VwGH 2000/19/0095

VwGH2000/19/009524.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerden des KN in N, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen die Bescheide des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten des Arbeitsmarktservice Niederösterreich 1.) vom 11. Mai 2000, Zl. LGS NÖ/JUR 12181/2000, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, sowie

2.) vom 17. Juli 2000, Zl. LGS NÖ/JUR 12181/2000, betreffend Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
AlVG 1977 §12 Abs3 lita;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §49 Abs1;
AVG §18 Abs4;
AVG §38;
AVG §58 Abs3;
AVG §68 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
AlVG 1977 §12 Abs3 lita;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §49 Abs1;
AVG §18 Abs4;
AVG §38;
AVG §58 Abs3;
AVG §68 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der erstangefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Zuerkennung von Notstandshilfe widerrufen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer jeweils Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das im Verfahren zur hg. Zl. 2000/19/0095 geltend gemachte Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand in der Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 30. September 1994 in Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bei der regionalen Geschäftsstelle Neunkirchen. Der Beschwerdeführer hatte die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung als Hausarbeiter ab 1. September 1986 gemeldet und in der Folge Lohnbescheinigungen vorgelegt, die ein monatliches geringfügiges Entgelt aufwiesen. Er bezog in der Zeit vom 1. Jänner 1988 bis 31. Dezember 1993 Notstandshilfe in der Höhe der jeweils vorgesehenen Tagessätze.

Aus einem Aktenvermerk vom 29. April 1994 geht hervor, dass bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices Neunkirchen an diesem Tag eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer einlangte, wonach dieser "fast rund um die Uhr bei der Firma K. arbeite. Er sei außerdem auch ständig mit Firmenautos dieser Firma unterwegs und arbeite die restliche Zeit des Tages im Baumarkt (dieser Firma)."

Am 11. Mai 1994 wurde erneut von dritter Seite eine ähnliche Beobachtung an die Behörde erster Instanz herangetragen. Die Behörde erster Instanz informierte am 26. Juli 1994 die niederösterreichische Gebietskrankenkasse über den Inhalt dieser Anzeigen, worauf von dieser ein Ermittlungsverfahren (über das Bestehen der Versicherungspflicht) eingeleitet wurde.

Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse St. Pölten stellte mit Erledigung vom 19. Jänner 1998 fest, dass der Beschwerdeführer in seiner Tätigkeit als Hausarbeiter für die Firma K. vom 1. Jänner 1988 bis 31. Dezember 1993 der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-)- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Dies wurden damit begründet, dass der Beschwerdeführer in den genannten Jahren ein monatliches Entgelt über der jeweils in Geltung gestandenen monatlichen Geringfügigkeitsgrenze erzielt und die Arbeiten für die Firma K. in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit erbracht habe, weshalb ein durchgehendes Dienstverhältnis vorgelegen und die Firma K. als Dienstgeber des Beschwerdeführers anzusehen gewesen sei.

