Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Am 21. November 2005 fand am Betriebsgelände des Fleischereibetriebes des Beschwerdeführers in Z. eine Kontrolle durch Organe der KIAB statt. Der dabei angetroffene ungarische Staatsangehörige M. hat nach dem in den Verwaltungsakten einliegenden Personalblatt angegeben, am Kontrolltag bei der Firma des Beschwerdeführers in H. seit sechs Monaten mit einem Monatslohn von EUR 1.000,-- für 40 Wochenstunden beschäftigt zu sein.
Mit Bescheid vom 7. Februar 2006 hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer als Dienstgeber für den in der Beilage 1 genannten Dienstnehmer M. nach den Bestimmungen der §§ 4 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 1, 34 Abs. 1, 49 Abs. 1 und 2, 54 Abs. 1 und 56 ASVG sowie § 1 AlVG nachverrechnete Sozialversicherungsbeiträge einschließlich der Sonderbeiträge, Umlagen und Nebenbeiträge (wegen Nichtmeldung bzw. Unterversicherung, sozialversicherungspflichtiger Dienstnehmer) in der Höhe von EUR 2.219,63 sowie gemäß § 59 Abs. 1 ASVG Verzugszinsen in der Höhe von EUR 53,43 zu entrichten habe. Die Beilage 1 (Aufstellung der Entgelt- und Beitragsdifferenzen vom 23. Jänner 2006) und die Beilage 2 (Prüfungsprotokoll für den Zeitraum vom 1. Jänner 2002 bis 30. November 2005) wurden zum integrierenden Bestandteil des Bescheides erklärt.
Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid nicht Folge gegeben.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Angaben des am Kontrolltag, dem 21. November 2005, bei der Firma des Beschwerdeführers angetroffenen ungarischen Staatsangehörigen M. auf dem zuvor genannten Personalblatt dem Prüforgan als fundierte Grundlage gedient haben, "um das Beschäftigungsverhältnis vor dem vom Beschwerdeführer in seiner Anmeldung mit 5.9.2005 angeführten Beschäftigungsbeginn um sechs Monate zu verlängern und die Beitragsnachverrechnung ab 1.6.2005 im Zuge der GPLA" (gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben) "anzustoßen". Dem Vorbringen im Einspruch, wonach die Angaben des M. aus Verständigungsproblemen resultieren würden und er richtigerweise erst seit Anfang September 2005 beim Beschwerdeführer beschäftigt sei, wozu auch eine "Bestätigung" des M. vom 30. Jänner 2006 über den Widerruf seiner Angaben im Personalblatt angeschlossen war, wurde zusammengefasst entgegengehalten, dass den bei Ersteinvernahmen abgegebenen Erklärungen und Äußerungen eines Betretenen den Tatsachen eher entsprechen würden als nachträgliche Vorträge und sonstige jedwede Rechtfertigungen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass M. die bei der Ersteinvernahme im Personalblatt in Ungarisch - und somit in seiner eigenen Muttersprache - angeführten Fakten nicht verstehen hätte sollen; überdies seien im Verfahren keine Anhaltspunkte vorgebracht worden, dass er der ungarischen Schrift nicht mächtig sei. Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass die Dauer des Dienstverhältnisses auch von den "anderen Dienstnehmern" der Firma des Beschwerdeführers bezeugt werden könnte, wurde erwidert, dass er weder entsprechende Belege oder Erklärungen vorgelegt noch Entlastungszeugen samt deren Generalien hiefür abgegeben habe, und es nicht Aufgabe der Behörde sei, Beweismittel beizuschaffen, die das Vorbringen des Beschwerdeführers stützen könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Mangelhaftigkeit des Verfahrens (auf Grund der Unterlassung der Einvernahme der mit Schreiben vom 18. Mai 2006 bekannt gegebenen Zeugen) kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid zur Entkräftung der Behauptung des Beschwerdeführers, wonach der ungarische Staatsangehörige M. auf Grund von Verständigungsproblemen irrtümlich unrichtige Angaben zu seiner Beschäftigungsdauer beim Beschwerdeführer gemacht habe, auch tragend darauf berufen, dass er es verabsäumt habe, "Entlastungszeugen samt deren Generalien" anzuführen.
Wie in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird, wurde dabei offenkundig übersehen, dass mit dem in den Verwaltungsakten einliegenden Schreiben vom 18. Mai 2006, welches am 22. Mai 2006 bei der belangten Behörde eingelangt ist, vom Beschwerdeführer zu diesem relevanten Beweisthema drei namentlich genannte Personen unter Bekanntgabe von Anschriften als Zeugen namhaft gemacht wurden.
Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
Soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, hat die Behörde nach § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen; sie kann insbesondere auch eine mündliche Verhandlung nach den §§ 40 bis 44 von Amts wegen oder auf Antrag durchführen. Gegen die Ablehnung eines solchen Antrages ist kein Rechtsmittel zulässig. Die Behörde hat sich bei allen diesen Verfügungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.
Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, Band I2, E 84 zu § 39 AVG).
Im vorliegenden Fall hat es die belangte Behörde unterlassen, die namhaft gemachten Zeugen einzuvernehmen, bzw. auch nicht in einer der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes zugänglichen Weise begründet, weshalb deren Einvernahme nicht notwendig gewesen wäre. Die in der Gegenschrift nachgeholte Begründung vermag diesen Mangel nicht zu ersetzen.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde nach Einvernahme dieser Personen bei entsprechender Auseinandersetzung mit deren Angaben und einer ausreichenden Beweiswürdigung zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid wegen dieses Verfahrensmangels gemäß § 42 Abs. 2 Z.3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.
Wien, am 17. Februar 2010
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