VwGH 99/20/0043

VwGH99/20/004318.7.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerden des JAJ in Wien, geboren am 23. Oktober 1956, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 23, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien jeweils vom 7. Dezember 1998, Zl. SD 706/98, betreffend 1. Entziehung eines Waffenpasses (Zl. 99/20/0043) und 2. Entziehung einer Waffenbesitzkarte (Zl. 99/20/0044), zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §25 Abs2;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z2;
WaffG 1996 §25 Abs2;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 623,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden bestätigte die belangte Behörde die mit Bescheiden der Bundespolizeidirektion Wien verfügte Entziehung der für den Beschwerdeführer ausgestellten waffenrechtlichen Urkunden, nämlich eines Waffenpasses (erstinstanzlicher Bescheid vom 13. August 1998) und einer Waffenbesitzkarte (erstinstanzlicher Bescheid vom 17. August 1998). Die Entziehung der waffenrechtlichen Urkunden stützte die belangte Behörde in beiden Bescheiden darauf, dass der Beschwerdeführer eine der von ihm besessenen Waffen nicht sorgfältig verwahrt habe. Sie ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

Am 2. März 1998 habe sich der 17-jährige Halbbruder des Beschwerdeführers im Haus seiner Mutter in Niederösterreich mit der Pistole des Beschwerdeführers erschossen. Wie der - nicht im selben Haushalt mit dem in Wien wohnhaften Beschwerdeführer lebende - Halbbruder des Beschwerdeführers in den Besitz der Pistole gelangt sei, habe nicht eindeutig geklärt werden können; es stehe jedoch fest, dass dieser gelegentlich im Haus des Beschwerdeführers, in dem auch der gemeinsame Vater des Beschwerdeführers und seines Halbbruders wohne, zu Besuch gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe seine Waffe in diesem Haus im Schlafzimmer hinter einer abnehmbaren Blende eines Wandverbaues neben dem Bett schussbereit aufbewahrt. Der Beschwerdeführer lebe gemeinsam mit seiner Ehegattin, die nicht im Besitz einer waffenrechtlichen Urkunde sei, im selben Haushalt. Der im selben Haus (jedoch in einem gesonderten Haushalt) lebende Vater des Beschwerdeführers sei im Besitz einer waffenrechtlichen Urkunde. Das Schlafzimmer sei während der Abwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau stets versperrt, nicht jedoch, wenn zumindest einer der Ehegatten zu Hause sei. Im Falle der Abwesenheit der Ehegatten vom Haus werde ein Schlüssel zum Schlafzimmer in einer (nicht versperrten) Schatulle im Haus deponiert.

