VwGH 2001/06/0024

VwGH2001/06/002426.9.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der K in H, vertreten durch Dr. Bertram Grass, Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Bahnhofstraße 21, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 31. Januar 2001, Zl. I-2-1/2001, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: 1. A GmbH in B, vertreten durch Dr. Summer, Dr. Schertler & Mag. Stieger, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, und 2. Marktgemeinde Hard), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BauRallg;
GdG Vlbg 1985 §53;
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BauRallg;
GdG Vlbg 1985 §53;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 10. Oktober 2000 wurde der erstmitbeteiligten Partei die Baubewilligung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses, bestehend aus fünf Wohneinheiten mit jeweils einem Autoab- und einem Autoeinstellplatz auf zwei näher bezeichneten Grundstücken, die nach dem geltenden Flächenwidmungsplan als "Baufläche/Wohngebiet" gewidmet sind, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt und die von der Beschwerdeführerin wegen des Fehlens einer ausreichenden rechtlich gesicherten Zufahrt erhobenen Einwendungen teils als unzulässig zurückgewiesen und teils - soweit sie sich auf die Frage des Umfanges der eingeräumten Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes bezogen - auf den Rechtsweg verwiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, welche nach Beschlussfassung durch die Berufungskommission der mitbeteiligten Marktgemeinde am 8. November 2000 mit Bescheid vom 12. Dezember 2000 als unbegründet abgewiesen wurde.

Im Vorspruch dieses Bescheides wird zunächst auf die erteilte erstinstanzliche Baubewilligung sowie darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin dagegen Berufung erhoben habe. Es heißt dann weiter:

"... Über diese Berufung hatte die Berufungskommission in ihrer Sitzung vom 8.11.2000 entschieden, es ergeht nachstehender

Spruch:"

Es folgen Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung. Die Fertigungsklausel lautet:

"Der Bürgermeister" (darunter: maschinschriftliche Beifügung des Namens, daneben seine Unterschrift).

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, in der sie im Wesentlichen geltend machte, der Bescheid sei mangels Unterfertigung durch den Vorsitzenden der Berufungskommission von einer unzuständigen Behörde erlassen worden, die an der Beschlussfassung beteiligten Mitglieder des Kollegialorgans seien aus dem Bescheid nicht ersichtlich, eine rechtlich gesicherte Zufahrt zum Baugrundstück sei ohne Beeinträchtigung in ihrem Eigentum stehender Grundstücke (offenbar durch Ausweitung der eingeräumten Servitut) nicht gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Vorstellung keine Folge gegeben.

Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde begründend aus, mit den im Bauverfahren sowie in der Vorstellung erhobenen Einwendungen habe die Beschwerdeführerin Einwendungen im Sinne des § 30 Abs. 1 lit. a Vlbg. BauG behauptet. Diese Bestimmung begründe Nachbarrechte aber nur in eingeschränktem Umfange, nämlich nur insoweit, als "mit Auswirkungen auf Nachbargrundstücke zu rechnen" sei. Derartige die Nachbarn beeinträchtigende Auswirkungen seien in Bezug auf den Mangel einer gesicherten Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche nicht denkbar. Der Beschwerdeführerin stehe daher ein Nachbarrecht hinsichtlich der Geltendmachung der mangelnden verkehrsmäßigen Erschließung der Bauliegenschaft im Sinne des § 4 Abs. 2 BauG nicht zu. Diese sei vielmehr von der Baubehörde von amtswegen zu prüfen. Zwar sei in Folge mangelnder Größe des Baugrundstücks auch eine Verletzung von Nachbarrechten denkbar, doch der diesbezügliche Hinweis der Beschwerdeführerin allein stelle noch keinen ausreichenden Einwand dar. Inhaltlich spreche sie nur die mangelnde verkehrsmäßige Erschließung an. Mangelnde Größe des Baugrundstücks läge aber in Anbetracht der mit 59,4 unterschrittenen Baunutzungszahl von 60 nicht vor. Zur Frage der Unterfertigung des Berufungsbescheides durch den Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde führte die Behörde aus, es handle sich um einen Intimierungsbescheid. Das Recht auf Mitteilung eines Bescheides einer anderen Behörde durch den Bürgermeister ergebe sich aus § 66 Abs. 1 des Vlbg. Gemeindegesetzes, der dem Bürgermeister die Durchführung der von Kollegialorganen gefassten Beschlüsse übertrage. Aus der Ausfertigung des Berufungsbescheides gehe eindeutig hervor, dass dieser auf Grundlage des von der Berufungskommission am 8. November Beschlossenen ergangen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - wie auch die Erstmitbeteiligte - in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Insoweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die (im Beschwerdefall tätig gewordenen) Mitglieder der Berufungskommission seien in der Ausfertigung des Berufungsbescheides nicht genannt, ist darauf zu verweisen, dass dieser Umstand auf den Bescheidcharakter der Erledigung keinen Einfluss hat (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1992, Zl. 91/08/0065) und auch sonst den Berufungsbescheid nicht rechtswidrig macht (siehe das hg. Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 92/08/0018, und auch das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2000, Zl. 98/06/0219, mwN).

