VwGH 2002/09/0165

VwGH2002/09/016525.5.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über den Antrag des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Wien vom 2. Oktober 2002, Zl. 33 Cg 18/01m, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. Februar 1998, Zl. 10/13117/698 457, betreffend Feststellung gemäß Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 (weitere Parteien des Verfahrens gemäß § 64 VwGG: 1. E in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74; 2. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1010 Wien, Singerstraße 17-19;

3. Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien in 1010 Wien, Weihburgasse 30), zu Recht erkannt:

Normen

AHG 1949 §11 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §70;
ZPO §499 Abs2;
AHG 1949 §11 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §70;
ZPO §499 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 67 VwGG wird festgestellt, dass der Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. Februar 1998, Zl. 10/13117/698 457, rechtswidrig war.

Die in diesem Verfahren erwachsenen Kosten sind Kosten des Rechtsstreites vor dem antragstellenden Gericht.

Begründung

Die erstgenannte weitere Partei, ein türkischer Staatsangehöriger, begehrte mit an das Arbeitsmarktservice Wien gerichtetem Antrag vom 25. Oktober 1996 "in Entsprechung des sich aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei ergebenden Anspruches" die Erlassung eines Feststellungsbescheides mit dem Wortlaut: "Mit Bescheid festzustellen, dass er berechtigt ist, vorbehaltlich allfälliger Vorrechte österreichischer Arbeitnehmer ein Stellenangebot anzunehmen und hiefür eine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zu erhalten".

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Handel-Transport-Verkehr-Landwirtschaft Wien erließ am 9. Dezember 1996 einen an E als Bescheidadressaten gerichteten Bescheid mit folgendem Spruch:

"Auf Grund des Antrages vom 28.10.1996 wird festgestellt, daß Herr E, geb.: 1.9.1973, StA: Türkei die Voraussetzungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 erster

Gedankenstrich des Beschlusses 1/1980 des Assoziationsrates vom 19.9.1980 über die Entwicklung der Assoziation

nicht erfüllt.

Für die Aufnahme einer unselbstständigen Beschäftigung in Österreich sind sie nicht vom Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgenommen.

Eine Arbeitsaufnahme ist nur möglich, wenn sie im Besitz einer gültigen Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis oder eines gültigen Befreiungsscheines sind. "

Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 19. Februar 1998 hat die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (im Folgenden: Behörde) über die Berufung des E gegen den Bescheid (der regionalen Geschäftsstelle) des Arbeitsmarktservice Handel-Transport-Verkehr-Landwirtschaft Wien vom 9. Dezember 1996 wie folgt entschieden.

"Der Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, in Verbindung mit Art. 7 erster Unterabsatz des Beschlusses 1/1980 des Assoziationsrates vom 19.9.1980 über die Entwicklung der Assoziation

keine Folge

gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird bestätigt."

In weiterer Folge hat die Behörde mit Bescheid vom 29. Dezember 1999 den hier verfahrensgegenständlichen Bescheid (vom 19. Februar 1998) gemäß § 68 Abs. 2 AVG von Amts wegen aufgehoben (Spruchpunkt 1.), der Berufung des E gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben und die Feststellung getroffen, es würden "die Voraussetzungen des Art. 7 erster Unterabsatz des Beschlusses 1/1980 des Assoziationsrates vom 19.9.1980 (ARB Nr. 1/1980) im gegenwärtigen Zeitpunkt durch Herrn E, geb, 1.9.1973, StA.: Türkei erfüllt" (Spruchpunkt 2.).

Beim Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien ist zur Zl. 33 Cg 18/01m ein Rechtsstreit zwischen E als Kläger und der Republik Österreich als beklagter Partei anhängig, in welchem E einen Betrag von öS 15.145,20 (EUR 1.100,64) samt 4 % Zinsen seit 2. April 2001 aus dem Titel der Amtshaftung begehrt, weil er gegen einen rechtswidrig unvertretbaren Berufungsbescheid der Behörde an den Verfassungsgerichtshof habe Beschwerde erheben müssen, deren - vom Verfassungsgerichtshof nicht zugesprochenen - Honorarbeträge ihm als Schaden entstanden seien.

