Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 31. Oktober 1999 wurde der Beschwerdeführer folgender Verwaltungsübertretung schuldig erkannt:
"Sie weigerten sich am 30.12.1998, um 20.27 Uhr, in ..., nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organes der Straßenaufsicht Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl Sie verdächtig waren, den PKW, Audi, Kz.: ..., zuvor in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben."
Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 5 Abs. 2 StVO begangen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 25.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 25 Tagen) verhängt.
Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde dahingehend "verbessert, dass die Wortfolge 'um 20.27 Uhr' auf 'gegen
20.27 Uhr' richtig gestellt wird und nach dem Wort 'zuvor' die Wortfolge 'nämlich gegen 14.00 Uhr auf einer öffentlichen Verkehrsfläche bis zum Seestüberl in ...' eingefügt wird." In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, dass die beiden Meldungsleger bei ihrer Einvernahme ausgesagt hätten, beim Beschwerdeführer seien eindeutig Alkoholsymptome wahrzunehmen gewesen. Außerdem hätten ihre Recherchen dazu geführt, dass der Beschwerdeführer gegen 14.00 Uhr sein Auto auf den Parkplatz gegenüber dem Cafe S. gelenkt hätte. Dies sei vom Beschwerdeführer selbst zugestanden worden. Es habe daher für die Meldungsleger die konkrete Vermutung bestanden, dass der Beschuldigte das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Die belangte Behörde ging weiters davon aus, dass sich der Beschwerdeführer von 14.00 Uhr mit einer kurzen Unterbrechung um ca. 16.00 Uhr bis zur Aufforderung zum Alkotest um 20.27 Uhr in dem Cafe aufgehalten habe.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 2 StVO, BGBl. Nr. 159/1960 i.d.F. BGBl. Nr. 518/1994, sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand
- 1. ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder
- 2. als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben,
auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO i.d.F. BGBl. I Nr. 92/1998 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von
S 16.000,-- bis S 80.000,--, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,
"b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht."
Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer am 30. Dezember 1998 letztmals um ca. 14.00 Uhr eine öffentliche Verkehrsfläche mit einem Kraftfahrzeug befahren habe. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Abverlangung der Ablegung einer Atemluftprobe um
20.27 Uhr eine Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung für den angenommenen Zeitpunkt von 14.00 Uhr am 30. Dezember 1998 bestanden habe. Die Gendarmeriebeamten hätten den Beschwerdeführer schon um 18.00 Uhr in dem näher genannten Lokal Alkohol konsumierend gesehen. Die vorliegende Abverlangung einer Atemluftprobe erscheine daher rechtswidrig.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Gemäß dem wiedergegebenen § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO besteht die Berechtigung, die Atemluft auf Alkoholgehalt zu untersuchen, in Bezug auf solche Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben. Nach Auffassung der erstinstanzlichen Behörde hätten die einschreitenden Beamten zutreffend von dem Verdacht ausgehen können, der Beschwerdeführer habe in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt, da auf der Höhe des Terrassen-Campings eine einzige Reifenspur zu erkennen gewesen sei, die von der Gemeindestraße auf den See geführt habe. Exekutive und Wasserrettung seien dieser Reifenspur auf den zugefrorenen See gefolgt. Es sei keine Autoreifenspur vorhanden gewesen, die vom See zurück ans Ufer geführt habe. Dieser Verdacht bezog sich somit auf die ca. um 15.45 Uhr durchgeführte Fahrt des Beschwerdeführers auf den näher angeführten, zugefrorenen See. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, dass auch die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer gegen
15.45 Uhr auf diesen See gefahren sei. Ob er dies über die Gemeindestraße (also jedenfalls über eine öffentliche Verkehrsfläche) getan habe, konnte ihrer Meinung nach jedoch auf Grund des angeführten Ermittlungsverfahrens nicht mit "der für ein Verwaltungsverfahren erforderlichen" Sicherheit angenommen werden. Auch aus diesen Feststellungen der belangte Behörde ergibt sich der berechtigte Verdacht der Meldungsleger, der Beschwerdeführer, der im Zeitpunkt der Aufforderung zum Alkotest unbestrittenermaßen Alkoholisierungsmerkmale aufgewiesen hatte, habe um ca. 15.45 Uhr ein Kraftfahrzeug auf einer öffentlichen Verkehrsfläche in einem vermutlich alkoholisierten Zustand gelenkt. Darauf, wann der Beschwerdeführer das Kraftfahrzeug tatsächlich zuletzt auf einer öffentlichen Verkehrsfläche gelenkt hat, kommt es in Vollziehung des § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960 nicht an. Dass dies die belangte Behörde verkannt und den Spruch dahingehend ergänzt hat, dass der Verdacht des alkoholisierten Lenkens im Hinblick auf das Zufahren des Beschwerdeführers zum Lokal um 14.00 Uhr bestanden habe, verletzte den Beschwerdeführer in keinen Rechten, ist doch dieser Spruchteil nicht wesentlich (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. März 1990, Zl. 89/02/0193).
