VwGH 98/05/0034

VwGH98/05/003430.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Gutenberg-Werbering Gesellschaft mbH in Linz, vertreten durch Dr. Ludwig Pramer und Dr. Peter Lindinger, Rechtsanwälte in Linz, Graben 32/1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 13. Jänner 1998, Zl. BauR - 011714/6 - 1997/UM/Lg, betreffend ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 22. November 1995 zeigte die Beschwerdeführerin die Errichtung einer Werbe- oder Ankündigungseinrichtung von insgesamt mehr als 4 m2 Werbe- und Anzeigefläche am Standort Linz, Urfahr, Kreuzungsbereich Mühlkreisbahn-Hagenstraße, gegenüber 15 - 19, gemäß § 27 der O.Ö. Bauordnung 1994 (BO) an. Den beigelegten Unterlagen ist zu entnehmen, daß auf dem Areal der ehemaligen ESG-Remise, Grundstück Nr. .536, KG Urfahr, die Errichtung von Werbetafeln in einer Länge von 35 m entlang der Hagenstraße und in einer Länge von 15 m parallel zur Mühlkreisbahn vorgesehen ist.

In dem vom Magistrat der mitbeteiligten Partei eingeholten Sachverständigengutachten wird ausgeführt, daß das zur ortsbildmäßigen Begutachtung herangezogene Gebiet auf der südwestlichen Seite der Hagenstraße eine städtische Bebauung mit zwei bis drei Geschossen und dazwischen liegenden Gärten aufweise. Im Eckbereich der Hagenstraße und der Mühlkreisbahn befinde sich das freistehende Areal der ehemaligen Remise, welches vom Straßenzug Hagenstraße durch eine ca 1 m hohe Mauer getrennt sei. Die Werbetafeln stellten aufgrund ihrer Größe, Form und Farbe einen Fremdkörper in dem an sich harmonischen Ortsbild dar.

Mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 1. März 1996 wurde die angezeigte Errichtung der vorerwähnten Werbe- und Ankündigungseinrichtung wegen Störung des Orts- und Landschaftsbildes gemäß § 27 Abs. 6 in Verbindung mit §§ 54 und 55 BO untersagt.

Mit Bescheid des Stadtsenates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 9. April 1997 wurde der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben. In der Begründung stützte sich die Berufungsbehörde auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen vom 21. Februar 1997, in welchem ausgeführt wurde, daß die beabsichtigte Plakatwand in der harmonischen Einheit des für die ortsbildmäßige Begutachtung abgegrenzten Gebietes aufgrund der von den Plakattafeln dieser Art üblicherweise zu erwartenden, überaus auffälligen Farbgebung und durch die ungünstige Art der Aufstellung, durch die sich sämtliche Werbeflächen im Sichtbereich befänden, einen Fremdkörper darstellten, der durch die vorhandene Bebauung bzw. Begrünung in seinem negativen Erscheinungsbild weder verdeckt, noch abgemindert werden könne. Die visuelle Harmonie des Stadtteils würde durch die gegenständliche Werbeanlage, welche als störender Fremdkörper in Erscheinung trete, auf grobe Art und Weise durchbrochen; zudem würde sie eine Überlastung des Orts- und Landschaftsbildes im zur Begutachtung festgelegten Gebiet bewirken. Weiters würde die durch das Abbruchgelände gegebene Sichtbeziehung zwischen der Hagenstraße und der Landgutstraße aufgrund der Höhe der gesamten Werbeanlage von 3,40 m über dem öffentlichen Gut bzw. von 2,0 m über dem unbebauten Gelände zerstört.