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices Neunkirchen widerrief daraufhin mit Bescheid vom 31. März 2000 die Zuerkennung der Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 in der geltenden Fassung (AlVG) für die Zeit vom 1. Jänner 1988 bis 31. Dezember 1993 im Gesamtbetrag von S 626.592,-- und forderte für die Zeit vom 20. April 1991 bis 31. Dezember 1993 die unberechtigt empfangene Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG in Höhe von S 306.784,-- zurück. Hinsichtlich des Widerrufes bezog sie sich auf den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse St. Pölten vom 19. Jänner 1998 und dessen Inhalt und führte aus, "auf Grund dieser rechtskräftigen Entscheidung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse" sei die Zuerkennung der Notstandhilfe zu widerrufen, weil Arbeitslosigkeit bei Ausübung einer vollversicherungspflichtigen Beschäftigung nicht vorliege. Die Festlegung des zweitgenannten Zeitraumes wurde damit begründet, dass die regionale Geschäftsstelle Neunkirchen am 12. Oktober 1999 durch den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse St. Pölten vom 19. Jänner 1998 davon Kenntnis erlangt habe, dass der Beschwerdeführer während des Notstandshilfebezuges für die Zeit vom 1. Jänner 1988 bis 31. Dezember 1993 als Hausarbeiter für die Firma K. der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei und der Beschwerdeführer lediglich die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung gemeldet habe. Zum Rückforderungszeitraum des § 25 Abs. 6 AlVG von fünf Jahren komme noch der Zeitraum, in dem das Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse und bei der Niederösterreichischen Landesregierung anhängig gewesen sei (§ 25 Abs. 6 AlVG in der damals geltenden Fassung). Dieser Zeitraum von 1271 Tagen sei noch zusätzlich anzurechnen gewesen, sodass als Beginn des Rückforderungszeitraumes der 20. April 1991 ermittelt worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und wandte ein, die Bestimmung des § 25 Abs. 6 AlVG in der von der Behörde angewandten Form gehöre nicht mehr dem Rechtsbestand an, weshalb die zuletzt genannten Zeiträume nicht mehr hinzuzuzählen seien. Darüber hinaus sei der Bescheid der Gebietskrankenkasse nicht in Rechtskraft erwachsen, weil er nicht ordnungsgemäß gefertigt sei. Die monatliche Geringfügigkeitsgrenze sei vom Beschwerdeführer nicht durchgehend, sondern nur gelegentlich überschritten worden, weshalb lediglich der Bezug eines Betrages von S 30.000,-- zu widerrufen gewesen wäre. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer auch keinen Rückforderungstatbestand gesetzt, zumal er beim Ausfüllen seiner Anträge nicht gewusst habe, wann er die Zusatztätigkeiten verrichten werde und es für ihn nicht erkennbar gewesen sei, dass er ein Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze verdienen werde.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 11. Mai 2000 wies der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten des Arbeitsmarktservice Niederösterreich die Berufung des Beschwerdeführers gemäß den §§ 56 und 58 AlVG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG ab. Dies wurde damit begründet, dass entgegen dem Berufungsvorbringen der Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse in Rechtskraft erwachsen sei, weil das Formerfordernis des § 18 Abs. 4 AVG lediglich erfordere, dass ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kenne, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen könne und davon im vorliegenden Fall auszugehen sei. Auf Grund dieses rechtskräftigen Bescheides, der Bindungswirkungen für die belangte Behörde entfalte, sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei der Firma K. in einem Dienstverhältnis mit einer Entlohnung über der Geringfügigkeitsgrenze vom 1. Jänner 1988 bis 31. Dezember 1993 gestanden sei. Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für die Notstandshilfe sei sohin in diesem Zeitraum nicht gegeben und der Leistungsbezug sei gemäß § 38 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 AlVG für diese Zeit zu widerrufen gewesen.

Durch § 50 Abs. 1 AlVG sei der Leistungsbezieher verpflichtet, jeden Umstand, der auf das Ausmaß und das Fortbestehen der Leistung Einfluss haben könnte, der regionalen Geschäftsstelle zu melden. Der Beschwerdeführer habe nicht bekannt gegeben, dass er zu der von ihm angegebenen geringfügigen Beschäftigung als Hausarbeiter Zusatztätigkeiten ausführe und neben dem in der Lohnbescheinigung angeführten Entgelt ein zusätzliches Einkommen erziele. Er habe dadurch die Meldepflicht nach § 50 AlVG verletzt und den Rückforderungstatbestand "Verschweigung maßgebender Tatsachen" des § 25 Abs. 1 AlVG erfüllt. Durch diese Nichtmeldung habe er der regionalen Geschäftsstelle die Möglichkeit einer Überprüfung der Voraussetzung des § 12 Abs. 6 lit. a AlVG vor Leistungsanweisung genommen, einen ungerechtfertigten Leistungsbezug herbeigeführt und den Rückforderungstatbestand der Verschweigung maßgebender Tatsachen gesetzt.

Entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz gehe die Berufungsbehörde davon aus, dass die regionale Geschäftsstelle Neunkirchen bereits mit Anzeige am 29. April 1994 vom maßgeblichen Sachverhalt Kenntnis erlangt habe, sodass die fünfjährige Frist des § 25 Abs. 6 AlVG sich bis 29. April 1989 erstrecke und die Leistung sohin für die Zeit vom 29. April 1989 bis 31. Dezember 1993 rückgefordert werden könne. Der Spruch des Bescheides erster Instanz umfasse aber lediglich einen Rückforderungszeitraum vom 20. April 1991 bis 31. Dezember 1993. Die Berufungsbehörde dürfe gemäß § 66 Abs. 4 AVG nicht über mehr entscheiden, als Gegenstand der Entscheidung der Unterinstanz gewesen sei, weshalb die Verpflichtung zum Rückersatz für die Zeit vom 20. April 1991 bis 31. Dezember 1993 bestätigt werde. Der Berufungswerber habe in dieser Zeit Notstandshilfe im Gesamtausmaß von S 306.784,-- erzielt und sei daher gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG verpflichtet, diesen Betrag rückzuerstatten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu hg.

Zl. 2000/19/0095 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die regionale Geschäftsstelle Neunkirchen verpflichtete mit weiterem Bescheid vom 2. Juni 2000 den Beschwerdeführer gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG auch zur Rückzahlung der für die Zeit vom 29. April 1989 bis 19. April 1991 in der Höhe von S 196.647,-- erhaltenen Notstandshilfe. Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er im Wesentlichen seine Argumente im erstgenannten Verfahren wiederholte und weiters ausführte, er habe nur zum Teil eine Verpflichtung zum Rückersatz und bestehe eine solche für den genannten Zeitraum nicht. Es seien keine neuen Tatsachen hervorgekommen, denn die Anzeigenerstattung sei vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides aktenkundig gewesen, sodass die Erlassung dieses Bescheides weder auf § 68 Abs. 2 noch § 69 Abs. 1 AVG gestützt werden könnte. Der "Vorbescheid" sei rechtskräftig und bindend. Darüber hinaus habe er keine Gelegenheit gehabt, in die Anzeige vom 29. April 1994 Einblick zu nehmen, sodass er dazu auch keine Stellungnahme abgeben hätte können.

