VwGH 2001/06/0149

VwGH2001/06/014918.6.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Dr. M R und der H R, beide in L, vertreten durch Dr. Sepp Manhart und Dr. Meinrad Einsle, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Römerstraße 19, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 20. September 2001, Zl. VIIa-410.534, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien:1. I GmbH & Co KG in H, vertreten durch Simma und Bechtold Rechtsanwälte KEG Dr. Henrik Gunz, Dr. Harald Hick, Rechtsanwalts-Gesellschaft in 9850 Dornbirn, Marktplatz 9, und

2. Gemeinde H), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §59;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
AVG §67;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litb;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs10;
BauRallg impl;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §59;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
AVG §67;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litb;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs10;
BauRallg impl;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Baugrundstück liegt - wie auch das südöstlich davon gelegene Grundstück der beschwerdeführenden Nachbarn - in als "Baufläche/Wohngebiet" gewidmetem Gebiet.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 29. Juni 2001 wurde der erstmitbeteiligten Gesellschaft nach mehrfachen Umplanungen und Durchführung dreier Bauverhandlungen zuletzt die Baubewilligung für die Errichtung eines teilweise dreigeschoßigen Wohnhauses mit neun Wohnungen, neun Autoeinstell- und neun Autoabstellplätzen auf dem unmittelbar an der Gemeindegrenze zur Nachbargemeinde L gelegenen Grundstück Nr. 2724 KG H unter Vorschreibung von Auflagen erteilt; damit wurden die u. a. von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen - allerdings nicht im Spruch des Bescheides - als nicht berechtigt erkannt. In der Begründung ihres Bescheides führte die Behörde erster Instanz im Hinblick auf die von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen im Wesentlichen aus, vom bau- und brandschutztechnischen Sachverständigen sei das Vorhaben vor dem Hintergrund der einschlägigen Vorschriften überprüft und es seien die von den Sachverständigen empfohlenen flankierenden Maßnahmen jeweils vollinhaltlich in Form von Auflagen im Bescheid berücksichtigt worden. Vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen sei dargelegt worden, dass eine Beeinträchtigung der im Baugesetz normierten öffentlichen Interessen des Verkehrs nicht zu erwarten sei. Bezüglich der technischen Belange, insbesondere betreffend die "Parkplatzandienung" und Verkehrsabwicklung seien vom Amtsgutachter keine Probleme gesehen worden. Der (ortsbild-) gestalterische Amtssachverständige habe anlässlich der Bauverhandlung vom 29. März 2001 auf sein in der Sache bereits am 31. Januar 2001 erstattetes schriftliches Gutachten verwiesen, welches für das entscheidungswesentliche Projekt in der Kernaussage habe übernommen werden können. In diesem schriftlichen Gutachten sei der Sachverständige zur Auffassung gelangt, dass die Abmessungen und die Bauhöhe ungeachtet der andersartigen formalen Ausprägung eine Einbindung in die umliegende (zuvor beschriebene) Bebauung zuließen. Interessen des Ortsbildschutzes würden seines Erachtens dadurch nicht nachteilig berührt. Zu den Einwänden zur Stellplatzsituation werde ausgeführt, dass das subjektivöffentliche Recht nach § 30 Abs. 1 lit. d Baugesetz nicht jedem Nachbarn zustehe, sondern nur Einrichtungen, die eines besonderen Schutzes gegen Lärm und sonstige Belästigungen bedürften - z.B. Schulen, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergarten und andere. Das Ermittlungsverfahren habe aber gezeigt, dass derartige beispielhaft aufgezeigte Einrichtungen weder im unmittelbaren Nahbereich noch im erweiterten Einflussbereich der Wohnanlage vorhanden seien. So gesehen habe sich keine Notwendigkeit ergeben, allfällige immissionsseitige Einwirkungsstärken in Bezug auf die Stellplatzflächen zu prüfen. Was die (Mindest-)Anzahl an Parkierflächen anbelange, sei es Aufgabe der Behörde, die Einhaltung der diesbezüglich - hauptsächlich in der Garagenverordnung - verankerten Vorgaben von Amts wegen zu prüfen. Die Garagenverordnung sehe in § 4 Abs. 2 unter dem Kapitel "Mehrfamilienhäuser" vor, dass je Wohnung 0,6 Abstell- und je Wohnung 0,7 Einstellplätze zu schaffen seien. Neben dieser Bestimmung sei u.a. auch der § 12 des Baugesetzes maßgebend, auf Grundlage dessen u.a. die Garagenverordnung erlassen worden sei. Diese Vorschrift sehe in Abs. 7 unter bestimmten Voraussetzungen Erleichterungen oder Ausnahmen vor, wenn die Schaffung von Garagen oder Abstellplätzen auf dem Baugrundstück unmöglich, unzulässig oder unwirtschaftlich wäre. Im konkreten Fall sei nun aber davon auszugehen, dass die Bauwerber bereits ein Überangebot von Stellplatzmöglichkeiten nachgewiesen hätten. Unter Berücksichtigung des dargelegten Berechnungsschlüssel seien nämlich, bezogen auf 9 Wohneinheiten, nur 6 Abstell- (9 x 0,6 = 5,4) und 7 Einstellplätze (9 x 0,7 = 6,3) ausreichend. Es stehe außer Zweifel, dass ein nur den gesetzlichen Mindestvorgaben entsprechendes Parkplatzangebot wahrscheinlich den Anforderungen der täglichen Praxis nicht Genüge tun würde. So gesehen werde auch aus der Sicht der Baubehörde das von vornherein vorgesehene erhöhte Stellplatzangebot begrüßt. Im Falle widerrechtlicher Inanspruchnahme der Nachbarliegenschaften für Parkierzwecke wäre dem durch zivilrechtliche Schritte (beispielsweise Besitzstörungsklage) entgegen zu wirken.

