VwGH 2000/06/0178

VwGH2000/06/017818.6.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des J aus H, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Dr. Herwig Mayrhofer und Dr. Robert Schneider, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Am Rathauspark, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 6. September 2000, Zl. II-4151- 2000/0006, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. M in H, vertreten durch Dr. Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Kapuzinergasse 14, und 2. Stadtgemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §25;
BauG Vlbg 1972 §26;
BauG Vlbg 1972 §27;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §6;
BauRallg;
GdG Vlbg 1985 §66 Abs1 litd;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §25;
BauG Vlbg 1972 §26;
BauG Vlbg 1972 §27;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §6;
BauRallg;
GdG Vlbg 1985 §66 Abs1 litd;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 939,16 und dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Stadtgemeinde wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde H vom 20. Oktober 1999 wurden dem Erstmitbeteiligten gemäß §§ 23, 31 und 32 des Vorarlberger Baugesetzes - BauG (nachträglich) die Baubewilligung für einen Kellerumbau und -zubau sowie eine Dacherhöhung auf seinem Wohngebäude E-Straße 4a (Gst. Nr. 2073/2, KG 92004 H) unter Auflagen erteilt und die dafür erforderlichen Abstandsnachsichten gemäß § 6 Abs. 9 BauG bewilligt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte im Wesentlichen vor, dass im gegenständlichen Fall mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen eine Abstandsnachsicht nicht gerechtfertigt sei. Weiters gehe weder aus den eingebrachten Projektunterlagen noch aus dem bautechnischen Gutachten das definitive Maß der tatsächlich erforderlichen Abstände zum Nachbargrundstück Nr. 2073/1 des Beschwerdeführers hervor. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass für die Bemessung der Abstände sowie der Abstandsflächen das ursprüngliche und nicht das nachträglich aufgeschüttete Gelände ausschlaggebend sei. Letzteres sei aber im gegebenen Fall zur Berechnung herangezogen worden. Auch habe der Erstmitbeteiligte bis zum Schluss des erstinstanzlichen Verfahrens keinen rechtmäßigen Abstandsflächenplan über die tatsächlichen Abstandsverhältnisse vorgelegt. Weiters sei im erstinstanzlichen Bescheid auf die vom Beschwerdeführer beantragte Festsetzung größerer als der gesetzlich vorgeschriebenen Abstände nicht eingegangen worden. Durch die vom Erstmitbeteiligten durchgeführten Umbaumaßnahmen sei eine grundlegende Umgestaltung der Kellerräume erfolgt. Es habe eine Vergrößerung der Kellerfenster und der Garagentore stattgefunden, eine Metallschiene habe nunmehr das gesamte Gebäude zu stützen, auf sie seien Hohlziegel bloß aufgesetzt. Es sei zu Rissen am gesamten Gebäude einschließlich des Daches gekommen. Angesichts der statischen Änderungen am Gebäude des Erstmitbeteiligten sei das "Zusammenfallen" des Gebäudes zu befürchten. Diesbezüglich reiche eine dreizeilige statische Bestätigung jedenfalls nicht aus. Neben der Einholung eines medizinischen Gutachtens werde daher die Einholung eines statischen Gutachtens beantragt. Schließlich habe der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Versagung der Baubewilligung mangels rechtlich gesicherter Zufahrt, da der Bauwerber auf Grund der baulichen Veränderung der Garagenzufahrt zu dieser keine entsprechende Dienstbarkeitsvereinbarung mehr besitze.

Die Berufungsbehörde holte eine ergänzende Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen DI L ein, der in seinem Schreiben vom 11. April 2000 ausführte, die Errichtung einer neuen Dacheindeckung ohne Veränderung der vorhandenen Abstandsflächen sei zwar möglich, aber wesentlich kostenintensiver und aufwändiger. Eine neue Dacheindeckung sei auf Grund der Schadhaftigkeit der vorhandenen Dachhaut jedenfalls erforderlich.

Der staatlich befugte und beeidete Zivilingenieur für Bausachen Dipl. Ing. M führte mit Stellungnahme vom 7. April 2000 wie folgt aus:

"Die Umgestaltung der Kellerräume wurde von uns am 06.04.2000 statisch überprüft und für in Ordnung befunden.

