Normen
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §63 Abs1;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §42 Abs1;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §63 Abs1;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §42 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem beim Amt der Stadt H am 28. September 1999 eingelangten Schreiben beantragte der Erstmitbeteiligte die Baubewilligung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses auf zwei Grundstücken im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Stadtgemeinde. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines an eines der beiden Grundstücke unmittelbar angrenzenden Grundstücks.
Über das Bauansuchen fand am 28. Februar 2000 eine mündliche Verhandlung statt, zu der auch die Beschwerdeführerin geladen worden war, wobei die Kundmachung zur öffentlichen mündlichen Verhandlung den Hinweis auf die gemäß § 42 AVG eintretenden Folgen enthielt. Anlässlich der mündlichen Verhandlung gab HA als Bevollmächtigter der Beschwerdeführerin folgende Erklärung zu Protokoll:
"Es wird ersucht, dass die Behörde abklärt, inwieweit das bestehende WC-Fenster und der ehemalige Bestand der Höhen, insbesondere der Giebelhöhe, sich auf die geschlossene Bauweise und das eingereichte Projekt auswirkt. Es ist festzustellen, wie beim Altbau die Giebelhöhe war und wie weit über den früheren Bestand hinausgebaut werden darf."
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde wurden dem Erstmitbeteiligten gemäß § 6 Abs. 9 des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972 (BauG) die erforderlichen Abstandsnachsichten bewilligt und gemäß §§ 23, 31 und 32 BauG die beantragte baurechtliche Bewilligung unter Auflagen erteilt. Die namens der Beschwerdeführerin anlässlich der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung wurde von der Behörde erster Instanz als Einwendung beurteilt und in der Begründung dazu ausgeführt, dass angesichts der Ausführung des Bauvorhabens in geschlossener Bebauung für die Entscheidung die Feststellung der Giebelhöhe des Altbaus nicht erforderlich und auch nicht festzustellen sei, wie weit über den früheren Bestand hinausgebaut werden dürfe. Über die Höhe bzw. den ehemaligen Bestand von Höhen sage der Begriff geschlossene Bauweise gemäß § 32 des Raumplanungsgesetzes nichts aus. Eine allfällige Verbauung des WC-Fensters wäre im Rechtsweg geltend zu machen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie vorbrachte, dass hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Grundstücks weder ein Bebauungsplan noch eine Verordnung nach § 32 des Raumplanungsgesetzes bestehe. Mangels Vorliegens einer Abstandsnachsicht hätte die Baubewilligung nicht erteilt werden dürfen. Die Verbauung ihres WC-Fensters stelle einen Verstoß gegen § 33 Abs. 7 der Bautechnikverordnung dar, wonach Aborte ins Freie zu entlüften seien. Die Behörde habe es auch unterlassen, sie zu konkreten Einwendungen zu manuduzieren.
Mit Bescheid vom 3. August 2000 erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde eine Berufungsvorentscheidung, mit welcher die beantragte Baubewilligung wiederum erteilt wurde, die Einwendungen und die Berufung der Beschwerdeführerin jedoch als unzulässig zurückgewiesen wurden. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass namens der Beschwerdeführerin im Zuge der Bauverhandlung keine Einwendungen gegen die geschlossene Bauweise an sich vorgebracht worden seien, ein der Bautechnikverordnung widersprechender Zustand sei nicht gegeben. Dem Nachbarn stehe kein subjektiv-öffentliches Recht auf Beibehaltung der Belüftungs- und Belichtungsverhältnisse zu. Ein von der Beschwerdeführerin geltend gemachtes "Fensterrecht" sei als privatrechtliche Einwendung gemäß § 30 Abs. 2 BauG auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Da von der Beschwerdeführerin keine Einwendungen zur geschlossenen Bauweise vorgebracht worden seien, seien ihre Einwände als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Damit seien jedoch die Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG in Kraft getreten, wonach der Nachbar seine Parteistellung verliere und sein Recht auf Berufung verwirkt sei.
