VwGH 2004/05/0189

VwGH2004/05/018930.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. der Leopoldine Wukovits und 2. des Wilhelm Wukovits, beide in Draßburg, beide vertreten durch Dr. Egbert Schmid und Dr. Michael Kutis, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 113, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 25. Juni 2004, Zl. MA-02-04-35-2, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Natascha Böttcher,

  1. 2. Peter Böttcher, beide in 7210 Mattersburg, Bahnstraße 49,
  2. 3. Gemeinde Draßburg), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauG Bgld 1997 §17 Abs1 Z1;
BauG Bgld 1997 §21 Abs3;
BauG Bgld 1997 §21 Abs4;
BauG Bgld 1997 §3 Z5;
BauG Bgld 1997 §5 Abs2;
BauG Bgld 1997 §5 Abs3;
BauG Bgld 1997 §5;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauG Bgld 1997 §17 Abs1 Z1;
BauG Bgld 1997 §21 Abs3;
BauG Bgld 1997 §21 Abs4;
BauG Bgld 1997 §3 Z5;
BauG Bgld 1997 §5 Abs2;
BauG Bgld 1997 §5 Abs3;
BauG Bgld 1997 §5;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von EUR 1171, 20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei sind Eigentümer des Grundstückes Nr. 428/2, KG Draßburg. Dieses Grundstück grenzt an der nordöstlichen Seite an das Grundstück Nr. 429 der Beschwerdeführer.

Mit Ansuchen vom 22. Dezember 2003 beantragten die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses, einer Garage und anderer Baulichkeiten auf ihrem Grundstück. Den Projektunterlagen ist zu entnehmen, dass die Garage in einer Länge von 7,26 m an die nordöstliche Grundstücksgrenze angebaut werden soll. Die Garage soll projektgemäß mit einem Flachdach ausgestattet werden, eine Gesamthöhe von 3 m aufweisen und an ihrer südwestlichen Seite an das Hauptgebäude (Einfamilienhaus) angebaut werden; eine Verbindungstüre zu dem Hauptgebäude ist laut Einreichplan nicht vorgesehen.

Mit Kundmachung der drittmitbeteiligten Gemeinde vom 21. Jänner 2004 wurde für den 5. Februar 2004 unter Hinweis darauf, dass die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die "Errichtung eines Einfamilienhauses" angesucht hätten, eine mündliche Verhandlung anberaumt. Die Ladung enthielt nachstehende Belehrung:

"Im Sinne des § 42 AVG 1991 finden Einwendungen der Parteien, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung beim Gemeindeamt oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung. Es wird angenommen, dass die Parteien dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bildet, zustimmen."

In der im Beisein des bautechnischen Amtsachverständigen durchgeführten sowie mit einem Augenschein an Ort und Stelle verbundenen Bauverhandlung wurde ausgeführt, dass gegen die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses, Einfriedung, Garage und Swimmingpool vom Standpunkt der von der Baubehörde wahrzunehmenden baupolizeilichen Interessen bei Einhaltung der im Sachverständigengutachten enthaltenen Bedingungen und Auflagen keine Bedenken bestehen. In der Beilage zur Verhandlungsschrift sind folgende hier auszugsweise wiedergegebenen Bauauflagen angeführt:

"6. Bei der Situierung des Baues (Hauptgebäude) sind die Vorgartentiefe von mindestens 3 m

ein Seitenabstand von der linken Grundstücksgrenze von mindestens 3 m von der rechten Grundstücksgrenze von mindestens 3 m und von der hinteren Grundstücksgrenze von mindestens 3 m einzuhalten.

Im Bereich der Seitenabstände sind Nebengebäude zulässig.

...

10. Es wird die offene Bebauung festgelegt."

Wie dem Verhandlungsprotokoll entnommen werden kann, brachten die Beschwerdeführer anlässlich dieser mündlichen Verhandlung folgendes vor:

"Familie (die Beschwerdeführer) ist nicht mit dem Anbau der Garage an die Grundgrenze einverstanden, und verlangen dass mit der Garage 3 m von ihrer Grenze weggerückt wird."

