VwGH 2004/05/0027

VwGH2004/05/002727.6.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerden

1. der Ingrid Carmann und 2. des Dr. Heinz Carmann, beide in Wien, beide vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19 (hg. Zl. 2004/05/0027), 3. des Mag. pharm. Herwig Fölß in Wien (hg. Zl. 2004/05/0028),

4. des Ing. Adolf Turczyn und 5. der Hedda Turczyn, beide in Wien (hg. Zl. 2004/05/0029), Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer vertreten durch Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Aichholzgasse 6/13, und 6. der Brigitte Baumann in Wien, vertreten durch Dr. Friedrich Bubla, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Biondekgasse 4 (hg. Zl. 2004/05/0030), gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 10. Dezember 2003, Zl. BOB 400 bis 403/02, betreffend eine Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §59 Abs2;
AVG §63 Abs3;
AVG §68 Abs1;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §13 Abs3;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §59 Abs2;
AVG §63 Abs3;
AVG §68 Abs1;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird auf Grund der Beschwerde des Viertbeschwerdeführers und der Fünftbeschwerdeführerin insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als mit ihm die Berufung dieser Beschwerdeführer, betreffend den Punkt 1. des Bescheides des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 7. August 2002 abgewiesen worden war.

Die übrigen Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer gemeinsam, der Drittbeschwerdeführer und die Sechstbeschwerdeführerin haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von je EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Viertbeschwerdeführer und dem Fünftbeschwerdeführer Aufwendungen von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf der Liegenschaft in 1230 Wien, Endresstraße 92, befinden sich 6 Mehrfamilienhäuser, deren Errichtung die mit Bescheid vom 1. Februar 1967 erteilte Baubewilligung (damalige Adresse: Mauer-Hauptstraße 46) zu Grunde liegt. Nach dem für diese Liegenschaft vorgelegten Bauakt gab es mit Bescheid vom 20. Juni 1969 eine Änderungsbewilligung bezüglich einer fundierten Einfriedung an der Baulinie und von Stützmauern entlang der Garagenzufahrten. Eine weitere Abänderungsbewilligung, gleichfalls vom 2. Juni 1969, betraf Raumeinteilungen, Tür- und Fensteröffnungen und die Kanalführung. Seither sind keine Bewilligungen oder Bauanzeigen aktenkundig.

Anlässlich eines Lokalaugenscheines durch den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/Baupolizei (MA 37) am 25. April 2001 wurden auf den Dachterrassen von drei Häusern Aufbauten festgestellt, für die keine Baubewilligung vorlag. Es handelt sich dabei um die Wohnung Haus 4/Top 3 der Erst- und Zweitbeschwerdeführer, die Wohnung Haus 3/Top 4 des Drittbeschwerdeführers und die Wohnung Haus 2b/Top 3 der Viert- und Fünftbeschwerdeführer.

Der mit Bescheid der MA 37 vom 22. Mai 2001 erteilte diesbezügliche Entfernungsauftrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. November 2001 gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen. Die erstinstanzliche Behörde hätte nicht begründet, warum die zu beseitigenden Baulichkeiten vorschriftswidrig seien. Insbesondere müsse geprüft werden, ob eine Vergrößerung des bestehenden Gebäudes in waag- oder lotrechter Richtung erfolgt sei und damit ein bewilligungspflichtiger Zubau gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BauO für Wien vorliege. Liege kein Zubau vor, müsse beurteilt werden, ob die Baulichkeiten als bewilligungsfreie Vorhaben gemäß § 62a BauO für Wien anzusehen seien.

Nach Durchführung einer Verhandlung an Ort und Stelle, bei der ein Aufbau auch auf der Terrasse der Wohnung 1b/Top 4 der Sechstbeschwerdeführerin festgestellt worden war, erließ die MA 37 am 7. August 2002 einen Bescheid mit folgendem Spruch:

"Der Magistrat erteilt gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien den Eigentümern der Baulichkeiten auf der im Betreff genannten Liegenschaft nachstehenden Auftrag:

Innerhalb einer Frist von 5 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides sind folgende Zubauten auf den Dachterrassen zu beseitigen.