Zu den aufgezeigten Bedenken in Bezug auf § 6 (Bauabstände) führte die Behörde aus, dass Einwendungen von Nachbarn bezogen auf § 6 Baugesetz nur insoweit zu berücksichtigen seien, als es um den Schutz des Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm gehe. Nach mehrfacher Umplanung des Projekts sei nunmehr zweifelsfrei davon auszugehen, dass sowohl die Mindestabstände als auch die rechnerisch ermittelten Gebäudeschatten- und Fensterabstandsflächen allseits eingehalten seien.

Nach der Bestimmung des § 30 Abs. 1 lit. b Baugesetz werde einem Nachbarn ein Rechtsanspruch auf Festsetzung größerer Abstände eingeräumt, wenn der Verwendungszweck eines Bauwerkes eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung des Nachbarn erwarten lasse. Bei der Beurteilung der Frage, ob durch das Bauvorhaben im Sinne der Bauvorschriften das ortsübliche Ausmaß an Belästigung überschritten werde oder nicht, sei insbesondere auch die bestehende Flächenwidmung maßgebend. Dem gemäß seien Immissionen hinzunehmen, wenn sie sich im Rahmen des nach der Widmungsart Zulässigen hielten und zwar auch dann, wenn sie die bisher vorliegenden Immissionsverhältnisse auf dem Grundstück der Nachbarn verschlechterten. Der Standort des Vorhabens sei als "Baufläche/Wohngebiet" gewidmet. Beim gegenständlichen Projekt handle es sich zweifelsfrei um eine in raumplanerischer Hinsicht widmungskonforme Anlage, nämlich um ein Wohngebäude, wobei das Raumplanungsgesetz in keinen für die Flächenwidmung maßgebenden Vorschriften nähere Differenzierungen über die Gebäudegröße enthalte (ob es sich nunmehr um ein Einfamilienwohnhaus, Reihenhaus, um einen Wohnblock oder Ähnliches handelt). Die Wohnanlage sei somit widmungskonform und die zu erwartenden Immissionen seien als ortsüblich zu bezeichnen. In weiterer Konsequenz ergebe sich auch keine Notwendigkeit, für die Wohnanlage allenfalls größere Bauabstände vorzuschreiben. In Ergänzung zum Obgesagten im Zusammenhang mit der Stellplatzsituation könne deshalb auch dem Antrag auf Einholung zusätzlicher Gutachten aus dem Bereich der Lärmtechnik und Lufthygiene nach Maßgabe der zitierten Rechtslage nicht näher getreten werden.