Die eingebauten Stahlträger (HEB 220 unter der Außenwand und HEB 160 unter der Mittelwand) weisen keine unzulässige Durchbiegung auf (siehe Bild 1), was auf eine Überlastung der Konstruktion hinweisen könnte. Die Auflager der Stahlträger sind in einwandfreiem Zustand ohne jegliche Risse (siehe Bild 2 bis Bild 4).

Auch an der Fassade sind keine statischen Risse sichtbar (siehe Bild 5). Bei der Fundierung der für die Lastabtragung verantwortlichen Stahlstütze sind ebenfalls keine Risse sichtbar (siehe Bild 6).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein Zusammenfallen des Hauses 'E-Strasse 4a' mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann und somit weder eine Gefahr für die Bewohner noch für die Nachbarn besteht."

Dieser Stellungnahme sind sechs Fotos einzelner beschriebener Stellen des Gebäudes angeschlossen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt H vom 25. Mai 2000, mit welchem der Beschluss der Berufungskommission der Stadt H vom 23. Mai 2000 ausgefertigt wurde, wurde der Berufung keine Folge gegeben. Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass die Abstandsnachsicht gemäß § 6 Abs. 9 BauG erteilt werden könne, weil sich durch die Dacherhöhung die vorgeschriebene Abstandsfläche lediglich um 6 cm von 5,68 auf 5,74 m erhöhe. Zwar könne eine objektiv zweckmäßige Bebauung auf der unverbauten Fläche auch unter Einhaltung der Abstandsflächen erreicht werden. Nach einer erfolgten Grundteilung betrage der tatsächliche Abstand des Gebäudes zum betreffenden Anrainergrundstück 0,73 m und habe sich durch das Bauvorhaben nicht verändert. Die Form und Lage des Grundstücks sei daher ungünstig. Eine neue Dacheindeckung sei notwendig und sie könne unter Beibehaltung der vorhandenen Abstandsflächen nur mit wesentlichen Mehrkosten erreicht werden. Die Abstandsfläche habe sich nur um 6 cm erhöht. Daher könne - weil auch eine Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes nicht gegeben sei - die Abstandsnachsicht erteilt werden.

Eine Gefährdung der Bewohner und Nachbarn im Hinblick auf die statischen Verhältnisse sei im Hinblick auf die schlüssige und nachvollziehbare Stellungnahme des Sachverständigen vom 7. April 2000 auszuschließen. Das Gutachten lasse sowohl die Tatsachen erkennen, auf die es sich stütze, als auch die Art, wie diese Angaben ermittelt worden seien, nämlich in einem Lokalaugenschein. Der Sachverständige sei zu dem Schluss gekommen, dass unter Berücksichtigung sämtlicher Aspekte keine Nachbargefährdung vorliege. Ein zusätzliches Gutachten sei nicht erforderlich gewesen. Andere das ortsübliche Maß übersteigende Belästigungen oder Gefährdungen der Nachbarn (als die Einsturzgefahr) seien nicht geltend gemacht worden.

Der Erstmitbeteiligte habe ein unbeschränktes Geh- und Fahrrecht zur Benützung des auf dem Nachbargrundstück vorhandenen Weges vertraglich nachgewiesen, weshalb der Erteilung der Bewilligung auch § 4 BauG nicht entgegen stehe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Darin wiederholte er im Wesentlichen sein bereits in der Berufung erstattetes Vorbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. September 2000 gab die belangte Behörde gemäß § 83 Abs. 7 Vorarlberger Gemeindegesetz, LGBl. Nr. 40/1985, der Vorstellung keine Folge.

Zur Frage der Abstandsnachsicht gemäß § 6 Abs. 9 BauG führte sie aus, dass der Einwand des Beschwerdeführers, für die Bemessung der Abstände sowie Abstandsflächen sei das ursprüngliche und nicht das aufgeschüttete Gelände maßgeblich, ins Leere laufe. Es sei nämlich von dem nach den Plänen projektierten und nicht vom ursprünglichen Gelände auszugehen.

