VwGH 2005/02/0315

VwGH2005/02/031530.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des MD in K, vertreten durch Dr. Johannes Sammer, Rechtsanwalt in 8680 Mürzzuschlag, Roseggergasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 18. Oktober 2005, Zl. KUVS- 522/16/2005, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
VStG §24;
VStG §43 Abs1;
VStG §44;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
VStG §24;
VStG §43 Abs1;
VStG §44;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Oktober 2005 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 16. September 2004 um 05.00 Uhr ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug an einem näher bestimmten Ort gelenkt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l betragen habe. Der Atemalkoholgehalt habe laut Rückrechnungsergebnis des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft St. Veit/Glan zumindest 0,769 mg/l betragen.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1a i.V.m. § 5 Abs. 1 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Wochen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet zunächst ein, es liege ein "nichtiger erstinstanzlicher Bescheid" vor, weil der Beschwerdeführer zum Strafreferenten der Behörde erster Instanz gekommen sei, um sich "lediglich hinsichtlich des Verfahrensstandes zu informieren und dass keine mündliche Verhandlung anberaumt" gewesen sei. Auch im Rahmen der Vorsprache sei es für den Beschwerdeführer nicht erkennbar gewesen, "dass eine Verhandlung stattfindet und über ihn ein mündliches Straferkenntnis gefällt" worden sei.

Nach § 43 Abs. 1 VStG ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung dann geboten, wenn der Beschuldigte zur Vernehmung vor die erkennende Behörde geladen oder vorgeführt wurde. Erscheint der Beschuldigte aber aus eigenem Antrieb vor der erkennenden Behörde, so ist es dieser Behörde durch keine Norm verboten, mit dem - wie hier spätestens durch die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 8. Februar 2005 - in Kenntnis der ihm zur Last gelegten Handlung gesetzten Beschuldigten eine mündliche Strafverhandlung - wie vorliegend am 25. Februar 2005 - durchzuführen und daran anschließend das Straferkenntnis zu verkünden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. März 1969, Zl. 648/68, wonach eine derartige Verhandlung selbst dann nicht mit "Nichtigkeit" bedroht ist, wenn sich herausstellt, dass der Beschuldigte zufolge einer gesetzwidrigen Vorführung bei der Behörde erschienen war).

In der Niederschrift über die Verhandlung vom 25. Februar 2005 finden sich die Verantwortung des Beschwerdeführers und das daran anschließend verkündete Straferkenntnis protokolliert. Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer diese Strafverhandlungsschrift unterfertigt hat, geht es zu seinen Lasten, wenn er es unterlassen hat, sich über den Inhalt der aufgenommenen Niederschrift Kenntnis zu verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. April 1987, Zl. 85/03/0057). Im Übrigen ist dem Beschwerdeführer aber ohnehin kein Rechtsnachteil erwachsen, weil sein innerhalb offener Rechtsmittelfrist eingebrachter Schriftsatz nach Klärung des Willens des Beschwerdeführers von der belangten Behörde als Berufung behandelt wurde.

Insoweit sich die beschwerdeführende Partei gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung (vor allem zum Lenkzeitpunkt, aber auch zum Nachtrunk) wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. zB. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde detailliert dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung aus folgenden Gründen nicht aufkommen:

Der Beschwerdeführer bekämpft den Beweiswert der Aussagen des Meldungslegers und des bei der Amtshandlung weiters anwesenden Organes der Straßenaufsicht RI R. mit dem Hinweis auf eine angeblich "völlig divergierende" bzw "völlig konfuse Anzeige" des Meldungslegers. Dieser sei "zu entnehmen, dass die Tat sich am 16.4.2004 ereignet habe". Bei verständigem Lesen der gesamten Anzeige, in der wiederholt (richtig) vom 16. September 2004 die Rede ist und der zudem das Messprotokoll vom 16. September 2004 beiliegt, ist völlig klar zu erkennen, dass es sich beim - bloß ein Mal vorkommenden - Datum "16.4.2004" um einen offenkundigen Schreibfehler handelt. Gleiches ist dem Beschwerdeführer auf sein Vorbringen, es "wurde angegeben, der BF habe vor dem Lenken 3 Flaschen Bier getrunken, sowie nach dem Verkehrsunfall 3 Flaschen Bier getrunken", zu erwidern. Auch hier wird schon auf Grund des Eintrags in der Formularspalte "Angaben über Alkoholgenuss vor dem Lenken: 16.09.2004 von 05.00 Uhr bis 05.15 Uhr" im Zusammenhang mit der zuvor genannten Lenkzeit "05:00 Uhr" klar, dass es sich dabei um den vom Beschwerdeführer angegebenen Alkoholkonsum nach dem Lenkzeitpunkt handelt, der zunächst bloß in der unrichtigen Formularspalte und später - wiederholt - auch in der richtigen Formularspalte eingetragen wurde.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, es sei den Exekutivbeamten "nicht möglich" gewesen, ihre "handschriftlichen Aufzeichnungen" der belangten Behörde vorzulegen, so verdreht er die Aussage des Meldungslegers nahezu in ihr Gegenteil. Dieser hatte in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2005 nämlich wörtlich ausgesagt "...Angaben habe ich am GP handschriftlich festgehalten. Es ist möglich, dass ich dieses Notizbuch noch habe und könnte ich dies über Auftrag vollständig vorlegen". Ein Antrag oder Auftrag zur Vorlage wurde aber nicht gestellt bzw erteilt.