Im Berufungsverfahren wurden dem Vertreter des Beschwerdeführers Aktenvermerke über die Anzeigen vom 29. April 1994 und vom 11. Mai 1994 übermittelt, wobei die Namen der Anzeiger jeweils anonymisiert wurden. Dazu ergänzte der Beschwerdeführer in einer Stellungnahme vom 20. Juni 2000, das Unkenntlichmachen der Texteile widerspreche den Bestimmungen des § 37 AVG und es werde auch die inhaltliche Richtigkeit der Anzeigen bestritten.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom 17. Juli 2000 wies der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten des Arbeitsmarktservice Niederösterreich die Berufung des Beschwerdeführers gemäß den §§ 56 und 58 AlVG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG ab. Dieser Bescheid deckt sich hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 (Verschweigung maßgebender Tatsachen) bzw. des § 50 AlVG (Verletzung der Meldepflicht) mit der Begründung des erstangefochtenen Bescheides. Die Berufungsbehörde führte weiters aus, die regionale Geschäftsstelle Neunkirchen habe mit Anzeige vom 29. April 1994 Kenntnis vom maßgeblichen Sachverhalt erlangt, sodass sich die fünfjährige Frist des § 25 Abs. 6 AlVG bis 29. April 1989 erstrecke. Aus dem Inhalt der Anzeige gehe eindeutig hervor, dass der Beschwerdeführer neben der dem Arbeitsmarktservice bekannt gegebenen Tätigkeit Zusatztätigkeiten gegen Entgelt bei der Firma K. verrichte. In der Anzeige sei ein Ausmaß der Beschäftigung bekannt gegeben worden, welches den zweifelsfreien Schluss einer Beschäftigung mit einer Entlohnung über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze nach sich ziehe. Diese Kenntnis sei durch den nachfolgenden Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 19. Jänner 1998 lediglich bestätigt worden. Insofern der Beschwerdeführer meine, aus dem Bescheid der regionalen Geschäftsstelle Neunkirchen vom 31. März 2000 gehe hervor, dass er nur zum Teil die Verpflichtung zum Rückersatz habe, so könne diesem Vorbringen nicht gefolgt werden, zumal über die verfahrensgegenständliche Sache, nämlich die Rückforderung der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 29. April 1989 bis 19. April 1991 im Ausmaß von S 196.647,-- im rechtskräftigen Bescheid vom 31. März 2000 nicht entschieden worden sei. Es liege keine entschiedene Sache vor, weshalb die Bestimmungen der §§ 68 oder 69 AVG nicht in Erwägung gezogen werden mussten. Die Anonymisierung der Aktenvermerke sei im Sinne des § 17 AVG geboten gewesen; eine Zeugeneinvernahme der anzeigenerstattenden Personen sei verfahrensrechtlich nicht notwendig gewesen. Die vom Bescheid erster Instanz ausgesprochene Rückforderung der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 29. April 1989 bis 19. April 1991 in der Höhe von S 196.647,-- bestehe zu Recht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2000/19/0128 protokollierte Beschwerde.

Der Beschwerdeführer macht in beiden Fällen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete je eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerde wegen ihres rechtlichen, sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes lauten:

"§ 12. ...

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

a) wer in einem Dienstverhältnis steht;

...

6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Einkommen gemäß § 36a erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, wobei bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes, BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung und der pauschalierte Ersatz für Materialkosten unberücksichtigt bleiben;

§ 24. ...

(2) Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbei geführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird.

...

(6) Eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen einschließlich der Aberkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß Abs. 2 oder eine Verfügung zur Nachzahlung ist für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch die regionale Geschäftsstelle, zurückliegen. Ebenso tritt ein Bescheid über die Aberkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld nach Ablauf von fünf Jahren ab Eintritt der Rechtskraft außer Kraft, wenn er bis zu diesem Zeitpunkt nicht vollzogen wurde.

§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes sinngemäß anzuwenden.

§ 50. (1) Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen oder das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen. ...

1. Zur Beschwerde gegen den Bescheid vom 11. Mai 2000 (hg. Zl. 2000/19/0095):

Der Beschwerdeführer macht zum Widerruf der zuerkannten Notstandshilfe unter dem Aspekt einer Verfahrensverletzung geltend, die belangte Behörde sehe sich an den "Bescheid" der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse gebunden, wonach er hinsichtlich seiner Tätigkeit als Hausarbeiter für die Firma K. der Voll- und Arbeitslosenversicherung unterlegen sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob eine derartige Bindung für die belangte Behörde bestehe, weil dieser "Bescheid" der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse eine unleserliche Unterschrift trage, aus welcher der Name des Genehmigenden nicht abgelesen werden könne. Gemäß § 18 Abs. 4 AVG hätte in diesem Fall die Ausfertigung den Namen in anderer Weise erkennbar machen müssen. Dies sei aber nicht geschehen und könne auch nicht durch die Nennung der Funktionsbezeichnung ("Der Direktor") ersetzt werden. Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse habe daher bis heute keine bescheidmäßige Erledigung getroffen, weshalb auch keine bindende Vorfragenentscheidung vorliege. Die belangte Behörde hätte den maßgeblichen Sachverhalt daher selbst feststellen müssen, was jedoch nicht geschehen sei.