Festgehalten wurde, dass die Beschwerdeführer vor Beendigung den Ort der Verhandlung verlassen hätten.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der drittmitbeteiligten Gemeinde vom 1. März 2004 wurde den mitbeteiligten Bauwerbern die begehrte Baubewilligung unter Vorschreibung der in der Beilage zur Verhandlungsschrift genannten und hier teilweise wiedergegebenen Auflagen erteilt. Begründend wurde betreffend die Einwendung der Beschwerdeführer ausgeführt, dass im vorliegenden Fall die Bestimmungen des § 5 Abs. 2 Burgenländisches Baugesetz 1997, wonach in der seitlichen und hinteren Abstandsfläche Nebengebäude und andere untergeordnete Bauten bis zu einer Außenwandhöhe von 3 m mit einer Dachneigung von höchstens 45 Grad zulässig seien, sofern die maßgeblichen Interessen nicht verletzt würden, eingehalten werden.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung führten die Beschwerdeführer aus, sie hätten bereits in der mündlichen Bauverhandlung darauf hingewiesen, dass etwa 10 % der Ackerfläche ihres Grundstückes nicht zu bearbeiten wären, wenn direkt an die Grundstücksgrenze gebaut würde. Es sei auf dem unbebauten Streifen mit vermehrtem Unkrautbewuchs und anderen Behinderungen zu rechnen, die nicht nur den landwirtschaftlichen Ertrag minimieren, sondern auch den Grundstückswert essentiell und auf Dauer beeinträchtigen würden. Diese Einwendungen seien in der mündlichen Verhandlung vom Sachverständigen nicht erörtert, sondern zurückgewiesen worden. Das Burgenländische Baugesetz verpflichte aber die Baubehörde, die Interessen des Anrainerschutzes wahrzunehmen. Im übrigen werde die Baubehörde in § 5 Abs. 3 Burgenländisches Baugesetz darauf hingewiesen, dass sie "in Ausnahmefällen" unter besonderer Berücksichtigung des Anrainerschutzes, der Baugestaltung und der örtlichen Gegebenheiten abweichend von den Bestimmungen der Abs. 1 und 2 die Abstände der Bauten zu den Grundstücksgrenzen durch die Festlegung von Baulinien und zwingenden Baulinien bestimmen könne. Es werde daher ersucht, eine zwingende Baulinie, die eine Bearbeitung ihres Grundstückes wie bisher ermögliche, zu bestimmen.

