VwGH 2001/06/0146

VwGH2001/06/014622.2.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des AW in Sch, vertreten durch Dr. Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt in 6010 Innsbruck, Müllerstraße 3, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 13. Jänner 1999, Zl. IIb1-L-2360/2-1999, betreffend Feststellung des Bestandes einer Straßeninteressentschaft und Genehmigung einer Satzung (mitbeteiligte Parteien: 1. Straßeninteressentschaft S-Brücke, vertreten durch den Obmann SH; 2. Gemeinde Sch, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §56;
B-VG Art119a Abs5;
LStG Tir 1951 §42 Abs1;
LStG Tir 1951 §45 Abs1;
LStG Tir 1989 §21 Abs2;
LStG Tir 1989 §79 Abs2;
AVG §37;
AVG §56;
B-VG Art119a Abs5;
LStG Tir 1951 §42 Abs1;
LStG Tir 1951 §45 Abs1;
LStG Tir 1989 §21 Abs2;
LStG Tir 1989 §79 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. Mai 1998 stellte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als Straßenbehörde erster Instanz gemäß § 79 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989 (TStG 1989), fest, "dass die gegenständliche Wegverbindung 'T' bis zum Anschluss an die Gemeindestraße 'N' zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits als öffentlicher Interessentenweg bestanden hat und daher als öffentliche Interessentenstraße 'S-Brücke' im Sinne dieses Gesetzes gilt". In einem weiteren Spruchpunkt wurde die "von der Straßeninteressentschaft aufgrund des Vollversammlungsbeschlusses vom 11. 12. 1997 beschlossene bzw. geänderte und an die Bestimmungen des TStG 1989 angepasste Satzung ... gemäß § 21 (1) TStG 1989 genehmigt".

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die bestehende Wegverbindung in Sch bereits seit vielen Generationen bekannt und bis zum jetzigen Ausbau der Gemeindestraßen in die Ortsteile "B" und "G" bzw. "S" auch die ständig benützte Verbindung von "S", "O" und vom "G-Graben" in das Dorf Sch gewesen sei. Eine Verhandlungsschrift vom 18. Mai 1958 bestätige, dass die Gemeinde Sch von der Bezirkshauptmannschaft K unter Hinweis auf § 48 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 1/1951 (TStG 1951), aufgefordert worden sei, die Interessenten unverzüglich zum Neubau der durch die Hochwasser zerstörten Brücke über den "S-Bach" anzuhalten, nachdem die alte Brücke lediglich behelfsmäßig durch einen Steg ersetzt worden sei. Im Zuge dieser Verhandlung seien die Beitragsanteile zu den Brückenbaukosten festgesetzt und die Durchführung der Bauarbeiten besprochen worden. Nachdem der Brückenneubau dann im Herbst 1958 ausgeführt worden sei, sei in weiterer Folge auf Grund der Gemeinderatsbeschlüsse vom 30. Mai 1958 und 9. Oktober 1961 mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Sch vom 18. August 1962 die Aufteilung der Baukosten auf die einzelnen Interessenten erfolgt. Gemäß § 45 TStG 1951 sei in diesem Bescheid zitiert worden, dass für die Erhaltung eines bestehenden öffentlichen Interessentenweges diejenigen zu sorgen hätten, die den Weg bzw. die Brücke nach ständiger Übung bisher zu erhalten gehabt hätten. Es sei für die Gemeinde aus den vorhin angeführten Unterlagen daher zweifelsfrei abzuleiten, dass die bestehende Wegverbindung ein Interessentenweg im Sinne des TStG 1951 gewesen sei und dass eine Weginteressentschaft gemäß § 45 Abs. 1 TStG 1951 bestanden habe.

