VwGH 2000/11/0080

VwGH2000/11/008011.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des J in K, vertreten durch Dr. Maximilian Ellinger, Rechtsanwalt in 6330 Kufstein, Pirmoserstraße 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 19. Jänner 2000, Zl. IIb2-3-7-1-490/2, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z1;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs.1 Z. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 Führerscheingesetz (FSG) die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer von fünf Monaten (und nicht, wie sich aus dem angefochtenen Bescheid zu ergeben scheint, für sieben Monate - demnach infolge der Zustellung des Mandatsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 16. März 1999 am 24. März 1999 bis 24. August 1999) entzogen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer für die genannte Dauer gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG das Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen verboten und gemäß § 30 Abs. 1 FSG das Recht aberkannt, von einer allfälligen ausländischen Lenkberechtigung Gebrauch zu machen. Gemäß § 24 Abs. 3 FSG wurde angeordnet, dass sich der Beschwerdeführer einem Lenkerverhaltenstraining für alkoholauffällige Kraftfahrzeuglenker zu unterziehen habe.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Anlass für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war, dass der Beschwerdeführer am 30. Dezember 1998 um 20 Uhr 27 die Vornahme einer Atemluftkontrolle verweigert habe. Vorher (gegen 16 Uhr) habe er einen Pkw über eine Gemeindestraße auf den zugefrorenen Walchsee gelenkt; in der Mitte des Sees sei der Pkw durch die Eisdecke eingebrochen, der Beschwerdeführer habe sich aus dem versinkenden Pkw retten können, sei in ein am Seeufer gelegenes Lokal gegangen und habe dort Alkohol konsumiert. Die Aufforderung zur Vornahme der Atemluftkontrolle sei erfolgt, weil der Beschwerdeführer im begründeten Verdacht gestanden sei, das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand über eine Straße mit öffentlichem Verkehr auf den See gelenkt zu haben. Das Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung nach § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960, in dem ein erstinstanzliches Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 31. Oktober 1999 ergangen ist, ist im Stadium des Berufungsverfahrens beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol anhängig. Die belangte Behörde nahm die Begehung der Verwaltungsübertretung als erwiesen an, wertete sie als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG und schloss daraus auf die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers. Die Erstbehörde hatte auch eine Bestrafung wegen Begehung eines Alkoholdeliktes aus dem Jahre 1998 verwertet.

Der Beschwerdeführer bekämpft die Annahme der belangten Behörde, es liege eine bestimmte Tatsache vor. Er behauptet in diesem Zusammenhang, die Aufforderung zur Vornahme der Atemluftkontrolle sei rechtswidrig gewesen, weil er vor dem Lenken des Pkws keinen Alkohol zu sich genommen, sondern erst nachdem er sich habe retten können, alkoholische Getränke konsumiert habe. Er habe auch keine Straße mit öffentlichem Verkehr befahren. Er zieht ferner in Zweifel, dass er den "Alko-Test" verweigert habe.

Die belangte Behörde stützt ihre Sachverhaltsfeststellungen im Wesentlichen auf im Verwaltungsstrafverfahren aufgenommene Beweise, insbesondere auf die Einvernahme der einschreitenden Gendarmeriebeamten und eines Beifahrers des Beschwerdeführers auf der Fahrt auf dem See als Zeugen sowie auf die durch Lichtbilder untermauerte Anzeige des Gendarmeriepostens Niederndorf vom 3. Februar 1999. Sie erwähnt auch zwei Aussagen von Zeugen über die Vorgänge bei der Amtshandlung im Lokal, bei der es zu der Verweigerung gekommen sein soll, deren Inhalt sich aber aus dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht ergibt.

Zur Frage, ob der Beschwerdeführer der unbestritten erfolgten Aufforderung des einen der beiden einschreitenden Gendarmeriebeamten keine Folge geleistet und ein Verhalten gesetzt hat, das als Verweigerung der Atemluftkontrolle gewertet werden konnte, hat die belangte Behörde keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Hinsichtlich der Vorgänge um die Aufforderung und Verweigerung führt sie lediglich aus, dass die Aufforderung klar und unmissverständlich erfolgt sei. Der Beschwerdeführer bestreitet dies nicht. Er behauptet aber, seine grundsätzliche Bereitschaft zur Mitwirkung an der Atemluftkontrolle bekundet zu haben.

Zu den in Rede stehenden Vorgängen findet sich im Verwaltungsakt die im Verfahren vor der Erstbehörde im Rechtshilfeweg vor der Bezirkshauptmannschaft Kufstein abgelegte Zeugenaussage des einen der beiden Gendarmeriebeamten vom 18. Juni 1999. Danach habe der Beschwerdeführer zunächst auf die Aufforderung nicht reagiert. Hierauf habe er den Beschwerdeführer nochmals aufgefordert, worauf dieser genickt und sich auf dem Barhocker "abgedreht" habe. Damit wäre die Amtshandlung für ihn abgeschlossen gewesen. Der zweite Beamte hat in seiner Aussage vom 5. Juli 1999, nachdem er die Aussage seines Kollegen vom 18. Juni 1999 gelesen hatte, die Richtigkeit dieser Aussage bestätigt. Dem stehen die erwähnten Aussagen von zwei Augenzeugen vor der Erstbehörde vom 29. März 1999 gegenüber, die sich der Verwaltungsgerichtshof im kurzen Weg aus dem Verwaltungsakt beschafft hat. Danach hätten die Zeugen den Eindruck gewonnen, der Beschwerdeführer habe keine Verweigerung zum Ausdruck bringen wollen; er wäre schon im Begriff gewesen, "vom Barhocker herunterzurutschen". Als er sich umgedreht hatte, hätten die Beamten das Lokal schon verlassen gehabt. Die belangte Behörde setzte sich mit diesen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens, die sie nur zitiert, ohne auf ihren Inhalt einzugehen, nicht auseinander. Dies stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil eine Würdigung der vorliegenden Beweise durchaus zu dem Ergebnis hätte führen können, der Beschwerdeführer, der zum damaligen Zeitpunkt erheblich alkoholisiert war, habe sich im Ergebnis nicht geweigert, mit den Beamten zur Vornahme der Atemluftkontrolle mitzugehen.

Zum übrigen Beschwerdevorbringen sei ausgeführt, dass der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die Annahme der belangten Behörde hat, der Beschwerdeführer habe vor dem Auffahren auf die Eisdecke des Sees ein kurzes Stück einer Straße mit öffentlichem Verkehr befahren, weil diesbezüglich die Angaben der Gendarmeriebeamten in Ansehung der Reifenspuren im Schnee, die nur von dem vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeug herrühren konnten, schlüssig sind. Unbegründet ist das Beschwerdevorbringen auch hinsichtlich der behaupteten Rechtswidrigkeit der Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe im Hinblick auf den zwischen dem Befahren der Eisdecke und der Amtshandlung erfolgten Konsum alkoholischer Getränke. Ein sogenannter Nachtrunk hindert grundsätzlich nicht die Rückrechnung auf den Grad der Alkoholisierung zum Zeitpunkt des letzten Lenkens, sofern das Ausmaß des Nachtrunkes festgestellt wurde, was Gegenstand der Aufnahme von Beweisen und deren Würdigung sein kann. Damit allenfalls verbundene Schwierigkeiten rechtfertigen nicht die Verweigerung der Mitwirkung an der Atemluftkontrolle.

Da das Verfahren hinsichtlich der Frage, ob eine Verweigerung der Atemluftprobe überhaupt stattgefunden hat, mangelhaft geblieben ist , war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in dem Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung bereits enthalten ist.

Wien, am 11. Juli 2000

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