Mit undatiertem Bescheid des Gemeinderates der drittmitbeteiligten Gemeinde (Sitzung vom 26. März 2004) wurde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen, jedoch wurde eine zusätzliche Auflage betreffend das Garagentor vorgeschrieben. Im vorliegenden Fall würden § 5 Abs. 2 des Burgenländischen Baugesetzes sowie die maßgeblichen baupolizeilichen Interessen nach § 3 leg. cit. - insbesondere auch Z. 5 (Nachbarschutz durch Immissionen) - eingehalten werden. Der Bauwerber könne die Situierung des Nebengebäudes selbst festlegen. Die Möglichkeit der Festlegung von Baulinien bestehe nur in Bezug auf Hauptgebäude. Die Einwendung der Beschwerdeführer, dass etwa 10 % der Ackerfläche nicht zu bearbeiten wären, wenn direkt an die Grundstücksgrenze gebaut werde und zudem auf dem unbebauten Streifen mit vermehrtem Unkrautbewuchs und anderen Behinderungen zu rechnen wäre, die nicht nur den landwirtschaftlichen Ertrag minimieren, sondern auch den Grundstückswert essentiell und auf Dauer beeinträchtigen würden, wies die Behörde als rein privatrechtliche Einwendung zurück. Im Übrigen sei diese Einwendung erstmalig in der Berufung erhoben worden.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung brachten die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, Teil des Bauvorhabens der mitbeteiligten Bauwerber sei die Errichtung einer Garage, die direkt an die Grundgrenze zu ihrer Liegenschaft angebaut werden soll. Lediglich gegen diesen Teil des Bauvorhabens, nämlich die Situierung der Garage, hätten die Beschwerdeführer Einwendungen erhoben. Bereits in der mündlichen Verhandlung hätten sie darauf hingewiesen, dass etwa 10 % der Ackerfläche ihres Grundstückes Nr. 429 bei einem direkten Anbau der Garage an ihre Grundgrenze nicht bearbeitet werden könnten und dadurch bedingt eine Schmälerung ihres landwirtschaftlichen Ertrages eintreten würde. Als "maßgebliches bauliches Interesse" habe u.a. die Wahrung der bestimmungsgemäßen Benützung und das Hintanhalten von Gefährdungen oder das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Beeinträchtigungen der Nachbarn durch eine beabsichtigte Bauführung zu gelten. Zwingend zu wahrendes Interesse eines Eigentümers eines landwirtschaftlich genutzten Grundstückes sei es, die Nutzung eines solchen Grundstückes nicht durch Bauführungen oder sonstige Begrenzungen unmittelbar an der Grenzlinie zu beeinträchtigen. In gleichgelagerten Situationen sei im Grenzbereich zwischen landwirtschaftlich und anders genutzten Grundstücken verfügt worden, dass ein 50 cm breiter Streifen des anders genutzten Grundstückes von Behinderungen frei zu bleiben habe. Es wäre daher auch im vorliegenden Fall sachgerecht, die Bewilligung zur Errichtung der Garage an der Grundgrenze zu versagen und einen Mindestabstand dieses Nebengebäudes von 50 cm von ihrer Grundgrenze entfernt und eine dementsprechende Baulinie anzuordnen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, das Vorbringen der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2004 stelle keine Einwendung im Rechtssinne dar. Die Beschwerdeführer hätten laut vorliegender Verhandlungsschrift das Abrücken der Garage von ihrer Grundgrenze verlangt. Ein Vorbringen, in welchem Recht sie ohne Abrücken verletzt seien, sei im Zuge der Verhandlung nicht erstattet worden. Die Beschwerdeführer hätten vor oder in der Verhandlung auch kein Vorbringen erstattet, dass etwa die Bestimmungen des Baugesetzes nicht eingehalten werden würden. Ihr Vorbringen stelle somit im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine Einwendung nur dann vorliege, wenn dem Vorbringen die Verletzung eines bestimmten subjektiven Rechtes entnommen werden könne, keine Einwendung dar. Dafür spreche auch, dass die Beschwerdeführer die mündliche Verhandlung bereits nach kürzester Zeit vor Abfassung der Niederschrift verlassen hätten und somit überhaupt kein Interesse an der Protokollierung ihres Vorbringens gezeigt hätten. Dadurch, dass die Beschwerdeführer keine Einwendungen im Rechtssinne erhoben hätten, hätten diese ihre Parteistellung daher gemäß § 42 AVG verloren. Die Berufung der Beschwerdeführer hätte daher richtiger Weise von der Berufungsbehörde mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes werde eine Partei aber durch die Abweisung einer Berufung statt durch deren Zurückweisung in ihren Rechten nicht verletzt, weshalb die vorliegende Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides die Beschwerdeführer nicht in ihren subjektiven Rechten verletzen hätte können.

