VwGH 2005/02/0332

VwGH2005/02/033230.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des JR in R, vertreten durch Dr. Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Domgasse 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 24. Oktober 2005, Zl. KUVS-1301/4/2005, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §3 Abs1;
VStG §44a;
AVG §66 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §3 Abs1;
VStG §44a;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. Oktober 2005 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe sich am 7. November 2003 um 23.15 Uhr an einem näher genannten Ort trotz Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organes der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er verdächtig gewesen sei, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Fahrzeug gegen 17.35 Uhr auf einem näher genannten Güterweg an einem näher genannten Ort gelenkt zu haben. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO begangen; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet u.a. ein, der Spruch des angefochtenen Bescheides enthalte keine Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden sei. Die bloße Anführung "wegen Verwaltungsübertretung nach der StVO" widerspreche der Vorschrift des § 44a Z. 2 VStG.

Der Beschwerdeführer übersieht, dass von der belangten Behörde die Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau vom 14. Juli 2005 als unbegründet abgewiesen und damit der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurde.

Bestätigt aber die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid schlechthin, so ist sie nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gehalten, ihren Spruch nach der Bestimmung des § 44a VStG einzurichten (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, Band II, 2. Auflage, S. 851, unter E 529 wiedergegebene Judikatur). Die gerügte Rechtswidrigkeit liegt daher nicht vor.

Der Beschwerdeführer rügt ferner, der angefochtene Bescheid gehe zu Unrecht davon aus, dass er am 7. November 2003 um

17.35 Uhr seinen PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und sich um 23.15 Uhr geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt von einem hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht untersuchen zu lassen. Wenige Stunden vor dem Zeitpunkt der angeblichen "Alkomatverweigerung" seien von der unfallchirurgischen Ambulanz des Landeskrankenhauses Lienz beim Beschwerdeführer eine Gehirnerschütterung und eine Verletzung des Brustkorbes festgestellt worden. Diese Verletzungen hätten einerseits einen Bewusstseinsverlust und Erinnerungslücken, andererseits eine schmerzhafte Einschränkung der Atemtätigkeit bewirkt. Es werde dadurch der Problembereich angesprochen, ob der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Alkomatprobe wegen seiner Kopfverletzung die erforderliche Zurechnungsfähigkeit aufgewiesen habe und ob ihm wegen seiner Brustkorbverletzung ein Blasvorgang überhaupt möglich gewesen sei.

Nach den - auch mit dem übrigen Akteninhalt - übereinstimmenden Aussagen der als Zeugen im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde einvernommenen Gendarmeriebeamten RI H. und RI R. hat der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Aufforderung verstanden, "worum es geht".

Davon ausgehend konnte die belangte Behörde die Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt frei vom Rechtsirrtum annehmen, ohne dass noch weitere Gutachten eingeholt oder weitere Beweise aufgenommen hätten werden müssen:

Ob der Beschwerdeführer nämlich tatsächlich eine "Gehirnerschütterung" (oder andere Verletzungen) erlitten hat, ist im Hinblick auf das "situationsbezogene" Verhalten anlässlich der Amtshandlung nicht von Bedeutung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2006, Zl. 2006/02/0091, m.w.N.). Es bedurfte daher auch keiner Ergänzung des von der Behörde erster Instanz eingeholten amtsärztlichen Gutachtens hinsichtlich der Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Ablegung eines Alkomattests.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat derjenige, der gemäß § 5 Abs. 2 StVO zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, umgehend (d.h. bei diesem Anlass) auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomat aus medizinischen Gründen hinzuweisen (sofern dies nicht für Dritte sofort klar erkennbar ist), sodass die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 5 Z. 2 StVO zu prüfen, bejahendenfalls von der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft Abstand zu nehmen und den Aufgeforderten zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im § 5 Abs. 5 StVO genannten Arzt zu bringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2006, Zl. 2004/02/0334, m. w.N.).

