VwGH 95/17/0385

VwGH95/17/038515.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek sowie Senatspräsident Dr. Puck und Hofrat Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, in der Beschwerdesache der F. GmbH, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 23. Juni 1995, Zl. IIIa-221/111, betreffend Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages zum Anschlussbeitrag nach dem Vorarlberger Kanalisationsgesetz (mitbeteiligte Partei: Stadt X), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art119a Abs5;
GdG Vlbg 1985 §83 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
GdG Vlbg 1985 §83 Abs7;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Begehren der mitbeteiligten Partei auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 11. März 1988 wurde der beschwerdeführenden Partei für das Objekt "S" gemäß § 11 des Kanalisationsgesetzes, Vorarlberger LGBl. Nr. 33/1976, ein Anschlussbeitrag in der Höhe von S 826.667,10 + 10 % MWSt in Höhe von S 82.666,71, somit insgesamt in Höhe von S 909.334,-- vorgeschrieben. Dabei wurde der Berechnung eine Geschoßfläche von 2.145 m2, eine bebaute Fläche von

16.172 m2 und eine angeschlossene befestigte Fläche von 2.815 m2 zu Grunde gelegt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

1.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadt vom 6. Dezember 1994 wurde der beschwerdeführenden Partei für dieselbe Liegenschaft ("Objekt H") ein Anschlussbeitrag in Höhe von S 317.221,92 zuzüglich 10 % MWSt, somit insgesamt gerundet in Höhe von S 348.944,-- vorgeschrieben. Der Flächenberechnung wurde eine Geschoßfläche von 4.776 m2 zu Grunde gelegt.

Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung, in der sie im Wesentlichen ausführte, die Vorschreibung eines zweiten Anschlussbeitrages sei gesetzlich nicht gedeckt. Darüber hinaus wäre die Berechtigung zur Vorschreibung eines Anschlussbeitrages im Hinblick auf die erfolgte Vorschreibung im Jahr 1988 bereits verjährt. Auch sei mittlerweile keine Erhöhung, sondern eine Verringerung der Schmutzwassermengen gegeben.

1.3. Mit Berufungsbescheid vom 11. April 1995 gab die Abgabenkommission der mitbeteiligten Stadt der Berufung teilweise Folge und änderte den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass der beschwerdeführenden Partei für das gegenständliche Objekt gemäß § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 und 6 sowie § 20 Abs. 5 des Kanalisationsgesetzes, LGBl. Nr. 5/1989 idgF sowie den §§ 9 bis 11 der Kanalordnung der Stadt X vom 26. Mai 1992 unter Zugrundelegung einer Geschoßfläche von 4.776 m2 und einem Beitragssatz von 246 ein Ergänzungsbeitrag zum Anschlussbeitrag in Höhe von S 158.610,96, somit inklusive 10 % USt in Höhe von insgesamt S 174.472,-- mit der Maßgabe vorgeschrieben werde, dass beim gegenständlichen Objekt ein geeignetes Messgerät zur Feststellung des tatsächlichen Schmutzwasserverbrauches angebracht werde.

Nach der Begründung dieses Bescheides sei der Anschlussbeitragsbescheid aus dem Jahr 1988 auf der Grundlage erfolgt, dass im verfahrensgegenständlichen H (ehemalige Weberei), der in den Akten mit "8a" bezeichnet werde, keine Schmutzwässer anfielen. Daher sei dieses Gebäude bei der Festsetzung der Beitragshöhe in Übereinstimmung mit § 14 Abs. 5 KanalisationsG hinsichtlich der Geschoßfläche nicht berücksichtigt worden. Anlässlich des Umbaues und der Änderung des Verwendungszweckes im Jahr 1993/1994 seien im Gebäude eine Küche und diverse Sanitärräume hinzugekommen; daher fielen nunmehr erstmals Schmutzwässer an. Dieser Umstand stelle hinsichtlich dieses Gebäudes eine wesentliche Änderung der Bewertungseinheit im Sinne des § 5 KanalisationsG dar. Daher sei ein Ergänzungsbeitrag vorzuschreiben.