Inhaltlich führte die belangte Behörde zu dem Vorbringen der Beschwerdeführer aus, dass die Einwendung der Beschwerdeführer, wonach 10 % ihres Grundstückes nicht bewirtschaftet werden könnten, wenn die gegenständliche Baubewilligung erteilt werden würde, eine privatrechtliche Einwendung darstelle. Der dem Verfahren beigezogene Bausachverständige habe durch die geplante Errichtung einer Garage keine Verletzung baupolizeilicher Interessen im Sinne des § 3 Burgenländisches Baugesetz festgestellt, weshalb die begehrte Baubewilligung erteilt werden konnte. § 5 Abs. 3 Burgenländisches Baugesetz sei nach seinem Wortlaut eine Regelung für Ausnahmefälle. Dass im vorliegenden Fall ein solcher Ausnahmefall vorliege, in dem der Abstand der Garage von der Grundgrenze unter besonderer Berücksichtigung des Anrainerschutzes abweichend von den Bestimmungen des Abs. 1 und Abs. 2 festgelegt werden müsse, sei von den Beschwerdeführern in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeführt und begründet worden. Erst im Berufungsvorbringen sei die Bewirtschaftungsmöglichkeit ihres landwirtschaftlich genutzten Grundstückes ins Treffen geführt worden. In diesem Zusammenhang werde auf das Gesetz vom 24. November 1988, LGBl. 16/1989, über die Mindestabstände zu fremden Grundstücken verwiesen; für Grundstücke im Bauland gelte dieses Gesetz jedoch ausdrücklich nicht. Im Burgenländischen Baugesetz, das erst 1998 und damit später erlassen worden sei, seien Abstände zwischen Baugrundstücken und landwirtschaftlich genutzten Grundstücken nicht vorgesehen. Würde man generell einen Abstand zwischen Grundstücken im Bauland und angrenzenden landwirtschaftlich gewidmeten und genutzten Flächen vorsehen, so würde damit eine zusätzliche Art der Bebauungsweise generell als Regelfall geschaffen werden, die der Gesetzgeber aber überhaupt nicht vorgesehen habe. Nach dem zitierten Mindestabständegesetz hätten die Beschwerdeführer bei der Bewirtschaftung ihres Grundstückes selbst Abstände einzuhalten, damit die Bewirtschaftung ihres Grundstückes möglich sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer beantragen den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Sie bringen im Wesentlichen vor, sie hätten sich in der mündlichen Verhandlung gegen einen Anbau der Garage direkt an die gemeinsame Grundgrenze wegen der dadurch zu erwartenden Beeinträchtigung der Bewirtschaftung ihres landwirtschaftlich gewidmeten Grundstückes ausgesprochen. Selbst wenn man die Richtigkeit und Vollständigkeit der Protokollierung ihres Vorbringens in der Verhandlungsschrift vom 5. Februar 2004 ("(Beschwerdeführer) sind nicht mit dem Anbau der Garage an die Grundgrenze einverstanden und verlangen, dass mit der Garage 3 m von ihrer Grenze weggerückt wird") unterstelle, sei erkennbar, dass sich die Beschwerdeführer aufgrund des Anbaues der Garage an die Grundgrenze in der Nutzung ihres Grundstückes als beeinträchtigt und sie somit ihre Anrainerinteressen als verletzt angesehen hätten. Die mündliche Verhandlung sei deshalb von ihnen verfrüht verlassen worden, weil keinerlei Bereitschaft gezeigt worden sei, über ihren Einwand auch nur zu diskutieren. Beide baubehördlichen Instanzen hätten den Beschwerdeführern richtigerweise bis zuletzt Parteistellung eingeräumt bzw. diese bestätigt. Es stehe aber nicht im Kompetenzbereich der belangten Behörde, die Parteistellung der Beschwerdeführer nunmehr zu verneinen.

Der beigezogene Bausachverständige habe sich mit den auf Grund eines Anbauens eines Gebäudes an die Grundgrenze zu einem landwirtschaftlich genutzten Grundstück folgenden, als "notorisch" zu geltenden, Beeinträchtigungen der Anrainerinteressen nicht auseinandergesetzt. Die Erörterung der Frage eines Ausnahmefalles im Sinne des § 5 Abs. 3 Burgenländisches Baugesetz habe nicht stattgefunden; dies auch nicht in Bezug auf das von der belangten Behörde genannte Gesetz über die Mindestabstände, aus welchem sich zwingend ergebe, dass ein Ausnahmefall im Sinne des § 5 Abs. 3 Burgenländisches Baugesetz vorliege. Würden Mindestabstände schon im rein landwirtschaftlich genutzten Gebiet gelten, so seien gleiche sachliche und rechtliche Interessen umso mehr dort gegeben, wo Bauland an landwirtschaftlich genutztes Gebiet grenze.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die drittmitbeteiligte Gemeinde, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist vorauszuschicken, dass ein Verlust der Parteistellung der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht eintreten konnte, weil in der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2004 auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 (Verlust der Parteistellung bei nicht rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen spätestens bei der mündlichen Verhandlung) nicht hingewiesen worden war (vgl. das hg Erkenntnis vom 27. Februar 2006, Zl. 2004/05/0201). Mangels Verlust der Parteistellung war auch ein späteres Vorbringen der Beschwerdeführer zu berücksichtigen.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Burgenländischen Baugesetzes LGBl. 10/1998 (BauG), lauten auszugsweise:

"§ 21

Parteien

(1) Parteien im Bauverfahren sind:

....

2. die Eigentümer der an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke (Anrainer).

(2) Ein Anrainer kann gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass er durch das Vorhaben in seinen Rechten verletzt wird.