Der Beschwerdeführer macht auch geltend, dass die Aufforderung, die Atemluft auf Alkoholgehalt kontrollieren zu lassen, nur dann rechtmäßig sei, wenn von der Atemluftprobe brauchbare Ergebnisse bezogen auf den Zeitpunkt des Lenkens eines Kraftfahrzeuges auf öffentlichen Verkehrsflächen zu erwarten seien. Wenn die Aufforderung, wie im vorliegenden Fall, 6 1/2 Stunden nach dem angenommenen Lenken des Kraftfahrzeuges erfolge, sei ein solches Ergebnis nicht mehr zu erwarten. Dies insbesondere dann, wenn den einschreitenden Organen bekannt gewesen sei, dass der Beschwerdeführer Stunden nach dem Lenken Alkohol in nicht unerheblichen Ausmaß Alkohol konsumiert habe.
Diesem Vorbringen kommt schon allein deshalb keine Berechtigung zu, da sich - wie bereits dargelegt - der Verdacht, der Beschwerdeführer habe ein Kraftfahrzeug in einem vermutlich alkoholisierten Zustand gelenkt, zutreffend auf einen Zeitpunkt ca. 4 1/2 Stunden vor der Aufforderung zum Alkotest bezogen hat. Gemäß der hg. Judikatur kann nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft nach Verstreichen eines Zeitraumes bis zu 6 Stunden nach Beendigung des Lenkens (jedenfalls) noch ein verwertbares Ergebnis mittels Alkomatmessung erwartet werden (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 14. Juni 1996, Zl. 96/02/0020). Auch der im Berufungsverfahren dazu einvernommene Amtssachverständige hat erklärt, dass eine Rückrechnung bis 15.45 jedenfalls möglich sei, wenn bekannt sei, welche Menge Alkohol nach diesem Zeitpunkt konsumiert worden sei.
Der Beschwerdeführer rügt aber zutreffend, dass von ihm beantragte Zeugen zu Unrecht zu dem - relevanten - Beweisthema, ob er den Alkotest verweigert habe, nicht einvernommen worden seien (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 5. April 1989, Zl. 88/03/0247, 0248), und dass sich die belangte Behörde im Zusammenhang mit dieser Frage auch nicht mit den Aussagen zweier Zeugen vom 29. März 1999 auseinandergesetzt habe, die dahin gingen, der Beschwerdeführer habe keine Verweigerung zum Ausdruck gebracht (siehe dazu auch das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2000, Zl. 2000/11/0080, zu dem den Beschwerdeführer betreffenden Verfahren auf Entziehung der Lenkerberechtigung).
Das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren erweist sich somit aus den zuletzt genannten Gründen als in wesentlicher Hinsicht mangelhaft und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. November 2001
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