Die geltend gemachten Verletzungen des Landschafts- und Ortsbildschutzes seien vom Amtssachverständigen erschöpfend abgehandelt worden. Dieser habe die Verträglichkeit der Wohnanlage im Bezug auf die Interessen des Landschafts- und Ortsbildschutzes geprüft und sei zur Auffassung gelangt, dass die wahrzunehmenden Interessen durch die Wohnanlage nicht nachteilig berührt würden. Wenngleich die Bebauung in der unmittelbaren Umgebung vorwiegend durch Einfamilienwohnhäuser gekennzeichnet sei, bedeute dies - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführer - nicht von vornherein, dass die großvolumige Bebauung einen Störfaktor für das Ortsbild darstelle. Vielmehr sei davon auszugehen, dass den im Baugesetz verankerten Zielsetzungen im Bezug auf den Ortsbildschutz entsprochen werde.

Auch beim Themenkomplex "öffentliche Interessen des Verkehrs" handle es sich um Sachverhalte, die einer amtswegigen Überprüfung zu unterziehen seien. Einem Nachbarn seien im Rahmen eines Bauverfahrens diesbezüglich keine Mitspracherechte eingeräumt. Generell obliege es aber dem zuständigen Straßenerhalter bzw. der zuständigen Straßenbehörde, wenn im Zuge der Errichtung eines Bauvorhabens bzw. infolge der zukünftigen Nutzung einer neuen Verbauung straßenpolizeilich oder verkehrstechnisch relevante Änderungen eintreten, allenfalls die nötigen Veranlassungen zu treffen.

Insoweit kritisiert worden sei, dass in Ermangelung fachlich einwandfreier Planunterlagen und lediglich provisorischer Auspflockung des Antragsgegenstandes in der Natur die Bauverhandlung nicht abberaumt worden sei, sei festzuhalten, dass nach Maßgabe des § 43 Abs. 2 AVG der Verhandlungsleiter u.a. über Beweisanträge zu entscheiden und offenbar unerhebliche Anträge zurückzuweisen habe. Ihm stehe auch die Befugnis zu, die Verhandlung nach Bedarf zu unterbrechen oder zu vertagen. Der Verhandlungsleiter habe weiters die Verhandlung unter steter Bedachtnahme auf ihren Zweck zügig so zu führen, dass den Parteien das Recht auf Gehör gewahrt, anderen Beteiligten aber Gelegenheit geboten werde, bei der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Die Beurteilung der fachlich einwandfreien Beschaffenheit der Einreichunterlagen obliege nicht dem Nachbarn. Wenngleich nicht von der Hand zu weisen sei, dass die Einreichung auch nach mehreren Überarbeitungen nicht in jeglicher Beziehung als einwandfrei eingestuft werden konnte, so sei auch einem nicht Fachkundigen eine Gesamtbeurteilung des Bauvorhabens trotzdem möglich gewesen. Allein die teils akribische Aufzählung der Mängelpunkte in der Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 29.3.2001 lasse zweifelsfrei den Schluss zu, dass sie sich intensiv mit den Planunterlagen und somit dem Bauvorhaben befasst hätten. Bereits anlässlich zwei vorangegangener Bauverhandlungen seien die Dimensionen des Vorhabens in der Natur detailgetreu nicht nur im Bezug auf die Eckpunkte, sondern auch betreffend die Höhenentwicklung dargestellt worden, wobei die letztlich entscheidungsgegenständliche Konzeption baukörperlich im Wesentlichen der am 1. Februar 2001 verhandelten Variante entspreche. Auch unter Berücksichtigung aller zu wahrenden Interessen sei den Nachbarn mit den bei der kommissionellen Augenscheinsverhandlung am 29. März 2001 zur Verfügung gestandenen Plan- und Beschreibungsunterlagen sowie der Darstellung des Gebäudes in der Natur (im Wesentlichen seien die Eckpunkte sowie die Traufenkante an der Ostseite ausgesteckt gewesen) eine Beurteilung des Antragsgegenstandes ohne weiteres möglich gewesen.