Die Höhe errechne sich gemäß § 15 Abs. 3 leg. cit. aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem neuen und dem bereits geleisteten Anschlussbeitrag, wobei der bereits geleistete Anschlussbeitrag unter Anwendung des geltenden Beitragssatzes neu zu berechnen sei. Da bei der Berechnung des Anschlussbeitrages im Jahr 1988 die Gesamtgeschoßfläche des Gebäudes "8a" nicht berücksichtigt worden sei, sei für die Ermittlung der Höhe des Ergänzungsbeitrages die Gesamtgeschoßfläche erstmals heranzuziehen gewesen. Dies ändere aber nichts an der rechtlichen Qualifikation als Ergänzungsbeitrag. Der Abschluss der Umbauarbeiten und die damit verbundene wesentliche Änderung sei als maßgeblicher Zeitpunkt für die Entstehung des Anspruches auf den Ergänzungsbeitrag zu sehen. Eine Verjährung sei daher nicht eingetreten.

Im Vorbringen, wonach im H "8a" bereits immer Schmutzwässer angefallen seien und dies im Anschlussbeitragsbescheid aus dem Jahr 1988 berücksichtigt worden sei, müsse entgegengehalten werden, dass die in der Berufung genannten Trakte "8b" und "8c" als vom Gebäude "8a" unabhängige Teileinheiten bereits damals als Sanitäreinrichtungen berücksichtigt worden seien. Hingegen bildeten die neu hinzugekommenen Sanitärräume sowie die Küche im Gebäude "8a" eine wesentliche Änderung der Bewertungseinheit.

Die beschwerdeführende Partei erhob Vorstellung.

1.4. Mit Bescheid vom 23. Juni 1995 gab die Vorarlberger Landesregierung dieser Vorstellung Folge, hob den Abgabenberufungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Stadt zurück. Nach der Begründung dieses Bescheides ergebe sich aus der Berechnungsweise des Anschlussbeitragsbescheides aus dem Jahr 1988, "dass, entgegen der Auffassung der Berufungsbehörde, bei der Berechnung des Anschlussbeitrages 1988 davon ausgegangen wurde, dass Schmutzwässer anfallen und daher die Geschoßfläche berücksichtigt wurde."

Gemäß § 15 Abs. 5 KanalisationsG errechne sich die Höhe des Ergänzungsbeitrages aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem neuen und dem bereits geleisteten Anschlussbeitrag, wobei der bereits geleistete Anschlussbeitrag unter Anwendung des geltenden Beitragssatzes rechnerisch neu festzusetzen sei. Da die Berufungsbehörde bei der Berechnung des Ergänzungsbeitrages den Anschlussbeitrag 1988 nicht entsprechend der Berechnungsweise des § 15 Abs. 4 leg. cit. berücksichtigt habe, sei die beschwerdeführende Partei in ihren subjektiven Rechten verletzt worden.

1.5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Mit dem gesamten Beschwerdevorbringen wird geltend gemacht, die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, dass die Voraussetzungen für die Vorschreibung des Ergänzungsbeitrages vorgelegen seien. In einem mängelfreien Verfahren hätte sich herausgestellt, dass im Objekt, Trakt "8a", sehr wohl Schmutzwässer angefallen seien. Die Trakte "8b bis 8f" seien untergeordnete Nebengebäude des H "Trakt 8a". Daher hätte bereits im Jahr 1988 der Kanalanschlussbeitrag für den H "Trakt 8a" vorgeschrieben werden müssen. Da diese Vorschreibung nicht erfolgt sei, sei "der Anschlussbeitrag diesbezüglich gem. § 207 BAO" verjährt. Auch könne der rechtskräftige Beitragsbescheid nicht ohne das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen "aufgehoben" werden. Für den H "Trakt 8a" dürfe deshalb weder ein weiterer Anschlussbeitrag noch ein Ergänzungsbeitrag vorgeschrieben werden. Es sei bei der Bewertungseinheit zu keiner wesentlichen Änderung der seinerzeitigen Umstände gekommen.

