VwGH 2007/12/0119

VwGH2007/12/011920.5.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des H in N, vertreten durch Mag. Klaus Hehenberger, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 53, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. Juni 2007, Zl. Bi- 010369/13-2007-Zei, betreffend Versetzung in den Ruhestand nach § 12 LDG 1984, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
LDG 1984 §12 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs3;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
LDG 1984 §12 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1952 geborene Beschwerdeführer stand bis zu seiner mit dem angefochtenen Bescheid mit Ablauf des 30. Juni 2007 verfügten Versetzung in den Ruhestand als Hauptschuloberlehrer in einem (aktiven) öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich. Er hatte zuletzt an der Polytechnischen Schule Grieskirchen unterrichtet.

Zur Darstellung des bisherigen Verfahrensgeschehens wird auf das in dieser Sache ergangene hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2007, Zl. 2006/12/0035, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 17. Jänner 2006, mit dem die Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers im Instanzenzug mit Ablauf des 31. Jänner 2006 verfügt worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf und führte hiezu tragend aus:

"Die belangte Behörde stützt die besagte Annahme einer psychischen Störung des Beschwerdeführers auf die Aussage des Sachverständigen Dr. H. in seinem Gutachten vom 5. November 2005, der - aufbauend auf seinem Gutachten vom 24. Mai 2005, in dessen Befund er u.a. Ergebnisse des eingangs wiedergegebenen Disziplinarverfahrens wiedergab - offenbar auch die dort gegenständlichen Sachverhalte seinem Befund und damit seinem Gutachten zu Grunde legte. In diesem Zusammenhang ist allerdings festzuhalten, dass die Disziplinarbehörde zweiter Instanz von einer, wenn auch verminderten, Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich der ihm angelasteten disziplinären Verhaltensweisen ausging, somit von einem willensgetragenen Verhalten des Beschwerdeführers, was der Annahme von Verhaltensdefiziten, die nicht vom Willen des Beschwerdeführers getragen sind, grundsätzlich entgegen steht. Auch ist den von der belangten Behörde zu Grunde gelegten Gutachten nicht zu entnehmen, dass von einem progressiven Verlauf der Beeinträchtigung des Beschwerdeführers auszugehen wäre, die letztlich in einer willentlich nicht mehr beherrschbaren psychischen Störung münden würde.

Schließlich entbehren die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen über die in Hinkunft zu erwartenden Verhaltensdefizite des Beschwerdeführers in ihrer abstrakten Umschreibung einer hinreichenden Deutlichkeit, um anhand dessen im Sinne der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechung die Auswirkung auf die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben eines Lehrers beurteilen zu können. Auch die belangte Behörde geht in ihrem Bescheid offensichtlich nicht davon aus, dass sich das von ihr angenommene Defizit in der Person des Beschwerdeführers in einer (objektiven) Wiederholung der ihm angelasteten dienstrechtlichen Verfehlungen manifestieren würde.

Die Rechtsfrage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, hat letztlich nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde auf Grund nachvollziehbar begründeter Sachverhaltsfeststellungen zu beantworten.

Die belangte Behörde belastete damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Für das fortzusetzende Verfahren sei abschließend festgehalten, dass im Rahmen des Verweisungsaspektes nach § 12 Abs. 3 LDG 1984 auf die beschränkten Einsatzmöglichkeiten der Landeslehrer im Sinn der §§ 19 ff LDG 1984 Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/12/0158; siehe auch das zur vergleichbaren Rechtslage im Fall eines Bundeslehrers ergangene hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1999, Zl. 98/12/0397, sowie das zu einem Landeslehrer ergangene hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2001, Zl. 2000/12/0211)."