Auch vermöge dem Beschwerdeführer das Vorbringen, der Bauwerber hätte bisher keinen rechtmäßigen Abstandsflächenplan vorgelegt, aus dem das genaue Ausmaß der Unterschreitung der Mindestabstände beziffert werden hätte können, nicht zum Erfolg zu verhelfen. Aus den sich an den Planunterlagen orientierenden Berechnungen des bautechnischen Amtssachverständigen im Vorlagebericht an den Stadtrat vom 9. Februar 1999 ergäben sich exakte Unterschreitungswerte bezüglich der Mindestabstände. Der Nachbar habe im Übrigen kein Recht darauf, dass die Planunterlagen und sonstigen Belege vollständig und der Rechtslage entsprechend der Baubehörde vorgelegt würden, sofern die Planunterlagen nur ausreichten, um ihm jene Informationen zu vermitteln, die er zur Verfolgung seiner Rechte im Verfahren benötige.

Auf Grund der Teilung des Grundstückes Nr. 2073, KG 92004 H, in Grundstück Nr. 2073/1 und 2073/2 (jeweils mit einem Haus bebaut) seien die gesetzlichen Abstände bereits massiv unterschritten worden. Eine zweckmäßigere Bebauung i.S.d. § 6 Abs. 9 BauG liege im vorliegenden Fall zwar nicht vor, und für die von der Berufungskommission angestellte Interessenabwägung biete § 6 Abs. 9 BauG keine Grundlage. Eine Änderung der Abstandsflächen im Ausmaß von 6 cm stelle eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindestabstandsflächen dar. Zudem erhelle aus der ergänzenden bautechnischen Stellungnahme vom 11. April 2000, dass die gegenständliche Dacherneuerung unter Einhaltung der gesetzlichen Abstände durchaus möglich, wenngleich auch wesentlich kostenintensiver und aufwändiger wäre. Eine Abstandsnachsicht hätte daher nicht erteilt werden dürfen.

Auch dieser Umstand führe die Vorstellung nicht zum Erfolg. Die Bestimmung des § 30 Abs. 1 lit. b BauG begründe nämlich nur dann subjektiv-öffentliche Rechte des Nachbarn bezüglich § 6 BauG (betreffend die Abstandsflächen), wenn sie den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Beleuchtung, Luft und Lärm betreffe. Das heiße nichts anderes, als dass der Nachbar die Gewährung einer Abstandsnachsicht im Vorstellungsverfahren nur dann wirksam bekämpfen könne, wenn durch diese Gewährung seine Interessen in brandschutztechnischer und gesundheitlicher Hinsicht beeinträchtigt werden.

Es bestünden hinsichtlich der Interessen des Brandschutzes keinerlei Bedenken an der Richtigkeit und Schlüssigkeit der diese Interessen betreffenden Ausführungen des Amtssachverständigen im Gutachten vom 1. Juli 1997 und im Abstandsgutachten vom 14. April 1998, wonach bei Einhaltung der entsprechenden Auflagen keine Beeinträchtigung der Nachbarliegenschaften durch die geringe Dacherhöhung, insbesondere keine gesundheitsbeeinträchtigende Beschattung zu erwarten wäre. Der Beschwerdeführer habe nicht aufgezeigt, dass es im vorliegenden Fall um die Beurteilung von Fragen ginge, die der bautechnische Sachverständige - etwa im Hinblick auf ihre Komplexität - auf Grund seines Fachwissens nicht beurteilen hätte können. Es habe daher für die Baubehörden kein Anlass bestanden, weitere Gutachten einzuholen. Insoferne seien daher keine Beeinträchtigungen zu erwarten und somit auch kein subjektiv-öffentliches Recht des Beschwerdeführers auf Einhaltung der gesetzlichen Abstände begründet worden. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Gewährung der Abstandsnachsicht zwar objektiv rechtswidrig sei, dadurch seien jedoch keine subjektiven Rechte des Beschwerdeführers verletzt worden.