Die für die Entziehung des Waffenpasses bzw. der Waffenbesitzkarte ausschlaggebende fehlende Verlässlichkeit des Beschwerdeführers aufgrund mangelnder sorgfältiger Verwahrung der betreffenden Waffe gemäß § 25 Abs. 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Z. 2 WaffG 1996 (im Folgenden WaffG) begründete die belangte Behörde mit der schussbereiten Aufbewahrung der Waffe an einem ungesicherten Ort, zu dem die (nicht im Besitz einer waffenrechtlichen Urkunde befindliche) Ehefrau des Beschwerdeführers jederzeit und ohne die Notwendigkeit der Überwindung eines Hindernisses Zugang gehabt habe. Die schon allein aus diesem Umstand abzuleitenden Zweifel an der sorgfältigen Verwahrung der Waffe des Beschwerdeführers würden durch den Umstand verstärkt, dass es darüber hinaus dem Halbbruder des Beschwerdeführers möglich gewesen sei, unbemerkt und offenbar ohne Schwierigkeiten in das Schlafzimmer des Beschwerdeführers zu gelangen und die Waffe an sich zu nehmen. Hierbei sei es unerheblich, ob dies in einem unbeachteten Moment während der Anwesenheit zumindest eines der Ehegatten (diese Möglichkeit sei von beiden Eheleuten eingeräumt worden) oder mit dem in einer Schatulle deponierten Schlüssel während deren Abwesenheit geschehen sei. Jedenfalls habe das "Versteck" der Waffe hinter der abnehmbaren, unversperrten Verblendung des Schlafzimmerverbaues keine entsprechende Verwahrung gegen den Zugriff Unbefugter dargestellt, weil zumindest die Ehegattin und offenbar auch der Halbbruder des Beschwerdeführers von diesem Versteck gewusst hätten. Auch die versperrbare Schlafzimmertüre sei keine geeignete Sicherungsmaßnahme gewesen, weil diese bei Anwesenheit eines der Eheleute unversperrt gewesen sei, und bei deren Abwesenheit ein offenbar jedem Besucher zugänglicher, in einer Schatulle am Tisch eines unversperrten Zimmers deponierter Schlüssel den ungehinderten Zutritt zum Schlafzimmer ermöglicht habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden gegen diese Bescheide der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 25 Abs. 2 WaffG hat die Behörde insbesondere die Verlässlichkeit des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde zu überprüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Berechtigte nicht (mehr) waffenrechtlich verlässlich ist. Ergibt sich, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist, so hat die Behörde gemäß § 25 Abs. 3 leg. cit. die waffenrechtlichen Urkunden zu entziehen. Unter welchen Voraussetzungen die Behörde vom Fortbestand der (waffenrechtlichen) Verlässlichkeit auszugehen hat und wann diese zu verneinen ist, ergibt sich aus § 8 WaffG. Ein Mensch ist danach als verlässlich im Sinne des Waffengesetzes anzusehen, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird (§ 8 Abs. 1 Z 2 WaffG).

Bei Auslegung des Begriffes der sorgfältigen Verwahrung im Sinne des § 8 Abs. 1 Z 2 leg. cit. ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen. Ob die im Einzelfall gewählte Verwahrungsart als sorgfältig bezeichnet werden kann, hängt von objektiven Momenten ab (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1998, Zl. 98/20/0083).

Die belangte Behörde ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung der Waffen auch gegenüber dem im gleichen Haushalt lebenden Ehegatten besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt der Inhaber eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung gegenüber Personen im privaten Nahebereich nicht, wenn diese Personen zur Waffe jederzeit und ohne Notwendigkeit der Überwindung eines Hindernisses Zugang haben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1997, Zl. 95/20/0421, samt der dort zitierten Judikatur sowie das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1999, Zl. 99/20/0158). Daher erfordert die sorgfältige Verwahrung im Sinne des Gesetzes grundsätzlich auch gegenüber einem Ehegatten, die Waffe versperrt zu verwahren (vgl. das zu § 6 Abs. 1 Z 2 des Waffengesetzes 1986 ergangene hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1994, Zl. 93/01/0327, sowie das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1998). Wenn auch in Bezug auf Personen im privaten Nahbereich des Berechtigten die Anlegung eines überspitzten Maßstabes für die erforderliche Sicherung der Waffe gegen einen möglichen Zugriff nicht in Betracht kommt (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 1997), kann die Verwahrung der geladenen Waffe in einem für die Ehegattin des Beschwerdeführers ungehindert zugänglichen und ihr bekannten "Versteck" nicht als sorgfältig im Sinne der waffenrechtlichen Vorschriften beurteilt werden (vgl. zuletzt die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 2001, Zl. 2000/20/0520 und Zl. 99/20/0476, jeweils mwN).