Der Beschwerdeführer teilte nach der Aussage des Zeugen RI H. im Zuge der Amtshandlung, bei welcher er zur Ablegung eines Alkomattests aufgefordert wurde, u.a. lediglich mit, dass nur er bei dem Verkehrsunfall (gegen 17.35 Uhr) verletzt worden sei "und dies auch nicht tragisch". Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer auf die Unmöglichkeit der Ablegung des Alkomattests auf Grund allfälliger Verletzungen des Brustkorbes umgehend hingewiesen hätte; überdies wurden nach der Aktenlage von den einschreitenden Beamten diesbezüglich auch keine Probleme wahrgenommen. Der Beschwerdeführer vermag daher mit der erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgestellten Behauptung einer allenfalls gegebenen Unmöglichkeit der Ablegung des Alkomattests auf Grund einer Brustverletzung keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Obwohl es auf die Zeit des Lenkens bzw. des diesbezüglichen Verdachtes bei der Tatumschreibung nicht ankommt, ist zu beachten, dass die Aufforderung zur Atemluftprobe nur dann berechtigt ist, wenn die seit dem Zeitpunkt, zu dem gelenkt wurde bzw. für den der Verdacht des Lenkens bestand, bis zur allfälligen Messung der Atemluft verstrichene Zeit noch "verwertbare Ergebnisse" erwarten lässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 2001, Zl. 2000/03/0348, wo unter Hinweis auf die Vorjudikatur ein diesbezüglicher Zeitraum von "jedenfalls" bis zu sechs Stunden, und das hg. Erkenntnis vom 29. August 2003, Zl. 2003/02/0033, wo gleichfalls unter Hinweis auf die Vorjudikatur ein Zeitraum von sieben Stunden angeführt wurde; vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 26. März 2004, Zl. 2004/02/0037; vgl. aber auch das hg. Erkenntnis vom 12. Mai 2005, Zl. 2003/02/0098 unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2004, Zl. 2004/02/0073, wo auf einen Zeitraum von sogar ca. 10 Stunden verwiesen wurde). Es kann daher im Lichte dieser Judikatur der Beschwerdebehauptung, dass 6 Stunden nach dem Vorfallszeitpunkt keine verwertbaren Ergebnisse einer Rückrechnung auf den Alkoholwert erbracht werden könnten, nicht gefolgt werden.

Auch die gerügten unterlassenen Ermittlungen bezüglich des Alkoholkonsums des Beschwerdeführers nach dessen Spitalsaufenthalt und vor dessen Aufgreifen durch Gendarmeriebeamte vor einem Lokal gegen 23.15 Uhr des Tattages zeigen keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, zumal es im Beschwerdefall nur auf den "Verdacht" des Lenkens in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zum Zeitpunkt des Verkehrunfalls ankommt und sich die belangte Behörde diesbezüglich auf entsprechende Wahrnehmungen von Atemalkoholgeruch beim Beschwerdeführer durch die damals einschreitenden Beamten stützen konnte; die diesbezüglich schlüssige Beweiswürdigung durch die belangte Behörde begegnet keinen Bedenken.

Weshalb dem angefochtenen Bescheid "keine schlüssige Sachverhaltsfeststellung" zu Grunde liegt, wird in der Beschwerde nicht näher ausgeführt und zeigt angesichts der ausführlichen Begründung des angefochtenen Bescheides keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Da sich die festgesetzte Geldstrafe (EUR 1.700.-) im unteren Strafrahmen bewegt und die belangte Behörde auch näher begründete, weshalb sie die verhängte Strafe als angemessen betrachtet, ist für den Verwaltungsgerichtshof - entgegen dem nur allgemein gehaltenen Beschwerdevorbringen - nicht zu erkennen, weshalb die belangte Behörde das Ermessen nach § 19 VStG bezüglich der Festsetzung der Strafhöhe rechtswidrig ausgeübt haben sollte.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren der belangten Behörde betreffend Schriftsatzaufwand für die Gegenschrift war abzuweisen, weil die belangte Behörde eine Gegenschrift nicht erstattet, sondern sich bei der Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens lediglich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides berufen hat (vgl. die bei Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 690 wiedergegebene hg. Judikatur).

Wien, am 30. Oktober 2006

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