VwGH 2001/05/0941

VwGH2001/05/094113.11.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger-Heis, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Mai 2000, Zl. 600.502/7-II/13/00, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2. Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Gemeinde St. Jakob im Walde, 2. SP in S), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §44;
AVG §46;
AVG §52 impl;
B-VG Art6 Abs3;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §1 Abs8 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §15a idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;
MeldeG 1991 §17 Abs3;
MeldeG 1991 §17 Abs3a idF 2001/I/028;
ABGB §44;
AVG §46;
AVG §52 impl;
B-VG Art6 Abs3;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §1 Abs8 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §15a idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;
MeldeG 1991 §17 Abs3;
MeldeG 1991 §17 Abs3a idF 2001/I/028;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.- bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 27. November 1938 in Wien geborene, verheiratete, seit Anfang Dezember 1998 pensionierte Zweitmitbeteiligte war im Zeitraum vom 10. Oktober 1973 bis 19. März 1999 mit Hauptwohnsitz (siehe § 23 Abs. 1 des im Beschwerdefall anzuwendenden Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung des Hauptwohnsitzgesetzes BGBl. Nr. 505/1994; in der Folge kurz:

MeldeG) in Wien XVII., Pezzlgasse 71-73/1/7, gemeldet. Am 19. März 1999 meldete die Zweitmitbeteiligte St. Jakob im Walde, Kaltenegg 41, (von der Zweitmitbeteiligten selbst als "Ferienwohnung, Wochenendhaus" bezeichnet) als Hauptwohnsitz und den bisherigen Hauptwohnsitz als weiteren Wohnsitz. Der im Jahre 1933 geborene Ehegatte der Zweitmitbeteiligten ist weiterhin mit Hauptwohnsitz in der Wiener Unterkunft gemeldet. Im "Erhebungsblatt zur Feststellung des Hauptwohnsitzes im Verfahren gemäß § 17 Meldegesetz" der belangten Behörde gab die Zweitmitbeteiligte an, "den größeren Teil des Jahres", und zwar im Sommerhalbjahr "die ganze Woche" und im Winterhalbjahr "werktags häufig", in St. Jakob im Walde sowie im Winterhalbjahr "werktags nur fallweise" und "zum Wochenende nur fallweise" die Zeit in Wien zu verbringen. Die Zweitmitbeteiligte verneinte "aktive gesellschaftliche Betätigungen" in Wien und gab ihre gesellschaftlichen Betätigungen in der nunmehr gemeldeten Hauptwohnsitzgemeinde mit "weniger intensiv" an. Ergänzend führte die Zweitmitbeteiligte aus, dass sie seit ihrer Pensionierung "weit mehr als ein halbes Jahr in St. Jakob i. W. (Steiermark)" verbringe und "sich der Mittelpunkt meiner Lebensbeziehungen eindeutig nach dort verlegt hat. Die Erhöhung der ‚Ferienwohnungsabgabe' durch das Land Steiermark hat mich zwar sehr geärgert, ist aber nicht der Grund meiner Hauptmeldung in der Steiermark."

Der beschwerdeführende Bürgermeister beantragte mit Eingabe vom 2. Oktober 1999 gemäß § 17 Abs. 2 Z. 2 MeldeG die Einleitung eines Reklamationsverfahrens zur Entscheidung darüber, ob die Zweitmitbeteiligte, die in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters mit Hauptwohnsitz angemeldet ist, dort weiterhin den Hauptwohnsitz hat. Begründet wurde dieser Antrag im Wesentlichen damit, dass die Zweitmitbeteiligte den Hauptwohnsitz in der Steiermark nur wegen der "exorbitanten Erhöhung der Ferienwohnungsabgabe" gewählt habe. Auch wenn verständlich sei, dass die Zweitmitbeteiligte sich aus finanziellen Gründen gezwungen gesehen habe, dieser ihr untragbar erscheinenden Mehrbelastung zu entgehen, könne darin aber eine sachlich gerechtfertigte Hauptwohnsitzverlagerung nicht erblickt werden. Wenn man im Übrigen auch noch mit ins Kalkül ziehe, dass die Stadt Wien mit all ihren zahlreichen kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Angeboten mit Sicherheit der Zweitmitbeteiligten schon bisher dienlich gewesen sei und weiterhin sein werde, sei Wien als Hauptwohnsitz zu betrachten.

Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme der mitbeteiligten Parteien und des Österreichischen Statistischen Zentralamtes "gemäß § 17 Abs. 3 MeldeG" ein. Der mitbeteiligte Bürgermeister gab keine Stellungnahme ab. Der beschwerdeführende Bürgermeister äußerte sich zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in St. Jakob im Walde ab. Im Hinblick auf die Äußerung der Betroffenen, der besonderes Gewicht zukomme, käme die Behörde zur Überzeugung, dass für die Zweitmitbeteiligte zu Recht ein Mittelpunkt der Lebensbeziehungen in St. Jakob im Walde gegeben sei. Die Zweitmitbeteiligte sei Pensionistin und verfüge dementsprechend über sehr viel Freizeit. Sie halte sich den kleineren Teil des Jahres in Wien auf, wo ihr Ehemann mit Hauptwohnsitz gemeldet sei. Die Zweitmitbeteiligte besitze in St. Jakob im Walde eine Ferienwohnung. Ihr gesellschaftlicher Schwerpunkt liege in St. Jakob im Walde; dorthin sei auch in familiärer Hinsicht ein Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen gegeben, weil ihr Ehemann dort ebenfalls einen Wohnsitz begründet habe. Die Zweitmitbeteiligte habe daher bei einer Gesamtbetrachtung zwei Mittelpunkte ihrer Lebensbeziehungen ("Familienwohnsitze"); das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck komme, gebe in diesen Fällen letztlich den Ausschlag.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die Zweitmitbeteiligte erstattete ebenfalls eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht. Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiellrechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher vor allem folgende - nunmehr ausdrücklich in dem mit der Novelle vom 30. März 2001, BGBl. I Nr. 28/2001, eingefügten Abs. 8 des § 1 MeldeG festgeschriebenen - Bestimmungskriterien maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schulde und den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Für das vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. September 2001, G 139/00-10, u. a., als verfassungskonform bewertete Reklamationsverfahren gilt daher, dass nur die im § 17 Abs. 3 MeldeG angeführten Beweismittel zulässig sind; die Parteien trifft eine besondere Mitwirkungspflicht. Die am Reklamationsverfahren beteiligten Bürgermeister dürfen nur Tatsachen geltend machen, die sie in Vollziehung eines Bundes- oder Landesgesetzes ermittelt haben und die keinem Übermittlungsverbot unterliegen (siehe das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/05/0935, m. w. N. ).

