VwGH 2008/10/0002

VwGH2008/10/000228.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Stiftgasse 23, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 19. November 2007, Zl. IIIa1-F-10.047/1, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §39;
AVG §66 Abs4;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §18;
ForstG 1975 §19 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §39;
AVG §66 Abs4;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §18;
ForstG 1975 §19 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 26. September 2006 stellte der Beschwerdeführer unter Verwendung eines amtlichen Formulars folgenden Antrag auf Rodungsbewilligung:

R o d u n g s f l ä c h e

Grundstück

Katastralgemeinde

Gesamtfläche

vorübergehende Rodungsfläche

dauernde Rodungsfläche

541/1

(S.)

11606 m2

8000 m2

8000 m2

   

Rot eingerahmte Fläche

am Luftbild

     

Gesamtfläche 11606 m2

  

(Die vorgedruckten Angaben sind unterstrichen, die handschriftlichen Eintragungen des Beschwerdeführers sind kursiv wiedergegeben.)

Dem Antrag beigeschlossen war ein Luftbild, auf welchem eine Teilfläche der auf dem Grundstück Nr. 541/1 ersichtlichen Bestockung mit roter Markierung umgrenzt ist.

Dem im Verwaltungsakt erliegenden Grundbuchsauszug ist zu entnehmen, dass das Grundstück Nr. 541/1 eine Gesamtfläche von

18.596 m2 aufweist, wobei 11.606 m2 der Benützungsart Wald zugeordnet seien.

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 19. November 2007 erteilte der Landeshauptmann von Tirol dem Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs. 3 iVm § 18 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975 die Bewilligung zur dauerhaften Rodung einer Fläche von 11.606 m2 auf dem Grundstück Nr. 541/1 zum Zwecke der Schaffung einer Weidefläche nach Maßgabe des vom Beschwerdeführer vorgelegten Lageplanes (Luftbildes) unter Vorschreibung mehrerer Auflagen.

Die Auflagen Nr. 3. und 4. lauten:

"3. Auf der Rodungsfläche sind zwei Baumgruppen mit Lärchen und zwei Baumgruppen mit Birken anzupflanzen, wobei jede Baumgruppe aus mindestens zehn Stück Forsthölzern (Lärchen bzw. Birken) bestehen muss. Die Mindesthöhe der zu setzenden Gehölze darf 1,5 m nicht unterschreiten. Die vier Baumgruppen sind auf der Rodefläche so zu situieren, dass sie jeweils einen Abstand zur Grundstücksgrenze von mindestens 20 m aufweisen. Der Abstand zwischen den einzelnen Baumgruppen hat ebenfalls 20 m zu betragen. Die Baumgruppen sind weidesicher einzuzuäunen. Die betreffenden Bepflanzungs- und Einzäunungsmaßnahmen sind bis spätestens 01.06.2008 durchzuführen.

4. Nach Anleitung des örtlichen Waldaufsehers sind waldstrukturverbessernde Maßnahmen im benachbarten Grundstück Nr. 541/2, GB (S.) in einem Gesamtwert von 5.600,-- zu setzen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 (ForstG) in der Fassung BGBl. I Nr. 55/2007 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"III. ABSCHNITT

ERHALTUNG DES WALDES UND DER NACHHALTIGKEIT SEINER WIRKUNGEN

A. Erhaltung des Waldes; Allgemeines

...

Rodung

§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.

...

(3) Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

...

Rodungsbewilligung; Vorschreibungen

§ 18. (1) Die Rodungsbewilligung ist erforderlichenfalls an Bedingungen, Fristen oder Auflagen zu binden, durch welche gewährleistet ist, dass die Walderhaltung über das bewilligte Ausmaß hinaus nicht beeinträchtigt wird. Insbesondere sind danach

...

3. Maßnahmen vorzuschreiben, die

a) zur Hintanhaltung nachteiliger Wirkungen für die umliegenden Wälder oder

b) zum Ausgleich des Verlustes der Wirkungen des Waldes (Ersatzleistung) geeignet sind.

(2) In der die Ersatzleistung betreffenden Vorschreibung ist der Rodungswerber im Interesse der Wiederherstellung der durch die Rodung entfallenden Wirkungen des Waldes zur Aufforstung einer Nichtwaldfläche (Ersatzaufforstung) oder zu Maßnahmen zur Verbesserung des Waldzustandes zu verpflichten. Die Vorschreibung kann auch dahin lauten, dass der Rodungswerber die Ersatzaufforstung oder die Maßnahmen zur Verbesserung des Waldzustands auf Grundflächen eines anderen Grundeigentümers in der näheren Umgebung der Rodungsfläche auf Grund einer nachweisbar getroffenen Vereinbarung durchzuführen hat. ...

...

(4) Geht aus dem Antrag hervor, dass der beabsichtigte Zweck der Rodung nicht von unbegrenzter Dauer sein soll, so ist im Bewilligungsbescheid die beantragte Verwendung ausdrücklich als vorübergehend zu erklären und entsprechend zu befristen (befristete Rodung). Ferner ist die Auflage zu erteilen, dass die befristete Rodungsfläche nach Ablauf der festgesetzten Frist wieder zu bewalden ist.