Der gegen diesen Baubewilligungsbescheid (u. a.) von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben.

Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage führte die belangte Behörde begründend aus, das gesamte Berufungsvorbringen finde im taxativen Katalog der subjektivöffentlichen Nachbarrechte des § 30 Abs. 1 Vbg. BauG keine Deckung. Fragen der Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung, der Baugestaltung bzw des Ortsbildschutzes seien jenen Bereichen zuzuzählen, die von der Behörde objektiv wahrzunehmen seien. Diesbezüglich räume das Baugesetz den Nachbarn keine Mitspracherechte ein. Dies gelte gleichermaßen für die rechtlich erforderlichen Abstände zu Straßengrundstücken nach dem Straßengesetz. Ebenso wenig bestünden Mitspracherechte hinsichtlich der Vorschreibung von Auflagen, soweit durch die konkrete Auflage Nachbarrechte nicht tangiert würden. Das Recht, Einwendungen gegen Lärm- und sonstige Belästigungen im Zusammenhang mit der Errichtung von Garagen zu erheben, sei gemäß § 30 Abs 1 lit d BauG auf Einrichtungen beschränkt, die eines besonderen Schutzes gegen derartige Einwirkungen bedürften wie beispielsweise Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser etc. Darüber hinaus könnten von den Nachbarn Lärm-, Luft- und andere die Gesundheit beeinträchtigende Immissionen nur im Zusammenhang mit der Verletzung der gesetzlich vorgesehenen Abstände und Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken releviert werden. Der § 30 Abs 1 BauG gewähre den Nachbarn auch keine Mitspracherechte hinsichtlich der Anordnung der Garageneinstellplätze und der davor geplanten Abstellplätze bzw auch kein Mitspracherecht hinsichtlich der Zufahrtsverhältnisse. Die Vorschreibung der erforderlichen Abstellplätze bzw deren Anordnung und Ausgestaltung nach den Bestimmungen der Garagenverordnung sei eine ausschließlich von der Behörde wahrzunehmende Aufgabe. Der im Baugesetz festgelegte Schutzbereich der Nachbarn erfasse auch nicht den Anspruch auf vollständige Planunterlagen bzw Einhaltung sämtlicher Verfahrensbestimmungen. Solche Einwendungen könnten nur im Zusammenhang mit der Verletzung konkreter Nachbarrechte nach § 30 Abs 1 BauG aufgegriffen werden.

