Normen
AVG §69 Abs1 Z2;
UVPG 2000 §17;
AVG §69 Abs1 Z2;
UVPG 2000 §17;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und den mitbeteiligten Parteien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 21. März 2005 wurde der erstmitbeteiligten Partei gemäß § 17 Abs. 1 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der 380 kV-Steiermarkleitung und der zweitmitbeteiligten Partei (zur ungeteilten Hand mit der erstmitbeteiligten Partei) die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb sämtlicher im Rahmen des Vorhabens 380 kV-Steiermarkleitung vorgesehener Anlagen auf der Spannungsebene 110 kV unter Vorbehalt des Erwerbs der zur Ausführung des Vorhabens allenfalls erforderlichen Zwangsrechte und unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen betreffend die im Bundesland Steiermark gelegenen Abschnitte erteilt. Im Spruchpunkt I.3. wurde insbesondere ergänzend auf den im Einvernehmen mit der Steiermärkischen Landesregierung zu erlassenden erstinstanzlichen Bescheid der Burgenländischen Landesregierung verwiesen.
Mit Bescheid des Umweltsenats vom 8. März 2007, Zl. US 9B/2005/8-431, wurde der Spruchpunkt I. insofern geändert, als der Einleitungssatz dieses Spruchpunktes eine neue (insbesondere einen in der Folge eingeschränkten Änderungsantrag der mitbeteiligten Parteien im Berufungsverfahren berücksichtigende) Fassung erhielt und der Entfall des Spruchpunktes I.3. vorgesehen wurde. Die im Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides vorgeschriebenen Auflagen wurden teilweise abgeändert; teilweise wurden Auflagen neu gefasst. Bezüglich dieses Bescheids sowie betreffend die übrigen Ausführungen in dieser Entscheidung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/05/0101, verwiesen.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Wiederaufnahme des mit dem zuletzt genannten Bescheid vom 8. März 2007 der belangten Behörde rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens betreffend die Errichtung und den Betrieb der im Bundesland Steiermark gelegenen Abschnitte der sogenannten 380 kV-Steiermarkleitung gemäß § 69 AVG abgewiesen.
Begründend wurde darauf hingewiesen, dass die beschwerdeführenden Parteien (alle Parteien des durch den genannten Bescheid vom 8. März 2007 abgeschlossenen Verfahrens und somit gemäß § 69 Abs. 1 Einleitungssatz AVG legitimiert) ihren Antrag damit begründet hätten, dass die seit 7. Februar 2008 für sie im Internet zugängliche (im Auftrag der Salzburger Landesregierung erstellte) "Machbarkeitsuntersuchung zur Gesamt- oder Teilverkabelung der 380-kV-Leitung 'St. Peter-Tauern' im Bundesland Salzburg", die sogenannte "KEMA-Studie", eine Mehrzahl von neuen Tatsachen iSd § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG enthalte.
Die KEMA-Studie sei aber gar nicht für die Steiermark erstellt worden, die Steiermarkleitung und ihre Eigenheiten kämen in dieser Studie nicht vor. Schon deshalb eigne sich diese Studie nicht, als Wiederaufnahmegrund für die Steiermarkleitung herangezogen zu werden. Nach Auffassung der belangten Behörde (was eingehend ausgeführt wird) umfasse die genannte Studie auch keine neuen Tatsachen (sogenannte "nova reperta"), zumal diese Studie keine neuen Befundergebnisse, sondern bloß neue Schlussfolgerungen bei unveränderter Sachverhaltsgrundlage bringe. Zum Einwand, die belangte Behörde hätte im Bescheid vom 8. März 2007 den zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Stand der Technik heranziehen müssen, ergebe sich aus dieser Studie, dass sich gegenüber den im Bescheid vom März 2007 getroffenen Annahmen über einen verschwindend kleinen Kabelanteil an der gesamten Leitungslänge in der Spannungsebene 380 kV im Gesamtbereich der UCTE (nach der Studie (vgl. S 34) handelt es sich dabei um einen "Zusammenschluss von Europäischen Übertragungsnetzbetreibern in 23 Ländern", der "den Betrieb und die Entwicklung des Übertragungsnetzes von Portugal bis Polen und von den Niederlanden bis Griechenland" koordiniere) nicht wesentlich geändert habe. Wenn der Gesetzgeber zudem - entgegen den Beschwerdeführern - als wesentliches Merkmal des Standes der Technik das kumulative Kriterium "erprobt und erwiesen" verlange, tue er dies bewusst, wie die Regierungsvorlage zur Novellierung des § 2 Abs. 8 AschG, BGBl. I Nr. 159/2001, (RV 802 Blg. Nr. 21. GP, S. 20), zeige: "Um Experimente hintanzuhalten, die sich zum Nachteil von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und/oder der Produktion aus wirken könnten, soll diese Definition umfassender formuliert werden. Der Stand der Technik muss demnach in Zukunft erprobt und erwiesen, statt wie bisher nur erprobt oder erwiesen sein." Dieses Kriterium werde (zusammengefasst) für den Fall einer (Teil-)Verkabelung der Steiermarkleitung nicht erfüllt. Zudem erweise sich eine auflagenmäßige Vorschreibung, für ein geplantes Freileitungs-Projekt eine (teilweise) unterirdische Verkabelung vorzusehen, als gravierende Abänderung des Projekts, die die rechtlichen Grenzen einer Projektmodifikation überschreite. Die von den Beschwerdeführern angesprochenen Themen des Bedarfs sowie der behaupteten gesundheitlichen Auswirkungen der Freileitung würden im Bescheid vom 8. März 2007 ausführlich behandelt. Die der belangten Behörde für diesen Bescheid angelastete unrichtige rechtliche Beurteilung vermöge eine Wiederaufnahme diesem zugrundeliegenden Verwaltungsverfahrens nicht zu rechtfertigen. Betreffend die angeblich "irreführenden Angaben zur Übertragungsleistung" seitens der mitbeteiligten Parteien - nach Auffassung der Beschwerdeführer seien den Verfassern der KEMA-Studie von den mitbeteiligten Parteien erst nach Erlassung des Steiermarkleitungs-Bescheides maßgebliche Daten überlassen worden - liege (was weiter ausgeführt wird) kein Wiederaufnahmegrund vor, weshalb eine weitere Beweisaufnahme (insbesondere die seitens der Beschwerdeführer beantragte Zeugeneinvernahme) nicht erforderlich sei.
