VwGH 2007/08/0002

VwGH2007/08/00027.5.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des M J in S, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 22. Dezember 2006, Zl. LGSTi/V/0552/3648 03 09 86-709/2006, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs1 Z1;
FrG 1997 §107 Abs1 Z1;
FrG 1997 §16 Abs2;
FrG 1997 §36;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;
FrG 1997 §10 Abs1 Z1;
FrG 1997 §107 Abs1 Z1;
FrG 1997 §16 Abs2;
FrG 1997 §36;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Nach der Aktenlage steht fest, dass dem Beschwerdeführer - einem serbischen Staatsangehörigen - am 13. Juli 1998 ein unbefristeter Aufenthaltstitel (Niederlassungsbewilligung unbefristet, Verwendung: jeglicher Zweck ausgenommen unselbständiger Erwerb) ausgestellt worden ist. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 27. Februar 2006 ist über den Beschwerdeführer ein befristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung ist von der Sicherheitsdirektion Tirol mit Bescheid vom 20. April 2006 abgewiesen worden. Der gegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss vom 17. Mai 2006, Zl. AW 2006/18/0102, aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Bescheid vom 16. November 2006 hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom 23. Oktober 2006 gemäß § 7 AlVG mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt abgewiesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, dass durch den genannten Beschluss auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Verhängung des Aufenthaltsverbotes vorläufig keine Rechtswirkungen entfalten könne. Könne aber ein "Aufenthaltstitel" (gemeint wohl ein Aufenthaltsverbot) keine Rechtswirkung entfalten, dann gelte der unbefristete Aufenthaltstitel. Damit sei der Beschwerdeführer zum Aufenthalt berechtigt. Der Zweck seines Aufenthaltstitels sei mit "jeglicher Zweck" eingetragen, sodass er auch beschäftigt werden könne. Er sei daher vermittelbar und habe Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen.

In der Begründung stellte die belangte Behörde die von ihr angewendeten Normen sowie Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dar und führte aus, dass gemäß § 10 Abs. 1 NAG insbesondere Aufenthaltstitel des Aufenthalts- und Niederlassungsrechts ungültig würden, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar oder rechtskräftig werde. Solche Fremde verlören ihr Recht auf Aufenthalt. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass über den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot verhängt worden sei. Dieses sei letztinstanzlich bestätigt worden und daher in Rechtskraft erwachsen. Die durch den Verwaltungsgerichtshof zuerkannte aufschiebende Wirkung der Beschwerde vermag die Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes zu verhindern, nicht jedoch die Rechtskraft des Aufenthaltsverbotes zu durchbrechen. Gemäß § 10 Abs. 1 NAG werde ein Aufenthaltstitel jedoch bereits dann ungültig, wenn ein Aufenthaltsverbot rechtskräftig werde. Einer Durchsetzbarkeit bedürfe es zusätzlich nicht. Der Beschwerdeführer sei daher nicht berechtigt, eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, und gelte demnach als nicht verfügbar im Sinne des § 7 AlVG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, der Sache nach nur wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 AlVG - in der hier anzuwendenden Fassung, BGBl. I Nr. 102/2005 - hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer - neben weiteren Voraussetzungen - der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (Abs. 1 Z. 1). Der Arbeitsvermittlung steht gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Verfügung, wer unter anderem eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf. Nach § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG kann und darf eine Beschäftigung eine Person aufnehmen, die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.

Im Hinblick auf den im Beschwerdefall vor Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100/2005) (NAG) am 1. Jänner 2006 erteilten Aufenthaltstitel ist zunächst die Frage nach dessen Weitergeltung zu beantworten.

Gemäß § 81 Abs. 2 NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2006 gelten vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer und ihres Gültigkeitszweckes insoweit weiter, als sie nach dem Zweck des Aufenthaltes den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechen. Das Recht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bedarf jedenfalls der Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach diesem Bundesgesetz, sofern dies nicht bereits nach dem Fremdengesetz 1997 möglich war. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes erteilten Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach ihrem Aufenthaltszweck als entsprechende Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach diesem Bundesgesetz und dem Fremdenpolizeigesetz weiter gelten.

Dem Beschwerdeführer wurde am 13. Juli 1998 ein unbefristeter Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung unbefristet, jeglicher Zweck ausgenommen unselbständiger Erwerb" erteilt.