Im Übrigen verwies die belangte Behörde auf die von ihr als vollständig und schlüssig erachtete Begründung des Bescheides der Baubehörde erster Rechtsstufe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - wie auch die erstmitbeteiligte Gesellschaft - eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte. Die Beschwerdeführer erstatteten hierzu eine Gegenäußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen - wie schon im Verwaltungsverfahren - zusammengefasst geltend, ihr Parteiengehör sei verletzt worden, weil ihnen die nach der letzten Bauverhandlung am 29. März 2001 vorgenommenen "nicht unwesentlichen" Planänderungen nicht zur Kenntnis gebracht worden seien bzw. hierüber nicht neuerlich verhandelt worden sei. Auch sei diese Verhandlung selbst mangelhaft gewesen, weil das Projekt in der Natur nicht ausreichend dargestellt gewesen sei; zwar bestehe kein subjektives Recht auf gänzliche Auspflockung, wohl aber insoweit, als dies zur Überprüfung allenfalls betroffener Nachbarrechte erforderlich sei. Außerdem sei ein Projekt (lt. Plan- und Beschreibungsunterlagen vom 7. Februar 2001) bewilligt worden, welches bereits mit Schreiben vom 20. Februar 2001 von der Antragstellerin zurückgezogen gewesen sei. Es hätten weitere (lärmtechnische, lufthygienische) Sachverständigengutachten, auch eines für Raumplanung und Landschaftsschutz eingeholt werden müssen. Die Begründung des angefochtenen Bescheides sei auch im Hinblick auf den Verweis auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides unzureichend. Mit den pauschalen Verweisen auf mangelnde Verletzung der Nachbarrechte gemäß § 4 Vbg. BauG genüge die Behörde ihrer Begründungspflicht ebenso wenig wie mit dem - auf die Einwendungen nach §§ 6 und 12 Vbg. BauG bezugnehmenden - Verweis darauf, das Vbg. BauG sei keine "Immissionsschutzvorschrift".

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der bloße Verweis auf die Begründung des Bescheides erster Instanz durch die Berufungsbehörde nicht unzulässig ist, soweit damit alle Einwendungen der Partei vollinhaltlich erledigt werden (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 9. Mai 1996, Zl. 96/20/0068 und vom 28. April 2000, Zl. 97/21/0445) und diese Begründung aufgrund eines ausreichenden Ermittlungsverfahrens und in einer § 59 und § 60 AVG entsprechenden Weise im erstbehördlichen Bescheid dargelegt ist, so dass dem Verwaltungsgerichtshof die Überprüfung des Bescheides möglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2000, Zl. 98/06/0239). Dies trifft im vorliegenden Fall zu.

Nach § 30 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 39/1972 (BauG), ist über Einwendungen der Nachbarn, die sich auf Rechte stützen, die durch folgende Vorschriften begründet werden, in der Erledigung über den Bauantrag abzusprechen:

"a) § 4, soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist;

b) § 6, insoweit er den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm, betrifft;

c) § 9 Abs. 1, hinsichtlich von Einfriedungen an der Grenze eines Nachbargrundstückes;

d) § 12 Abs. 1, insoweit er sich auf Einrichtungen auf Nachbargrundstücken bezieht, die eines besonderen Schutzes gegen Lärm und sonstige Belästigungen bedürfen;

e) § 17, soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist;

f) § 37 Abs. 4, soweit er dem Schutz der Nachbarn dient."

Hingegen sind Einwendungen der Parteien, mit denen die Verletzung anderer als im Abs. 1 genannter öffentlich-rechtlicher Vorschriften behauptet wird, gemäß § 30 Abs. 2 leg. cit. als unzulässig zurückzuweisen und Einwendungen, die sich auf das Privatrecht stützen, auf den Rechtsweg zu verweisen.

Die Aufzählung der Nachbarrechte im § 30 Abs. 1 BauG ist - wie sich aus Abs. 2 dieser Bestimmung zweifelsfrei ergibt - eine taxative (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 91/06/0143, mit Hinweis auf Vorjudikatur, u.a.).

Dass die Beschwerdeführer durch die angeblich mangelhafte Auspflockung bzw. durch Vorlage angeblich unvollständiger Planunterlagen in der Wahrnehmung ihrer Nachbarrechte konkret beeinträchtigt gewesen seien, ergibt sich aus den vorgelegten Akten und auch aus den Beschwerdeausführungen nicht. Abgesehen davon ist anzumerken, dass die vorgenommene (Teil-)Auspflockung ohnedies gerade in jenem Bereich, nämlich entlang der ostseitigen Front des projektierten Gebäudes, die der Liegenschaft der Beschwerdeführer zunächst liegt, vorgenommen wurde.