Gemäß § 79 Abs. 2 TStG 1989 würden die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden öffentlichen Interessentenwege als öffentliche Interessentenstraßen im Sinne dieses Gesetzes gelten. Die für diese öffentlichen Interessentenwege bestehenden Weginteressentschaften würden als Straßeninteressentschaften im Sinne dieses Gesetzes gelten. Die Tragung der auf die Mitglieder dieser Straßeninteressentschaften entfallenden Straßenbaulast richte sich bei den früheren Weginteressentschaften nach der bisherigen ständigen Übung. Im gegenständlichen Fall bedeute dies, dass eine übergeleitete Straßeninteressentschaft im Sinne des derzeit geltenden TStG 1989 existiere.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, der Eigentümer eines der Grundstücke ist, auf denen dieser festgestellte Interessentenweg verläuft, Berufung, in der er u.a. ausführte, dass es in der Verhandlung am 18. Mai 1958 und im Bescheid vom 18. August 1962 nur um den Neubau der Brücke über den S-Bach und eine diesbezügliche Kostenaufteilung gegangen sei, dadurch sei keine Weginteressentschaft im Sinne des § 45 TStG 1951 festgestellt oder begründet worden. Es habe nicht auf eine bisherige ständige Übung zurückgegriffen werden können, sondern es hätte eine eigene Regelung getroffen werden müssen.

Hinsichtlich des zweiten Spruchpunktes führte der Beschwerdeführer in seiner Berufung aus, dass schon begrifflich die Änderung bzw. Anpassung einer Satzung bei Weginteressentschaften (§ 45 Abs. 1 TStG 1951 in Zusammenhalt mit § 79 Abs. 2 TStG 1989) nicht möglich sei, weil das Wesen einer Weginteressentschaft darin liege, dass eben keine Satzung vorhanden sei, sondern die ständige Übung als Regelung diene. Wenn aber keine Satzung vorliege, so wäre zu prüfen gewesen, welchen anderen Rechtscharakter die gegenständliche Wegverbindung aufweise, also z.B. landwirtschaftlicher Weg, Güterweg, Privatstraße ohne öffentlichen Verkehr usw.

Mit Bescheid vom 29. Juni 1998 gab der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung des Beschwerdeführers Folge, behob den Bescheid des Bürgermeisters und verwies die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Erstbehörde. Dies mit der Begründung, eine Änderung bzw. Anpassung einer Satzung sei bei Weginteressentschaften (§ 45 TStG 1951) unmöglich, da solche Weginteressentschaften über keine Satzung verfügten. Eine Änderung oder Anpassung wäre nur bei Weggemeinschaften im Sinne des § 45 Abs. 3 TStG 1951 möglich. Die Wegerhaltung hätte sich nach der ständigen Übung zu halten, eine solche sei aber für die Berufungsbehörde nicht zu erkennen. Die Anlieger hätten nur einmal Beiträge für die Neuerrichtung der Brücke geleistet, nicht aber ständig zur Wegerhaltung beigetragen.

Aufgrund einer dagegen gerichteten Vorstellung behob die Tiroler Landesregierung den Berufungsbescheid vom 29. Juni 1998 mit Bescheid vom 11. August 1998 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde. Zur Begründung führte die Tiroler Landesregierung aus, dass eine Berufungsbehörde nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Rückverweisung der Angelegenheit an die Behörde der unteren Instanz berechtigt sei, wenn sich der Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung beheben lasse. In allen anderen Fällen habe die Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden. Bloße Begründungsmängel berechtigten die Berufungsbehörde nicht dazu, eine kassatorische Entscheidung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG zu fällen.