(3) Ist das Recht, dessen Verletzung behauptet wird, im Privatrecht begründet (privatrechtliche Einwendung), so hat die Baubehörde einen gütlichen Ausgleich zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, ist sie in der Verhandlungsschrift festzuhalten und im Bescheid darauf hinzuweisen; kommt keine Einigung zustande, sind die streitenden Parteien hinsichtlich dieser Einwendung auf den Rechtsweg zu verweisen. Dies ist unter Anführung der Einwendung in der Verhandlungsschrift und im Bescheid ausdrücklich anzuführen.

(4) Wird die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen bau- und raumplanungsrechtlichen Vorschriften (z.B. Bauverordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, Bebauungsrichtlinien) behauptet, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des Anrainers dienen (öffentlichrechtliche Einwendung), hat die Baubehörde hierüber im Bescheid zu erkennen und gegebenenfalls die Baubewilligung zu versagen oder die Einwendung als unbegründet abzuweisen und die Baubewilligung zu erteilen.

(5) Andere Einwendungen sind als unzulässig zurückzuweisen.

.....

§ 3

Zulässigkeit von Bauvorhaben

(Baupolizeiliche Interessen)

Bauvorhaben sind nur auf für die Bebauung geeigneten

Grundstücken zulässig, wenn sie

.......

5. durch ihre bestimmungsgemäße Benützung eine Gefährdung oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigungen der Nachbarn nicht erwarten lassen sowie

.....

§ 5

"Bebauungsweisen und Abstände

Sofern Bebauungspläne/Teilbebauungspläne oder Bebauungsrichtlinien nicht vorliegen, hat die Baubehörde unter Berücksichtigung des Baubestandes und des Ortsbildes für ein Baugrundstück eine der folgenden Bebauungsweisen zuzulassen:

1. geschlossene Bebauung, wenn die Hauptgebäude in geschlossener Straßenfront beidseitig an die seitlichen Grundstücksgrenzen anzubauen sind,

2. halboffene Bebauung, wenn die Hauptgebäude an einer seitlichen Grundstücksgrenze anzubauen sind und gegen die andere seitliche Grundstücksgrenze ein Abstand von mindestens 3 m einzuhalten ist,

3. offene Bebauung, wenn gegen beide seitlichen Grundstücksgrenzen ein Abstand von mindestens 3 m einzuhalten ist. Für die offene Bebauungsweise ist eine Grundstücksbreite von mindestens 15 m erforderlich.

(2) Bei allen Bebauungsweisen ist vom Hauptgebäude gegen die hintere Grundstücksgrenze ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten. In der seitlichen und hinteren Abstandsfläche sind Nebengebäude und andere untergeordnete Bauten bis zu einer Außenwandhöhe von 3 m mit einer Dachneigung von höchstens 45 Grad zulässig, sofern die maßgeblichen baupolizeilichen Interessen nicht verletzt werden.

(3) Die Baubehörde kann in Ausnahmefällen unter besonderer Berücksichtigung des Anrainerschutzes, der Baugestaltung und der örtlichen Gegebenheiten abweichend von den Bestimmungen der Abs. 1 und 2 die Abstände von Bauten zu den Grundstücksgrenzen durch die Festlegung von Baulinien und zwingenden Baulinien bestimmen. Baulinien sind die Grenzlinien, innerhalb derer Bauten errichtet werden dürfen; zwingende Baulinien sind jene Grenzlinien, an die anzubauen ist.

....

§ 17.

(1) Folgende Bauvorhaben sind, sofern sie nicht geringfügig sind (§ 16), der Baubehörde vor Baubeginn nach Maßgabe der nachstehenden Absätze anzuzeigen, wenn dafür nicht um Baubewilligung (§ 18) angesucht wird:

1. die Errichtung und Änderung von Wohngebäuden bis zu einer Wohnnutzfläche von insgesamt 150 m2 und der dazugehörenden Nebengebäude (z.B. Garagen, Gartenhäuschen) sowie von sonstigen Gebäuden bis zu einer Nutzfläche von insgesamt 150 m2

...."

Der Umstand, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. September 2003, G 222/01, die Abs. 1 bis 5 des § 21 BauG als verfassungswidrig aufgehoben hat, ist hier ohne Belang, weil diese Aufhebung erst mit Ablauf des 31. Oktober 2004 in Kraft getreten ist.

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des unmittelbar an das baugegenständliche Grundstück angrenzenden Grundstückes Nr. 429. Als solche haben sie in der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2004 die in der Verhandlungsschrift protokollierte Einwendung erhoben, dass sie "mit dem Anbau der Garage an die Grundgrenze nicht einverstanden" seien und "verlangen, dass mit der Garage 3 m von ihrer Grenze weggerückt" werde.