Aufgrund der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde ein Gutachten der Geschäftsstelle für Dorf- und Stadtentwicklung des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. November 1997 eingeholt, in welchem nach Beschreibung der Plakattafeln und deren beabsichtigten Anordnung der für die Beschreibung des Ortsbildes maßgebliche Beurteilungsbereich abgegrenzt wurde. Zusammenfassend wurde das Ortsbild im Beurteilungsbereich aufgrund zweier relativ großflächiger Abbruchflächen sowie verschiedener Verkehrsbauwerke nur als teilweise harmonisch bezeichnet. Größere Teile des Beurteilungsbereiches bedürften offensichtlich dringender Gestaltung. Echte Störungen des Ortsbildes lägen jedoch derzeit nicht vor. Durch eine Realisierung der geplanten Plakattafeln wäre eine schlagartige gravierende Veränderung des Ortsbildes mit störender Wirkung im Beurteilungsbereich verbunden, weil sie zwar das Abbruchgelände teilweise verdecken würden, keinesfalls aber eine Aufwertung eben jenes Areals im Sinne einer Gestaltung des Ortsbildes mit sich brächten. Der an der Hagenstraße liegende Teil der geplanten Anlage würde mit seiner Gesamthöhe von bis zu 3,40 m die derzeit freie Sicht von der Kaarstraße zur Hagenstraße behindern und durch die Rückseiten der Plakatwände verunstalten. Der den Einreichunterlagen zu entnehmende Höhenvorsprung an der Ausfahrt würde besonders von der südlichen Hagenstraße aus durchaus störend in Erscheinung treten. Den ca. 14,6 m langen Abschnitt der Werbeanlage im Westen beurteilte der Sachverständige als nicht störend.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der

O.Ö. Landesregierung vom 13. Jänner 1998 wurde - gestützt auf das vorerwähnte Sachverständigengutachten - der Vorstellung der Beschwerdeführerin mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß die Beschwerdeführerin durch diesen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt wird. Das Sachverständigengutachten beruhe auf einem eingehenden Befund und sei schlüssig. Aufgrund dieser Ergänzung des Ermittlungsverfahrens der Berufungsbehörde könne der aus den Ergebnissen des baubehördlichen Verfahrens gezogenen Schlußfolgerung der Berufungsbehörde, daß durch die gegenständliche Werbeanlage eine Störung des Ortsbildes bewirkt werde, nicht entgegengetreten werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "auf Errichtung einer baulichen Anlage bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen" sowie in ihrem Recht auf Durchführung eines ordentlichen Verwaltungsverfahrens verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Sie führt in den Beschwerdegründen aus, Aufgabe des Vorstellungsverfahrens sei es, zu überprüfen, ob der Vorstellungswerber im vorangegangenen Verwaltungsverfahren in seinen Rechten verletzt wurde. Die Beseitigung einer Rechtsverletzung im Vorstellungsverfahren selbst sei jedoch nicht möglich, da die Vorstellungsbehörde nur in Form einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides vorgehen könne, eine reformatorische Entscheidung jedoch nicht möglich sei. Aus dem im Zuge des Vorstellungsverfahrens eingeholten Gutachten ergebe sich ohne weiteres, daß das der Vorstellung zugrunde liegende Verwaltungsverfahren mangelhaft geblieben sei, insbesondere weil die der zweitinstanzlichen Entscheidung zugrunde liegenden Gutachten unzureichend gewesen seien. Dies ergebe sich eindeutig aus Punkt 5. des in der Vorstellungsentscheidung wörtlich wiedergegebenen Gutachtens, wonach nach fachlicher Meinung des Gutachters die Errichtung eines Teiles der Werbeanlage gerechtfertigt sei, der Gutachter im Berufungsverfahren jedoch stets ausgeführt habe, daß jegliche Errichtung einer Werbeeinrichtung im gegenständlichen Bereich eine Störung des Ortsbildes darstellen würde. Da demnach die Gutachten im Berufungsverfahren eindeutig unrichtig gewesen seien, dieser Mangel im Vorstellungsverfahren jedoch nicht habe beseitigt werden können, hätte die belangte Behörde der Vorstellung Folge geben und den angefochtenen Bescheid beheben müssen. Das im Vorstellungsverfahren eingeholte Gutachten zeige deutlich, daß das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten zumindest zum Teil unschlüssig und unrichtig sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 74 des Statutes für die Landeshauptstadt Linz 1992, LGBl. Nr. 7, zuletzt geändert durch die Novelle

LGBl. Nr. 103/1997, kann, wer durch den Bescheid eines Organes der Stadt in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Stadt in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges dagegen Vorstellung erheben.

