Normen
AufG 1992 §6 Abs2 impl;
AVG §56;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1997 §113 Abs10;
FrG 1997 §19 Abs5;
FrG 1997 §21 Abs3;
AufG 1992 §6 Abs2 impl;
AVG §56;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1997 §113 Abs10;
FrG 1997 §19 Abs5;
FrG 1997 §21 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 13. November 1984 geborene Beschwerdeführer beantragte am 14. Jänner 1998 (bei der Niederlassungsbehörde erster Instanz eingelangt am 27. Jänner 1998) die erstmalige Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft mit seinem in Österreich lebenden Vater.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Februar 1999 wurde dieser Antrag gemäß §§ 21 Abs. 1 bis 3 und 113 Abs. 10 FrG 1997 abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen aus, aus § 21 Abs. 1 bis 3 FrG 1997 gehe eindeutig hervor, dass der Familiennachzug ausschließlich auf Ehegatten und deren minderjährige Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt sei. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer in seinem Antragsformular als Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Fremden", und zwar mit dem in Österreich lebenden Vater, angegeben habe. Der Beschwerdeführer sei jedoch bereits über 14 Jahre alt; der Aufenthaltszweck treffe nicht mehr zu. Unbeschadet des Vorbringens des Beschwerdeführers in seiner Berufung stelle die belangte Behörde fest, dass es sich dabei um eine gesetzliche Bestimmung handle, die im vorliegenden Fall eindeutig anzuwenden gewesen sei.
Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass der Vater des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet aufhältig sei. Es habe sohin eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen zu erfolgen. Nach Wiedergabe des § 8 Abs. 1 und 3 FrG 1997 führte die belangte Behörde weiters aus, dieser "Abwägung" sei zu entnehmen, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden müsse, weil der vorgegebene Aufenthaltszweck keinesfalls zutreffen könne. Aus diesem Grund sei der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung - auch wenn dadurch in sein Privatleben eingegriffen werde - abzuweisen gewesen und sei dies auch ausschlaggebend dafür gewesen, dass die Ermessensentscheidung der belangten Behörde zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausgefallen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Mit Erkenntnis vom 19. Juni 2000, G 16/00, hob der Verfassungsgerichtshof in § 21 Abs. 3 FrG die Wortfolge "vor Vollendung des 14. Lebensjahres" als verfassungswidrig auf. Er sprach aus, dass diese Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2000 in Kraft trete (vgl. die Kundmachung des Bundeskanzlers, BGBl. I Nr. 66/2000). Eine Ausdehnung der Anlassfallwirkung auf beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren nahm der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis nicht vor.
Der gegenständliche Beschwerdefall ist nicht Anlassfall des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 2000. Der Verwaltungsgerichtshof hat vorliegendenfalls daher § 21 Abs. 3 FrG 1997 in seiner Fassung vor Inkrafttreten der Aufhebung der oben zitierten Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof anzuwenden (Art. 140 Abs. 7 B-VG).
Übereinstimmend gehen sowohl die belangte Behörde - diese zumindest implizit - als auch die Beschwerde davon aus, dass sich der Vater des Beschwerdeführers schon vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer in Österreich niedergelassen hatte. Der im Zeitpunkt der Antragstellung noch unmündige minderjährige Beschwerdeführer hatte im Zeitpunkt der Bescheiderlassung das 14. Lebensjahr bereits vollendet.
Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 im Fall des Beschwerdeführers, der seinen Antrag erst nach Inkrafttreten des FrG 1997 gestellt hat, vorgelegen wären, bestehen nicht.