Nach § 11 Abs. 2 Z. 1 lit. A Z. 4 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 451/2005, gelten die vor dem In-Kraft-Treten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes erteilten Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach dem Fremdengesetz 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997, in der Fassung vor der FrG-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 126/2002, - um eine solche handelt es sich nach dem Zeitpunkt der Erteilung im Beschwerdefall - nach ihrem Aufenthaltszweck als entsprechende Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz oder als Berechtigungen nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 wie folgt weiter: die "Niederlassungsbewilligung jeglicher Aufenthaltszweck ausgenommen unselbständiger Erwerb" als "Niederlassungsbewilligung - beschränkt".

Gemäß § 8 Abs. 2 Z. 4 NAG werden Niederlassungsbewilligungen erteilt als "Niederlassungsbewilligung - beschränkt", die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gilt, berechtigt.

Nach § 3 Abs. 2 AuslBG, in der Fassung BGBl. I Nr. 99/2006, darf ein Ausländer, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, eine Beschäftigung nur antreten und ausüben, wenn für ihn eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn er eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" oder einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" oder einen Niederlassungsnachweis besitzt.

Der Beschwerdeführer hat zwar nicht behauptet, dass eine der in § 3 Abs. 2 AuslBG genannten Voraussetzungen für die Berechtigung zum Antritt oder zur Ausübung einer Beschäftigung in seinem Fall bereits vorlägen. Für den Beschwerdeführer käme jedoch bei Vorliegen der Voraussetzung des § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG, wonach für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung unter anderem ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG, das eine Beschäftigung nicht ausschließt, erforderlich ist, und unter den weiteren im AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in Frage (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 2008, Zl. 2007/08/0183).

Allerdings stünde dieser Möglichkeit - träfe die Beurteilung zu - die von der belangten Behörde für ihr Ergebnis als tragend angenommene Begründung, der Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers entfalte keine Wirkung mehr, entgegen. Die belangte Behörde ist unter Berufung auf § 10 NAG nämlich davon ausgegangen, dass die der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Tirol vom 20. April 2006, mit dem die Berufung gegen die Verhängung des Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde, zuerkannte aufschiebende Wirkung nicht bewirke, dass der Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers weiter gültig sei. Diese Ansicht der belangten Behörde erweist sich jedoch aus folgenden Gründen als unrichtig:

Gemäß § 10 Abs. 1 NAG werden Aufenthaltstitel ungültig, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar oder rechtskräftig wird. Solche Fremde verlieren ihr Recht auf Aufenthalt. Ein Aufenthaltstitel lebt von Gesetzes wegen wieder auf, sofern innerhalb der ursprünglichen Geltungsdauer das Aufenthaltsverbot anders als nach § 65 FPG oder die Ausweisung behoben wird.

Nach der Rechtsprechung dürfen auf Grund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ab Zustellung des entsprechenden Beschlusses an den Bescheid keine Rechtswirkungen mehr geknüpft werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 99/02/0243, mit Hinweis auf das Erkenntnis vom 3. März 1994, Zl. 93/18/0550).

Wurde einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt, so bewirkt dies, dass die Abschiebung, die Festnahme und die Anhaltung in Schubhaft des betroffenen Fremden zur Sicherung seiner Abschiebung unzulässig sind. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat für die Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof auch jedenfalls zur Folge, dass die Bindungswirkungen und Tatbestandswirkungen des angefochtenen Bescheides insofern vorläufig außer Kraft gesetzt werden, als der in § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG 1997 normierte Grund zur Versagung eines Einreisetitels oder Aufenthaltstitels gegen den Betroffenen nicht herangezogen werden darf, der Fremde wegen nicht rechtzeitiger Ausreise nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 107 Abs. 1 Z. 1 FrG 1997 nicht bestraft werden darf, sowie schließlich auch, dass eine allenfalls durch das Aufenthaltsverbot gemäß § 16 Abs. 2 FrG 1997 bewirkte Ungültigkeit eines Einreisetitels oder Aufenthaltstitels suspendiert ist (vgl. den Beschluss 4. Oktober 2000, Zl. AW 2000/21/0128, mwN, sowie das Erkenntnis vom 9. März 1995, Zl. 93/18/0350).

Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers (vorerst) weiter gültig ist. Sein Aufenthaltstitel erlaubt ihm die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gilt. Eine Voraussetzung für die Erteilung einer solchen Berechtigung ist unter anderem ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG, das eine Beschäftigung nicht ausschließt. Da der Beschwerdeführer über ein solches Aufenthaltsrecht verfügt, kam für ihn unter den weiteren im AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in Frage. Damit war der Beschwerdeführer im Zeitraum von der Antragstellung auf Arbeitslosengeld zumindest bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides aber auch im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG verfügbar.

Die belangte Behörde hat diese Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333. Wien, am 7. Mai 2008

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