Unzutreffend ist auch die Behauptung der Beschwerdeführer, die Behörde erster Instanz habe über einen bereits zurückgezogenen Antrag entschieden; vielmehr ergibt sich aus dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides in Verbindung mit den vorgelegten Verwaltungsakten eindeutig, dass Gegenstand des Baubewilligungsbescheides das am 23. Februar 2001 nach Zurückziehung des bisher gestellten Bauantrages eingereichte Projekt laut den mit 7. und 22. Februar datierten sowie am 2. April 2001 ergänzten Plänen war, wobei die Ergänzung durch Vorlage neuer Deckblätter vom 2. April 2001 jene Änderungen betraf, wie sie in der Bauverhandlung vom 29. März 2001, an welcher auch die Beschwerdeführer teilgenommen haben, derart umschrieben worden waren, dass die Hauseingänge entsprechend § 12 Abs. 4 Bautechnikverordnung nischenartig ausgebildet werden sollten. Wenn dem Beschwerdeführer das Vorliegen dieser nach der letzten Bauverhandlung vorgenommenen Änderungen der Pläne zur Einschau bei der Behörde vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides auch nicht zur Kenntnis gebracht wurde, so bezog sich der erstinstanzliche Bescheid im Spruch u.a. auf diese Änderungen; die Beschwerdeführer hatten, da diesbezüglich keine Präklusion eingetreten sein konnte, im Rahmen der Berufung die Möglichkeit, dagegen Einwendungen zu erheben.

Dennoch erweist sich die Beschwerde als berechtigt:

Aus der taxativen Aufzählung der Nachbarrechte in § 30 Abs. 1 BauG ergibt sich, dass an der Einhaltung der Vorschrift des § 6 Abs. 10 BauG über die Abstandsflächen ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht und damit implizit und insoweit auch ein Recht auf Einhaltung des Flächenwidmungsplanes besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1982, Zlen. 82/06/0062, 0063, VwSlg 10815 A/1982 (nur Rechtssatz).

§ 6 Abs. 10 BauG lautet:

"Die Behörde kann auch größere als in den Abs. 2 bis 8 vorgeschriebene Abstandsflächen und Abstände festsetzen, wenn der Verwendungszweck eines Bauwerkes eine das ortsübliche Maß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung der Nachbarn erwarten lässt."

Der Beschwerdefall betrifft ein Bauvorhaben für die Errichtung eines Wohnhauses mit 9 Wohnungen, 9 PKW-Einstellplätzen sowie 9 PKW-Abstellflächen auf einem in als Baufläche/Wohngebiet gewidmeten Gebiet gelegenen Grundstück.

Nach § 12 Abs. 1 BauG müssen, wenn ein Bauwerk errichtet wird, auf dem Baugrundstück oder höchstens 200 m vom Baugrundstück entfernt außerhalb öffentlicher Verkehrsflächen die erforderlichen Stellplätze für Kraftfahrzeuge einschließlich der erforderlichen Zu- und Abfahrten vorhanden sein. Diese Verpflichtung besteht auch bei wesentlichen Änderungen des Bauwerkes oder der Verwendung des Gebäudes, soweit dadurch ein zusätzlicher Bedarf an Stellplätzen entsteht. Die Benutzung der Stellplätze muss rechtlich und tatsächlich gesichert sein.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat die Landesregierung durch Verordnung unter Bedachtnahme auf den Zu- und Abfahrtsverkehr, der aufgrund der Art, Lage, Größe und Verwendung der Bauwerke zu erwarten ist, die Mindestzahl der nach Abs. 1 erforderlichen Stellplätze festzulegen. Hiebei kann die Mindestzahl für Einstell- und für Abstellplätze getrennt festgelegt werden.

Nach § 4 Abs. 2 Z. 1 der auf Grund des § 20 Abs. 2 BauG erlassenen Verordnung über das Mindestausmaß und die erforderliche Zahl sowie die bautechnischen Erfordernisse von Garagen und Abstellplätzen, LGBl. Nr. 65/2001, sind für Mehrfamilienhäuser 0,6 Abstellplätze je Wohnung, bzw. 0,7 Einstellplätze je Wohnung zu schaffen, wobei jeweils die Summe der nach der folgenden Tabelle erforderlichen Stellplätze auf- oder abzurunden ist.

