VwGH 2003/05/0086

VwGH2003/05/008618.3.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde des Martin Wallinger in Klosterneuburg, vertreten durch Mag. Michael Mendel, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ungargasse 59-61, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Oktober 2000, Zl. RU1-V-00106/00, betreffend Parteistellung in einem Auftragsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. Gertraud Maria Mühlbach in Wien, vertreten durch Fellner, Wratzfeld & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Wipplingerstraße 23, 2. Stadtgemeinde Klosterneuburg), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §41 Abs2;
AVG §42 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauRallg;
AVG §41 Abs2;
AVG §42 idF 1998/I/158;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 21. Dezember 1998 beantragte der Beschwerdeführer einen "Feststellungsbescheid gemäß § 113 Abs. 2b NÖ Bauordnung 1976 für Kleinwohnhaus (wegen Widerspruchs z. Flächenwidmungsplan nicht genehmigungsfähiges Gebäude) in der Kat. Gem. Kierling, EZ. 1220 Straße Schießstattgraben 20, Gst. Nr. 1575/2".

Die "Anberaumung der mündlichen Verhandlung" vom 1. Februar 1999 in dieser Angelegenheit wurde der erstmitbeteiligten Partei, welche Eigentümerin einer unmittelbar anrainenden Liegenschaft ist, durch Hinterlegung zugestellt. Diese Ladung enthält als Rechtsbelehrung nur den Hinweis, dass gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel zulässig ist und sich dieser auf folgende "Rechtsgrundlagen" stützt: "§§ 19 Abs. 4, 40 bis 42 d. Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG 1991)". Einen Hinweis auf Präklusionsfolgen enthält dieser Bescheid nicht.

Die zur mündlichen Verhandlung am 11. Februar 1999 persönlich erschienene erstmitbeteiligte Partei sprach sich gegen die Erlassung des Feststellungsbescheides aus.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 17. November 1999 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 21. Dezember 1998 im Grunde der §§ 113 Abs. 2a und 2b der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-14 in Verbindung mit § 77 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200-0, stattgegeben.

Dieser Bescheid wurde der erstmitbeteiligten Partei auf Grund deren Antrages vom 22. November 1999 am 2. Dezember 1999 zugestellt. Dagegen erhob die erstmitbeteiligte Partei fristgerecht Berufung mit dem Antrag auf ersatzlose Aufhebung dieses Bescheides.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 30. Juni 2000 wurde diese Berufung als unzulässig zurückgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass die erstmitbeteiligte Partei ihre Parteistellung verloren habe, weil sie in der mündlichen Verhandlung und auch davor keine Einwendungen im Sinne des Gesetzes erhoben habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der erstmitbeteiligten Partei "stattgegeben", der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Klosterneuburg verwiesen. Tragender Aufhebungsgrund war, dass die Berufungsbehörde der erstmitbeteiligten Partei die Parteistellung im Verfahren zu Unrecht aberkannt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die erstmitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer replizierte zur Gegenschrift der erstmitbeteiligten Partei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Weder gegen die Rechtzeitigkeit der Beschwerde noch gegen die Legitimation des Beschwerdeführers zur Erhebung der Beschwerde hegt der Verwaltungsgerichtshof Bedenken. Die diesbezüglichen nicht näher begründeten Einwendungen der erstmitbeteiligten Partei vermögen daran nichts zu ändern.

Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in der Annahme der belangten Behörde, die erstmitbeteiligte Partei habe in dem auf Grund seines Antrages vom 21. Dezember 1998 eingeleiteten Verfahren Parteistellung, obwohl sie keine Einwendungen im Rechtssinne erhoben habe.

Dem Beschwerdefall liegt ein auf § 113 Abs. 2b der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-14, gestützter Antrag zu Grunde. Zur Klärung der strittigen Frage der Parteistellung der erstmitbeteiligten Partei in dem darüber abzuführenden Verfahren ist folgende Rechtslage von Bedeutung:

Gemäß § 78 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 ist dieses Gesetz am 1. Jänner 1997 in Kraft getreten.

§ 77 Abs. 1 dieses Gesetzes sieht vor, dass die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen sind.

In dem in der Folge mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 1999, G 132/98-9, VfSlg. 15.441, u.a., als verfassungswidrig aufgehobenen zweiten Satz dieser Gesetzesstelle war angeordnet, dass "Anträge nach § 113 Abs. 2b der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-14, (...) bis zum 31. Dezember 1999 gestellt werden (dürfen) und (nach der bisherigen Rechtslage)zu behandeln" sind.