In materieller Hinsicht brachte die Tiroler Landesregierung

"aus verfahrensökonomischen Gründen ... noch einige Bemerkungen"

dahingehend an, dass das Bestehen oder Nichtbestehen einer Weginteressentschaft nicht von einer ständigen Übung hinsichtlich der Problemlösung oder Wegerhaltung nach § 79 Abs. 2 letzter Satz TStG 1989 abhängig gemacht werde. Bei den Versammlungen am 18. Mai 1958, 10. Mai 1959 und am 27. August 1974 sei stets von "Interessenten", "Beitragsanteilen" und einem "Interessentschaftsweg" die Rede gewesen, ebenso in einem rechtskräftigen Bescheid vom 18. August 1962 (hinsichtlich der Kostenaufteilung für die Errichtung der Brücke). Es sei nicht anzunehmen, dass alle Beteiligten in dieser Hinsicht einem Irrtum unterlegen seien. Die Ablehnung einer Verbesserungsmaßnahme am 10. Mai 1969 durch die Mehrheit der Interessenten könne nicht als Indiz für das Nichtbestehen eines Interessentschaftsweges gewertet werden, die Entscheidung über die Auflassung eines öffentlichen Interessentenweges obliege vielmehr dem Gemeinderat; ein solcher Rechtsakt sei jedoch nicht aktenkundig.

Basierend auf diesem aufsichtsbehördlichen Bescheid vom 11. August 1998 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 16. Dezember 1998 die Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid, wobei er begründend ausführte, dass der Gemeindevorstand gemäß § 112 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 "an die Rechtsmeinung der Aufsichtsbehörde gebunden" sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. Jänner 1999 wies die belangte Behörde die gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Dezember 1998 gerichtete Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

Dies wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen damit begründet, dass in der Verhandlung vom 18. Mai 1958 als Verhandlungsgegenstand die "Festsetzung der Beitragsanteile der Interessenten für den Neubau der S-Brücke" angeführt sei. Unter der Bezeichung "Darstellung der Sache" heiße es unter anderem, "Die im Zuge des Interessentschaftsweges

liegende ... S-Brücke wurde von den Interessenten bislang nicht

wieder neu errichtet ... Die Bezirkshauptmannschaft K hat die

Gemeinde unter Hinweis auf § 48 TStG (1951) beauftragt, die Erhaltungspflichtigen unverzüglich zum Neubau der Brücke zu verhalten." Aufgrund des einvernehmlichen Ausgangs dieser Verhandlung sei davon auszugehen, dass die 21 Unterfertigten sich als Interessenten eines Interessentenweges angesehen hätten. Auch die Bezirkshauptmannschaft K sei zweifelsfrei dieser Meinung gewesen, sonst hätte sie nicht die Gemeinde unter Bezugnahme auf § 48 TStG zur Veranlassung des Neubaues verhalten.

Im rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. August 1962 seien die Beitragsanteile der Interessenten für die Baukosten der Brücke festgelegt bzw. die Beitragsanteile einiger Interessenten neu festgesetzt worden. In der Bescheidbegründung sei ausgeführt worden, dass die S-Brücke im Zuge eines Interessentenweges liege, wobei auf die §§ 45 und 48 TStG 1951 Bezug genommen worden sei. Damit sei für die Behörde damals festgestanden, dass es sich beim gegenständlichen Weg um einen öffentlichen Interessentenweg gehandelt habe und die Interessenten eine Weginteressentschaft bildeten.

Eine Interessentenversammlung vom 10. Mai 1969 habe unter anderem die Festsetzung der Beitragsanteile zum Gegenstand gehabt. Eine weitere Interessentenversammlung habe am 2. September 1974 stattgefunden, bei dieser seien die Beitraganteile der Interessenten für die Ausbau-, Asphaltierungs- und Erhaltungskosten des N-Weges geregelt worden.

Aufgrund dieser vier Dokumente habe die Erstbehörde zu Recht davon ausgehen können, dass die bezeichnete Wegverbindung als öffentlicher Interessentenweg im Sinne des TStG 1951 existiere. Dies gehe insbesondere aus dem Bescheid vom 18. August 1962 mit Deutlichkeit hervor.

Wenn es der Beschwerdeführer als ungenügend erachte, dass im damaligen Verfahren kein Feststellungsverfahren über den rechtlichen Charakter durchgeführt worden sei, sei dem entgegen zu halten, dass weder die Überleitungsbestimmung des § 79 Abs. 2 TStG 1989 noch § 45 TStG 1951 ein solches Erfordernis erkennen ließen. Sei ein Sachverhalt hinreichend klar und eindeutig erwiesen, so seien keine weiteren Beweisaufnahmen mehr erforderlich. Der Beschwerdeführer könne keine Beweise vorlegen, die seinen Standpunkt erhärteten.