Die belangte Behörde hat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Einwendung im Rechtssinne gemäß § 42 Abs. 1 AVG nur dann vorliegt, wenn das Vorbringen wenigstens die Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben erkennen lässt (siehe das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2006, Zl. 2005/05/0345).

Mit ihrem oben angeführten Vorbringen in der mündlichen Verhandlung haben die Beschwerdeführer - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsauffassung - eine Einwendung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG erhoben. Diesem Vorbringen kann nämlich deutlich entnommen werden, dass sich die Beschwerdeführer durch das Bauvorhaben in dem ihnen gemäß § 5 BauG eingeräumten subjektiv-öffentlichen Recht auf Einhaltung der Abstände von Nachbargrenzen oder Nachbargebäuden als verletzt erachten (vgl. dazu das hg Erkenntnis vom 31. August 1999, Zl. 99/05/0095). Eine Begründung dieser Einwendung war nicht erforderlich (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, Seite 99). Daran vermag auch der Umstand, dass die Beschwerdeführer die Bauverhandlung frühzeitig verlassen haben, nichts zu ändern. Da das Vorbringen der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung somit als Einwendung im Rechtssinne zu werten war, haben die Beschwerdeführer unabhängig davon, dass - wie oben beschrieben - die Kundmachungsvorschriften im Sinne des § 42 AVG nicht eingehalten wurden, ihre Parteistellung in Bezug auf diese Einwendung jedenfalls behalten.

Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht die Parteistellung der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren verneint. Sie hat sich aber auch inhaltlich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer auseinandergesetzt und gelangte zum Ergebnis, dass die in Rede stehende Garage als Nebengebäude gemäß § 5 Abs. 2 BauG an der Grundgrenze zu dem Grundstück der Beschwerdeführer errichtet werden dürfe.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Anordnung der Gebäude zu den Grundstücksgrenzen grundsätzlich von Gemeinden in Bebauungsplänen bzw. Bebauungsrichtlinien festgelegt werden soll. Für den Fall, dass dies nicht erfolgt ist, werden in § 5 BauG zulässige Bebauungsweisen normiert (siehe die bei Pallitsch/Pallitsch, Burgenländisches Baurecht2, 139, wiedergegebenen Gesetzesmaterialien). Im vorliegenden Fall fehlt nach der Aktenlage ein derartiger Bebauungsplan, weshalb die Behörde nach § 5 BauG vorging.

Gemäß § 5 Abs. 2 2. Satz BauG sind in der seitlichen und hinteren Abstandsfläche die dort beschriebenen Nebengebäude zulässig, sofern die maßgeblichen baupolizeilichen Interessen nicht verletzt werden. Das BauG enthält keine Definition des Begriffes Nebengebäude; aus der Bestimmung des § 5 Abs. 2

2. Satz BauG ergibt sich aber, dass es sich bei Nebengebäuden um untergeordnete Bauten handeln muss. Die beispielhafte Anführung von "Garagen" bei den zu Wohngebäuden dazugehörenden Nebengebäuden, für die nach § 17 Abs. 1 Z. 1 BauG das Anzeigeverfahren zulässig ist, bedeutet keineswegs, dass der Gesetzgeber "Garagen" stets als "Nebengebäude" definiert sehen will.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes versteht man grundsätzlich unter einem Nebengebäude ein Gebäude, das zu einem anderen, dem Hauptgebäude, hinzukommt, das also in der Regel im Vergleich zum gegebenen oder voraussehbaren Hauptgebäude nur untergeordnete Bedeutung hat (vgl. das hg Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2005/05/0147 zur Rechtslage in Kärnten). Zur Abgrenzung zum Zubau hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 2000/05/0245, ergangen zur Oberösterreichischen Bauordnung, ausgeführt, ein Zubau liegt vor, wenn eine Verbindung des Gebäudes mit dem Zubau vorliegt, sei es durch eine Verbindungstüre, sei es in Form eines abgeschleppten Daches, das über den Zubau reicht, sodass zumindest optisch der Eindruck eines Gesamtbauwerkes entsteht. Im oben zitierten Erkenntnis vom 19. September 2006 wurde schließlich ausgeführt, dass der Anbau der statisch unabhängigen Nebengebäude an das Hauptgebäude deren Beurteilung als Nebengebäude nicht hindert.

