VwGH 2008/22/0691

VwGH2008/22/069122.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. April 2008, Zl. 151.528/2- III/4/08, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs3;
NAGDV 2005 §7;
NAGDV 2005 §8 Z7;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §13 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs3;
NAGDV 2005 §7;
NAGDV 2005 §8 Z7;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 30. März 2007 stellte der Beschwerdeführer, ein chilenischer Staatsangehöriger, einen Verlängerungsantrag zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "Studierender". Dieser Antrag wurde von der Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 24. Jänner 2008 gemäß § 19 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG iVm § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG zurückgewiesen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres (belangte Behörde) die dagegen fristgerecht erhobene Berufung ab.

Unter Hinweis auf die §§ 19 Abs. 3 und 11 Abs. 2 Z. 3 NAG sowie § 13 Abs. 3 AVG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 30. März 2007 aufgefordert worden, einen aktuellen Datenauszug von ihm und seinem Lebensgefährten von der Wiener Gebietskrankenkasse über alle Sozialversicherungszeiten, eine aktuelle Lohnbestätigung des Lebensgefährten des Beschwerdeführers, ein aktuelles Studienblatt sowie eine aktuelle Inskriptionsbestätigung vorzulegen. Dieser Aufforderung sei der Beschwerdeführer laut Aktenlage nicht nachgekommen. Mit einem weiteren Schreiben der Behörde erster Instanz vom 10. September 2007, das dem Beschwerdeführer rechtswirksam mit 14. September 2007 zugestellt worden sei, sei er neuerlich aufgefordert worden, einen Nachweis über einen in Österreich leistungspflichtigen und alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz, einen Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes, ein aktuelles Studienblatt sowie eine aktuelle Inskriptionsbestätigung nachzureichen. In diesem Schreiben sei der Beschwerdeführer auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden.

Beide Aufforderungen seien dem Beschwerdeführer an die Zustelladresse seines Lebensgefährten "zugestellt" worden, obwohl er mit Nebenwohnsitz in einer anderen Wohnung in Wien behördlich gemeldet gewesen sei. Dieser "Zustellmangel" könne jedoch als saniert angesehen werden, da der Beschwerdeführer im Zuge einer Wohnungserhebung am 22. Jänner 2008 persönlich an der Zustelladresse angetroffen worden sei. Im Zuge dieser Erhebung habe der Beschwerdeführer auch angegeben, noch einen Monat dort wohnhaft zu sein und dann nach Chile zurückzukehren.

Für die belangte Behörde stehe fest, dass der Beschwerdeführer den Aufforderungen zur Urkundenvorlage nicht nachgekommen sei und die erforderlichen Dokumente nicht beigebracht habe, wodurch sein Anbringen weiterhin mangelhaft geblieben sei. Triftige Gründe, die ihn von der Verpflichtung, der Aufforderung der Behörde zu entsprechen, entbunden hätten, seien von ihm nicht geltend gemacht worden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Juni 2008, B 1112/08-3, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

§ 13 Abs. 3 AVG lautet:

"§ 13. ...

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."

Im Hinblick darauf, dass die angefochtene Entscheidung eine auf § 13 Abs. 3 AVG gestützte Zurückweisung des Antrages zum Gegenstand hat, ist hier lediglich zu prüfen, ob die Entscheidung der genannten Bestimmung entspricht, also ob die sachliche Behandlung des Antrages mangels Befolgung des Verbesserungsauftrages zu Recht verweigert wurde. Eine auf § 13 Abs. 3 AVG gestützte Zurückweisung kommt nur in Frage, wenn ein schriftliches Anbringen mit Mängeln behaftet ist. Ein Mangel kann auch im Fehlen von Unterlagen gelegen seien, deren Anschluss an eine Eingabe das Gesetz ausdrücklich vorschreibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2007, 2005/11/0144).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, dass er den unter Fristsetzung erteilten Aufträgen der Behörde erster Instanz, fehlende Beilagen beizubringen, nicht nachgekommen ist. Er bringt jedoch vor, die belangte Behörde sei nicht berechtigt gewesen, einen auf § 13 Abs. 3 AVG gestützten Mängelbehebungsauftrag zu erlassen, da die von der belangten Behörde geforderten Urkunden und Nachweise nicht auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschreibung dem Antrag beizulegen, sondern nur gemäß einer Verordnung (NAG-DV) vorzulegen seien. Mangels einer gesetzlichen Grundlage, die das zwingende Vorlegen bestimmter Urkunden vorsehe, hätte die Nichtvorlage von Urkunden allenfalls zu einer Abweisung, nicht jedoch zu einer Zurückweisung des Antrages führen müssen.

Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.

Eingangs ist anzumerken, dass aus dem Verwaltungsakt nicht hervorgeht, ob das Schreiben der Behörde erster Instanz vom 30. März 2007 abgefertigt und dem Beschwerdeführer ordnungsgemäß zugestellt wurde. Abgesehen davon ist ein Hinweis auf eine drohende Zurückweisung des Antrags in diesem Schreiben nicht enthalten. Schon aus diesem Grund könnte darin kein den Anforderungen von § 13 Abs. 3 iVm § 13a AVG genügender Verbesserungsauftrag erblickt werden (vgl. die in Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 Rz 30 zitierte hg. Judikatur).

Das Schreiben vom 10. September 2007, dessen rechtswirksame Zustellung mit 14. September 2007 in der Beschwerde nicht bestritten wird, enthält u.a. - neben einem Hinweis auf eine drohende Zurückweisung des Antrags gemäß § 13 Abs. 3 AVG - folgenden Inhalt:

"Nachzureichen ist/sind:

Nachweis über einen in Österreich leistungspflichtigen und alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz, insbesondere durch eine entsprechende Versicherungspolizze, sofern kein Fall der gesetzlichen Pflichtversicherung bestehen wird oder besteht (§ 11 Abs. 2 Z 3 NAG); von Ihnen und von Hr. Rothkappel

Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts, insbesondere Lohnzettel, Lohnbestätigungen ....; von Hr. R

+) aktuelles Studienblatt von Ihnen

+) aktuelle Inskriptionsbestätigung von Ihnen"

Die belangte Behörde hätte durch Ankreuzen der dafür vorgesehenen Kästchen auf dem vorgefertigten Formular zum Ausdruck bringen müssen, dass der Beschwerdeführer den Nachweis eines geeigneten Krankenversicherungsschutzes und des gesicherten Lebensunterhalts nachzureichen hat. Da dies jedoch unterblieben ist, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10. September 2007 im Rahmen eines Verbesserungsauftrages gemäß § 13 Abs. 3 AVG lediglich zur Vorlage eines aktuellen Studienblattes sowie einer aktuellen Inskriptionsbestätigung aufgefordert wurde.

Gemäß § 8 Z 7 NAG-DV sind dem Antrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung - Studierender" - zusätzlich zu den in § 7 NAG-DV genannten Urkunden - a) eine Aufnahmebestätigung der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität oder des Universitätslehrganges und b) im Fall eines Verlängerungsantrages ein schriftlicher Nachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität oder des Universitätslehrganges über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, vorzulegen. Weder § 7 noch § 8 Z 7 NAG-DV ist zu entnehmen, dass einem Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" ein aktuelles Studienblatt oder eine aktuelle Inskriptionsbestätigung anzuschließen sind. Ob eine Verordnung wie die NAG-DV eine ausreichende Grundlage für einen Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG darstellt, kann somit dahingestellt bleiben, weil die von der Behörde im vorliegenden Fall geforderten Unterlagen auch von der genannten Verordnung nicht gedeckt sind.

Die Aufforderung der Erstbehörde vom 10. September 2007, diverse Unterlagen nachzureichen, erweist sich somit als keine geeignete Grundlage für die auf die Nichterfüllung dieses Auftrages gegründete Antragszurückweisung, die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigt wurde.

Der angefochtene Bescheid war aus den vorgenannten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG unterbleiben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. September 2009

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