1) Der Glashauszubau aus PVC und Alukonstruktion im Ausmaß von ca. 3,50 x 1,50 m (H = ca. 2,20 m) auf der linken Dachterrasse des Hauses 2b (Top 3) hinter dem Stiegenhaus

2) Der Wintergartenzubau aus Holz-Glaskonstruktion im Ausmaß von ca. 5,0 m x 4,50 m (H = ca. 2,60 m) auf der linken Dachterrasse des Hauses 4 (Top 3).

3) Der an drei Seiten mit Eternitwänden geschlossene Flugdachzubau mit Wellplastikdeckung im Ausmaß von ca. 3,0 m x 3,50 m (H = ca. 2,10 m) auf der Dachterrasse des Hauses 3 (Top 4).

4) Der Wintergartenzubau aus PVC/Glaskonstruktion im Ausmaß von ca. 4,0 m x 5,0 m (H = ca. 2,20 m) auf der rechten Terrasse des straßenseitigen Hauses 1b (Top 4)."

Dieser Bescheid erging an alle 6 Beschwerdeführer als Eigentümer bzw. Miteigentümer der jeweils bezeichneten Baulichkeiten und als Liegenschaftsmiteigentümer. In der Begründung wurden die Aufbauten näher beschrieben und festgestellt, dass die Baulichkeiten die Attikakrone der Terrassen um ca. 1,10 m überragten und dass das Flugdach am Haus 3 innerhalb einer auf die Attika aufgelegten 45 Grad -Linie liege. Für alle Zubauten müsse gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BauO für Wien eine Baubewilligung erwirkt werden. Die gestellte Frist sei nach der Art der angeordneten Maßnahmen angemessen.

Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer machten in ihrer dagegen erstatteten Berufung geltend, auf Grund des Alters des Wintergartens - er existiere bereits seit über 40 Jahren auf der Dachterrasse - müsse von einem vermuteten Konsens ausgegangen werden. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin hätten nur Verbesserungen am Wintergarten durchgeführt, das seien Änderungen, die nur unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 lit. c BauO für Wien bewilligungspflichtig seien. Damit hätte sich die Baubehörde erster Instanz nicht auseinander gesetzt, obwohl im aufhebenden Berufungsbescheid ausdrücklich die Prüfung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 lit. c BauO für Wien aufgetragen worden war.

Der Drittbeschwerdeführer erklärte in seiner Berufung, der Bescheid werde insofern angefochten, als eine Frist von 5 Monaten gesetzt worden sei, die Zubauten abzutragen. Weiters werde er deshalb angefochten, weil der Vorbehalt unterlassen worden sei, dass der Abbruch nur durchzuführen sei, wenn nicht die nachträgliche Genehmigung beantragt und letztlich erteilt werde. Die nachträgliche Genehmigung der beanstandeten Flachdachkonstruktion fordere die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer; da ein Miteigentümer, der hier auch die Anzeige erstattet hatte, die Zustimmung verweigere, müsse diese Zustimmung durch das Gericht ersetzt werden. Möglicherweise sei auch ein "Bescheid über die Bebauungsbestimmungen" zu erwirken, all dies sei nicht innerhalb von 5 Monaten möglich.

Die Viert- und Fünftbeschwerdeführer erklärten in ihrer Berufung, die Erzeugerfirma ihres als Glashaus bezeichneten Aufbaues hätte erklärt, dass dafür keine Baubewilligung erforderlich sei. Es handle sich nicht um einen Wintergarten, sondern um eine Möglichkeit, die Dachpflanzen im Winter frostsicher einzustellen. Es werde um einen unbefristeten Aufschub des Bescheides ersucht und es wurde angekündigt, dass sofort um eine nachträgliche Baubewilligung eingereicht werde.

Die Sechstbeschwerdeführerin erklärt in ihrer Berufung, die Grundfläche ihres Wintergartens betrage keineswegs 4 m x 5 m, sondern maximal 13,8 m2. Es sei gar nicht feststellbar, welche bauliche Konstruktion Gegenstand des baupolizeilichen Auftrages sei. Die Behörde hätte auch die Bewilligungspflicht dieses Bauwerks nicht begründet. Die Konstruktion sei vom öffentlichen Gut aus nicht einsehbar. Auch wenn die Konstruktion mit Schrauben und Dübeln befestigt sei, liege keine Bewilligungspflicht vor. Schließlich wird gerügt, dass die Frist von 5 Monaten zu kurz bemessen worden sei.