Um dem Ziel des Reklamationsverfahrens gemäß § 17 Abs. 3 MeldeG entsprechen zu können, hat die Behörde (§ 17 Abs. 1 MeldeG) in ihrer Entscheidung für die Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensbeziehungen des Betroffenen als wesentliches Tatbestandsmerkmal eines Hauptwohnsitzes gemäß § 1 Abs. 7 MeldeG eine Gesamtbetrachtung seiner beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen vorzunehmen. Diesen Anforderungen wird das Ermittlungsverfahren nur dann entsprechen, wenn die Behörde jedenfalls die oben wiedergegebenen, nunmehr im § 1 Abs. 8 MeldeG, BGBl. Nr. 28/2001, für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen angeführten Kriterien berücksichtigt hat. Hiefür stehen der Behörde die im § 17 Abs. 3 leg. cit. (abschließend) aufgezählten Beweismittel zur Verfügung. Die in der letztgenannten Bestimmung normierte besondere Mitwirkungspflicht der Parteien, insbesondere des Betroffenen, schließt die Verpflichtung ein, zu strittigen Umständen in Form verbindlicher und nachvollziehbarer Erklärungen und Erläuterungen Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde hat daher in diesem Rahmen den maßgebenden Sachverhalt (§ 37 AVG) zu ermitteln und die vorliegenden Beweise auch zu würdigen (§ 45 Abs. 2 AVG). Das subjektive Kriterium des "überwiegenden Naheverhältnisses" ist nur dann entscheidend, wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen Mittelpunkte der Lebensbeziehungen darstellen (vgl. hiezu das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/05/0935). Auch die rechtliche Schlussfolgerung, es lägen zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" beim Betroffenen vor, erfordert aber ein mängelfreies Verfahren im Sinne der vorstehenden Ausführungen (siehe das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/05/0932). Angaben des Betroffenen in einem "Erhebungsblatt zur Feststellung des Hauptwohnsitzes im Verfahren gemäß § 17 Meldegesetz" der belangten Behörde, welches inhaltlich der "Wohnsitzerklärung" (Anlage C zu § 15a Meldegesetz in der Fassung des Art. I der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001) entspricht, reichen nicht aus, wenn sie widersprüchlich oder unvollständig sind bzw. bei einer verständigen Würdigung Zweifel an deren Richtigkeit auftreten müssen. Diesfalls hat die Behörde weitere Erhebungen, insbesonder durch Befragung oder Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Betroffenen, durchzuführen. Die Behörde kann sich seit der Meldegesetz-Novelle 2001 auch der erweiterten Möglichkeiten zur Ermittlung der Wohnsitzanknüpfungen (siehe insbesondere § 17 Abs. 3a MeldeG) unter Berücksichtigung der im Gesetz genannten Voraussetzungen bedienen.

Die Einholung einer Stellungnahme des Österreichischen Statistischen Zentralamtes (nunmehr Bundesanstalt "Statistik Österreich"; siehe § 22 Bundesstatistikgesetz 2000, BGBl. I Nr. 163/1999) zum Ermittlungsergebnis kommt nur dann in Betracht, wenn die für die Durchführung des Reklamationsverfahrens der Behörde an die Hand gegebenen Beweismittel für die abschließende Beurteilung der Rechtsfrage noch nicht ausreichen, also bei der Behörde noch Zweifel darüber bestehen, ob der Betroffene in einer bestimmten Gemeinde einen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat. In dieser Stellungnahme hat die Statistik Österreich nachvollziehbare Ausführungen darüber zu machen, ob die von der Behörde in ihrer Entscheidung zu beachtenden Behauptungen der Parteien auf Grund der einschlägigen Statistiken einer Plausibilitätsprüfung standhalten, und bei widerstreitenden Sachverhalten darzulegen, welche der Behauptungen diesen Vorgaben eher entsprechen (siehe das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/05/0932).

Aus dieser Rechtslage folgt im Beschwerdefall:

Die Zweitmitbeteiligte ist verheiratet und hat seit 1973 mit ihrem Ehegatten in Wien als Hauptwohnsitz gewohnt. Mit Ausnahme des Übertrittes in den Ruhestand mit Ende 1998 und der damit verbundenen erweiterten Freizeitgestaltung hat sich an den Lebensbeziehungen der Zweitmitbeteiligten offenbar nichts geändert. Die Zweitmitbeteiligte lebt in aufrechter Ehe, ihr bisheriger Familien- und Hauptwohnsitz war Wien und Wien ist für ihren Ehegatten noch weiter Hauptwohnsitz. Unter Berücksichtigung des im § 44 ABGB formulierten Begriffes der Ehe und der sich aus einem Ehevertrag ergebenden Verpflichtung der Ehegatten zu einer umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft (siehe §§ 90, 91 ABGB) ist daher bei Feststellung des Hauptwohnsitzes im Verfahren gemäß §17 Abs. 3 MeldeG zunächst grundsätzlich davon auszugehen, dass zwischen Ehegatten eine solche Lebensgemeinschaft besteht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft.

Gleiches gilt für eine außereheliche Lebensgemeinschaft, die dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. September 1996, Zl. 95/08/0283, u. v. a). Allerdings sei an dieser Stelle angemerkt, dass im Bereich des Reklamationsverfahrens nach dem MeldeG diese Gleichstellung nur für die unstrittige Lebensgemeinschaft gelten kann, weil die beschränkte Beweisaufnahme die Feststellung einer Lebensgemeinschaft gegen den Willen der Betroffenen keinesfalls erlaubt.

