VwGH 2007/11/0061

VwGH2007/11/006125.7.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des P in Z, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in 6800 Feldkirch, Schlossgraben 10, gegen den Bescheid des Militärkommandos Tirol vom 15. März 2007, Zl. V 88/03/00/71-0803, betreffend Feststellung der Eignung zum Wehrdienst, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
WehrG 2001 §17 Abs2;
WehrG 2001 §9 Abs1;
AVG §45 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
WehrG 2001 §17 Abs2;
WehrG 2001 §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. März 2007 wurde gemäß § 9 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 des Wehrgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 146, in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2005, die Eignung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst mit "Tauglich" festgestellt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat in der Folge die Replik vom 16. Juli 2007 erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001 (auszugsweise) maßgebend:

"Aufnahmebedingungen

§ 9. (1) In das Bundesheer dürfen nur österreichische Staatsbürger einberufen werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung besitzen. ...

...

Aufgaben der Stellungskommission

§ 17. (1) Den Stellungskommissionen obliegt, soweit ihnen nicht in anderen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder in anderen Rechtsvorschriften weitere Aufgaben übertragen sind, die Feststellung der Eignung der Stellungspflichtigen und der Personen, die sich freiwillig der Stellung unterziehen, zum Wehrdienst. Hiebei haben die Stellungskommissionen auch Wünsche der angeführten Personen hinsichtlich der Zuteilung zu Waffen- und Truppengattungen und zu Truppenkörpern entgegenzunehmen sowie Erhebungen über die Ausbildung und besonderen Fachkenntnisse dieser Personen anzustellen.

(2) Die Stellungskommissionen haben die Eignung der Personen nach Abs. 1 zum Wehrdienst auf Grund der zur Feststellung dieser Eignung durchgeführten ärztlichen und psychologischen Untersuchungen mit einem der folgenden Beschlüsse festzustellen:

"Tauglich", "Vorübergehend untauglich", "Untauglich". Erscheint für diese Feststellung eine fachärztliche Untersuchung erforderlich, so sind die Personen nach Abs. 1 von den Stellungskommissionen einer solchen Untersuchung zuzuführen. Zu den Beschlüssen der Stellungskommission bedarf es der Anwesenheit aller Mitglieder oder der nach § 16 Abs. 2 an ihre Stelle tretenden Ersatzmitglieder und der Mehrheit der Stimmen. Ein auf "Tauglich" lautender Beschluss bedarf jedoch der Zustimmung des Arztes.

(3) Stellungspflichtige, deren vorübergehende Untauglichkeit festgestellt wurde, sind nach Ablauf der von der Stellungskommission für die voraussichtliche Dauer ihrer vorübergehenden Untauglichkeit festgesetzten Frist vom Militärkommando aufzufordern, sich zu dem in der Aufforderung bestimmten Zeitpunkt einer neuen Stellung zu unterziehen. ...

...

(6) Gegen die Beschlüsse der Stellungskommission nach Abs. 2 ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. Die Stellungskommissionen haben den Personen nach Abs. 1 über diese Beschlüsse eine Bescheinigung auszustellen.

..."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, Zl. 2005/11/0121, mit weiteren Hinweisen, worauf gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) ist ein Stellungspflichtiger, der auf Grund seines körperlichen und geistigen Zustandes keine militärische Ausbildung erfahren und demnach keinen militärischen Dienst verrichten kann, nicht zum Wehrdienst geeignet. Der Dienst im Bundesheer umfasst jedenfalls eine militärische Komponente im engeren Sinn, auf die sich auch die Ausbildung der Grundwehrdiener zu erstrecken hat. Dies bringt die Anforderung mit sich, dass der Betreffende jedenfalls eine Waffe bedienen und ein gewisses Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit entwickeln kann, um darüber hinaus auch die sonst bei der Leistung des Militärdienstes anfallenden Tätigkeiten und Übungen zu verrichten.

Kern der Beschwerdebehauptungen bildet das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht als "Tauglich" anzusehen, weil er an einer Bienengift-Allergie leide, welche die belangte Behörde nicht berücksichtigt habe. Eine Nachvollziehbarkeit, weshalb "beim Kläger" trotz des massiv eingeschränkten medizinischen Leistungskalküls eine Tauglichkeit vorliegen solle, sei nicht erkennbar. Es liege "überhaupt keine Tauglichkeit" beim Beschwerdeführer vor.

Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend.

Der Beschwerdeführer wurde, nach der Aktenlage, zunächst mit "Bescheinigung" der Stellungskommission des Militärkommandos Tirol vom 9. August 2006 für "vorübergehend untauglich bis 01/2007" erklärt. In dem mit dem Verwaltungsakt vorgelegten Statusblatt des Beschwerdeführers wurde hiezu unter anderem festgehalten:

"... Diagnosen

T78,4 0 3 Allergie, nicht näher bezeichnet,

Allergische Reaktion o.n.A., Idiosynkrasie o.n.A.,

Überempfindlichkeit o.n.A. - Biene

E80.6 0 5 Sonstige Störungen des

Bilirubinstoffwechsels, Dubin-Johnson-Syndrom, Rotor-Syndrom ...".

In der Folge wurde er - am 15. März 2007 - erneut einer Stellung unterzogen und für "Tauglich" erklärt. Auch im diesbezüglichen Statusblatt findet sich die gleiche Diagnose.