Die von der belangten Behörde herangezogene Magistratsabteilung 19 führte in ihrem Gutachten vom 4. August 2003 aus, dass die Zubauten aus dem Innenbereich (Grünbereichen der Wohnhausanlage) eingesehen werden können. Eine störende Einsicht aus dem öffentlichen Raum könne zumindest im Sommer nicht schlüssig nachgewiesen werden. Es könne aus den Grünbereichen der Siedlung eine störende Uneinheitlichkeit und ein teilweise barackenartig provisorischer Charakter (z.B. auf Haus 3) erkannt werden. Es werde hier eine bessere Nutzung der Terrassen auf Kosten der anderen Bewohner und des Stadtbildes erreicht. Die Störung der Gestaltung und Einheitlichkeit der Wohnhausanlage sei aus den Grünbereichen der Siedlung in erheblicher Weise erkennbar.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde alle Berufungen als unbegründet ab. Die Berufungen der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer hätten sich nicht gegen den Bauauftrag selbst, sondern nur gegen die Länge der Erfüllungsfrist gerichtet. Dass die Erfüllungsfrist zur Entfernung der Baulichkeiten zu kurz bemessen sei, sei von den drei Berufungswerbern nicht behauptet worden; es seien auch keine Gründe hervorgetreten, die an der Angemessenheit der Länge der Erfüllungsfrist im Hinblick auf die einfache Bauart der zu entfernenden Baulichkeiten Zweifel aufkommen ließen.

Zur Berufung der Erst- und Zweitbeschwerdeführer führte die belangte Behörde aus, schon in Anbetracht der Errichtung der gegenständlichen Wohnhausanlage erst ab dem Jahr 1967 könne von einem vermuteten Konsens keine Rede sein. Aus der Hauseinlage ergebe sich keine Bewilligung für den verfahrensgegenständlichen Wintergarten. Der Wintergarten sei als Zubau gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BauO für Wien bewilligungspflichtig, weil er nicht zu den im § 62a Abs. 1 leg. cit. genannten bewilligungsfreien Bauvorhaben zähle und direkt vom Stiegenhausaufbau und damit direkt vom bestehenden Gebäude zugänglich sei. Er stelle eine Vergrößerung des Gebäudes dar. Im Sinne des Berufungsbescheides im ersten Rechtsgang habe die Baubehörde erster Instanz nunmehr dargelegt, worauf sich die Bewilligungspflicht stütze.

Zur Berufung der Sechstbeschwerdeführerin wurde ausgeführt, dass auch nach den Angaben der Beschwerdeführerin der im § 62a Abs. 1 Z. 5 BauO für Wien genannte Schwellenwert von 12 m2 überschritten werde, sodass das Objekt der Bewilligungspflicht unterliege. Auch werde eine Änderung des äußeren Ansehens des Gebäudes bewirkt. Da die Aufbauten zerlegt und abtransportiert werden können, sei die Länge der Erfüllungsfrist angemessen.

Mit den dagegen erhobenen Beschwerden wird die Aufhebung dieses Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine gemeinsame Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 10 BauO für Wien (in der Fassung LGBl. Nr. 37/2001; BO) ist ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, zu beseitigen. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.

Ein Beseitigungsauftrag nach § 129 Abs. 10 BO setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass sowohl im Zeitpunkt der Errichtung der Baulichkeit als auch im Zeitpunkt der Erlassung des Bauauftrages der vorschriftswidrige Bau einer baubehördlichen Bewilligung bedurft hat (s beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 24. November 1998, Zl. 98/05/0151).

Im Beschwerdefall steht fest, dass für die gegenständlichen Baumaßnahmen weder eine Baubewilligung erwirkt noch eine Bauanzeige erstattet wurde. Die Behörden stützen die (aktuelle) Bewilligungspflicht auf § 60 Abs. 1 lit. a BO, hilfsweise auf § 60 Abs. 1 lit. c BO; diese Bestimmungen lauten auszugsweise:

"§ 60.