Bei Weginteressentschaften richte sich die Erhaltung des Weges nach der bisherigen ständigen Übung, die in vielen Fällen in Beiträgen in Form von Naturalleistungen der Interessenten bestehe. Im Fall des Neubaues einer Brücke sei dies nicht möglich, daher seien diesbezüglich die Kosten mit Bescheid vom 18. August 1962 in einem prozentuellen Aufteilungsschlüssel festgelegt worden.

Das TStG 1989 enthalte keine ausdrückliche Regelung für den äußerst seltenen Fall, dass einer als Straßeninteressentschaft übergeleiteten Weginteressentschaft erst eine Satzung gegeben werden müsse. Es sei aber sachgerecht, dafür die Vorschriften für die Änderung einer Satzung einer Straßeninteressentschaft heranzuziehen. Es stelle sich das Problem, die ständige Übung in Beitragsanteile umzurechnen. Dieses sei dergestalt zu lösen, dass sich die übergeleitete Straßeninteressentschaft eine den Bestimmungen des geltenden Gesetzes entsprechende Satzung zu geben habe. Eine vom Beschwerdeführer reklamierte Beibehaltung der bisherigen ständigen Übung für übergeleitete Straßeninteressentschaften würde bedeuten, dass diese weiterhin ohne Satzung bleiben müssten, wodurch sie nicht handlungsfähig im Sinne des geltenden Gesetzes wären.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Beschluss vom 24. September 2001, B 329/99-7, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene und vom Beschwerdeführer ergänzte Beschwerde, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler

Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989, lauten:

"§ 21

Satzung

(1) Die Satzung einer Straßeninteressentschaft hat jedenfalls zu enthalten:

a) den Namen, den Sitz und den Zweck der Straßeninteressentschaft,

b) die Bezeichnung der öffentlichen Interessentenstraße und eine Beschreibung ihres Verlaufes sowie die Festlegung allfälliger Benützungsbeschränkungen nach § 4 Abs. 2; solche Benützungsbeschränkungen dürfen nur insoweit festgelegt werden, als hiedurch öffentliche Verkehrsinteressen nicht beeinträchtigt werden,

c) den Namen und die Adresse der Interessenten sowie die auf sie entfallenden Beitragsanteile,

  1. d) die Rechte und Pflichten der Interessenten,
  2. e) die Festlegung der Organe der Straßeninteressentschaft und ihres jeweiligen Aufgabenbereiches.

(2) Eine Änderung der Satzung bedarf zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung der Behörde. Sie ist zu erteilen, wenn die vorgesehene Änderung diesem Gesetz nicht widerspricht.

...

§ 28

Vollversammlung

(1) Die Vollversammlung besteht aus sämtlichen Interessenten.

(2) Die Vollversammlung beschließt über

a) die Erklärung einer Straße zur öffentlichen Interessentenstraße, sofern es sich um eine durch Vertrag gebildete Straßeninteressentschaft handelt,

  1. b) eine Änderung der Satzung,
  2. c) den Bau, eine Verlegung oder eine bauliche Änderung der betreffenden öffentlichen Interessentenstraße,

    d) die Auflassung der betreffenden öffentlichen Interessentenstraße,

  1. e) die Wahl der im § 27 Abs. 1 lit. b bis e genannten Organe,
  2. f) den Jahresvoranschlag und die Jahresrechnung,
  3. g) jene Angelegenheiten, die ihr nach der Satzung vorbehalten sind.