Mit Erledigung vom 27. März 2007 ersuchte die belangte Behörde den schon im ersten Verfahrensgang als Amtssachverständigen beigezogenen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Dr. H., unter Bedachtnahme auf das zitierte Erkenntnis vom 31. Jänner 2007 sowie auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in dessen Berufung, unter Wiedergabe des § 12 Abs. 3 LDG 1984 und unter Hinweis auf die Umschreibung der dienstlichen Aufgaben bzw. lehramtlichen Pflichten des Landeslehrers in § 31 LDG 1984 um Erstellung eines Gutachtens zur Beurteilung, ob beim Beschwerdeführer eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliege.

Dr. H. führte in seinem Gutachten vom 10. Mai 2007 aus:

"...

Folgende Unterlagen liegen vor:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 LDG 1984, in den Ruhestand versetzt zu werden.

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit erblickt der Beschwerdeführer zusammengefasst darin, die belangte Behörde überschreite in der angefochtenen Ruhestandsversetzung ihren Ermessensspielraum, weil die dauernde Dienstunfähigkeit objektiv festzustellen und zu begründen sei. Allein der Umstand, dass die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit "unwahrscheinlich" wäre, reiche für eine ordnungsgemäße Manifestierung der herangezogenen Gesetzesstelle nicht aus. Auch die Prüfung der Frage, ob die Zuweisung eines mindestens gleichwertigen Arbeitsplatzes möglich sei, unterliege nicht dem freien Ermessen der Behörde, sondern sei nach objektiven Kriterien zu überprüfen und darzulegen. Die bloße Verweisung auf Entscheidungen sei nicht zulässig. Zur Argumentation, dass über die Auswirkungen des Gesundheitszustandes auf den Lehrberuf nur auf Grund der Vorkommnisse bis zum Ende des Unterrichtsjahres 2003/2004 zur Befundung habe zurückgegriffen werden können, sei auszuführen, dass die Dienstunfähigkeit zum momentanen Zeitpunkt zu überprüfen sei und nicht zu einem Zeitpunkt, der mehrere Jahre zurückliege. Die Behörde hätte jedenfalls Argumente dafür anbieten müssen, warum ein Verweisungstatbestand nicht vorliege.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenvorschriften wiederholt der Beschwerdeführer vorerst seine Bedenken dagegen, die belangte Behörde stütze die Begründung des angefochtenen Bescheides auf von ihr eingeholte Gutachten, welche großteils knapp oder mehr als zwei Jahre zurücklägen, ohne zwischenzeitige Erhebungen, Untersuchungen und Befunde einzuholen.

Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe ihm mit Schreiben vom 16. Mai 2007, bei ihm eingelangt am

21. d.M., das Gutachten Dris. H. vom 10. d.M. zugestellt. Die von der belangten Behörde gewährte ursprüngliche Frist von zwei Wochen und die in weiterer Folge verlängerte Frist von vier Wochen sei zu kurz gewesen, um auf das Ergänzungsgutachten Dris. H. in entsprechender Weise entgegnen zu können. Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer der Behörde bereits bekannt gegeben hätte, ein Privatgutachten wäre in Auftrag gegeben und in Bearbeitung, läge jedoch noch nicht vor und wäre in Kürze zu erwarten, hätte die belangte Behörde dazu veranlassen müssen, in Wahrung des Parteiengehörs die begehrte Fristverlängerung zu gewähren.

Die belangte Behörde nimmt in ihrer Gegenschrift zum Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs dahingehend Stellung, es handle sich bei einer von der Behörde einzuräumenden Frist zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs um keine gesetzlich festgelegte Frist. Im Übrigen sei dem Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 5. Juni 2007 im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine entsprechende Fristverlängerung gewährt worden, und damit dem Erfordernis einer angemessenen Frist zur Stellungnahme unter Zuhilfenahme eines Privatgutachtens zu Ermittlungsergebnissen sprechen zu können.