Wenn nun, wie im Beschwerdefall, feststeht, dass sich der (die) Betroffene mit einem Partner (einer Partnerin) in einer ehelichen oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft befindet, dann ist daher davon auszugehen, dass die Ehegatten bzw. Lebensgefährten denselben Mittelpunkt haben, es sei denn besondere - im Reklamationsverfahren zu behauptende und von der Behörde festzustellende - Gründe sprechen für eine gegenteilige Annahme. Ein anderes Freizeitverhalten des in Pension befindlichen Betroffenen im Vergleich zum noch berufstätigen Partner rechtfertigt bei einer Gesamtbetrachtung im Sinne des § 1 Abs. 7 MeldeG grundsätzlich nicht die Annahme eines vom Ehegatten verschiedenen Hauptwohnsitzes, weil im Falle einer aufrechten Lebensgemeinschaft im Wesentlichen von gleichgelagerten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen der Ehegatten bzw. Lebensgefährten auszugehen sein wird, wobei dann der Ort der Berufsausübung beim anderen Ehegatten von entscheidender Bedeutung ist (siehe nunmehr ausdrücklich in § 1 Abs. 8 MeldeG, BGBl. Nr. 28/2001: Ort der Erwerbstätigkeit von Familienangehörigen).

Grundsätzlich wird davon auszugehen sein, dass einem - ohne irgendeine familiäre Bindung - neu geschaffenen Freizeitwohnsitz (Wochenendhaus, Ferienwohnung) bei aktiv Erwerbstätigen keine Mittelpunktqualifikation zukommt; auch ein allfälliger Aufbau gesellschaftlicher Beziehungen am Ferienort vermag die Intensität der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen am bisherigen Wohnort und Ort der Berufsausübung kaum zu erreichen.

Beim Übertritt in den Ruhestand wird ein Mittelpunkt am Ort des Ferienwohnsitzes dann vorliegen, wenn familiäre Bindungen zu jenem Wohnsitz, an dem auch die Berufsausübung erfolgte, nicht mehr bestehen, wenn also beide Ehegatten (Lebensgefährten) aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und die in § 1 Abs. 7 leg. cit. genannten Lebensbeziehungen zum früheren Wohnort nicht mehr oder nur mehr in untergeordneter Weise bestehen. In solchen Fällen wird durch die Aufrechterhaltung der Wohnung am bisherigen Wohnsitz - etwa, um das kulturelle Angebot der Großstadt weiter nützen zu können - der Mittelpunktcharakter nicht mehr zu bejahen sein.

Sollte sich aber beim Pensionistenehepaar auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens ergeben, dass an beiden Wohnsitzen intensive gesellschaftliche Beziehungen bestehen, so können wirtschaftliche Beziehungen - etwa die Schaffung eines Eigenheims -

eine entscheidende Rolle spielen. Liegen solche wirtschaftlichen Beziehungen zu nur einem Ort nicht vor, wohl aber gesellschaftliche Beziehungen beider Ehegatten zu beiden Orten, dann werden zwei Mittelpunkte in Betracht kommen. Unvermeidbar ist in solchen Fällen die Möglichkeit, dass von den beiden Ehegatten divergierende Wahlen getroffen werden; eine Anknüpfung allein an die Erklärung des Ehegatten genügt nicht, weil es nicht darauf ankommen kann, welcher der beiden Bürgermeister zuerst ein Reklamationsverfahren eingeleitet hat.

Insbesondere ausgehend von den Angaben der Zweitmitbeteiligten über ihre Aufenthaltsdauer in St. Jakob im Walde, die auf Grund ihres Ruhestandes durchaus plausibel erscheinen, lässt sich ein weiterer Lebensmittelpunkt an diesem Ort nicht in Abrede stellen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aus diesen Gründen frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Anwendungsfall des § 47 Abs. 4 VwGG liegt nicht vor (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 9. Oktober 2001, Zl. 2001/05/0255).

Wien, am 13. November 2001

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