(3) Der Obmann hat die Vollversammlung mindestens einmal jährlich zu einer ordentlichen Sitzung und überdies binnen zwei Wochen zu einer außerordentlichen Sitzung einzuberufen, wenn der Ausschuss dies beantragt. Die Interessenten sind zu den Sitzungen unter Bekanntgabe der vom Obmann festzulegenden Tagesordnung mindestens eine Woche vor der Sitzung schriftlich einzuladen.

(4) Die Vollversammlung ist beschlussfähig, wenn alle Interessenten ordnungsgemäß eingeladen wurden und der Obmann oder der Obmannstellvertreter und so viele weitere Interessenten anwesend sind, dass mehr als 50 v.H. der Beitragsanteile auf sie entfallen. Eine halbe Stunde nach dem in der Ladung festgesetzten Beginn ist die Vollversammlung unabhängig von der Anzahl der anwesenden weiteren Interessenten beschlussfähig.

(5) Die Interessenten können sich in der Vollversammlung durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen. Diese haben sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen. Von der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht kann abgesehen werden, wenn es sich um die Vertretung durch dem Obmann bekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige, Angestellte oder Funktionäre von beruflichen oder anderen Organisationen handelt und kein Zweifel über den Bestand und den Umfang der Vertretungsbefugnis besteht. Ein Bevollmächtigter darf höchstens drei Mitglieder vertreten.

(6) Zu einem Beschluss der Vollversammlung ist die Zustimmung so vieler Interessenten erforderlich, dass mehr als 50 v.H. der Beitragsanteile der anwesenden Interessenten auf sie entfallen. Der Beschluss über die Erklärung einer Straße zur öffentlichen Interessentenstraße sowie Beschlüsse über eine Änderung der Beitragsanteile bedürfen der Zustimmung aller Interessenten. Beschlüsse über die Wahl der Organe der Straßeninteressentschaft werden mit einfacher Mehrheit der Stimmen der anwesenden Interessenten gefasst. Stimmenthaltung gilt als Ablehnung.

(7) Über jede Sitzung ist eine Niederschrift aufzunehmen. Sie hat jedenfalls den Ort und den Tag der Sitzung, die Namen der anwesenden Interessenten, die Tagesordnung und die hierüber gefassten Beschlüsse unter Anführung des Abstimmungsergebnisses zu enthalten. Die Niederschrift ist vom Obmann und, wenn sie von einem Schriftführer abgefasst wurde, auch von diesem zu unterfertigen.

(8) Wurde eine Straßeninteressentschaft durch Bescheid gebildet, so hat die Behörde die Vollversammlung zu ihrer ersten Sitzung einzuberufen und diese Sitzung bis zur Wahl des Obmannes zu leiten. In diesem Fall ist die Vollversammlung beschlussfähig, wenn alle Interessenten ordnungsgemäß eingeladen wurden und so viele Interessenten anwesend sind, dass mehr als 50 v.H. der Beitragsanteile auf sie entfallen. Abs. 4 zweiter Satz gilt sinngemäß.

...

§ 79

Bestehende Eisenbahn-Zufahrtsstraßen

und öffentliche Interessentenwege

(1) Die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Eisenbahn-Zufahrtsstraßen gelten als öffentliche Interessentenstraßen im Sinne dieses Gesetzes. Die für diese Eisenbahn-Zufahrtsstraßen bestehenden Straßenkonkurrenzen gelten als Straßeninteressentschaften im Sinne dieses Gesetzes.

(2) Die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden öffentlichen Interessentenwege gelten als öffentliche Interessentenstraßen im Sinne dieses Gesetzes. Die für diese öffentlichen Interessentenwege bestehenden Weggemeinschaften bzw. Weginteressentschaften gelten als Straßeninteressentschaften im Sinne dieses Gesetzes. Die Tragung der auf die Mitglieder dieser Straßeninteressentschaften entfallenden Straßenbaulast richtet sich bei den früheren Weggemeinschaften nach der Satzung, bei den früheren Weginteressentschaften nach der bisherigen ständigen Übung."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 1/1951 (TStG 1951), lauten:

"§ 42. Allgemeines.