Die Beschwerde bringt vor, die Rechtsansicht der belangten Behörde, ein Familiennachzug im Rahmen der Quotenpflicht sei nur dann möglich, wenn im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet gewesen sei, sei verfehlt und liefere den Antragsteller "ausnahmslos" dem Ermessen der Behörde hinsichtlich des Zeitpunktes der Entscheidung aus. Hätte die erstinstanzliche Behörde ihre Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG nicht verletzt, wäre dem Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung erteilt worden. § 21 Abs. 3 FrG 1997 lasse eine Auslegung zu, dass der maßgebliche Zeitpunkt der Vollendung des 14. Lebensjahres "die Antragstellung, Protokollierung, Bescheiderlassung erster Instanz oder sodann die Einbringung der Berufung" sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zlen. 99/19/0052 bis 0055, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, Folgendes ausgeführt:
Wenn in dieser Bestimmung (gemeint: § 21 Abs. 3 FrG 1997) davon die Rede ist, dass der Familiennachzug auf die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt ist, so ist damit klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Bewilligung (nur darauf, nicht etwa auf den tatsächlichen Nachzug kann es ankommen) des Familiennachzuges nach dieser Bestimmung nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung unmündigen Kindern erteilt kann.
Das Abstellen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung ist demnach - so die weiteren Ausführungen des Erkenntnisses - nicht als unsachlich zu erkennen, ist doch für die Entscheidung, ob einem Fremden die Zuwanderung zu gestatten ist oder nicht, die persönliche Situation (hier: das Alter) des Fremden im Entscheidungszeitpunkt wichtiger als jene im Antragszeitpunkt. Der Umstand, dass ein vor Erreichen der Mündigkeit gestellter Antrag gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 bloß deshalb nicht bewilligt werden kann, weil sich die Entscheidung darüber bis zur Erreichung des 14. Lebensjahres des Antragstellers verzögert hat, wäre allerdings außerhalb des Anwendungsbereiches des § 113 Abs. 10 FrG 1997 bei einer im Rahmen der Quote gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 zu treffenden Ermessensentscheidung entsprechend zu berücksichtigen (vgl. für den Fall der Erreichung der Volljährigkeit während des Niederlassungsverfahrens auch das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1999, Zl. 98/19/0236).
Entgegen der Beschwerde kann auch keine Rede davon sein, dass Antragsteller dadurch dem Ermessen der Behörde hinsichtlich des Zeitpunktes der Entscheidung "ausnahmslos" ausgeliefert seien, hat doch die Niederlassungsbehörde bei der Festlegung der Reihenfolge der Bearbeitung offener Anträge nicht nach Willkür, sondern nach pflichtgebundenem Ermessen vorzugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1999, Zl. 98/19/0282, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Auch der Hinweis auf die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Behörde erster Instanz geht ins Leere. Es wäre dem Beschwerdeführer freigestanden, den Übergang der Entscheidungspflicht auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde durch einen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG herbeizuführen.
Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden:
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 11. Juni 1999, Zl. 99/19/0044, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, ist die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft mündiger minderjähriger Kinder, die nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 fallen, mit ihren im Inland aufhältigen Eltern im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 festgesetzten Quote im Wege einer Ermessensentscheidung nicht ausgeschlossen.
Der Beschwerdeführer hat sich vorliegendenfalls - in grundsätzlich tauglicher Weise - zur Begründung seines Antrages auf die Anwesenheit seines Vaters im Bundesgebiet gestützt.
Die belangte Behörde hätte daher von Amts wegen die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag ins Treffen geführten Umstände für die angestrebte Niederlassungsbewilligung - im Falle des Vorliegens dieser Gründe - einem zu ihrer Verwirklichung tauglichen gesetzlichen Aufenthaltszweck zu subsumieren und den Antrag im Rahmen der für diesen Zweck vorgesehenen Niederlassungsquote zu behandeln gehabt. War nach dem Vorgesagten die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 seit dem 13. November 1998 (Vollendung des 14. Lebensjahres des Beschwerdeführers) nicht mehr möglich, wäre die belangte Behörde bei Bescheiderlassung am 19. November 1998 gehalten gewesen, den Antrag des Beschwerdeführers im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 FrG festgelegten Quote zu behandeln.
Die belangte Behörde war gehalten, in Anwendung der §§ 8, 19 FrG 1997 eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob dem Beschwerdeführer im Rahmen der Quote für Private eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen war.
Der für das Überwiegen der öffentlichen Interessen allein ins Treffen geführte Grund, der vorgegebene Aufenthaltszweck "könne keinesfalls zutreffen", ist schon deshalb unzutreffend, weil die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 festgelegten Quote Berücksichtigung finden könnten.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z.1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Dezember 2000
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