Anlässlich dieser Stellung war der Behörde der ärztliche Befundbericht vom 15. Dezember 2006 vorgelegen, welcher im Wesentlichen folgenden Inhalt hat:

"... Anamnese: Patient gibt an, unter einer

Bienengiftallergie zu leiden, während des Sommers sei der Patient von einer Biene gestochen worden, Stich im Bereich des Gesichtes - Stirn. Außerdem sei es zum Auftreten von Schwindelzuständen gekommen, offensichtlich wurde eine Rast-Untersuchung durchgeführt, Rast-Klasse 2 (4.12.2006). Massivere Atemnotzustände seien beim Stich nicht beobachtet worden, allerdings eine leichte Behinderung der Atmung. Dzt. Medikation keine regelmäßige. Patient ist Nichtraucher, habe auch nie geraucht.

Patient ist EDV-Techniker, keine wesentliche zusätzliche Schadstoffbelastung. Patient wohnt in einem Neubau, an Haustieren werden Kaninchen außerhalb der Wohnung gehalten. Thoraxfilm pa:

Annähernd normale Strahlentransparenz der freien Lungenfelder. Die Hili sind schlank. Im Bereiche des Lungenparenchyms eindeutig pathologische Verdichtungen nicht zur Darstellung kommend. Die Sinus bds. frei. Das Herz annähernd normal konfiguriert und gelagert. Der Gefäßbandschatten unauffällig.

Lungenfunktion: Normale statische und dynamische Lungenvolumina. Normaler Atemwegswiderstand. Keine Zeichen einer Überblähung der in toto normal großen Lunge. Blutgasanalytisch Normalbefund. Bei Histaminprovokation geringfügige Abnahme der ventilierten Lungenvolumina, ohne Signifikanz. Keine signifikante Änderung von Residialvolumen und Atemwegswiderstand. Blutgasanalytisch ebenfalls weiterhin Normalbefund. Bei Atemgasanalyse unauffälliger Kohlenmonoxidgehalt, der NO Gehalt ebenfalls im Normbereich gelegen.

Allergenaustestung gegenüber Bienengift: Positive

Hautreaktion bei 100 und 300 µg im Pricktest.

Zusammenfassung: Es besteht eine Bienengiftallergie. Eine Hyposensibilisierungsbehandlung entsprechend beiliegendem Testblatt empfehlenswert.

Lungenfachärztliche Kontrolle dem weiteren Verlauf nach. ..."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. September 2004, Zl. 2004/11/0048, mit weiteren Hinweisen) muss die einem auf "Tauglich" lautenden Beschluss der Stellungskommission zu Grunde liegende Beurteilung erkennen lassen, aus welchem Grund der zustimmende Arzt der Auffassung ist, der Stellungspflichtige besitze die notwendige körperliche und geistige Eignung, wie sie nach der eingangs dargestellten Rechtslage beim Grundwehrdiener gegeben sein muss. Dies erfordert in Fällen, in denen Krankheitszustände oder Gebrechen festgestellt werden, die die erforderliche Leistungsfähigkeit - aus welchen Gründen immer - beeinträchtigen, begründete Ausführungen dazu, in welchem Ausmaß der Stellungspflichtige auf Grund des festgestellten Gesundheitszustandes in der Kraftanstrengung oder Beweglichkeit gehindert - oder trotz der behaupteten Leiden eben nicht gehindert - ist.

Derartige Ausführungen im dargestellten Sinn fehlen im vorliegenden Fall. Die belangte Behörde hat zwar in der Gegenschrift zum Ausdruck gebracht, dass sie die beim Beschwerdeführer vorliegende Bienenstichallergie für "nicht lebensbedrohend" halte und dass diese auch keine "relevanten Einschränkungen" mit sich bringe, und ferner, dass dem Beschwerdeführer Parteiengehör eingeräumt worden sei, dies ersetzt jedoch nicht die im Bescheid erforderlichen Feststellungen, die diesen nachvollziehbar machten. Weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes ist erkennbar, auf Grund welcher auf medizinischem Fachwissen beruhender Erwägungen die belangte Behörde zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Beschwerdeführer trotz der auch von der belangten Behörde selbst festgestellten Allergie einen Gesundheitszustand aufweist, bei dem es ihm möglich ist, den Grundwehrdienst nach den oben erwähnten Kriterien zu leisten. Dass eine Allergie gegen Bienengift schlechthin keine wesentlichen Einschränkungen auf den menschlichen Körper haben kann, ist nicht notorisch. Hinzu kommt noch, dass für den Beschwerdeführer anlässlich der Feststellung seiner vorübergehenden Untauglichkeit im August 2006 die gleiche Diagnose festgehalten wurde, wie auch anlässlich der nunmehr in Rede stehenden Feststellung seiner Tauglichkeit, ohne dass die belangte Behörde begründet hätte, warum sie ihn nunmehr - bei gleicher Diagnose - für tauglich hält.

Da somit der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den vom Beschwerdeführer für seinen Schriftsatz vom 16. Juli 2007 zusätzlich verzeichneten Schriftsatzaufwand, der nur einmal zugesprochen werden kann.

Wien, am 25. Juli 2007

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