Vorauszuschicken ist, dass es auf Grund der Anknüpfung des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG an das Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG rechtlich ausgeschlossen ist, dass für einen bestimmten Zeitraum sowohl das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, gleichzeitig aber auch das Vorliegen von Arbeitslosigkeit bejaht werden kann, zumal die maßgebenden Kriterien einer entsprechend entlohnten abhängigen Beschäftigung in beiden Fällen ident sind. Dies gilt auch für die Frage des aus einer solchen Beschäftigung zustehenden Entgeltes. Bei Vorliegen eines die Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG feststellenden Bescheides hätte die belangte Behörde daher ohne eigene Ermittlungen diese Hauptfragenentscheidung der Beurteilung der Frage der Arbeitslosigkeit im Sinn des § 12 Abs. 3 lit. a bzw. § 12 Abs. 6 lit. a AlVG zugrundelegen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1998, Zl. 98/08/0129).

Die belangte Behörde ging vom Vorliegen einer derartigen rechtskräftigen Entscheidung der Gebietskrankenkasse und vom Bestehen einer Bindungswirkung im obgenannten Sinn aus. Dem schon in der Berufung vorgebrachten Einwand fehlender Bescheidqualität hielt sie entgegen, den Formvorschriften des AVG werde Genüge getan, wenn die Unterschrift des Unterzeichnenden für einen Dritten, der dessen Namen kenne, lesbar sei.

Nach § 18 Abs. 4 AVG müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der nach Abs. 2 genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt.

Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang wiedergegebenen Rechtssätze stammen aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der "Unterschrift". Darüber hinaus muss aber im Anwendungsbereich des AVG die Bescheidausfertigung entweder eine leserliche Unterschrift oder eine leserliche Beisetzung des Namens des Genehmigenden enthalten.

Die grundsätzliche Forderung des Gesetzgebers, dass für die Parteien eines Verfahrens die Identität des Genehmigenden erkennbar sein müsse, wird dadurch verdeutlicht, dass sich aus der Ausfertigung in leserlicher Form der Name des Betreffenden ergeben muss. Sollte daher eine Unterschrift unleserlich sein, so muss in anderer leserlicher Form dessen Name der Erledigung entnehmbar sein. Fehlt es daher an einer Unterschrift im Sinne des Gesetzes und ergibt sich aus der Erledigung auch sonst kein Anhaltspunkt dafür, wer die Erledigung genehmigt hat, also erscheint auch keine "leserliche Beifügung des Namens" des Genehmigenden auf, so liegt kein Bescheid vor (vgl. unter vielen die hg. Erkenntnisse vom 14. Juni 1995, Zl. 95/12/0116, vom 21. März 1996, Zl. 95/18/1160, sowie vom 20. September 1996, Zl. 93/17/0391). Die Angabe der Funktion reicht bei Unleserlichkeit der Unterschrift des Genehmigenden nicht aus, dem gesetzlichen Erfordernis der leserlichen Beifügung des Namens des Genehmigend zu genügen (vgl. u. a. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 96/12/0027). Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist daher nur in dem Fall, dass der Name des Genehmigenden der Erledigung auf andere Weise zu entnehmen ist, die Unleserlichkeit der Unterschrift ohne Belang.

Ausgehend von ihrer oben wiedergegebenen unrichtigen Rechtsansicht unterließ es die belangte Behörde daher zu prüfen, ob die an den Beschwerdeführer gerichtete Ausfertigung der in Rede stehenden Erledigung eine leserliche Unterschrift des Genehmigenden aufwies oder sonst den Erfordernissen des § 18 Abs. 4 AVG entsprochen hat. Bei der im Akt erliegenden, für die belangte Behörde bestimmten Ausfertigung derselben Erledigung ist die Unterschrift des Genehmigenden jedenfalls unleserlich. Aus dem am Ende dieser Ausfertigung befindlichen Stempel mit dem Schriftzug "Nö. Gebietskrankenkasse in St. Pölten - Der Direktor:" ist die Identität des Genehmigenden nicht ableitbar; diese geht auch aus einer anderen Stelle der Erledigung nicht hervor.