(1) Wege, die vorwiegend einem bestimmbaren, mit der Gesamtheit der Gemeindebewohner nicht zusammenfallenden Kreis von Benützern dienen, sind öffentliche Interessentenwege.

(2) Wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 zutreffen, ist es für die Eigenschaft als öffentlicher Interessentenweg gleichgültig, ob die Wegfläche im Grundbuch als öffentliches Gut oder als Privateigentum eingetragen oder überhaupt nicht als Weg ausgeschieden ist.

§ 43. Erklärung von Wegen als öffentliche Interessentenwege.

Die Erklärung eines neu angelegten oder bisher nicht öffentlichen Weges als öffentlichen Interessentenweg kann nur dann erfolgen, wenn jene Gruppe von Beteiligten für die Übernahme oder Herstellung und Erhaltung des Weges stimmt, die mindestens die einfache Mehrheit der Beteiligten umfasst und mindestens 75 v.H. der Übernahms- oder Bau- und Erhaltungskosten sich zu tragen verpflichtet.

...

§ 45. Erhaltung bestehender öffentlicher Interessentenwege.

(1) Für die bestimmungsgemäße Erhaltung eines bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden öffentlichen Interessentenweges haben diejenigen zu sorgen, die den Weg nach ständiger Übung bisher zu erhalten hatten (Weginteressentschaft).

(2) Bei wesentlicher Änderung der Voraussetzungen für die Aufteilung der Erhaltungspflichten sind diese auf Antrag eines oder mehrerer Beteiligter neu zu regeln.

(3) Auf Antrag eines oder mehrerer Beteiligter oder von Amts wegen kann eine Weginteressentschaft in eine Weggemeinschaft umgewandelt werden, der eine Satzung nach § 29 Abs. 2 zu geben ist.

...

§ 48. Aufsicht

(1) Die öffentlichen Interessentenwege unterliegen der Aufsicht der Gemeinde. Dabei obliegt dem Gemeinderat insbesondere:

a) die Entscheidung über die Öffentlichkeit eines Interessentenweges, die Zu- und Aberkennung der Eigenschaft als solchen, die Erklärung eines Weges als öffentlicher Interessentenweg sowie die Entscheidung über die Herstellung, Aufrechterhaltung oder Auflassung eines solchen;

b) die Entscheidung über das Bestehen und das Ausmaß eine Wegeerhaltungsverpflichtung sowie deren Neuregelung;

c) die Bildung oder Auflösung einer Weggemeinschaft sowie die Genehmigung der Satzung und Satzungsänderungen;

d) die Erlassung allgemeiner Anordnungen über die Benützung von Interessentenwegen.

..."

In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Tiroler Straßengesetz 1989 (abgedruckt in: Gstöttner, Tiroler Straßengesetz, 1989, 255) wird zu § 79 u.a. wie folgt ausgeführt:

"Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Gesetzes ist also davon auszugehen, dass hinsichtlich der überwiegenden Zahl der derzeit bestehenden öffentlichen Interessentenwege durch eine Satzung geregelte Weggemeinschaften bestehen. Daneben wird es aber noch einzelne Fälle geben, wo als Träger der öffentlichen Interessentenwege nur eine Weginteressentschaft im Sinne des § 45 Abs. 1 des bisherigen Tiroler Straßengesetzes besteht, für die keine Satzung vorliegt, und bei denen sich die Erhaltung des Weges nach der bisherigen ständigen Übung richtet. Nach Abs. 2 werden jedoch sämtliche bestehende öffentliche Interessentenwege als öffentliche Interessentenstraßen im Sinne des vorliegenden Gesetzes übergeleitet. Ebenso werden sowohl die bestehenden - durch Satzung geregelten - Weggemeinschaften als auch die - nicht durch Satzung geregelten - Weginteressentschaften als Straßeninteressentschaften im Sinne des vorliegenden Gesetzes übergeleitet. Die Verwaltung dieser übergeleiteten Straßeninteressentschaften richtet sich, soweit sie über eine Satzung verfügen, nach dem vorliegenden Gesetz und der Satzung, sofern keine Satzung vorliegt, unter Berücksichtigung der bestehenden Übung nach dem vorliegenden Gesetz."