Nach Abs. 5 dieser Gesetzesstelle hat die Landesregierung, sofern die Vorstellung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadt zu verweisen.

Aus dem Umstand, daß im Vorstellungsverfahren der angefochtene gemeindebehördliche Bescheid im Falle einer Verletzung der subjektiven Rechte des Vorstellungswerbers nur aufgehoben werden kann, folgt, daß die Vorstellung die Aufsichtsbehörde nur zu einer Rechtmäßigkeitskontrolle berechtigt. Die Vorstellungsbehörde ist also nicht befugt, anstelle der Gemeinde in der Sache, die Gegenstand des gemeindebehördlichen Verfahrens war, selbst zu entscheiden. Bei der Ermessenskontrolle ist die Aufsichtsbehörde nicht berechtigt, aufgrund eigener Ermittlungen mangelhafte Entscheidungsgrundlagen im Verfahren vor der Gemeinde zu supplieren (siehe hiezu Berchtold, Gemeindeaufsicht, in Fröhler-Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht, Seite 44, sowie das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1981, Slg. Nr. 10.571/A, u.v.a.). Die Aufsichtsbehörde ist aber bei der Prüfung des gemeindebehördlichen Bescheides nicht an den von der Gemeindebehörde angenommenen Sachverhalt gebunden, vielmehr kann sie durch eigene Ermittlungen die Voraussetzungen für die endgültige Lösung der Frage, ob eine Rechtsverletzung des Vorstellungswerbers eingetreten ist, prüfen; sie ist also berechtigt, selbständig ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, um sich darüber Gewißheit zu verschaffen, ob ein Vorstellungswerber infolge einer falschen oder unzureichenden Sachverhaltsermittlung durch den Bescheid des obersten Gemeindeorganes in einem Recht verletzt wurde. Dies muß sie in einem von wesentlichen Verfahrensmängeln freien Verfahren tun (vgl. hiezu Berchtold, a.a.O., S. 45, ferner Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, S. 144, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Dezember 1971, Slg. 6602/1973, sowie das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1972, Slg. Nr. 7.896/A, u.v.a.).

War also die belangte Behörde der Ansicht, der entscheidungserhebliche Sachverhalt sei von der Berufungsbehörde mangelhaft oder nicht vollständig ermittelt worden, so durfte sie durch eigene Ermittlungen die Voraussetzungen für die endgültige Lösung der Frage, ob eine Rechtsverletzung des Vorstellungswerbers eingetreten ist, schaffen. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde dies durch Einholung eines Ortsbildgutachtens getan und konnte aufgrund dieses Gutachtens nunmehr abschließend beurteilen, daß die von der Gemeindebehörde gezogene Schlußfolgerung, das vorliegende Bauvorhaben widerspräche dem Ortsbild, den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens entspricht. Die Richtigkeit des der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Gutachtens wird in der Beschwerde nicht angezweifelt.

Auch wenn der von der belangten Behörde beigezogene Gutachter - von dem der Berufungsentscheidung zugrunde gelegten Gutachten abweichend - zu dem Schluß gekommen ist, daß ein Teil der von der Bauanzeige der Beschwerdeführerin vom 22. November 1995 umfaßten Plakattafeln das Ortsbild nicht stören würden, war die Entscheidung der Berufungsbehörde schon deshalb nicht rechtswidrig, weil ein Bauvorhaben grundsätzlich ein unteilbares Ganzes ist, das nur als solches von der Baubehörde zur Kenntnis genommen oder abgelehnt werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 95/05/0219, u.v.a.) und die Beschwerdeführerin eine Trennbarkeit des Bauvorhabens nicht behauptet und auch vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht geltend gemacht hat.

Aus diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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