Normen
AufG 1992 §3 Abs1 Z2 idF 1995/351;
AufG 1992 §5 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1997 §113 Abs10;
FrG 1997 §19 Abs5;
FrG 1997 §21 Abs3;
EMRK Art14;
EMRK Art8;
VwRallg;
AufG 1992 §3 Abs1 Z2 idF 1995/351;
AufG 1992 §5 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1997 §113 Abs10;
FrG 1997 §19 Abs5;
FrG 1997 §21 Abs3;
EMRK Art14;
EMRK Art8;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 2. Juni 1997 (beim Landeshauptmann von Wien eingelangt am 17. Juni 1997) die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem Vater.
Dieser gemäß § 112 FrG 1997 nach Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewertete Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. April 1998 gemäß § 8 Abs. 5 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 FrG 1997 abgewiesen. Begründend führte der Landeshauptmann von Wien aus, die gegenständliche Wohnung bestehe aus einem Zimmer, Kabinett, Kochnische, Vorraum und Klosett. Die Gesamtnutzfläche betrage 36,99 m2. Die Wohnung werde bereits vom Vater der Beschwerdeführerin, sowie von einer weiteren Person bewohnt. "Nach Ansicht der erkennenden Partei" liege eine für Inländer ortsübliche Unterkunft nur dann vor, wenn außer mindestens einem Wohnraum für jede Generation ein eigener Schlafraum zur Verfügung stehe. Da dies hier nicht der Fall sei, stehe der Beschwerdeführerin keine für Inländer ortsübliche Unterkunft zur Verfügung.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, verwies auf das Vorhandensein eines Kabinetts, sowie darauf, dass die weitere Person, welche mit ihrem Vater im Haushalt lebe, dessen Lebensgefährtin sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. Dezember 1998 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 21 Abs. 3 FrG 1997 abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, aufgrund der nunmehr geltenden Rechtslage sei der Antrag der Beschwerdeführerin vom 2. Juni 1997 als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten. Gemäß § 21 Abs. 3 FrG 1997 sei der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen hätten, auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. Aufgrund dieser eindeutigen Bestimmung stehe fest, dass im Fall der Beschwerdeführerin, welche bereits über 14 Jahre alt sei, der Zweck der Familiengemeinschaft ausgeschlossen sei. Die Versagung der beantragten Niederlassungsbewilligung sei aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Gründen gerechtfertigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 19 Abs. 1 und 5, § 20, § 21 Abs. 3, § 46 Abs. 1 und § 113 Abs. 10 FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 19. (1) Fremden, die sich auf Dauer niederlassen wollen, kann auf Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des 2. Abschnittes über die Erteilung von Aufenthaltstiteln bis auf weiteres gesichert scheinen. Sie darf - außer in den Fällen des Abs. 2 - nur im Rahmen der Niederlassungsverordnung erteilt werden (Quotenpflicht).
...
(5) ... Drittstaatsangehörigen, die sich ohne Erwerbsabsicht auf Dauer in Österreich niederlassen, wird eine Niederlassungsbewilligung für Private erteilt; sie gilt für jeglichen Aufenthaltszweck außer für Erwerbstätigkeit.
...
§ 20. (1) Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern solcher Fremder, die rechtmäßig in Österreich auf Dauer niedergelassen sind, ist auf deren Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern sie ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). ...
...
§ 21. ...
...
(3) Der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, ist auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt. ...
...
§ 46. (1) EWR-Bürger genießen Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit.
...
§ 113. ...
...
(10) Bei Erlassung der Niederlassungsverordnung für die Jahre 1998 bis 2000 kann die Bundesregierung zusätzlich eine Anzahl an Niederlassungsbewilligungen festlegen, die minderjährigen unverheirateten Kindern Drittstaatsangehöriger im Rahmen des Familiennachzuges zusätzlich erteilt werden dürfen, sofern diese Drittstaatsangehörigen sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer in Österreich niedergelassen haben, die Kinder das 14. Lebensjahr vollendet haben und erwiesen ist, dass der Nachzug bislang bloß deshalb unterblieben ist, weil eine Bewilligung gemäß der Verordnung nach § 2 des Aufenthaltsgesetzes nicht zur Verfügung stand. ..."
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (21. Dezember 1998) ist für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Niederlassungsverordnung 1998, BGBl. II Nr. 371/1997, maßgebend. § 4 dieser Verordnung lautete:
"§ 4. Im Jahr 1998 dürfen unter den Bedingungen des § 113 Abs. 10 FrG höchstens 550 Niederlassungsbewilligungen für minderjährige unverheiratete Kinder von Drittstaatsangehörigen erteilt werden, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer in Österreich niedergelassen haben; hievon entfallen auf ... Wien 170 derartige Niederlassungsbewilligungen."
Die Beschwerdeführerin macht Normbedenken gegen § 21 Abs. 3 FrG 1997 geltend. Sie vertritt die Auffassung, diese Regelung diskriminiere grundlos mündige Minderjährige gegenüber unmündigen Minderjährigen, aber auch mündige minderjährige Nicht-EWR-Bürger gegenüber mündigen minderjährigen EWR-Bürgern.
Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin jedoch aus nachstehenden Gründen keine Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend zu erwecken, dass § 21 Abs. 3 FrG 1997 gegen Art. 8 und 14 MRK oder gegen das bundesverfassungsgesetzliche Gebot der Gleichbehandlung Fremder untereinander verstieße:
Selbst wenn es - wie dies der Beschwerdeführerin offenbar vorschwebt - verfassungsrechtlich geboten wäre, sie als Staatsangehörige Bosniens und der Herzegowina EWR-Bürgern gleichzustellen, folgte daraus nicht, dass § 21 Abs. 3 FrG 1997 gegen dieses Gebot verstieße. Vielmehr hätte eine Gleichstellung der Beschwerdeführerin mit EWR-Bürgern zur Folge, dass ihr - wie dies bei EWR-Bürgern gemäß § 46 Abs. 1 FrG 1997 der Fall ist - Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit einzuräumen wäre. Allfällige verfassungsrechtliche Bedenken hätten sich daher gegen diese Norm, welche der Verwaltungsgerichtshof hier aber nicht anzuwenden hat, zu richten. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine Gleichbehandlung bosnischer Staatsangehöriger mit solchen von EWR-Bürgern geboten sein sollte.
Zum anderen liegt es nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes innerhalb des Gestaltungsspielraumes des einfachen Gesetzgebers, den Familiennachzug unmündiger Kinder zu Drittstaatsangehörigen, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, gegenüber jenem von mündigen minderjährigen Kindern zu privilegieren, weil bei typisierender Betrachtung die Bindung an und die Abhängigkeit von den Eltern bei unmündigen Kindern stärker ausgeprägt ist als bei mündigen Kindern. Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 98/19/0236, darlegte, ist die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft selbst volljähriger Kinder mit ihren im Inland aufhältigen Eltern im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 festgesetzten Quote im Wege einer Ermessensentscheidung nicht ausgeschlossen. Gleiches gilt auch für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung an mündige minderjährige Kinder, die nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 fallen.
Zutreffend rügt die Beschwerdeführerin jedoch vorliegendenfalls, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, zu prüfen, ob ihr im Rahmen der gemäß § 113 Abs. 10 FrG 1997 festgelegten Quote eine Bewilligung gemäß §§ 20, 21 Abs. 3 bis 5 FrG 1997 hätte erteilt werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zlen. 98/19/0225, 0226, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, Folgendes ausgeführt:
Ausgehend vom Zweck des § 113 Abs. 10 FrG 1997 ist die dort umschriebene Voraussetzung, "dass der Nachzug bislang bloß deshalb unterblieben ist, weil eine Bewilligung gemäß der Verordnung nach § 2 des Aufenthaltsgesetzes nicht zur Verfügung stand", dahin zu interpretieren, dass sie im Fall einer Antragstellung vor Inkrafttreten des FrG 1997 nur dann fehlt, wenn der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG entgegenstand, also auch unter der Geltungsdauer des Aufenthaltsgesetzes in Wahrheit gar kein Anspruch auf Familiennachzug bestand.
Maßgebend für die Frage, ob die Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 vorliegen, ist daher nicht ein konkretes Verhalten oder die hinter einem solchen Verhalten stehende Motivation der Aufenthaltsbehörde (für die Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung), sondern allein die Frage, ob während der Geltungsdauer des Aufenthaltsgesetzes dem Anspruch auf Familiennachzug gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG ein Versagungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG entgegenstand. Hiezu sind bei der Beurteilung der Frage, ob § 113 Abs. 10 FrG 1997 angewendet werden kann, von der Niederlassungsbehörde die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
Nach dem Vorgesagten war die belangte Behörde daher nicht berechtigt, allein aufgrund der Tatsache, dass die erstinstanzliche Behörde am 27. April 1998 den Versagungsgrund des § 8 Abs. 5 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 FrG 1997 zur Anwendung brachte, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 113 Abs. 10 FrG 1997 (stillschweigend) zu negieren.
In Verkennung der oben dargestellten Rechtslage unterließ es die belangte Behörde Feststellungen darüber zu treffen, ob im Falle der Beschwerdeführerin zwischen 17. Juni 1997 und 1. Jänner 1998 ein Versagungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG vorlag.
Verneinendenfalls wäre auf sie die Übergangsbestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 anzuwenden gewesen. Die Beschwerdeführerin wäre dann berechtigt gewesen, ihren Anspruch auf Familiennachzug gemäß § 20 Abs. 1 FrG 1997 im Rahmen der gemäß § 113 Abs. 10 FrG 1997 festgelegten Quoten durchzusetzen. Ein Raum für eine Ermessensübung der belangten Behörde hinsichtlich der Erteilung der Niederlassungsbewilligung bestünde diesfalls nicht.
Schon aus dieser Erwägung leidet der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Im Übrigen wäre - wie oben dargestellt - auch bei Verneinung der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 113 Abs. 10 FrG 1997 eine Prüfung des Antrages unter dem Gesichtspunkt des § 19 Abs. 5 FrG 1997 geboten gewesen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. Juni 1999
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