Der gerichtlich beeidete Sachverständige für Bauwesen (statischer Sachverständiger) habe seine Stellungnahme unter Beilage von sechs Fotografien abgegeben. In diesem sei der erhobene Sachverhalt (fehlende Rissbildung bei den Stahlträgern bzw. deren Auflager) dargestellt und daran anknüpfend auf nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus nachvollziehbare Weise die fachlichen Schlussfolgerungen gezogen. Für die Beurteilung des statischen Zustandes des Wohnhauses liege mit dem vorliegenden statischen Gutachten daher zweifelsfrei ein verwertbarer Sachverständigenbeweis vor. Die belangte Behörde könne nicht erkennen, wo die rechtlichen Mängel des Gutachtens liegen sollten. Da jedoch die Beweiskraft eines Gutachtens ohne Gegengutachten auf fachlich gleicher Ebene unter anderem nur durch den Nachweis erschüttert werden könne, dass es mit den Denkgesetzen oder mit den Erfahrungen des täglichen Lebens im Widerspruch stehe, liefere die Stellungnahme des Statikers im vorliegenden Fall den Beweis dafür, dass die vom Beschwerdeführer befürchtete Einsturzgefahr auf Grund der vom Erstmitbeteiligten vorgenommenen Änderungen nicht bestehe. Daher erübrige sich seitens des Sachverständigen auch ein näheres Eingehen auf die Vorschreibung größerer als der gesetzlichen Abstände, weshalb auch diesem Einwand der Erfolg zu versagen gewesen sei.

Zur Frage der rechtlich gesicherten Zufahrt führte die belangte Behörde schließlich aus, dass § 4 BauG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nur insoweit subjektivöffentliche Rechte begründe, als mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen sei. Derartige Auswirkungen habe der Verwaltungsgerichtshof bei behaupteter mangelhafter Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche nicht angenommen. Die Hintanhaltung von befürchteten ungerechtfertigten Inanspruchnahmen des Grundstückes des Beschwerdeführers durch Fahrzeuge des Erstmitbeteiligten bzw. Besuchern des Erstmitbeteiligten habe der Beschwerdeführer auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen. Das Baugesetz biete dafür keine Handhabe. Im Übrigen sei bereits im Grundteilungsverfahren im Jahre 1984 auf das Vorliegen einer rechtlich gesicherten Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche für die beiden neuen Liegenschaften Bedacht zu nehmen gewesen. Sei aber schon damals eine rechtlich gesicherte Verbindung gegeben gewesen, so gelte das auch für den gegenständlichen Fall.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu dem Hinweis veranlasst, dass eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht etwa im Hinblick darauf zu ersehen ist, dass der Bescheid der Baubehörde zweiter Instanz als Bescheid des Bürgermeisters der Stadt H vom 24. Mai 2000, mit welchem der Beschluss der Berufungskommission der Stadt H vom 23. Mai 2000 ausgefertigt wurde, erlassen wurde. Gemäß § 7 Z. 6 der Verordnung der Stadtvertretung der mitbeteiligten Stadtgemeinde H vom 8. Mai 2000 über die Einrichtung und Geschäftsordnung einer Berufungskommission ist nämlich "(v)or Ausfertigung eines Bescheides der Berufungskommission durch den Bürgermeister gemäß § 66 Abs. 1 lit. d) G, LGBl. Nr. 40/1985 idgF, ... dessen Übereinstimmung mit dem diesem zu Grunde liegenden Beschluss der Berufungskommission vom Vorsitzenden zu prüfen und abzuzeichnen."

Die Geschäftsordnung sieht also derart die "Ausfertigung" der Beschlüsse der Berufungskommission durch den Bürgermeister vor. Die Grundlage dafür kann in § 66 Abs. 1 lit. d des Vorarlberger Gemeindegesetzes gesehen werden, wonach dem Bürgermeister im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde "die Durchführung der durch Volksabstimmung und durch Kollegialorgane der Gemeinde gefassten Beschlüsse" obliegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Vergangenheit an einer derartigen Vorgangsweise, mit welcher der Bürgermeister gewissermaßen als Hilfsorgan der Berufungskommission deren Beschlüsse in Form eines "Intimationsbescheides" ausfertigt, keine Rechtswidrigkeit gefunden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 98/06/0154, m.w.N.). Es ist dies angesichts der mit § 7 Z. 6 der maßgeblichen Geschäftsordnung der mitbeteiligten Stadtgemeinde getroffenen Entscheidung des Gemeinderates, dass die Ausfertigung des Bescheides der Baubehörde zweiter Instanz nicht derem Vorsitzenden, sondern dem Bürgermeister (der zugleich Behörde erster Instanz ist) obliegen soll, nicht als rechtswidrig anzusehen. Im vorliegenden Fall musste sich der Bürgermeister nicht gemäß § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG der Ausübung seines Amtes enthalten, weil der Bescheid der Behörde erster Instanz nicht von ihm selbst, sondern vom Vizebürgermeister in seiner Vertretung gefertigt worden war, weshalb der angefochtene Bescheid in dieser Hinsicht nicht rechtswidrig ist.

