltung des am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG) eingebrachten Antrag zutreffend gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende geführt hat.

Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung) dürfen Aufenthaltstitel einen Fremden nicht erteilt werden, wenn eine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2 NAG) vorliegt. Gemäß § 30 Abs. 1 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) dürfen sich Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen.

Die Beschwerde wendet sich gegen die der Annahme einer Aufenthaltsehe zugrunde liegende Beweiswürdigung der belangten Behörde und bringt dazu lediglich vor, dass die Ehe des Beschwerdeführers mit S.K. bisher "nicht nach § 23 EheG als Scheinehe für nichtig erklärt" worden sei, sondern dass ein "Scheidungsverfahren (Verschuldensscheidung) anhängig" sei bzw. der Beschwerdeführer "mit Verschuldensausspruch geschieden" worden sei (S. 3 bzw. S. 5 der Beschwerde). "Im Grunde genommen" liege nur eine für das vorliegende Verfahren unwesentliche Enttäuschung der geschiedenen Ehefrau des Beschwerdeführers über diesen und sein Verschulden an der unheilbaren Zerrüttung der Ehe vor.

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer zu dem damit - allerdings widersprüchlich - behaupteten Scheidungsverfahren im Administrativverfahren kein Vorbringen erstattet hat (§ 41 Abs. 1 VwGG), bestreitet die Beschwerde nicht die im angefochtenen Bescheid festgestellten Ergebnisse von Erhebungen durch die Bundespolizeidirektion Wien. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung setzt die Beurteilung der belangten Behörde, dass eine Scheinehe vorliege, auch nicht voraus, dass die Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2010, 2009/21/0273, mwN).

Die durch die Beschwerde bekämpfte Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet somit im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, 85/02/0053) keinen Bedenken.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht kommt Art. 6 EMRK im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zur Anwendung, weil ein einen Aufenthaltstitel versagender Bescheid kein "civil right" im Sinn dieser Konventionsbestimmung berührt (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 15. Juni 2010, 2009/22/0347, mwN).

In seiner Verfahrensrüge behauptet der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechtes auf Parteiengehör (§ 45 Abs. 3 AVG) "zur Frage der Scheinehe" sowie dadurch, dass ihn die belangte Behörde zur Auflösung seiner Ehe durch "gerichtliche Ehescheidung mittels Urteils des BG Innere Stadt Wien" nicht gehört habe.

Dem ist entgegenzuhalten, dass dem Beschwerdeführer zu den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Ergebnissen der Erhebungen der Bundespolizeidirektion Wien bereits mit Schreiben vom 24. Jänner 2005, zugestellt am 28. Jänner 2005, Parteiengehör gewährt wurde. Da das Ermittlungsverfahren die nunmehr im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptete Scheidung der Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und S.K. nicht ergeben hat, kommt § 45 Abs. 3 AVG insofern schon aus diesem Grund nicht zur Anwendung.

Schließlich behauptet die Beschwerde in umfangreichen Ausführungen eine aufrechte Berechtigung des Beschwerdeführers aufgrund des Beschlusses Nr. 1/80 des auf Grund des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB Nr. 1/80); dazu bringt die Beschwerde im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer nach der "damaligen Rechtslage" infolge seiner Ehe mit einer Österreicherin vollkommen berechtigt nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unselbständig in Österreich habe arbeiten können. Er habe somit "sofort bei Vorliegen einer Ehe und Vorlage einer Heiratsurkunde unselbständig arbeiten" dürfen und dabei eine "gesicherte Position" am österreichischen Arbeitsmarkt erlangt.

Dem ist allerdings mit der ständigen hg. Rechtsprechung entgegenzuhalten, dass einem Fremden, der den Zugang zum Arbeitsmarkt rechtsmissbräuchlich im Weg einer Scheinehe erlangt hat, - somit auch dem Beschwerdeführer - die Begünstigung nach dem ARB Nr. 1/80 nicht zugutekommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, 2008/21/0035, mwN).

Die belangte Behörde war somit zu weiteren Feststellungen zu der "nicht bloß vorläufigen Zugehörigkeit" des Beschwerdeführers zum Arbeitsmarkt nicht verhalten.

Die belangte Behörde hat somit zu Recht den Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG zur Abweisung des vorliegenden Antrags herangezogen, weshalb die Beschwerde schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 9. September 2010

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