VwGH 2001/12/0042

VwGH2001/12/004213.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde der M in S, vertreten durch Dr. Heimo Hofstätter, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Marburgerkai 47, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Dezember 2000, Zl. ABS-21 Me 11/3-00, betreffend Feststellung der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage gemäß § 4 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1965, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
LDG 1984 §106;
PG 1965 §4 Abs3 idF 1998/I/123;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1998/I/123;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1998/I/123;
AVG §56;
LDG 1984 §106;
PG 1965 §4 Abs3 idF 1998/I/123;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1998/I/123;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1998/I/123;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage gemäß § 4 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1965 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im Jahr 1954 geborene Beschwerdeführerin steht als Berufsschuloberlehrerin im Ruhestand in einem öffentlichrechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Steiermark. Ihre letzte Dienststelle war die Landesberufsschule X.

Im Rahmen des Ruhestandsversetzungsverfahrens holte der Landesschulrat für Steiermark bei der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung ein amtsärztliches Gutachten ein. Die Amtsärztin Dr. Z. führte in ihrem (handschriftlichen) Gutachten vom 17. Mai 2000 unter dem Punkt "Anamnese" Folgendes aus:

"Seit 20 J. Migräne; therapieresistent trotz zahlreicher

ärztl. Interventionen;

massiver Schmerzmittelgebrauch;

Seit 88 rezidivierende ulcera duod. u. gastr.

Seit einigen Jahren schmerzbed. reakt. Depressio

Z.n. Nikotinabusus; durchschnittlich 2-3 xige Migräneanfälle"

Als Krankheiten (Leiden), die eine Dienstbehinderung oder

Dienstunfähigkeit bedingen, führte die Amtsärztin

"Migränoider Kopfschmerz

Reaktive depressive Störung

Schmerzsyndrom"

an.

In ihrem Gutachten gelangte die Amtsärztin schließlich zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin zwar dauernd dienstunfähig sei, jedoch "erwerbsfähig für Tätigkeiten ohne Stress- und Lärmbelastung, zumindest Teilzeit". Aufgrund der erhobenen Befunde sei die Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit nicht zu erwarten. Die Beschwerdeführerin könne grundsätzlich nur leichte Tätigkeiten ohne Stress- oder Lärmbelastung ausüben; durch eine Lehrtätigkeit werde der Erkrankungsverlauf kontinuierlich verschlechtert und beschleunigt.

Mit Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 6. Juli 2000 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 12 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 (LDG 1984) mit Ablauf des 31. Juli 2000 in den Ruhestand versetzt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid vom selben Tag traf der Landesschulrat für

Steiermark folgende Entscheidung:

"Bescheid

1. Gemäß § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340/1965, in der geltenden Fassung, erfolgt keine Zurechnung von Jahren zur ruhegenussfähigen Landeslehrerdienstzeit.

2. Gemäß § 4 Abs. 3 des Pensionsgesetzes tritt eine Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage ein."

In der Begründung wurde zu Spruchpunkt 1 nach Wiedergabe des § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965) ausgeführt, dem amtsärztlichen Gutachten der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 17. Mai 2000 sei zu entnehmen, dass bei der Beschwerdeführerin zwar eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliege, nicht jedoch eine Unfähigkeit zu einem zumutbaren Erwerb. Zu Spruchpunkt 2 wurde nach Wiedergabe des § 4 Abs. 3 und 4 PG 1965 ausgeführt, dass die Ruhestandsversetzung im Fall der Beschwerdeführerin weder aus dem Grund eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit erfolgt sei, noch, wie aus dem amtsärztlichen Gutachten hervorgehe, eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliege.