(5) Abs. 1 Z 3 lit. b und Abs. 2 und 3 finden auf befristete Rodungen im Sinn des Abs. 4 keine Anwendung.

...

Rodungsverfahren

§ 19. (1) Zur Einbringung eines Antrags auf Rodungsbewilligung sind berechtigt:

...

(2) Der Antrag hat zu enthalten:

1. das Ausmaß der beantragten Rodungsfläche,

...

Dem Antrag sind ein Grundbuchsauszug, der nicht älter als drei Monate sein darf und eine Lageskizze, die eine eindeutige Feststellung der zur Rodung beantragten Fläche in der Natur ermöglicht, anzuschließen. ...

..."

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

2.1.1. Dem angefochtenen Bescheid liegt die in der Gegenschrift bekräftigte Auffassung zugrunde, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf die Erteilung einer dauernden Rodungsbewilligung für eine Teilfläche im Ausmaß von 11.606 m2 auf dem Grundstück Nr. 541/1 gerichtet gewesen sei. Bei Einhaltung der im angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Auflagen überwiege das in der Agrarstrukturverbesserung begründete öffentliche Interesse an der Verwendung dieser Fläche als Weidefläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald.

2.1.2. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, es sei von ihm lediglich ein Antrag auf Erteilung einer Rodungsbewilligung für eine Teilfläche im Ausmaß von 8.000 m2 gestellt worden. Die Auflagen Nr. 3. und 4. hätten im Falle eines bewilligten Ausmaßes von 8.000 m2 nicht vorgeschrieben werden dürfen.

2.2. Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde aus folgenden Erwägungen zum Erfolg.

2.2.1. Dem oben wiedergegebenen formularmäßigen Antrag des Beschwerdeführers vom 26. September 2006 kann nicht mit der erforderlichen Klarheit entnommen werden, für welche Fläche die Erteilung der Rodungsbewilligung beantragt worden ist. Der Antrag kann insbesondere dahin verstanden werden, dass er auf die Bewilligung einer Rodung im Flächenausmaß von 8.000 m2 (wie vom Beschwerdeführer behauptet), von 11.606 m2 (wie von der belangten Behörde - offenbar im Hinblick auf die Aufteilung dieses nicht der gesamten Grundstücksfläche entsprechenden Flächenmaßes unter der Rubrik "Rodefläche - Gesamtfläche" angenommen) oder allenfalls sogar von 16.000 m2 (nämlich 8000 m2 vorübergehende Rodung und 8000 m2 dauernde Rodung) gerichtet gewesen ist. Auch der im Antrag enthaltene, nicht eindeutig zuordenbare Hinweis "Rot eingerahmte Fläche am Luftbild" ist im vorliegenden Zusammenhang nicht geeignet, die Zweifel über das tatsächliche Ausmaß der zur Rodung beantragten Fläche auszuräumen, weil das dem Antrag angeschlossene Luftbild keine Maßstabsangabe enthält und auch nicht unzweifelhaft feststeht, ob sämtliche bestockte Flächen auf dem Grundstück 541/1 Wald im Sinne des ForstG sind. Der Antrag lässt schließlich nicht zweifelsfrei erkennen, ob die Bewilligung für eine dauernde oder vorübergehende Rodung erteilt werden sollte.

2.2.2. In dieser Hinsicht ist zunächst von Bedeutung, dass gemäß § 18 Abs. 5 ForstG auf befristete Rodungen im Sinn des Abs. 4 die Bestimmungen des § 18 Abs. 1 Z. 3 lit. b und Abs. 2 ForstG über die Vorschreibung von Ersatzleistungen keine Anwendung finden.

2.2.3. Mängel schriftlicher Anbringen können gemäß § 13 Abs. 3 AVG noch im Berufungsverfahren behoben werden, wobei hervorzuheben ist, dass sich die Vorschrift des § 13 Abs. 3 AVG nicht nur auf Formmängel, sondern auch auf inhaltliche Mängel bezieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2004/09/0204). Ist das Anbringen einer Partei undeutlich bzw. unklar, so hat die Behörde mit den ihr gemäß § 37 und 39 AVG zur Verfügung stehenden Mitteln, also vor allem durch die Einvernahme des Einschreiters, dessen wahre Absicht zu klären (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2010, Zl. 2004/10/0182).

2.4. Die belangte Behörde ist - ebenso wie die erstinstanzliche Behörde - ohne Befassung des Beschwerdeführers davon ausgegangen, das Ansuchen vom 26. September 2006 sei auf die dauernde Rodung einer Teilfläche von 11.606 m2 gerichtet gewesen.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde war es dieser ebenso wie der Erstbehörde verwehrt, von sich aus eine Konkretisierung des wie dargestellt nicht eindeutigen Antrages vorzunehmen (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1996, Zl. 94/10/0147).

2.3. Indem die belangte Behörde ungeachtet des unklar gebliebenen Antrages dem angefochtenen Bescheid die Annahme zugrunde gelegt hat, dass dieser auf die dauernde Rodung einer Teilfläche im Ausmaß von 11.606 m2 gerichtet gewesen sei, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen brauchte eingegangen zu werden.

3. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGG-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. Juni 2010

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