VwGH 98/03/0352

VwGH98/03/035227.2.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des WZ in Wien, vertreten durch Dr. Hans G. Mondel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 23. September 1998, Zl. UVS 30.17-73/98-10, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §62 Abs1;
VStG §51f Abs2;
VStG §51h Abs4;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
VStG §51f Abs2;
VStG §51h Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde - nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 29. September 1998 und Verkündung des Bescheides im Anschluss daran - der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe "am 24.9.1995, gegen 11.29 Uhr, als Lenker des Pkws mit dem Kennzeichen W 1.042, in Spital am Semmering, auf der B 306, auf Höhe Straßenkilometer 20,3 in Fahrtrichtung Mürzzuschlag, die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 11 km/h (gemessene Geschwindigkeit 66 km/h abzüglich 5 km/h Messtoleranz) überschritten". Er habe dadurch § 20 Abs. 2 StVO 1960 verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt.

Die Ladung zur mündlichen Berufungsverhandlung am 23. September 1998 wurde dem Beschwerdeführer am 11. September 1998 zugestellt. Er ist zu dieser Verhandlung nicht erschienen.

Die schriftliche Ausfertigung des Bescheides wurde ihm (durch Hinterlegung) am 4. November 1998 zugestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass auf Grund der zu kurzen Vorbereitungsfrist keine ordnungsgemäße Ladung zur mündlichen Berufungsverhandlung am 23. September 1998 vorgelegen und daher im gegenständlichen Fall eine Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers nicht zulässig gewesen sei. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer - im Ergebnis - eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon aus folgendem Grund auf:

Wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dann hindert dies nach § 51f Abs. 2 VStG weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses. Da § 51f Abs. 2 VStG ausdrücklich auf die ordnungsgemäße Ladung abstellt, ist die Verhandlung in Abwesenheit der betreffenden Partei nur dann zulässig, wenn die Ladung fehlerfrei erfolgt ist, d. h. jeglicher Mangel der Ladung hindert die Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit der Partei (Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, S. 294).

Der Beschwerdeführer ist im Recht, wenn er im Hinblick auf § 51e Abs. 6 VStG, wonach die Parteien so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden sind, dass ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen, eine Fehlerhaftigkeit der Ladung geltend macht, weil ihm die Ladung erst 12 Tage vor der anberaumten Verhandlung zugestellt wurde.

Nach der hg. Rechtsprechung hat die bei der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat, zu der die Parteien ordnungsgemäß geladen wurden, erfolgt Verkündung des Berufungsbescheides die Wirkung seiner Erlassung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. November 1998, Zl. 98/03/0207). Eine solche Wirkung der Verkündung trat im Beschwerdefall gegenüber dem Beschwerdeführer jedoch nicht ein, weil nach dem oben Gesagten keine ordnungsgemäße Ladung des Beschwerdeführers zur Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde und insofern auch keine für die Zulässigkeit der - im Anschluss an die Berufungsverhandlung (ohne gesonderte Ladung) erfolgte - mündlichen Verkündung des Straferkenntnisses erforderliche ordnungsgemäße Ladung vorlag.

Nach § 31 Abs. 2 VStG beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen (von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt. Gemäß § 31 Abs. 3 erster Satz VStG darf ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden, wenn seit dem im Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom 20. April 1995, Zl. 94/09/0374, ausführlich dargelegt, dass die Frist des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG nur dann gewahrt wird, wenn das Straferkenntnis fristgerecht gegenüber dem Beschuldigten rechtswirksam erlassen wurde und dass die Erlassung des Straferkenntnisses an eine andere Verfahrenspartei hingegen nicht geeignet ist, diese Wirkung herbeizuführen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1996, Zl. 96/02/0086).

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführer wegen einer am 24. September 1995 begangenen Straftat bestraft. Die mündliche Verkündung des Straferkenntnisses der belangten Behörde im Anschluss an die Berufungsverhandlung vom 23. September 1998 hatte nicht - jedenfalls nicht gegenüber dem Beschwerdeführer (vgl. auch Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, II. Band, 2. Auflage, Anm. 7 zu § 51 f VStG) - die Wirkung seiner Erlassung. Die schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 23. September 1998 wurde jedoch dem Beschwerdeführer erst am 4. November 1998 zugestellt. Da die Zustellung und damit Erlassung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer als Beschuldigten des Verwaltungsstrafverfahrens erst nach Ablauf der im § 31 Abs. 3 erster Satz VStG geregelten Frist und damit erst nach Eintritt der Strafbarkeitsverjährung erfolgte, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er schon deshalb nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. Februar 2002

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