(1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

...

a) Neu-, Zu- und Umbauten. Unter Neubau ist die Errichtung neuer Gebäude zu verstehen; ein solcher liegt auch vor, wenn nach Abtragung bestehender Baulichkeiten die Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wieder benützt werden. ... Ein Raum liegt vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist; ein Aufenthaltsraum muss allseits umschlossen sein. Flugdächer mit einer bebauten Fläche von mehr als 25 m2 oder einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von mehr als 2,50 m gelten als Gebäude. Zubauten sind alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. ...

c) Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen, wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage; im Falle einer Änderung der Verwendung von Aufenthaltsräumen in Wohnzonen die rechtmäßig bestehende Benützung der Aufenthaltsräume als Wohnungen oder Betriebseinheiten im gesamten Gebäude, sofern diese unter Berücksichtigung der beantragten Änderung nicht ausdrücklich als Wohnungen oder Betriebseinheiten bereits gewidmet sind."

Zubauten waren schon nach der Stammfassung der BauO für Wien bewilligungspflichtig, sie waren stets als Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung definiert (die hier nicht gegenständliche Ausnahme für die Errichtung von Dachgauben erfolgte mit der Novelle 1996). Flugdächer gelten seit der Novelle 1976 als Gebäude, mit der Novelle 1996 erfolgte die diesbezügliche, noch heute geltende Größenbeschränkung.

Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer brachten in ihrer Beschwerde vor, der beanstandete Wintergarten bewirke keine Vergrößerung des bisherigen Gebäudes, weil er die Gebäudegrenzen nicht überschreite. Es liege daher kein Zubau vor. Der Sachverhalt sei in Richtung darauf, ob § 60 Abs. 1 lit. c BO zur Anwendung komme, nicht vollständig ermittelt worden. Mangels Veränderung des äußeren Ansehens des Gebäudes liege eine Bewilligungspflicht nach dieser Bestimmung nicht vor. Es sei auch nicht erhoben worden, ob der Wintergarten im Zeitpunkt seiner Errichtung bewilligungspflichtig gewesen sei (behauptet wird, der Wintergarten bestehe schon seit mehreren Jahrzehnten).

Die Rechtsauffassung dieser Beschwerdeführer, der auf ihrer Dachterrasse errichtete Wintergarten stelle keinen Zubau dar, kann mit der oben wiedergegebenen Definition im § 60 Abs. 1 lit. a BO ("alle" Vergrößerungen) nicht in Einklang gebracht werden. Festgestellt wurde an Ort und Stelle, dass auf der Dachterrasse ein Wintergarten aus Holz mit Pultdach im Ausmaß von ca. 4,5 m x 5 m und einer Höhe von ca. 2,60 m aufgebracht worden sei. Eine derartige Errichtung auf einer Dachterrasse führt zwangsläufig zu einer Vergrößerung des Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung. Die Bewilligungspflicht für Zubauten bestand bereits im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes. Da Zubauten nach § 60 Abs. 1 lit. a BO bewilligungspflichtig sind, kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen einer Bewilligungspflicht nach § 60 Abs. 1 lit. c BO vorliegen. Dass einer der im § 62a Abs. 1 BO genannten Tatbestände bewilligungsfreier Vorhaben vorläge, haben diese Beschwerdeführer (zu Recht) nicht behauptet.

Alle anderen Beschwerdeführer rügen, es sei nicht festgestellt worden, dass Wohnungseigentum vorliege. Dem ist zunächst zu erwidern, dass die Verwaltungsbehörden bei Bestimmung der Adressaten des Bauauftrages sehr wohl im Sinne des § 129 Abs. 10 BO den Fall des Wohnungseigentums entsprechend differenzierend berücksichtigt haben. Ob ihre Errichtungen im Sinne des § 62 BO bloß anzeigepflichtig gewesen wären, ist ohne Belang, weil keine zur Kenntnis genommene Bauanzeige vorliegt.

Der Drittbeschwerdeführer rügt, es sei nicht geprüft worden, ob sein Bauwerk bewilligungsfähig sei. Dem ist allerdings zu erwidern, dass die Bewilligungsfähigkeit keine Vorfrage im Auftragsverfahren darstellt und in diesem nicht zu prüfen ist (Moritz, BauO für Wien3, 355). Ein Beseitigungsauftrag ist ja auch dann zulässig, wenn ein Verfahren über eine nachträgliche Baubewilligung anhängig ist, wobei während der Anhängigkeit keine Strafbarkeit besteht und ein Beseitigungsauftrag nicht vollstreckt werden darf (Moritz, a.a.O., 353). Entgegen dem Vorbringen des Drittbeschwerdeführers waren dazu keine Sachverhaltsfeststellungen erforderlich.