Das Bestehen eines rechtskräftigen, das Vorliegen der Versicherungspflicht des Beschwerdeführers feststellenden Bescheides der Gebietskrankenkasse, der die oben dargestellte Bindungswirkung entfaltet hätte, wurde daher nicht festgestellt. In Ermangelung einer solchen Feststellung hätte die belangte Behörde daher, wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, dem angefochtenen Bescheid eigene Sachverhaltsfeststellungen zu Grunde legen müssen. Über die Bezugnahme auf den Inhalt des vermeintlichen Bescheides hinausgehende, eigene Feststellungen hat die belangte Behörde aber nicht getroffen. So sind dem angefochtenen Bescheid insbesondere auch keine Feststellungen zum Berufungsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer die Geringfügigkeitsgrenze nur fallweise überschritten habe und daher ein weitaus geringerer Teil der Notstandshilfe zu widerrufen sei, zu entnehmen, bezog sich die belangte Behörde diesbezüglich doch ausschließlich auf die zitierte Erledigung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse. Dem angefochtenen Bescheid ist daher nicht in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen, weshalb und in welchem zeitlichen Umfang im Fall des Beschwerdeführers eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Tätigkeit vorgelegen ist.

Der erstangefochtene Bescheid erweist sich daher hinsichtlich des Teiles, mit dem der mit S 626.592,-- ermittelte Gesamtbetrag unberechtigt empfangener Notstandshilfe für die Zeit vom 1. Jänner 1988 bis 31. Dezember 1993 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen wurde, als rechtswidrig, weil nachvollziehbare Feststellungen als Grundlage für die Annahme des Nichtvorliegens von Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers im genannten Zeitraum fehlen und die Rechtmäßigkeit des auf diese Annahme gestützten Widerrufes durch den Verwaltungsgerichtshof nicht überprüft werden kann.

Der erstangefochtene Bescheid war daher, soweit mit ihm der Widerruf der Zuerkennung von Notstandshilfe ausgesprochen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die mit dem zweiten Teil des erstangefochtenen Bescheides ausgesprochene Verpflichtung zum Rückersatz eines Teiles der oben wiedergegebenen Summe setzt aber gemäß § 25 Abs. 1 AlVG einen Widerruf der Zuerkennung von Notstandshilfe nach § 24 Abs. 2 leg. cit. voraus. Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in Ansehung des Widerrufes die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, insoweit er den Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe umfasste, fällt uno actu und rückwirkend auch die Voraussetzung für die Rückforderung weg. Auf Grund der Rückwirkung des aufhebenden Erkenntnisses in Ansehung des Widerrufes ist nun davon auszugehen, dass es der belangten Behörde an der Voraussetzung für die Rückforderung fehlte und sich eine dennoch ausgesprochene Rückforderung als inhaltlich rechtswidrig erweist.

Der erstangefochtene Bescheid war daher im Übrigen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

2. Zur Beschwerde gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 17. Juli 2000 (hg. Zl. 2000/19/0128):

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde die restliche Summe des widerrufenen Gesamtbetrages im Wege der Rückforderung vom Beschwerdeführer begehrt. Hinsichtlich dieses Bescheides gilt das zum zweiten Teil des erstangefochtenen Bescheides Ausgeführte, wonach eine derartige Rückforderung jedenfalls einen Widerruf von unberechtigt empfangenen Leistungen voraussetzt. Wegen des - auf Grund der Wirkung des § 42 Abs. 3 VwGG eingetretenen - Wegfalles eines solchen erweist sich auch der zweitangefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.

Der zweitangefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenausspruch stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf den im Verfahren zu Zl. 2000/19/0095 begehrten Ersatz von Beilagengebühr; dieses Begehren war wegen der Pauschalierung der Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG abzuweisen.

Wien, am 24. November 2000

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