Das Prozessgericht (Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien) hat - nach Fassung eines Unterbrechungsbeschlusses am 27. August 2002 - an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 11 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz den Antrag gestellt, es wolle die Rechtswidrigkeit des Bescheides der Behörde vom 19. Februar 1998 festgestellt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Einlangen von Stellungnahmen des E, der Finanzprokuratur sowie einer Gegenschrift der Behörde und der Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens - erwogen:

Eingangs ist klarzustellen, dass dem Verwaltungsgerichtshof keine Überprüfungsbefugnis dahingehend zukommt, ob die Frage, die Entscheidung des Amtshaftungsprozesses sei von der Rechtswidrigkeit des zu überprüfenden Bescheides abhängig, vom Amtshaftungsgericht richtig oder unrichtig beurteilt wurde (vgl. den hg. Beschluss vom 9. November 2004, Zl. 2004/01/0418, mwN.).

Die gegenständlich allein vorzunehmende Prüfung, ob der Berufungsbescheid vom 19. Februar 1998, der infolge amtswegiger Aufhebung dem Rechtsbestand nicht mehr angehört, rechtmäßig oder unrechtmäßig war, führt schon aufgrund folgender Erwägungen zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides:

Die Behörde hat mit dem hier verfahrensgegenständlichen Berufungsbescheid (vom 19. Februar 1998) den erstinstanzlichen Bescheid (vom 9. Dezember 1996) inhaltlich unverändert bestätigt. In dieser Hinsicht hat sie die Rechtslage insofern verkannt, als sie mit dem zu überprüfenden Bescheid eine Entscheidung über die durch den Antrag festgelegte "Sache" des Verwaltungsverfahrens hinaus traf, wenn sie - anstelle einer Abweisung oder Stattgebung des Antrages - ausdrücklich aussprach, E erfülle die Voraussetzungen gemäß Art. 7 Abs. 1 erster Gedankenstrich des ARB Nr. 1/1980 nicht. Von daher hat die Behörde aber einen bescheidmäßigen Abspruch über den von E gestellten Antrag (auf positive Feststellung) unterlassen. Stattdessen hat sie eine bescheidmäßige Feststellung getroffen, die von E nicht beantragt worden war. Ein Feststellungsbescheid, wie er von der Behörde erlassen wurde, hätte eines entsprechenden Parteiantrages bedurft und durfte nicht von Amts wegen erlassen werden (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Mai 1998, Zl. 96/09/0297, vom 17. Jänner 2000, Zl. 97/09/0014, vom 17. Mai 2000, Zl. 99/09/0072, vom 18. Oktober 2000, Zl. 98/09/0012, und vom 31. Jänner 2001, Zl. 98/09/0357).

Bei Erlassung des hier verfahrensgegenständlichen Berufungsbescheides vom 19. Februar 1998 hat die Behörde ferner die seit 1. Jänner 1998 durch Inkrafttreten des § 4c Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG; BGBl. I Nr. 78/1997) geänderte Rechtslage nicht berücksichtigt, wonach mit 1. Jänner 1998 das maßgebliche Interesse für die Ermächtigung zur Erlassung eines Feststellungsbescheides weggefallen ist (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 15. März 2000, Zl. 98/09/0054, und jeweils vom 28. September 2000, Zl. 98/09/0106 und Zl. 98/09/0115).

Als Ergebnis ist somit - ohne dass auf die Bescheidbegründung unter dem Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des E noch eingegangen werden muss - festzuhalten, dass der Bescheid der Behörde vom 19. Februar 1998 rechtswidrig war, was gemäß § 67 VwGG festzustellen war (vgl. zur Zulässigkeit eines feststellenden Erkenntnisses, wenn der zu überprüfenden Bescheid dem Rechtsbestand nicht mehr angehört, das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1998, Zl. 97/02/0496).

Der Ausspruch über die (in den Schriftsätzen der weiteren Parteien verzeichneten) Kosten beruht auf § 68 VwGG.

Wien, am 25. Mai 2005

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