VwGH 2001/20/0433

VwGH2001/20/043327.9.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des S in D, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. Mai 2001, Zl. Wa-129/01, betreffend Verhängung eines Waffenverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1986 §12 Abs1 idF 1994/520;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §25;
WaffG 1996 §8;
WaffG 1986 §12 Abs1 idF 1994/520;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §25;
WaffG 1996 §8;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996 (im Folgenden kurz WaffG) ein Waffenverbot verhängt. Der Beschwerdeführer (der nach Ausweis der Akten Inhaber einer Jagdkarte ist) habe am 7. November 2000 in einem näher bezeichneten Forstgut mit einer verbotenen Schusswaffe, nämlich einer KK-Repetierbüchse mit herausgeschliffener Seriennummer und funktionsfähigem Schalldämpfer, ein Hirschkalb erlegt. Dieses Gewehr habe er, nachdem er es bei einer Futterstelle abgestellt hatte, vergessen, sodass es erst am 11. November 2000 von einem anderen Jäger beim Wildgatter aufgefunden und dem örtlichen Gendarmerieposten überbracht worden sei. Der Beschwerdeführer sei daher nicht nur im Besitz einer mit einem Schalldämpfer ausgerüsteten und somit verbotenen Schusswaffe gewesen, sondern er habe mit dieser verbotenen Waffe auch Wild geschossen und die Waffe überdies an einem frei zugängigen Ort vergessen. Bei dieser Sachlage, so die belangte Behörde unter Bezugnahme auf näher zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Beschwerdeführer durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder das Vermögen von Menschen gefährden könnte. Das Gesamtbild werde durch die Tatsache "abgerundet", dass der Beschwerdeführer im Jahre 1997 wegen Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden sei. Insgesamt zeige sich damit eine Einstellung zu "gesellschaftlich und rechtlich relevanten Regeln", die eine Vermutung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG zulasse. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Jäger sei, sei für ihn nichts zu gewinnen, da ihm als solchen die Tragweite seines Verhaltens noch viel eher hätte bewusst sein müssen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer lässt die Feststellungen im angefochtenen Bescheid unbestritten, wonach er eine verbotene Waffe besessen, verwendet und danach an einem frei zugängigen Ort vergessen habe. Da er über eine Genehmigung des Gatter- und Jagdberechtigten (gemeint: für die Jagd) verfügt habe, könne aber von einer missbräuchlichen Verwendung im Sinne des Gesetzes keine Rede sein, wobei die belangte Behörde in Bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal Ermittlungstätigkeiten zur Gänze unterlassen habe. Der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt rechtfertige die Annahme eines Missbrauchs von Waffen durch den Beschwerdeführer und damit die Verhängung eines Waffenverbotes gegen ihn auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, welche für die Verhängung eines Waffenverbotes im Fall des Besitzes und der nicht ordnungsgemäßen Verwahrung von Waffen das Hinzutreten weiterer Umstände fordere.

Gemäß § 12 Abs. 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0020, mwN) dient die Verhängung eines Waffenverbotes der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung (das ist eines "gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauches") von Waffen. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der auch mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Eine bereits erfolgte missbräuchliche Verwendung von Waffen ist nicht Voraussetzung für die Verhängung eines Waffenverbotes.

Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt daher voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegen stünde. Wesentlich ist somit die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist.

Objektive Sachverhaltselemente im obgenannten Sinn erblickt die belangte Behörde im vorliegenden Fall vor allem im Besitz, dem Führen und der sorglosen Verwahrung einer verbotenen Waffe durch den Beschwerdeführer.

Was den Besitz einer verbotenen Waffe anlangt, so hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zur im wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmung des § 12 Abs. 1 WaffG 1986 in der Fassung der Waffengesetznovelle 1994, BGBl. Nr. 520, ausgesprochen, dass dieser auch in Verbindung mit der nicht ordnungsgemäßen Verwahrung der Waffe nicht ausreicht, um ein Waffenverbot zu begründen. Auch das unbefugte Führen einer Waffe rechtfertigt nach der hg. Rechtsprechung nur bei Hinzutreten weiterer Umstände ein Waffenverbot (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. November 1997, Zl. 96/20/0745, und vom 11. Dezember 1997, Zl. 96/20/0142). Diese zu § 12 Abs. 1 WaffG 1986 ergangene Judikatur ist auch auf die korrespondierende Bestimmung des Waffengesetzes 1996 anzuwenden (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 98/20/0020 sowie jenes vom 24. Februar 2000, Zl. 99/20/0149).