Ebenfalls um eine Verdrehung einer Aussage, nämlich der des Zeugen W. (jenem Mitarbeiter des Roten Kreuzes, der den Beschwerdeführer ca. um 8.00 Uhr in seinem Auto geweckt hat), handelt es sich bei der Behauptung des Beschwerdeführers, aus dieser Aussage gehe "implizit" hervor, "dass bereits zuvor, somit weit vor 8.00 Uhr ein Aufwecken des BF durch einen Sanitäter stattgefunden hat". Denn nach Aussage dieses Zeugen ist es ausgeschlossen, dass ein anderer Sanitäter den Beschwerdeführer zu einem früheren Zeitpunkt aufgesucht und geweckt hätte.

Im Gegenzug lässt der Beschwerdeführer aber gravierende, seine Glaubwürdigkeit in Frage stellende Umstände bei seiner Argumentation außer Acht (zB wurde seine Behauptung, dass sein Fahrzeug bis auf den Reifenschaden unbeschädigt geblieben sei, durch die vom Zeugen W. vorgelegten Lichtbilder zweifelsfrei widerlegt; den vom Meldungsleger und dem Zeugen R. (dem zweiten eingeschrittenen Gendarmeriebeamten) ausgesagten Umstand, es seien die angeblich vom Beschwerdeführer nach dem Unfall im Auto ausgetrunkenen drei Bierflaschen nicht aufgefunden worden, versucht der Beschwerdeführer nicht aufzuklären; ebenso lässt er die von der belangten Behörde im Detail aufgezeigten Unterschiede in seinen verschiedenen Verantwortungen unberücksichtigt).

Außerdem hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. April 2000, Zl. 96/02/0313) im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit eines behaupteten Nachtrunkes dem Umstand Bedeutung beigemessen, zu welchem Zeitpunkt der Lenker diese Behauptung aufgestellt hat. In Anbetracht der Wichtigkeit dieses Umstandes ist nach dieser Rechtsprechung davon auszugehen, dass vom Lenker auf einen allfälligen Nachtrunk bei erster sich bietender Gelegenheit - von sich aus - hingewiesen wird. Weiters entspricht es der hg. Rechtsprechung (vgl. auch dazu das soeben zitierte Erkenntnis), dass derjenige, der sich auf einen Nachtrunk beruft, die Menge des solcherart konsumierten Alkohols konkret zu behaupten und zu beweisen hat. Der Beschwerdeführer hat zwar bei der Amtshandlung, somit bei der ersten, sich bietenden Gelegenheit, behauptet, "im Auto" drei Flaschen Bier getrunken zu haben. Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 27. Dezember 2004 änderte er seine Verantwortung dahingehend, er sei nach dem Abstellen des Autos "ins Gasthaus gegangen und habe ein paar Bier getrunken". Ab seiner Verantwortung vom 25. Februar 2005 ("sechs Flaschen" Bier) finden sich verschiedene Trinkmengen (zB in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2005:

"Im Lokal habe ich ein paar Wodka Red Bull getrunken und einige Bier (0,5 l)." Schon auf Grund dieser der Menge des konsumierten Alkohols nach unbestimmten und im Verfahren wechselnden Angaben des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde die Nachtrunkbehauptung zu Recht als unglaubwürdig erachtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 2003, Zl. 2000/02/0168).

Auch der Hinweis des Beschwerdeführers iVm der Tatzeit auf die Aussage der von ihm namhaft gemachten Entlastungszeugin H. zum angeblich mit ihm geführten Telefonat geht ins Leere, weil sich - wie die belangte Behörde zu Recht aufzeigt - die Zeugin nicht auf einen bestimmten Tag und Zeitpunkt festgelegt hat, sondern hierüber sehr unbestimmt aussagte ("... könnte am 15.9.2004 gewesen sein; ... dürfte gegen 22.00 Uhr von mir weggefahren sein; ... müsste daher gegen 23.30 Uhr stattgefunden haben).

Auf Grund all dieser Umstände kann deshalb eine vom Beschwerdeführer aufgezeigte, einzig verbleibende Unstimmigkeit der Begründung des angefochtenen Bescheides betreffend die Würdigung der Aussage des Entlastungszeugen L. im Ergebnis keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung zum Lenkzeitpunkt aufzeigen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. Oktober 2006

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