Die Beschwerdeführerin macht weiters (zusammengefasst) geltend, der Berufungsbescheid sei nicht der Berufungskommission, sondern dem Bürgermeister zuzurechnen.

Damit ist die Beschwerdeführerin im Recht.

§ 53 des Vorarlberger Gemeindegesetzes (GG.) trifft nähere Bestimmungen zu solchen Berufungskommissionen und normiert in seinem Abs. 4, dass die Gemeindevertretung durch Verordnung eine Geschäftsordnung zu erlassen habe, die insbesondere nähere Bestimmungen über die Einberufung der Sitzungen, die Abstimmung und die Geschäftsbehandlung zu enthalten hat.

In der diesbezüglichen Geschäftsordnung (GO) für die Berufungskommission der mitbeteiligten Marktgemeinde (vom 1. Juli 1989) ist ua. vorgesehen (§ 7), dass im Falle der Verhinderung des Vorsitzenden die ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsordnung obliegenden Aufgaben auf den Stellvertreter über gehen. Dieser ist von der Gemeindevertretung zu bestimmen.

§ 8 Abs. 1 GO bestimmt ua., dass die Vorbereitung und Bearbeitung der Sitzungsbeschlüsse der sachlichen Aufsicht des Vorsitzenden obliegt, weiters, dass die Unterfertigung der Bescheide durch den Vorsitzenden der Berufungskommission erfolgt.

Die in Frage stehende, vom Bürgermeister gefertigte Erledigung vom 12. Dezember 2000 ist, wie die belangte Behörde richtig erkannt hat und was die Beschwerdeführerin auch nicht mehr in Zweifel zieht, als Bescheid zu qualifizieren (und nicht etwa als "Nicht-Bescheid", also als Erledigung ohne Bescheidcharakter). Zutreffend hat die belangte Behörde dabei auf das zu einem (jedenfalls hinsichtlich dieses Aspektes) vergleichbaren Sachverhalt ergangene hg. Erkenntnis vom 5. Dezember 2000, Zl. 99/06/0119, verwiesen.

Im Beschwerdefall ist aber weiters die Frage zu beantworten, welchem Gemeindeorgan dieser Bescheid zuzurechnen ist (das konnte im Fall des genannten Vorerkenntnisses vom 5. Dezember 2000 dahingestellt bleiben, weil damals die szt. belangte Behörde den damaligen Berufungsbescheid ("ohnedies", wenngleich aus einem anderen Grund) aufgehoben hatte).

Nach dem objektiven Wortlaut des Berufungsbescheides ist dieser dem Bürgermeister zuzurechnen. Das ergibt sich aus der Formulierung im Vorspruch, wonach die Berufungskommission in ihrer Sitzung vom 8. November 2000 entschieden habe (und) "nachstehender Spruch" ergehe, in Verbindung mit der Fertigungsklausel "Der Bürgermeister". Zu Unrecht beruft sich daher die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf § 66 Abs. 1 lit. c GG, wonach dem Bürgermeister im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde "die Durchführung der ... durch Kollegialorgane der Gemeinde gefassten Beschlüsse" obliegt. Das bedeutet, dass der Berufungsbescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. März 1983, Zl. 82/17/0068, Slg. Nr. 5767/F).

Dadurch, dass die belangte Behörde nicht erkannte, dass der Berufungsbescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er schon aus diesem Grund gemäß § 41 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. September 2002

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