In der Sache selbst ist auf den Wortlaut der § 6 Abs. 9 und 10 und § 30 Abs. 1 und 2 des Vorarlberger Baugesetzes - BauG, LGBl. Nr. 39/1972, hinzuweisen:

"§ 6

Abstandsflächen

...

(9) Wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung kann die Behörde mit Genehmigung des Gemeindevorstandes von den in Abs. 2 bis 8 vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt werden.

(10) Die Behörde kann auch größere als in den Abs. 2 bis 8 vorgeschriebene Abstandsflächen und Abstände festsetzen, wenn der Verwendungszweck eines Bauwerkes eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung der Nachbarn erwarten lässt.

...

§ 30

Einwendungen der Parteien, Übereinkommen

(1) Über Einwendungen der Nachbarn, die sich auf Rechte stützen, die durch folgende Vorschriften begründet werden, ist in der Erledigung über den Bauantrag abzusprechen:

a) § 4, soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist;

b) § 6, insoweit er den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm, betrifft;

c) § 9 Abs. 1, hinsichtlich von Einfriedungen an der Grenze eines Nachbargrundstückes;

d) § 12 Abs. 1, insoweit er sich auf Einrichtungen auf Nachbargrundstücken bezieht, die eines besonderen Schutzes gegen Lärm und sonstige Belästigungen bedürfen;

e) § 17, soweit mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist;

f) § 37 Abs. 4, soweit er dem Schutz der Nachbarn dient.

(2) Einwendungen der Parteien, mit denen die Verletzung anderer als im Abs. 1 genannter öffentlich-rechtlicher Vorschriften behauptet wird, sind als unzulässig zurückzuweisen, Einwendungen, die sich auf das Privatrecht stützen, sind auf den Rechtsweg zu verweisen."

Zwischen den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist unbestritten, dass das gegenständliche Bauvorhaben der Erhöhung des Daches des Hauses des Erstmitbeteiligten innerhalb der in § 6 BauG festgelegten Abstandsflächen liegt und nicht ohne Erteilung einer Abstandsnachsicht gemäß § 6 Abs. 9 BauG bewilligt werden durfte. Der Beschwerdeführer tritt aber der Rechtsansicht der belangten Behörde, dass seine subjektiven Rechte im Sinne des § 30 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 6 Abs. 9 BauG nicht beeinträchtigt worden seien, entgegen und meint, sein subjektiv-öffentlicher Rechtsanspruch auf Grund dieser Bestimmung bestehe zu Gunsten jedes anrainenden Nachbarn und gehe auch nicht dadurch verloren, dass er im Interesse des Brandschutzes und der Gesundheit nicht gefährdet wurde.

Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. hiezu beispielsweise das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u.v.a.).

Die Aufzählung der Nachbarrechte im § 30 Abs. 1 BauG ist - wie sich aus Abs. 2 dieser Bestimmung zweifelsfrei ergibt - eine taxative (siehe dazu das Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 91/06/0143, unter Hinweis auf Vorjudikatur u.a.). Aus der taxativen Aufzählung der Nachbarrechte in § 30 Abs. 1 BauG ergibt sich weiters, dass weder hinsichtlich der Einhaltung des Flächenwidmungsplanes noch hinsichtlich eines allgemeinen Schutzes vor Immissionen ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht besteht, wohl aber - fallbezogen - gemäß § 30 Abs. 1 lit. b BauG hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften des § 6 leg. cit. über die Abstandsflächen. Nur soweit in den Vorschriften über die Abstandsflächen auch an jene über die Flächenwidmung bzw. an die in diesem Zusammenhang jeweils zulässigen Immissionen angeknüpft wird, sind diese auch im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Nachbarrechten im Sinne des § 6 BauG. von Bedeutung (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 5. Dezember 2000, Zl. 99/06/0127, m. w.N.).