Bei der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Feststellungsbescheides hatten die Gemeindebehörden zu prüfen, ob es sich bei der gegenständlichen Verkehrsfläche um einen Weg handelt, der im Sinne des § 42 Abs. 1 des Tiroler Straßengesetzes 1951 "vorwiegend einem bestimmbaren, mit der Gesamtheit der Gemeindebewohner nicht zusammenfallenden Kreis von Benützern dien(t)" und welche Personen im Sinne des § 45 Abs. 1 leg. cit. "den Weg nach ständiger Übung bisher zu erhalten hatten". Die Gemeindebehörden hatten sich daher mit der Frage zu befassen, welche - mit dem Bewusstsein der Rechtmäßigkeit verbundene - Übung bei der bisherigen Erhaltung und Pflege des Weges bestand, die gegebenenfalls kraft der positiv-rechtlichen Bestimmungen der §§ 42 Abs. 1 und 45 Abs. 1 TStG 1951 die Rechtsfolge des Bestandes einer Weginteressentschaft bewirkte.

Dem Beschwerdeführer ist zunächst dahingehend beizupflichten, dass der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde nicht berechtigt war, in seinem Bescheid vom 16. Dezember 1998 zur Begründung seiner Rechtsauffassung, es liege eine Weginteressentschaft im Sinne des § 45 Abs. 1 des TStG 1951 vor, bloß darauf zu verweisen, dass er gemäß § 112 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 an eine diesbezügliche Rechtsansicht der Tiroler Landesregierung in deren Bescheid vom 11. August 1998 gebunden sei. Eine solche Bindung bestand nämlich im vorliegenden Fall deswegen nicht, weil nur die den Spruch tragenden Gründe eines unangefochten gebliebenen, aufhebenden Bescheides der Vorstellungsbehörde - gemeinsam mit dem Spruch - für die Gemeindebehörden bindend sind (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. September 2000, Zl. 99/06/0059, und vom 26. September 2002, Zl. 2000/06/0070, m.w.N.). Die Ausführungen im angeführten Bescheid vom 11. August 1998 hinsichtlich der Frage, ob für die verfahrensgegenständliche Verkehrsfläche eine Weginteressentschaft im Sinne des § 45 Abs. 1 TStG 1951 bestehe, können aber nicht als die die Aufhebung tragenden Entscheidungsgründe angesehen werden. Sie bilden nach dem Zusammenhang dieses Bescheides keine logische Voraussetzung für dessen Spruch und sind insoferne als ein nicht von der Bindung erfasstes Dictum anzusehen.

Die tragenden Entscheidungsgründe im gegenständlichen aufhebenden Vorstellungsbescheid beschränkten sich darauf, dass der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde nicht berechtigt gewesen sei, in Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG den Bescheid des Bürgermeisters zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Dies geht im Übrigen auch aus der Formulierung des Vorstellungsbescheides vom 11. August 1998, es seien aus "verfahrensökonomischen Gründen ... noch einige Bemerkungen in materieller Hinsicht" angebracht, deutlich hervor.