3. Gegen den Bescheid vom 27. Juni 2008 richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, diesen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Auch die mitbeteiligten Parteien legten eine Gegenschrift vor.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
4.1. Nach den seitens der Beschwerdeführer geltend gemachten und von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Bestimmung des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag der Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und (2.) "neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten".
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 99/03/0097, mwH) muss es sich bei den in § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG bezeichneten "Tatsachen und Beweismittel" um neu hervorgekommene, also um solche handeln, die bereits zur Zeit des Verfahrens bestanden haben, aber erst später nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens bekannt wurden. Mit "Tatsachen" sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit "Beweismittel" sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint (vgl. etwa auch das Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2006/05/0232, mwH). Es können daher neue Schlussfolgerungen eines dem Verwaltungsverfahren nicht beigezogenen Sachverständigen - im Gegensatz zu neuen Befundergebnissen - den angeführten Wiederaufnahmegrund nicht darstellen.
4.2. Aus dem schon genannten hg. Erkenntnis Zl. 2007/05/0101 (vgl. Punkt II.16.) ergibt sich, dass sich aus der vorliegenden "Machbarkeitsuntersuchung zur Gesamt- oder Teilverkabelung der 380- KV-Leitung 'St. Peter - Tauern' im Bundesland Salzburg", die von den Beschwerdeführern für ihren Standpunkt ins Treffen geführt wird, nicht ableiten lässt, dass bezüglich einer (Teil-)Verkabelung für ein Projekt wie die Steiermarkleitung bislang eine für den diesbezüglich relevanten "Stand der Technik" maßgebliche Erprobung vorliegt. Das Vorbringen, die "Kabeltechnologie" habe sich seit der Einbringung des verfahrensleitenden Antrags für die Steiermarkleitung im Jahr 2003 "rasant entwickelt" und "ein fortschrittliches Verfahren" werde "immer anfänglich neu eingesetzt", vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Gleiches gilt für den Beschwerdehinweis, in der KEMA-Studie werde ausgeführt, dass die Kabeltechnologie spätestens seit 2006 auf internationalen Normen (solche werden in der Beschwerde genannt) beruhe.
Mit der in der besagten Studie zum Ausdruck gebrachten Auffassung, der "Stand der Technik" bestimme sich danach, was im Sinn des technischen Fortschritts für geeignet, notwendig oder angemessen gehalten werde, wobei als Charakteristikum "Funktionstüchtigkeit erprobt und/oder erwiesen" genannt wird (vgl. Seite 41 f) entfernt sich die Studie zudem maßgeblich von der für den genannten Bescheid der belangten Behörde vom 8. März 2007 relevanten Rechtslage (vgl. nochmals Punkt II.16. des Erkenntnisses Zl. 2007/05/0101). Derart trifft die Studie ihre Beurteilung auf dem Boden unzutreffender rechtlicher Voraussetzungen und legt ihr einen Maßstab zugrunde, der der relevanten Rechtslage nicht genügt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2001/03/0454, Slg. Nr. 16.600/A).
Ungeachtet dessen wird in der Studie schon zu Beginn (vgl. S. 3) festgehalten, dass in ihr "alle Phänomene im Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern" "nicht betrachtet" (ohne Hervorhebungen im Original) werden; die Studie habe (lediglich) "den Status einer Untersuchung zur grundsätzlichen Realisierung einer Kabellösung"; "(j)ede technologische Lösung, sowohl mit Freileitung als auch mit Kabel, kann im Hinblick auf vorgegebene und einzuhaltende Grenzwerte für Felder elektromagnetisch verträglich gestaltet werden". Derart fehlt in dieser Studie die Betrachtung einer für das Projekt der Steiermarkleitung wesentlichen Frage, wie sie in Punkt II.10. des Erkenntnisses Zl. 2007/05/0101 behandelt wird. Schon von daher ist auch mit dem Hinweis, dass Immissionsbelastungen für zu schützende Güter "möglichst gering" zu halten seien, nichts zu gewinnen.
Die Beschwerdeausführungen betreffend die Belastung der Steiermarkleitung mit "thermischen Grenzstrom" erweisen sich schließlich aus den im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/05/0115, ersichtlichen Erwägungen (vgl. Punkt II.5.) als nicht zielführend; auch auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Vor diesem Hintergrund kann die Auffassung der belangten Behörde, dass diese Studie nicht zu einer Neubewertung des Projekts der Steiermarkleitung im Grunde des § 17 UVP-G 2000 führen könne, nicht als rechtswidrig angesehen werden. Damit geht auch die Verfahrensrüge fehl, die belangte Behörde sei dem Antrag, einen namentlich genannten Bearbeiter der Studie als Zeugen zu vernehmen, nicht gefolgt.
4.3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4.4. Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 24. Juni 2009
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