Die Beschwerdeführerin stellte einen Vorlageantrag, auf Grund dessen mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt H vom 6. Oktober 2000, mit welchem der Beschluss der Berufungskommission vom 5. Oktober 2000 ausgefertigt wurde, ihrer Berufung keine Folge gegeben wurde. In der Begründung dieses Bescheides wird ebenfalls ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin mangels Erhebung von zulässigen Einwendungen ihre Parteistellung verloren habe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Vorstellung.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Februar 2001 wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin gemäß § 83 Abs. 6 des Gemeindegesetzes, LGBl. Nr. 40/1985, als unzulässig zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde nach Darstellung des Verfahrensganges sowie der Rechtsgrundlagen damit begründet, dass die Baubehörden im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen seien, dass die Beschwerdeführerin ihre Parteistellung verloren habe. Die maßgebende Erklärung der Beschwerdeführerin stelle keine Einwendung im Sinn des Gesetzes dar. Eine Einwendung im Rechtssinne liege nur vor, wenn das Vorbringen die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt habe. An die Behörde gerichtete Erinnerungen bzw. diesen gegenüber ausgesprochene Aufforderungen, ihrer amtswegigen Prüfungspflicht im Rahmen des verfahrensgegenständlichen Bewilligungsverfahrens nachzukommen, stellten jedenfalls keine für die Erlangung der Parteistellung essenzielle Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes dar. Nicht einmal dann, wenn die im Namen der Beschwerdeführerin abgegebene Erklärung als Behauptung einer Rechtsverletzung gewertet würde, wäre von einer Einwendung im Rechtssinne auszugehen, weil nicht erkennbar sei, welche bestimmte Rechtsverletzung (wie z.B. Gefährdung der Gesundheit, Belästigung durch Lärm, Geruch, Brandschutz etc.) geltend gemacht werden hätte sollen. Indem sich die Beschwerdeführerin auf die Verletzung der Manuduktionspflicht durch die Behörde erster Instanz berufe, gehe sie selbst davon aus, keine konkreten Einwendungen erhoben zu haben.
Die Berufung sei daher von der Berufungskommission im Hinblick auf die nicht mehr gegebene Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Mangels Parteistellung im Bauverfahren sei die Beschwerdeführerin auch nicht zur Erhebung einer Vorstellung berechtigt, weshalb diese als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil aus der Formulierung ihres Vorbringens in der Bauverhandlung klar hervorgehe, dass sie Einwendungen erheben habe wollen. Sie habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass sie durch die geschlossene Bauweise Auswirkungen (Licht, Luft, Lärm etc.) befürchte und habe beantragt, dass die Behörde dies abkläre. Die Behörde erster Instanz hätte die Beschwerdeführerin als juristisch nicht gebildete Person entsprechend ihrer Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG entsprechend anleiten müssen, ihre Einwendungen in eine entsprechende juristische Form zu kleiden. Die belangte Behörde hätte auch von Amts wegen aufgreifen müssen, dass mit der Einbringung ihres Vorlageantrages die gesamte Berufungsvorentscheidung - und damit auch die darin erstmals erteilte Abstandsnachsicht - außer Kraft getreten sei und dass durch das vorliegende Bauprojekt ein bestehendes WC-Fenster entgegen § 33 Abs. 7 der Bautechnikverordnung verbaut werde.
Nach § 30 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972 (BauG), ist über Einwendungen der Nachbarn, die sich auf Rechte stützen, die durch folgende Vorschriften begründet werden, in der Erledigung über den Bauantrag abzusprechen:
"a) § 4, soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist;
b) § 6, insoweit er den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm, betrifft;
c) § 9 Abs. 1, hinsichtlich von Einfriedungen an der Grenze eines Nachbargrundstückes;
d) § 12 Abs. 1, insoweit er sich auf Einrichtungen auf Nachbargrundstücken bezieht, die eines besonderen Schutzes gegen Lärm und sonstige Belästigungen bedürfen;
e) § 17, soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist;
f) § 37 Abs. 4, soweit er dem Schutz der Nachbarn dient."