Mit der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, die Ehefrau sei zwar darüber informiert gewesen, dass sich die Waffe im Schlafzimmer befinde, allerdings nicht über deren genauen Verwahrungsort in diesem Zimmer, scheint sich der Beschwerdeführer gegen die Feststellung der belangten Behörde zu wenden, wonach "zumindest" die Ehegattin des Beschwerdeführers vom Versteck gewusst habe. Diese Feststellung begegnet nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes aber keinen Bedenken, weil die Ehegattin des Beschwerdeführers bei ihrer Einvernahme im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren ausdrücklich ausgesagt hat, sie sei "sehr wohl in Kenntnis gewesen, dass sich in unserem Schlafzimmer eine Faustfeuerwaffe befunden hat, dies war auch hauptsächlich der Grund, warum ich die Schlafzimmertüre abgesperrt habe, wenn ich weggegangen bin (...)", und in der Beschwerde geltend gemacht wird, der Beschwerdeführer habe seine Gattin "angewiesen ..., das Geheimfach nicht zu öffnen," bzw. ihr "untersagt ..., an das Geheimfach zu gehen". Das damit zugestandene Wissen um das "Geheimfach" als solches lässt sich in Verbindung mit der Kenntnis davon, dass sich im Schlafzimmer eine Faustfeuerwaffe befinde, nicht in rechtlich erheblicher Weise vom Wissen um das Versteck der Waffe - die vom Beschwerdeführer auch tatsächlich in dem "Geheimfach" verwahrt wurde - unterscheiden.

Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf das hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/01/0081, vermag am Fehlen einer ordnungsgemäßen Verwahrung nichts zu ändern. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar in diesem Erkenntnis ausgeführt, dass aus der Verwahrung einer Waffe in einem versperrten Barschrank im Wohnzimmer und aus der zeitweiligen Verwahrung in einem Versteck im Büroraum, zu dem offenbar nur die damalige Ehefrau des Beschwerdeführers Zutritt hatte, nicht auf eine mangelhafte Verlässlichkeit des Beschwerdeführers geschlossen werden könne, doch ist der vorliegende Beschwerdefall mit diesem Sachverhalt nicht vergleichbar. Abgesehen davon, dass in dem der angeführten Entscheidung vom 18. September 1991 zugrundeliegenden Fall eine bloß "zeitweilige Verwahrung in einem Versteck im Büroraum" vorlag, geht aus diesem Erkenntnis auch nicht hervor, dass der Ehegattin das Versteck bekannt war.

Am Fehlen einer sorgfältigen Verwahrung würde es auch nichts ändern, wenn der Beschwerdeführer seiner Gattin - der schon erwähnten Beschwerdebehauptung zufolge - untersagt hätte, das Geheimfach zu öffnen. Selbst wenn der Inhaber der waffenrechtlichen Urkunde der Meinung war, dass die Person, die mit ihm in der Wohnung lebt, in der die Waffe unversperrt aufbewahrt ist, das unversperrte Behältnis weisungsgemäß nicht öffnen werde, kann von einer sorgfältigen Verwahrung grundsätzlich nicht gesprochen werden, weil auch ohne gegenteilige Erfahrungen nicht angenommen werden darf, dass in der Wohnung lebende Personen in Kenntnis des Vorhandenseins einer Waffe sich nicht eines Tages dieser bemächtigen würden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1994, Zl. 93/01/0327). Bloße Verbote, deren Wirksamkeit sich nur auf die Erwartung entsprechenden Gehorsams gründet, kommen als "Hindernis" im Sinne der zuvor zitierten Judikatur von vornherein nicht in Frage. Dies gilt auch dann, wenn es sich beim Adressaten des Verbotes, wie der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Gehorsamserwartung ins Treffen führt, um seine "ehemalige Sekretärin" handelt.

Der angefochtene Bescheid hat den Beschwerdeführer daher zu Recht als nicht (mehr) verlässlich im Sinne des § 8 Abs. 1 Z. 2 zweiter Fall WaffG qualifiziert, sodass die gegen die Entziehung des Waffenpasses und der Waffenbesitzkarte gerichteten Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen waren.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Da zwei Bescheide angefochten und von der belangten Behörde zwei Gegenschriften erstattet wurden, war der belangten Behörde als obsiegender Partei der zweifache Schriftsatzaufwand gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG zuzusprechen.

Wien, am 18. Juli 2002

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