Hinsichtlich seiner Feststellung, es habe nach den Kriterien des § 45 Abs. 1 des TStG 1951 eine Weginteressentschaft bestanden, enthält der Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Dezember 1998 keine weitere Begründung. Die Gemeindeaufsichtsbehörde darf aber im Rahmen ihrer aufsichtsbehördlichen Prüfungsbefugnis zum Zwecke der Kontrolle der Beweiswürdigung der Berufungsbehörde die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels prüfen und kann dergestalt auch zum Ergebnis kommen, dass die Annahmen der Berufungsbehörde bezüglich der von ihr festgestellten Ermittlungsergebnisse richtig sind. Die Vorstellungsbehörde darf im Rahmen der ihr übertragenen aufsichtsbehördlichen Rechtmäßigkeitskontrolle eines gemeindebehördlichen Bescheides also auch durch eigene Ermittlungen die Voraussetzungen für die endgültige Lösung der Frage, ob eine Rechtsverletzung des Vorstellungswerbers eingetreten ist, prüfen; sie ist berechtigt, selbständig ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, um sich darüber Gewissheit zu verschaffen, ob ein Vorstellungswerber infolge einer falschen oder unzureichenden Sachverhaltsermittlung durch den Bescheid des obersten Gemeindeorganes in einem Recht verletzt worden ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998, Zl. 98/05/0034, und vom 29. Jänner 2002, Zl. 2000/05/0251).

Dies hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall getan, indem sie mit dem angefochtenen Bescheid nähere Feststellungen hinsichtlich der beachteten Vorgangsweise betreffend die Erhaltung und den Ausbau des gegenständlichen Weges getroffen hat und darlegte, dass am 18. Mai 1958, 10. Mai 1969 und am 2. September 1974 jeweils Verhandlungen der "Interessenten" über Beitragsanteile für die Reparatur, den Ausbau und die Erhaltung des Weges bzw. seiner Teile (insbesondere der Brücke) stattfanden. Diese Feststellungen werden auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Aus den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ist auch ersichtlich, dass der Beschwerdeführer an diesen Verhandlungen auch teilgenommen hatte. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, dass der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 18. August 1962 für die Errichtung der S-Brücke, die "im Zuge eines Interessentenweges" liege, gemäß § 48 TStG 1951 Beitragsanteile festgesetzt hat.

Bei dieser Sachlage ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die Gemeindebehörden und die belangte Behörde im Hinblick darauf, dass der gegenständliche Weg unbestritten einem bestimmbaren, mit der Gesamtheit der Gemeindebewohner nicht zusammenfallenden Kreis von Benützern dient, diesen als öffentlichen Interessentenweg im Sinne des § 42 Abs. 1 TStG 1951 qualifizierten und diese Benützer, die den Weg nach "ständiger Übung" bisher zu erhalten hatten, gemäß § 45 Abs. 1 TStG 1951 als zu einer Weginteressentschaft verbunden annahmen.

Auch hinsichtlich des zweiten Spruchpunktes des Bescheides der Gemeindebehörden wurde der Beschwerdeführer nicht in Rechten verletzt. Wenn nämlich § 79 Abs. 2 erster Satz TStG 1989 anordnet, dass bei Inkrafttreten des Gesetzes bestehende öffentliche Interessentenwege als öffentliche Interessentenstraßen im Sinne des TStG 1989 gelten, so bedeutet dies, dass die für öffentliche Interessentenstraßen geltenden Regelungen dieses Gesetzes auch für übergeleitete öffentliche Interessentenwege ohne Satzung anzuwenden sind. Dazu gehört, dass auch bei ihnen die im Verhältnis der Interessenten geltenden Regelungen geändert werden dürfen, was mangels Weitergeltung des § 45 Abs. 1 TStG 1951 nicht mehr durch die Änderung einer "ständigen Übung" geschehen kann. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus den oben angeführten Erläuterungen.

Ob man nun die "ständige Übung" betreffend die Erhaltung übergeleiteter öffentlicher Interessentenwege als ungeschriebene Satzung und die erstmalige Erlassung einer Satzung als Änderung dieser gewohnheitsrechtlichen Satzung ansieht, oder aber vom Bestehen einer Lücke im Gesetz für die Neuerlassung von Satzungen von solchen übergeleiteten Interessentenwegen ausgeht: in beiden Fällen wird man zum Ergebnis gelangen, dass für eine solche Positivierung der Satzung die Regelungen des TStG 1989 betreffend die Änderung der Satzung anzuwenden sind.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 22. Februar 2005

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