Nach dem gemäß § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Die Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 45 Abs. 3 AVG erfordert die Gestaltung des Vorganges in einer Weise, die der Partei nicht nur die Bedeutung zum Bewusstsein bringt, sondern ihr auch die Möglichkeit der Überlegung und entsprechenden Formulierung einräumt. Das Recht der Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme kann auch in der Art ausgeübt werden, dass sich die Partei eines Privatsachverständigen zwecks Stellungnahme bedient. Ein solches Recht muss der Partei dann zustehen, wenn es sich nicht um die Stellungnahme zu einem Beweisergebnis handelt, dessen Beurteilung jedermann möglich ist, sondern um die Stellungnahme zu einem sachverständigen Gutachten, dem nur in der Weise wirksam entgegen getreten werden kann, dass sich auch die Partei einer sachkundigen Person bedient. Zur Stellungnahme unter Zuhilfenahme eines Privatgutachters zu Ermittlungsergebnissen, denen nur in dieser Weise wirksam entgegen getreten werden könnte, ist von der Behörde eine den Umständen nach angemessener Frist zu gewähren (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 479 ff zu § 45 AVG wiedergegebene Rechtsprechung).

Die belangte Behörde erachtete eine Frist zur Stellungnahme nach § 45 Abs. 3 AVG in der Dauer von vier Wochen als der Sache angemessen und legte, ausgehend von einer Zustellung des Gutachtens Dris. H. vom 10. Mai 2007 am 21. d.M., ihrer Entscheidung ein Ende der Frist zur Stellungnahme am 18. Juni 2007 zu Grunde.

Hiebei übersah sie allerdings, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren betreffend die Ruhestandsversetzung bereits mit seinem Schriftsatz vom 5. August 2005 seine Vertretung durch Dr. Gernot Kusatz, Rechtsanwalt in 4600 Wels, angezeigt hatte. Durch das Erkenntnis vom 31. Jänner 2007 trat das Verwaltungsverfahren nach § 42 Abs. 3 VwGG in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des Bescheides der belangte Behörde vom 17. Jänner 2006 befunden hatte. Die vom Beschwerdeführer gegenüber Dr. Kusatz erteilte Vollmacht für das Ruhestandsversetzungsverfahren, die von ihrer Dauer her nicht beschränkt war, entfaltete daher auch für das fortgesetzte Ruhestandsversetzungsverfahren seine Bedeutung insbesondere dahingehend, dass sich die Behörde an den Vertreter zu wenden hatte, also alle Verfahrensakte mit Wirkung für die Partei diesem gegenüber zu setzen hatte, insbesondere - bei sonstiger Unwirksamkeit - auch Sendungen an den nach wie vor Bevollmächtigten zuzustellen hatte.

Davon ausgehend konnte jedoch die Zusendung des Gutachtens Dris. H. vom 10. Mai 2007 am 21. Mai d.J. direkt an den Beschwerdeführer nicht die Wirkung entfalten, dass diesem damit im Sinn des § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit gegeben wurde, vom Ergebnis der in Rede stehenden Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen. Damit entbehrt die Ansicht der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei ausgehend von einer Zustellung des Gutachtens am 21. Mai 2007 in ausreichendem Maß Gehör eingeräumt worden, einer Grundlage. Die Beantwortung der Frage, ob bzw. wann dem vom Beschwerdeführer in weiterer Folge konsultierten und namhaft gemachten Bevollmächtigten das Gutachten zukam und ob die sodann noch zur Verfügung stehende restliche Frist zur Stellungnahme im Sinne der wiedergegebenen Rechtsprechung ausreichend war, kann dahingestellt bleiben, weil auch die belangte Behörde nicht davon ausgeht, dass eine kürzere Frist als vier Wochen zur Stellungnahme der Sache angemessen war.

Auch kann zum derzeitigen Verfahrensstand nicht ausgeschlossen werden, dass eine nähere Erörterung des vom Beschwerdeführer eingeholten, dem Beschwerdeschriftsatz in Ablichtung angeschlossenen Privatgutachtens Dris. L. vom 23. Juni 2007, insbesondere unter Beiziehung des Amtssachverständigen Dr. H., zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis führen könnte.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Mai 2008

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