Soweit die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer die Länge der Erfüllungsfrist als unzureichend rügen, ist festzuhalten, dass sie nicht geltend machen, ihre Baulichkeiten wären innerhalb der Frist von 5 Monaten ab Rechtskraft des Bescheides technisch nicht zu beseitigen. Sie meinen vielmehr, dass die Verfahrensdauer eines einzuleitenden und mangels Zustimmung eines Wohnungseigentümers (des Anzeigers) auch langwierigen Bewilligungsverfahrens bei Bemessung der Erfüllungsfrist hätte berücksichtigt werden müssen.

Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Bemessung der Erfüllungsfrist für einen Auftrag zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Zustandes nicht auf die zur Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung erforderliche Zeit Bedacht zu nehmen ist (hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 91/05/0094 m. w.N.). Insbesondere kommt eine Bedachtnahme auf einen unter den Eigentümern stattfindenden Zivilprozess nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1997, Zl. 96/05/0266), sodass es auch hier nicht darauf ankommen kann, ob erst die Zustimmung eines Miteigentümers im Außerstreitverfahren erwirkt werden muss.

Die Viert- und Fünftbeschwerdeführer brachten vor, ein auf die Fläche aufgesetzter Aluminiumkäfig mit Plexiglasplatten, der nur gegen das Verschieben durch den Wind auf dem Boden der Terrasse verschraubt sei, sei kein Gebäude, welches mit Grund und Boden so verbunden sei, dass es ohne Beschädigung der Substanz nicht entfernt werden könne. Das Objekt sei nicht bewilligungspflichtig.

Die belangte Behörde hält dem (wie dem gesamten Beschwerdevorbringen der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer) entgegen, dass sich deren Berufungen gegen den Bescheid der Baubehörde erster Instanz lediglich gegen die Länge der Erfüllungsfrist, nicht aber gegen den Bauauftrag gerichtet hätten. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Bauauftrages wäre ihnen gegenüber der Bescheid daher in Rechtskraft erwachsen; das Beschwerdevorbringen sei in diesem Teil unbeachtlich.

Es ist zwar richtig, dass die Erfüllungsfrist gesondert angefochten werden kann, sodass der Auftrag allein in Rechtskraft erwächst (Hengstschläger/Leeb, AVG § 59, Rz. 61). Eine solche Beschränkung kann allerdings der Berufung des Viertbeschwerdeführers und der Fünftbeschwerdeführerin nicht entnommen werden. Es wird dort keine Einschränkung auf irgendwelche Bescheidteile vorgenommen; die Berufungswerber erklärten, dass sie der Meinung gewesen seien, es sei keine Baubewilligung erforderlich und dass sie um einen unbefristeten Aufschub des Bescheides ersuchten, wobei sie um eine nachträgliche Baubewilligung einreichen würden.

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten; fehlt ein begründeter Berufungsantrag, so ist die Berufung nach § 13 Abs. 3 AVG zur Verbesserung zurückzustellen (Walter-Thienel, MSA Verwaltungsverfahrensgesetze16, 124).

Von der Möglichkeit, die Berufungswerber zu einer Präzisierung des Berufungsantrages aufzufordern, hat die belangte Behörde keinen Gebrauch gemacht; im Zweifel kann aber ein Begehren um einen unbefristeten "Aufschub des Bescheides" nicht dahingehend verstanden werden, dass die Berufungswerber den Bauauftrag selbst in Rechtskraft erlassen wollten und bloß eine Verlängerung der Erfüllungsfrist wünschten.

Damit blieb es dem Viertbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführerin auch nicht verwehrt, im Rahmen ihrer Rechtsrüge vor dem Verwaltungsgerichtshof die Frage der Bewilligungspflicht der getroffenen Ausführung aufzuwerfen. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die Bewilligungsfreiheit nach § 62a Abs. 1 BO in Betracht kommt. Dies hätte die belangte Behörde prüfen müssen, weil auch die nunmehrige Bewilligungsfreiheit, wie oben ausgeführt, die Erlassung eines Bauauftrages hindert, soweit dem nicht § 62a Abs. 3 BO entgegensteht.

Damit erweist sich nur die Beschwerde des Viertbeschwerdeführers und der Fünftbeschwerdeführerin als berechtigt, sodass der angefochtene Bescheid im Umfang des sie betreffenden Ausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Die übrigen Beschwerden erwiesen sich als unberechtigt, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Juni 2006

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