In ihrer gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie aufgrund ihrer erblich bedingten Migräne, insbesondere wegen der Häufigkeit und Intensität der Anfälle (oftmals auch über mehrere Tage), nicht in der Lage sei, eine andere Erwerbstätigkeit auszuüben.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2000 gab der Landesschulrat für Steiermark der Beschwerdeführerin die Berechnungsgrundlage für den Ruhegenuss und die Höhe des Gesamtmonatsbruttobezuges, der ab dem 1. August 2000 "zur Auszahlung gebracht werde", bekannt.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2000 gab die Steiermärkische Landesregierung der Berufung teilweise Folge und sprach aus, dass gemäß § 9 Abs. 1 PG 1965 "ein Zeitraum von 10 Jahren zugerechnet" werde. Hinsichtlich der Anwendung der Kürzungsbestimmung gemäß § 4 Abs. 3 PG 1965 wies die Steiermärkische Landesregierung die Berufung jedoch ab und bestätigte den erstbehördlichen Bescheid. In der Begründung wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens sowie des § 9 Abs. 1 PG 1965 zunächst ausgeführt, aus dem amtsärztlichen Gutachten vom "26. Jänner 2000" (gemeint: 17. Mai 2000) gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin dauernd dienstunfähig sei. Sie könne nur leichte Tätigkeiten ohne Stress- und Lärmbelastung ausüben. Die Erkrankung der Beschwerdeführerin werde insbesondere durch eine Lehrtätigkeit kontinuierlich verschlechtert und beschleunigt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei neben der gesundheitlichen Eignung auch die Frage des sozialen Status eines Berufsschullehrers bei der Entscheidung über die Zumutbarkeit eines Erwerbes zu prüfen. Es könne einer Lehrperson mit Maturantenniveau, die sich in einer exponierten, sozial höheren Stellung befinde, aus sozialen Gründen nicht zugemutet werden, eine andere einfache Tätigkeit, die vielleicht aus medizinischen Gründen vertretbar wäre, auszuüben. Aus diesem Grunde sei auch von der gesetzlichen Anrechnungspflicht von höchstens zehn Jahren Gebrauch zu machen. Nach Wiedergabe des § 4 Abs. 4 und 7 PG 1965 wurde schließlich ausgeführt, dass der Gesetzgeber zwischen den Begriffen "Erwerbsunfähigkeit" im Sinne des § 4 leg. cit. und "zumutbarer Erwerbsfähigkeit" im Sinne des § 9 leg. cit. unterscheide. Laut Gutachten der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung liege bei der Beschwerdeführerin Erwerbsfähigkeit (wenn auch nicht im Lehrberuf) vor. Die Anwendung der Kürzungsbestimmung des § 4 PG 1965 sei daher zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid, und zwar erkennbar nur hinsichtlich der Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage gemäß § 4 Abs. 3 PG 1965, richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. § 106 LDG 1984, BGBl. Nr. 302, lautet (auszugsweise):

"§ 106. (1) Für das Besoldungs- und Pensionsrecht gelten unter Bedachtnahme auf Abs. 2 folgende Vorschriften, soweit nicht in den nachstehenden Bestimmungen anderes bestimmt wird:

...

2. das Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340,

..."

Gemäß § 106 Abs. 2 LDG 1984 ist das PG 1965 in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

1.2. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (nach dem Beschwerdevorbringen 2. Jänner 2001) lautete § 62j Abs. 2 PG 1965 idF des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000 (auszugsweise; die wiedergegebenen Passagen bereits idF des Pensionsreformgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 95):

"§ 62j. ...

(2) Auf Personen, die vor dem 1. Oktober 2000 Anspruch auf eine monatlich wiederkehrende Leistung nach diesem Bundesgesetz haben, sind die §§ 4, ... in der am 30. September 2000 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. ..."

1.3. Da die Beschwerdeführerin mit Ablauf des 31. Juli 2000 in den Ruhestand versetzt worden war, hatte sie mit 1. August 2000 - somit vor dem 1. Oktober 2000 - einen Anspruch auf eine monatlich wiederkehrende Leistung nach dem Pensionsgesetz 1965 erworben. Die am 30. September 2000 geltende Fassung des § 4 PG 1965 war im Wesentlichen die durch das 1. Budgetbegleitgesetz 1997, BGBl. I Nr. 138, und die 1. Dienstrechtsnovelle 1998, BGBl. I Nr. 123, bewirkt; sie lautete (auszugsweise):

"Ruhegenussermittlungsgrundlagen und Ruhegenussbemessungsgrundlage

§ 4. (1) Der Ruhegenuss wird auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt.