Im vorliegenden Fall behauptet der Beschwerdeführer als Nachbar des Erstmitbeteiligten eine Gefährdung seines Grundstückes wegen einer Einsturzgefahr des projektsgegenständlichen Gebäudes. Er selbst habe das Gebäude (das er später dem Erstmitbeteiligten verkaufte) errichtet und wisse um dessen statische Probleme. Die gutachtliche Stellungnahme des Sachverständigen Dipl. Ing. M vom 7. April 2000 sei unbelegt und unzureichend und stelle auch kein schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten dar.

Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat nämlich zutreffend aufgezeigt, dass die gutächtliche Stellungnahme vom 7. April 2000 sowohl einen Befund enthält, in dem alle maßgeblichen Sachverhaltselemente beschrieben werden, als auch die Schlussfolgerung, dass das vom Beschwerdeführer behauptete "Zusammenfallen" des Gebäudes auszuschließen ist. Das Gutachten durfte ohne Rechtsirrtum als schlüssig, nachvollziehbar und nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens widersprechend angesehen werden. Der Verwaltungsgerichtshof kann es daher nicht als rechtswidrig erkennen, wenn die belangte Behörde nicht erkannte, wo die vom Beschwerdeführer behaupteten Mängel dieses Gutachtens liegen sollen, zumal er unbestritten weder im Verfahren vor den Baubehörden noch vor der belangten Vorstellungsbehörde dem Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene, etwa durch Beibringung eines Privatgutachtens, oder auch nur eine fotografische Darstellung der von ihm behaupteten Risse oder deren behauptete Übermalungen entgegen getreten ist.

Der belangten Behörde kann daher kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie in Anwendung des § 30 Abs. 1 lit. b BauG zur Schlussfolgerung gelangte, dass keine Beeinträchtigung der Liegenschaft des Beschwerdeführers in brandschutzrechtlicher Hinsicht und durch die Dacherhöhung keine Gesundheitsbeeinträchtigung zu erwarten sei. Eine Verringerung der Abstandsflächen gemäß § 30 Abs. 1 lit. b BauG hätte nur dann in subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen, wenn dadurch der Schutz des Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm betroffen wäre. Dass dies bei einer Verringerung des einzuhaltenden Abstandes um 6 cm der Fall wäre, ist jedenfalls (auch wenn das statische Gutachten bedenklich wäre) nicht hervorgekommen. Bei dieser Sachlage war auch die Einholung der vom Beschwerdeführer geforderten zusätzlichen Gutachten nicht erforderlich. Dies gilt auch hinsichtlich der vom Beschwerdeführer begehrten Vorschreibung eines größeren Abstandes gemäß § 6 Abs. 10 BauG.

Auch das Beschwerdevorbringen, die vorgelegten Pläne seien unzureichend, vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, besteht doch kein Recht des Nachbarn auf Vollständigkeit von Planunterlagen, die Pläne müssen nur den Nachbarn in die Lage versetzen, eine allfällige Verletzung seiner Rechte zu erkennen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1985, Zl. 84/05/0233, BauSlg. Nr. 418). Es wurden keine Umstände aufgezeigt, die daran zweifeln ließen, dass der Beschwerdeführer in der Lage war, den Plänen die für ihn erforderlichen Informationen zu entnehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 96/06/0198, m.w.N.).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, begründet schließlich auch die Vorschrift des § 4 BauG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nur insoweit subjektivöffentliche Rechte, als mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen ist. Derartige Auswirkungen hat der Verwaltungsgerichtshof bei behaupteter mangelhafter Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche nicht angenommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2001, Zl. 2000/06/0056, und die dort angeführte Vorjudikatur). Der Beschwerdefall gibt keine Veranlassung zur Abkehr von dieser Rechtsansicht.

Die behauptete Rechtwidrigkeit liegt somit nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Stadtgemeinde war im Hinblick darauf abzuweisen, dass sie nicht tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war (vgl. § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG i.d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997).

Wien, am 18. Juni 2003

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