Dem entspricht die Darlegung in dem bei Pallitsch/Pallitsch, a.a.O., 141, wiedergegebenen Durchführungserlass, wonach ein Gebäude als "Nebengebäude" in der Abstandsfläche dann in Frage kommt, wenn es zumindest bautechnisch einen selbstständigen Baukörper bildet (d.h. bei einem Abbruch des Hauptgebäudes muss es für sich alleine weiter bestehen können) sowie von Funktion und Aussehen her ein selbständiger Baukörper sein kann.

Die Verwaltungsbehörden haben der Frage, ob hier ein Nebengebäude vorliegt, keine Bedeutung beigemessen und daher auch keine zur Beurteilung erforderlichen Feststellungen getroffen. Aus dem Bauplan (Grundriss und Ansicht Ost) lässt sich wohl ein Fenster, aber keine Verbindungstüre vom Wohngebäude zur Garage entnehmen. Ob der optische Eindruck eines Gesamtgebäudes vermittelt wird, kann dahin gestellt bleiben: Eindeutig ist die Garage ohne eigene Seitenwand an das Hauptgebäude angebaut, sodass von einer statischen Selbständigkeit ohne nähere technische Begründung nicht ausgegangen werden kann. Die Garage kann aus diesem Grund derzeit nicht als Nebengebäude qualifiziert werden, sondern allenfalls als Zubau (Vergrößerung in waagrechter Richtung) des Hauptgebäudes; ihrer Errichtung steht aber die Festlegung im Bescheid (wie auch die im Bauplan im 3-m Abstand eingetragene Baulinie) entgegen.

Betreffend die Erfüllung der übrigen in § 5 Abs. 2

2. Satz BauG normierten Tatbestandsmerkmale bestünden im vorliegenden Fall hingegen keine Bedenken. Eine Verletzung der in § 3 BauG definierten maßgeblichen baupolizeilichen Interessen durch die Errichtung der Garage an der Grundgrenze ist im Verwaltungsverfahren weder hervorgekommen noch wurde eine solche von den Beschwerdeführern konkret behauptet. Die Verhinderung einer Gefährdung der bestimmungsgemäßen (landwirtschaftlichen) Benützung eines Grundstückes stellt jedenfalls kein baupolizeiliches Interesse im Sinnes des § 3 Z. 5 BauG dar. Davon abgesehen haben die Beschwerdeführer aber auch nicht dargetan, durch welchen im § 15 Abs. 1 BauVO angeführten Emissionstatbestand (Lärm, Geruch, Rauch, Staub oder sonstige Einwirkungen) eine Beeinträchtigung oder Gefährdung zu erwarten sei (vgl. das hg Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl. 2000/05/0063).

Bei der von den Beschwerdeführern geltend gemachten Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Benützung ihres Grundstückes handelt es sich - wie die belangte Behörde zutreffend erkannte - um einen wirtschaftlichen und somit privatrechtlichen Einwand, welcher von den Baubehörden nicht zu behandeln war (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2002, Zl. 2001/05/0031). Schon aus diesem Grund war ein solches Vorbringen auch nicht geeignet, einen von den Behörden zu beachtenden Ausnahmefall im Sinne des § 5 Abs. 3 BauG aufzuzeigen.

Soweit die Beschwerdeführer auf das Gesetz über Mindestabstände zu fremden Grundstücken, LGBl. 16/1989, verweisen, verkennen sie, dass damit einerseits Abstände von Bepflanzungen von Grundgrenzen geregelt sind, nicht aber Abstände von Baulichkeiten. Andererseits regelt § 5 leg. cit. Abstände, die Umzäunungen einhalten müssen; diese Bestimmung gilt aber nur im Grünland, ist also für das hier gegenständliche Baugrundstück nicht anwendbar.

Dadurch allerdings, dass die belangte Behörde der Qualifikation der gegenständlichen Garage als Nebengebäude durch die Gemeindebehörden folgte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr.2003/333. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens der Beschwerdeführer betrifft die im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthaltene, jedoch zusätzlich beanspruchte Umsatzsteuer sowie den geltend gemachten, gesetzlich nicht vorgesehenen Streitgenossenzuschlag.

Wien, am 30. Jänner 2007

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