(2) 80 vH des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bilden die Ruhegenussbemessungsgrundlage.

(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.

(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt

  1. 1. im Fall des im Dienststand eingetretenen Todes des Beamten,
  2. 2. wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Beamten aus diesem Grund eine Versehrtenrente aus einer gesetzlichen Unfallversicherung gebührt oder

    3. wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.

    ...

(7) Als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z 3 gilt ein Beamter nur dann, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.

..."

2.1. Im Beschwerdefall stellt sich zunächst die Frage, ob die Erlassung eines gesonderten Feststellungsbescheides betreffend die Anwendung der Kürzungsbestimmung des § 4 Abs. 3 PG 1965 zulässig war.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Verwaltungsbehörden befugt, im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit auch Feststellungsbescheide zu erlassen, sofern hiefür entweder eine diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Anordnung vorliegt oder ein im öffentlichen Interesse begründeter Anlass dazu gegeben oder aber die Feststellung im rechtlichen Interesse einer Partei erforderlich ist und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen; ein Feststellungsbescheid ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens zu entscheiden ist, wobei insbesondere auch die Möglichkeit der Erlassung eines Leistungsbescheides der Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides entgegensteht (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 99/12/0152, mwN).

Das Vorliegen einer dauernden Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der hier maßgeblichen Fassung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Anwendung der Abschlagsregelung des § 4 Abs. 3 PG 1965 im Ruhegenussbemessungsverfahren entscheidend. Ein eigenes Feststellungsverfahren über die Frage der dauernden Erwerbsunfähigkeit ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Erlassung eines Feststellungsbescheides ist jedenfalls dann unzulässig, wenn die für die Feststellung maßgebliche Rechtsfrage ohnehin im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens, wie etwa einem Ruhegenussbemessungsverfahren, entschieden werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 2004, Zl. 2003/12/0118, mwN). Dem entsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof solcherart unzulässige gesonderte Feststellungsbescheide aufgehoben (vgl. die erwähnten hg Erkenntnisse vom 29. März 2000 und vom 24. März 2004).

Diese Judikatur betraf die Frage der Zulässigkeit einer gesonderten Feststellungsentscheidung betreffend die dauernde Erwerbsunfähigkeit gemäß § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965. Im Beschwerdefall wurde hingegen - unter Verneinung der dauernden Erwerbsunfähigkeit - eine abgesonderte bescheidmäßige Feststellung über die Anwendbarkeit der Kürzungsbestimmung des § 4 Abs. 3 PG 1965 getroffen. Auch die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit der Kürzungsbestimmung des § 4 Abs. 3 PG 1965 kann aber im Lichte der oben zitierten hg. Judikatur mangels gesetzlicher Grundlage nicht Gegenstand eines eigenen Feststellungsverfahrens sein; diese Frage ist vielmehr ausschließlich im Rahmen des Ruhegenussbemessungsverfahrens zu klären.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage hat die Erstbehörde dadurch, dass sie in einem gesonderten Feststellungsbescheid über die Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage gemäß § 4 Abs. 3 PG 1965 abgesprochen hat, eine unzulässige Feststellungsentscheidung getroffen. Indem die belangte Behörde diese erstbehördliche Entscheidung bestätigte, belastete sie ihren eigenen Bescheid (soweit er die Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage gemäß § 4 Abs. 3 PG 1965 betrifft) mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

2.2. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde den erstinstanzlichen Feststellungsbescheid hinsichtlich Spruchpunkt 2 zunächst ersatzlos aufzuheben haben. Sodann wird unter Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung, die Ruhegenussbemessung vorzunehmen sein. Zur dabei einzuhaltenden Vorgangsweise sei noch Folgendes angemerkt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine dauernde Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965 dann vor, wenn die im maßgebenden Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung allenfalls bestehende Erwerbsunfähigkeit nicht bloß eine vorübergehende ist, daher die Erwerbsfähigkeit innerhalb absehbarer Zeit nicht wiedererlangt werden kann. Der schon bisher in § 9 Abs. 1 PG 1965 (in der Fassung bis zum Pensionsreformgesetz 2000) verwendete Begriff der Erwerbsunfähigkeit (Unfähigkeit zu einem zumutbaren Erwerb) hat mit dem in § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965 verwendeten Begriff insofern eine "gemeinsame" Wurzel, als Erwerbsfähigkeit nach allgemeinem Sprachgebrauch bedeutet, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Die Erwerbsfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abstrakt zu beurteilen. Es ist daher nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten am Arbeitsmarkt verfügbar sind oder nicht; es muss sich nur um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist. Erwerbsfähigkeit in diesem Sinne setzt aber jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit des Beamten voraus. Hiebei ist weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2003, Zl. 2001/12/0236, mwN).