In § 113 Abs. 2a NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-13, war angeordnet, dass - bei Vorliegen näher genannter Voraussetzungen - die Anordnung des Abbruches eines wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan nicht genehmigungsfähigen Gebäudes zu entfallen hat.

Der hier maßgebliche Abs. 2b dieses Paragraphen hat folgenden Wortlaut:

"Das Zutreffen dieser Voraussetzungen ist von der Baubehörde mittels Feststellungsbescheid über Antrag festzustellen. Diesem Antrag sind die erforderlichen Antragsbeilagen (§§ 96 und 97) anzuschließen.

Der Zeitpunkt des Baubeginns ist der Baubehörde nachzuweisen. Dem Feststellungsbescheid hat die Durchführung eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung von Sachverständigen und Anrainern voranzugehen. Anrainer haben Parteistellung im Rahmen des § 118 Abs. 8 und 9.

Dieser Bescheid berechtigt zur Benützung des Gebäudes und gilt nicht als baubehördliche Bewilligung. Die zukünftige Instandsetzung solcher Gebäude ist nur im Rahmen des § 92 Abs. 1 Z. 4, sonstige Veränderungen sind nur im Rahmen des § 95 zulässig."

Gemäß § 118 Abs. 8 NÖ Bauordnung 1976 genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.

Gemäß Abs. 9 dieses Paragraphen werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. (Es folgt eine beispielsweise Aufzählung solcher Rechte.)

Im Verfahren gemäß § 113 Abs. 2b NÖ Bauordnung 1976 sind demnach die Regelungen des § 118 Abs. 8 NÖ Bauordnung 1976 über die Parteistellung der (Anrainer) Nachbarn anzuwenden.

Nachbarn (Anrainer) im Sinne des § 118 Abs. 8 NÖ Bauordnung 1976 sind diejenigen Personen, die in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1993, Zl. 93/05/0044). Im Hinblick auf die beschränkte Parteistellung der Nachbarn gemäß § 118 Abs. 8 NÖ Bauordnung 1976 ist zu beachten, dass deren Mitspracherecht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Weise beschränkt ist: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für den Nachbarn, der im Sinne des § 42 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 2003, Zl. 2001/06/0140, u.v.a.).

Bei der Prüfung, ob der Nachbar rechtzeitig Einwendungen erhoben hat, sind die Regelungen des § 42 AVG über den Verlust der Parteistellung zu beachten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. November 1992, Zl. 92/05/0053). Im Beschwerdefall waren dies im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bauverhandlung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 2000/05/0046) die Präklusionsregelungen des § 42 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998.

Nach § 42 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 AVG in der hier anzuwendenden Fassung verliert die von der Verhandlung rechtzeitig verständigte Person ihre Stellung als Partei, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Zum Verlust der Parteistellung nach § 42 AVG kommt es aber dann nicht, wenn in der Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung - entgegen § 41 Abs. 2 zweiter Satz AVG - nicht auf diese in § 42 AVG vorgesehenen Rechtsfolgen verwiesen wird, wobei die bloße Anführung von Paragraphenbezeichnungen, hier u.a. des § 42 AVG nicht ausreicht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. November 2001, Zl. 2000/05/0271).

Im Beschwerdefall hat die Baubehörde erster Instanz in der Anberaumung der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 1999 als Rechtsgrundlagen nur die §§ 19 Abs. 4 und 40 bis 42 AVG zitiert, auf die Rechtsfolge des Verlustes der Parteistellung jedoch nicht hingewiesen, weshalb durch die Unterlassung von Einwendungen bis zur bzw. in der Verhandlung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG in der hier maßgeblichen Fassung der Verlust der Parteistellung nicht eintreten konnte.

Die Berufung der erstmitbeteiligten Partei gegen den Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Stadtgemeinde vom 17. November 1999 war daher aus diesem Grunde nicht unzulässig; die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 30. Juni 2000 durch die belangte Behörde aus dem im angefochtenen Bescheid genannten tragenden Aufhebungsgrund ist somit frei von Rechtsirrtum. Ob die erstmitbeteiligte Partei zulässige Einwendungen im Sinne des § 118 Abs. 9 NÖ Bauordnung 1976 erhoben hat, wird im Rahmen der Behandlung der somit zulässigen Berufung zu prüfen sein und ist daher nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. März 2004

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