Hingegen sind Einwendungen der Parteien, mit denen die Verletzung anderer als im Abs. 1 genannter öffentlich-rechtlicher Vorschriften behauptet wird, gemäß § 30 Abs. 2 leg. cit. als unzulässig zurückzuweisen und Einwendungen, die sich auf das Privatrecht stützen, auf den Rechtsweg zu verweisen. Die Aufzählung der Nachbarrechte im § 30 Abs. 1 BauG ist - wie sich aus Abs. 2 dieser Bestimmung zweifelsfrei ergibt - eine taxative (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2003, Zl. 2001/06/0149, m.w.N.).
§ 42 Abs. 1 und 2 AVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:
"§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.
(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben."
Nach der - insoweit auch nach der AVG-Novelle 1998 zutreffenden - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der "Einwendung" gemäß § 42 Abs. 1 AVG muss auch eine rechtsunkundige Person, die zu einer mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG geladen wird, in der Lage sein, bei der Bauverhandlung eindeutig darzulegen, in welchen Punkten sie ein Bauvorhaben bekämpft. Im Übrigen steht es dem Nachbarn frei, sich eines Rechtsbeistandes zu bedienen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1991, Zl. 91/05/0142) und sind die Gründe, aus denen keine Einwendung gegen ein Bauvorhaben erhoben wurde, rechtlich unerheblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 1990, Zl. 89/06/0058). Ergeht an die Beteiligten des Verwaltungsverfahrens eine rechtzeitige Verständigung von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen unterlassener Einwendungen, so besteht in Ansehung der Erhebung von Einwendungen keine weitere Manuduktionspflicht der Behörde nach § 13a AVG, die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG geht nicht so weit, dass eine unter Hinweis auf die Folgen gemäß § 42 Abs. 1 AVG zu einer mündlichen Verhandlung geladene Partei vom Verhandlungsleiter ausdrücklich zur Erhebung von Einwendungen und zu deren inhaltlicher Ausgestaltung angeleitet werden müsste (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. März 1995, Zl. 93/05/0246, und vom 30. Mai 1996, Zl. 93/06/0155, m.w.N.). Daran hat auch die AVG-Novelle 1998 nichts geändert, durch sie ist § 13a AVG unverändert geblieben.
Eine dem § 42 Abs. 1 AVG entsprechende Einwendung liegt nur dann vor, wenn die Verletzung eines konkreten subjektivöffentlichen Rechtes geltend gemacht wird. An die Behörde gerichtete Erinnerungen oder das an sie gerichtete Ersuchen, ihrer amtswegigen Prüfungspflicht im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nachzukommen, oder - wie im vorliegenden Fall - abzuklären, wie sich bestimmte Umstände (hier insbesondere: das Bestehen eines WC-Fensters) auf die geschlossene Bauweise, also auf die Zulässigkeit des Anbauens auswirken, stellen keine Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts und damit keine Einwendung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG dar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 93/06/0255, und die von Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, 2. Auflage 1998, unter E. 29 ff, insb. E. 58, zu § 42 AVG dargestellte hg. Rechtsprechung).
Zwar hätte mit dem angefochtenen Bescheid die Vorstellung der Beschwerdeführerin nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen werden müssen, weil mit dem Gemeindebescheid, gegen welchen sie sich richtete, ihre Parteistellung verneint worden war. Es ist im Ergebnis aber nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde davon ausging, dass die Beschwerdeführerin mangels Erhebung von Einwendungen in der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz gemäß § 42 Abs. 1 AVG ihre Parteistellung verloren hatte, weshalb sie auch durch den angefochtenen Bescheid nicht in Rechten verletzt werden konnte und die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 18. Dezember 2003
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