Ausgehend von 9 Wohnungen würde das im Beschwerdefall bedeuten, dass die Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen nur 5 Abstellplätze bzw. 6 Einstellplätze umfasste. Tatsächlich übersteigt die Anzahl der vorgesehenen Einstell- bzw. Abstellplätze dieses Erfordernis.

Bereits im Verwaltungsverfahren vor der Baubehörde erster Instanz hatten die Beschwerdeführer in Zusammenhang mit den geplanten PKW-Ab- bzw. Einstellplätzen (Sammelgarage) die mangelnde Klärung allfälliger ihre subjektiv-öffentlichen Rechte verletzender Lärm- und Geruchsimmissionen durch Einholung je eines lufthygienischen bzw. lärmtechnischen Gutachten geltend gemacht.

Die belangte Behörde entgegnete dieser Rüge lediglich mit dem Hinweis, Einwendungen gegen Lärm- und sonstige Belästigungen im Zusammenhang mit der Errichtung von Garagen seien auf die in § 30 Abs. 1 lit. d BauG genannten Einrichtungen beschränkt; darüber hinaus könnten Nachbarn Lärm-, Luft- und andere die Gesundheit beeinträchtigende Immissionen nur im Zusammenhang mit der Verletzung der gesetzlich vorgesehenen Abstände und Abstandsflächen geltend machen.

Es trifft zwar zu, dass für die Beurteilung, ob durch das Vorhaben das im § 6 Abs 10 BauG genannte ortsübliche Ausmaß an Belästigungen überschritten wird, insbesondere (auch) die Widmung laut Flächenwidmungsplan maßgebend und das ortsübliche Ausmaß naturgemäß je nach dem, ob es sich um Wohn-, Industrie- oder Landwirtschaftsgebiet handelt, verschieden ist. Wenn durch einen Flächenwidmungsplan eine bestimmte Widmungskategorie festgelegt ist, sind Immissionen, die sich im Rahmen des in einer solchen Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann als zumutbar anzusehen, wenn sie das Ausmaß der in der unmittelbaren Umgebung eines Wohnhauses feststellbaren Immissionen übersteigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 98/06/0045). Dabei kann die konsensgemäße Verwendung einer Wohnanlage im Wohngebiet keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung des Nachbarn herbeiführen, weil der Verwendungszweck von Wohnbauten (einschließlich der vorgesehenen Pflichtstellplätze) kein anderer ist als der in Einfamilienhäusern und auch typenmäßig keine ortsunübliche Art von Immissionen erwarten lässt.

Anders verhält es sich allerdings dann, wenn mehr als die vorgeschriebene Anzahl an Pflichtstellplätzen errichtet werden soll. In einem solchen Fall kann nicht mehr von einer Ortsüblichkeit der zu erwartenden Immissionen im Sinne dieser Judikatur ausgegangen werden. Vielmehr wäre in einem solchen Fall, das heißt bei Überschreitung des Pflichtstellplatzerfordernisses, durch Einholung von geeigneten Sachverständigengutachten (etwa aus dem Gebiet der Lufthygiene und der Lärmtechnik) zu prüfen gewesen, inwieweit die beschwerdeführenden Nachbarn in ihren subjektivöffentlichen Rechten, etwa dem des § 6 Abs. 10 BauG, verletzt sein können. Bauführungen, deren Emissionen nach dem Ergebnis derartiger Ermittlungsergebnisse im Hinblick auf die Widmungsart das ortsübliche Maß überstiegen, könnten sich daher als unzulässig erweisen. Da die belangte Behörde ihren Bescheid auf eine im Hinblick auf die geltend gemachten Immissionen unvollständige Sachverhaltsgrundlage stützte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG auszuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 18. Juni 2003

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