1.6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Stadt, die sich hiezu allerdings keines Rechtsanwaltes bediente, eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Prozessvoraussetzungen in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

2.1. Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Zwar können Rechte einer Partei, über deren Vorstellung der Bescheid der höchsten Gemeindeinstanz durch die Vorstellungsbehörde aufgehoben wurde (Art. 119a Abs. 5 B-VG), durch die Begründung dieses aufhebenden Bescheides insofern verletzt werden, als dadurch Rechtsansichten auf die Gemeindebehörde überbunden werden (vgl. § 83 Abs. 7 des Vorarlberger Gemeindegesetzes, LGBl. Nr. 40/1985). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht jedoch eine Bindung an die - einem kassatorischen aufsichtsbehördlichen Vorstellungsbescheid beigegebene - Begründung nur insoweit, als die darin ausdrücklich geäußerte Rechtsauffassung für die Aufhebung des mit Vorstellung bekämpften gemeindebehördlichen Bescheides tragend ist (vgl. beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 29. März 1990, Zl. 89/17/0237, vom 23. Mai 1991, Zl. 88/17/0013, und vom 22. November 1996, Zl. 96/17/0421). Dementsprechend ist auch der obsiegende Vorstellungswerber berechtigt und zur Wahrung seines Rechtsstandpunktes genötigt, den aufhebenden Vorstellungsbescheid (ungeachtet dessen Spruchinhaltes) deswegen vor dem Verwaltungsgerichtshof anzufechten, weil jene Gründe, die die Aufhebung tragen, seiner Ansicht nach unzutreffend sind (vgl. die hg. Beschlüsse vom 19. Mai 1994, Zl. 91/17/0209, und vom 22. November 1996, Zl. 96/17/0421).

Die Teile der Begründung, die darlegen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen nach Auffassung der Aufsichtsbehörde Rechte des Vorstellungswerbers nicht verletzt worden sind, lösen keinerlei bindende Wirkung aus. Derartige Begründungselemente, die (ohne das Hinzutreten von Aufhebungsgründen hinsichtlich anderer Begründungselemente) zu einer Abweisung der Vorstellung führen hätten müssen, stellen keinen tragenden Grund für die Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides dar.

2.2. Die beschwerdeführende Partei wendet sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach dem gesamten Beschwerdevorbringen nicht gegen die Richtigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Aufhebung des Berufungsbescheides der Abgabenkommission der mitbeteiligten Stadt aus den im angefochtenen Bescheid genannten Gründen, mit denen die belangte Vorstellungsbehörde ihre Rechtsauffassung über eine unzutreffende Berechnung der Höhe des Ergänzungsbeitrages zum Ausdruck gebracht hat. Sie bekämpft vielmehr den angefochtenen Bescheid der Aufsichtsbehörde wegen der ihm zu Grunde liegenden Rechtsauffassung, dass die vorgenommene Vorschreibung des Ergänzungsbeitrages dem Grunde nach zu Recht erfolgt sei, was auch in der Wendung des Bescheides zum Ausdruck kommt, die Abgabenbehörde sei seinerzeit im Jahr 1988 bei der Berechnung des Anschlussbeitrages davon ausgegangen, "dass Schmutzwässer anfallen". Diese - ungeachtet des Vorbringens der beschwerdeführenden Partei im Abgaben- und Vorstellungsverfahren - in keiner Weise näher explizit gemachte oder gar begründete Auffassung der Vorstellungsbehörde über die Pflicht der Beschwerdeführerin zur Leistung eines Ergänzungsbeitrages dem Grunde nach ist für die Aufhebung nicht tragend und vermag somit keine Bindungswirkung für das fortzusetzende Abgabenverfahren zu entfalten.

2.3. Daraus folgt, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt werden konnte.

Die Beschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gemeinde war gemäß § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997 abzuweisen, weil sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 94/17/0385).

2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 15. Mai 2000

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