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu prüfen, ob der "frühpensionierte" Beamte wegen der bei ihm aus medizinischen Gründen notwendigerweise zu erwartenden leidensbedingten Krankenstände bzw. medizinisch-objektivierten Schmerzzustände sowie sonstiger (gesundheitlicher) Behinderungen am Arbeitsmarkt überhaupt eingegliedert werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2003, Zl. 99/12/0165, mwN).

Zur Beantwortung der Frage des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965 hat daher vorerst ein medizinischer Sachverständiger - tunlichst ein Arbeitsmediziner - ein Gutachten darüber zu erstatten, ob der Beamte aus medizinischer Sicht überhaupt noch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigt ist. Die Bejahung dieser Frage setzt voraus, dass der Beamte zumindest einen "Grenzgesundheitszustand" aufweist, der ihn befähigt, (irgend)einen Erwerb auszuüben. Hiebei hat der medizinische Sachverständige all jene arbeitsmedizinischen Rahmenkriterien abzustecken, innerhalb derer eine Erwerbstätigkeit des Beamten in Frage kommt. Aufgabe des berufskundlichen Sachverständigen ist es sodann, darauf aufbauend zu klären, ob innerhalb des vom (arbeits-)medizinischen Sachverständigen abgesteckten Rahmens möglicher Erwerbstätigkeit konkrete Arbeitsplätze (Berufsbilder) zugänglich sind (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2003 sowie das zur Ermittlung der Erwerbsunfähigkeit nach § 9 Abs. 1 PG 1965 in der Fassung der 8. Pensionsgesetz-Novelle ergangene hg. Erkenntnis vom 13. Juni 2003, Zl. 2001/12/0196).

Das von der belangten Behörde verwertete amtsärztliche Gutachten vom 17. Mai 2000 genügte diesen Anforderungen an das medizinische Sachverständigengutachten nicht. Die Amtsärztin gelangte ohne jede Begründung zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin die Ausübung leichter Tätigkeiten ohne Stress- oder Lärmbelastung möglich sei, eine Restarbeitsfähigkeit bei der Beschwerdeführerin somit vorhanden sei. Angesichts der im Gutachten unter dem Punkt "Anamnese" festgehaltenen zwei- bis dreimaligen Migräneanfälle - auf welches Zeitintervall sich dies bezieht, bleibt offen - und des Berufungsvorbringens, mit dem sich die belangte Behörde im Übrigen nicht auseinander gesetzt hat, ist jedenfalls klärungsbedürftig geblieben, inwieweit die Einsatzfähigkeit der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes tatsächlich noch gegeben ist. Das Gutachten enthält weiters keinerlei Auseinandersetzung mit der für die Beurteilung der Fähigkeit zu einem regelmäßigen Erwerb wesentlichen Frage der zu erwartenden leidensbedingten Krankenstände, und schließlich fehlt eine Erörterung der Frage, ob selbst bei der Ausübung (nur) leichter Tätigkeiten ohne Stress- und Lärmbelastung eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin zu erwarten wäre.

Die zuständige Behörde wird daher das ärztliche Sachverständigengutachten im oben dargelegten Sinn zu ergänzen haben und sodann erforderlichenfalls ein berufskundliches Gutachten einzuholen haben, in dem auch auf die Eingliederungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt bzw. auf die zu erwartenden leidensbedingten Krankenstände Bedacht zu nehmen sein wird.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Ersatz für die Eingabengebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Ausmaß von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 13. Oktober 2004

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