Aus dem Gesagten ist ersichtlich, dass die Verhängung eines Waffenverbotes angesichts der in § 12 Abs. 1 WaffG vorausgesetzten Missbrauchsgefahr strengeren Voraussetzungen unterliegt, als die (bloß) zur Entziehung waffenrechtlicher Urkunden führende Verneinung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit nach § 25 iVm.

§ 8 WaffG (vgl. dazu die im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/20/0404, zitierte Rechtsprechung).

Soweit sich die belangte Behörde zur Bekräftigung ihrer Rechtsansicht auf das hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0246, bezieht, so ist nicht zu übersehen, dass der Verwaltungsgerichtshof auch in diesem Erkenntnis das dort verfahrensgegenständliche Waffenverbot nach dem WaffG 1986 nicht schon alleine aufgrund des Besitzes einer verbotenen Waffe als gerechtfertigt angesehen hat, sondern dass der Besitz einer verbotenen Waffe nur "unter anderem" Grund für die Prognose nach § 12 Abs. 1 WaffG 1986 war. "Vielmehr" sprachen für die Verhängung des Waffenverbotes in dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Fall "die weiteren" Tatsachen, dass der Beschwerdeführer den Lauf der Waffe verkürzte und versuchte, einen Schalldämpfer herzustellen und zu montieren, womit an seiner Absicht, sich bewusst über waffenrechtliche Vorschriften hinwegzusetzen, nicht zu zweifeln war.

Im vorliegenden Fall kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer bewusst über waffenrechtliche Vorschriften hinwegsetzen wollte. Im Rahmen seiner Einvernahme vom 25. Februar 2001 hat er nämlich angegeben, es wäre ihm zwar aufgefallen, dass der Schussknall leiser als bei anderen "Flobertgewehren" gewesen wäre, er habe aber nicht gewusst, dass in seinem Gewehr, welches er auf der Waffenbörse erworben habe, ein Schalldämpfer eingebaut sei. Er habe das Gewehr auch "nie zerlegt, weshalb er auch den Schalldämpfer nie gesehen habe". Über die fehlende Waffennummer habe er mit dem Verkäufer gesprochen, doch habe dieser erklärt, "dass keine drauf wäre". Auch habe er die Beschädigung, wo die Nummer herausgeschliffen worden sei, nie bemerkt, weil er "nicht so genau geschaut habe".

Mit diesen Aussagen des Beschwerdeführers hat sich die belangte Behörde nicht beweiswürdigend auseinander gesetzt, obwohl auch das im Akt erliegende Gutachten der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle vom 27. November 2000 offenbar zu dem Ergebnis gelangt, dass der Schalldämpfer kein äußerlich erkennbarer Bestandteil der in Rede stehenden Waffe ist. So führt das Gutachten aus, dass die Schusswaffe mit dem "Originalschalldämpfer" versehen war, der in der besonders beschriebenen "Bauart des Laufmantels in Verbindung mit dem Lauf" bestand. Zur Frage, ob und gegebenenfalls weshalb für den Beschwerdeführer dennoch erkennbar gewesen sei, dass die Waffe trotz Verbotes mit einem Schalldämpfer ausgerüstet war, durch deren Verwendung er sich (etwa vergleichbar mit dem im angefochtenen Bescheid zitierten hg. Erkenntnis Zl. 93/01/0246) bewusst über waffenrechtliche Vorschriften hinwegsetzen wollte, hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen.

Im Übrigen rechtfertigt die bloße Tatsache eines allenfalls auch vorsätzlichen Verstoßes gegen Waffenrecht nicht losgelöst von der Art des Verstoßes und den Umständen des Einzelfalles die Verhängung eines Waffenverbotes (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 96/20/0745).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden. Mit diesem Erkenntnis erübrigt sich die Entscheidung des Berichters über die beantragte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. September 2001

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